Dämonisch bissige Liebe - Teil 2

Autor: Noa
veröffentlicht am: 10.12.2012


Kapitel 2 - Slum

Noch immer war ich vollkommen betäubt, ob ich mir seine stechenden Blicke eingebildet haben könnte? Wer war dieser schaudernde Typ? Mein einziger Wunsch war es aus dem Zug zu steigen und zu meinem Dad ins Auto zu springen. Weg von diesem unheimlichen Ort.
Es dauerte nur wenige Minuten als der Zug an meinem Bahnhof anhielt und ich mit drei weiteren Magiern ausstieg. Draußen fiel ich in ein Gedränge aus einem zu großen Gestaltenstrom, der mich in die Mitte des Bahnhofs sog. Mit viel Mühe musste ich mich durch die Leute quetschen und die kleine Treppe zur Oberfläche betreten.
An der frischen Luft hechelte ich, teilweise vor Angst und teilweise aus Panik erstickt zu werden. Meine Lunge hob und senkte sich wie eine Pumpe, die massenhaft Luft einsog.
Gerade als ich dabei war zum Treffpunkt loszulaufen, bemerkte ich, dass meine Tasche nicht bei mir war. Dort waren meine Schulsachen und Geld.
Erst als mir dies alles bewusst wurde, fasste ich mir an den Kopf und hielt panisch die Luft an. Oh nein! Das war mir noch nie passiert.
Mit schnellen und zügigen Schritten stieg ich zurück in den personenbesetzten Strom und tauchte in die Menge hinein. Der Zug stand noch und mit etwas Glück könnte ich meine Tasche noch bekommen. Wie konnte mir so etwas Dummes passieren?
Ich ärgerte mich kolossal. Meine Gedanken kreisten sich so sehr um diesen Typen, der mir unheimliche Blicke zuwarf, dass ich meine Tasche wohl oder übel liegen ließ. Auch die Angst und der Wunsch so schnell wie möglich aus diesem Zug zu verschwinden, bedrängten mich.
Ein Mann in einem Smoking stand vor mir und ich konnte durch seine breiten Schultern und Armen nicht an ihm vorbei. Er verhinderte regelrecht meine spontane Rettungsaktion.
Mit ein paar heftigen Hieben schlängelte ich mich doch hindurch. Er schleuderte mir murmelnde, verärgerte Worte an den Kopf, wie: Pass doch auf! Freche Kröte!
Das Schimpfwort freche Kröte war derselbe wie: blöde Kuh. Für Magier war das eine ernsthafte Beleidigung. Zu Vampiren sagte man Blutsauger oder Bettlaken. Beinahe für jedes Wesen gab es passende Schimpfwörter, die meisten davon dachte ich mir selbst aus und setzte sie durch meinen weitumfassten Freundeskreis in Umlauf. Vor drei Jahren wurde ich deshalb in einen Magierstreit verwickelt, der mich beinahe von der Schule geschmissen und mich der Regierung vor die Füße geworfen hätte. Als Phyne war mein Leben eben nicht leicht.
Die Türen standen noch offen und mit einem letzten Sprung huschte ich in den Zug. Dort sog ich Luft ein und genoss den weniger drängelnden Bereich.
Da lag sie! Meine Tasche. Mir fiel ein Stein vom Herzen, den ich deutlich spürte, als er durch meinen kompletten Körper durchrutschte. Ein Lächeln umspielte meine Lippen und verärgert betrachtete ich die Tasche. Am liebsten hätte ich ihr an allem die Schuld gegeben. Vielleicht wäre ein Rucksack doch praktischer. Aber heutzutage musste man sich der Fashion in Maggon - der Magierstadt - anpassen.
Gerade wollte ich zum Aussteigen ansetzen, als der Zug losfuhr und die Türen längst geschlossen waren. Panisch umklammerte ich meine Tasche und einige Leute starrten mich mit verdutzten Blicken an.
Unauffällig setzte ich mich auf den freien Platz und versuchte nicht einer alten Dame, die gegenüber von mir saß, in die Augen zu starren. Auf meiner Stirn bildeten sich Schweißperlen und meine Füße verspürten den Drang nervös auf dem Boden zu dribbeln. Die Fingernägel gruben sich verkrampft in das braune Leder meiner Henkel.
Ich wusste welcher Bahnhof als nächstes kam, aber ich traute mich nicht auszusteigen. All diejenigen, mit denen ich damals den Magierstreit begonnen hatte, wohnten dort. Es war eine Art Slum.
Ich schluckte. Allein der Bahnhof sah heruntergekommen aus - wenige Magier, eher arbeitslose Bettler lungerten in solch einer Gegend herum. Es wäre das reinste Risiko dort auszusteigen.
Ein langer Atemzug entglitt aus meinen Lippen. Der Dämon in mir verspürte die instinktive Angst und wollte sich zu Wehr setzen. Das hätte rote Augen, feuriger Atem und warme Atmosphäre bedeutet, die jeder Magier in diesem Zug sofort wahrgenommen hätte. Es wäre praktisch meine eigene, selbst erstellte Eintrittskarte für den Tod.
Also atmete ich ein weiteres Mal, beruhigter und langsamer. Es ging mir besser. Aber noch immer stand der Ausstieg bevor, der nach folgenden fünf Minuten erscheinen würde.
Sobald nur einer der damaligen Jungs und Mädchen meinen Weg kreuzten, wurde daraus purer Ernst. Slummagier machten nie Spaß, selbst wenn man um sein Leben betteln würde. Das waren eiskalte Leute, womit unsere Schule schon ihre Probleme hatte. Mit dem lastenden Druck der Lehrer wurde die Gruppe weiter in die Tiefe gezogen und mit jedem Nachsitzen verschlimmerte sich die Situation. Es brauchten sich nur die Cliquen einiger Slummagier zusammen zu schließen und die Regierung würde auf unsere Schule aufmerksam werden.
Ich schluckte erneut und ein Kloß blieb in meinem Hals, der meinen Atemrhythmus störte. In meinem Kopf blitzte die Säuberung auf.
Vor vier Jahren schickte mich mein Vater ans andere Ende der Welt. Oceanbreakers. Die Hauptstadt der Nixen. Ich wohnte wochenlang unter einer Glaskoppel mit dem wunderschönsten Zimmer, das ich jemals betrat. Die Stadt lebte unter dem Wasser und ich konnte jeden Tag die Fische und zahlreichen Meerestiere an dem Riff beobachten. Alles strahlte in bunten Farben auf und jeden Tag fiel der Sonneneinfall auf die Korallen. Trotzdem fühlte ich mich unwohl, da mein Vater alles tun musste, um die Säuberung für mich positiv ausfallen zu lassen. Damals verloren eintausend Phynes ihr Leben. Diese Tage waren, trotz der hervorragenden Atmosphäre, einer meiner schlimmsten.
Es schauderte mich an diese Zeit zurückzudenken, da sie eigentlich der Vergangenheit angehörte.
Die Bremsen quietschten und rissen mich aus meinen Gedanken. Ob Vater mich auch zwei Bahnsteige weiter anholen würde? Meine momentane Aktion bedeutete Ärger, Hausarrest und weitere Stunden nachsitzen.
Daher entnahm ich mein Handy aus der Tasche und tippte für ihn eine passende SMS ein. Ich sagte ihm, das ich einen Bahngleis weiter aussteige und er solle nicht allzu böse auf mich sein.
Er antwortete mit einem erzürnten Smiley.
Die Waggontüren sprangen auf und drei Magier, dessen Kleidung heruntergekommen wirkte, verließen den Zug. Ihre finsteren Gesichter waren tief in einen Schal gewickelt und in eine Kapuze gezogen.
Mit zitternden Beinen sprang ich ihnen nach und merkte wie menschenleer die U-Bahn war. Nur ein Obdachloser schlief auf einer Bank, die mit Graffiti besprüht worden war. Die Wände passten sich dem Schmutz und der verwahrlosten Atmosphäre an. Auf dem Boden klebte Kaugummi und Plakate waren zur Hälfte abgerissen. Manche schienen auch den Farbdosen zum Opfer gefallen zu sein.
Meine Kleidung, sowie Accessoires und alles was mich ausmachte, passten nicht hierher. Schon allein beim Ausstieg stießen neugierige und gelüstete Blicke auf mich ein. Ein ziemlich beschmutzter, alter Mann hatte ein Auge auf mich geworfen.
Ich rümpfte meine Nase und ließ mir nicht anmerken, dass meine Knie, durch die erstickende Angst in mir, schlotterten. Dazu kamen meine kleinen Absätze, die schallend in die U-Bahn preschten. Noch mehr Augen begutachteten mich und mir blieb die Luft weg, als ich merkte, wie mir die gierigen Bettler folgten. Sie wussten, dass ich nicht mit leeren Taschen aus dem Zug stieg. Sie wollten meinen Wert, der in meiner Tasche und an meiner Haut lag. Kleidung und Geld.
Es gab noch weitere Gründe, an die ich jedoch nicht zu denken wagte, da mich sonst der Ekel überkam.
Meine Füße stampften durch einen Tunnel und am anderen Ende schien das Außenlicht die Treppen hinunter. Der Ausgang!
Meine Beine wurden immer schneller, sie rasten beinahe und trotzdem blieb mein Ziel weit entfernt. Das Klackern wurde lauter durch meine rasche und eilende Bewegung, das es sogar die Aufmerksamkeit deren erweckte, die sich in den Nebengängen befanden und neugierig ihre Hälse streckten. Die stechenden Augen meiner Verfolger bohrten sich langsam und qualvoll in meinen Nacken. Ich petzte die Lider hinunter. <font;_italic>Lass es aufhören! </font>
Ein schlimmer Tag endete meistens mit dem Schrecklichsten. Sollte das etwa das Highlight des Abends sein? Ein paar Bettler folgten meinen Schritten, Nadelblicke stachen mich und unter meinen Füßen befand sich ein Haufen Dreck. Gab es denn noch eine höhere Stufe der Qual?
Ich steckte meine Hände in die schwarze Lederjacke und betete, dass meine Füße endlich die Stufen bestiegen.
Doch dann passierte genau das, wovor ich am meisten Angst hatte.
Die Slummagier erschienen. Zahlreich. Rachsüchtig. Wütend.
Mein Atem erstickte und eine Schweißperle drohte von meiner Stirn zu fließen. Ihre Gesichter kannte ich alle. Mitch, der Anführer der kleinen Bande. Er hatte dunkelblondes, längeres Haar, große, düstere Augen, eine zerfledderte Jeansjacke, lange Beine und einen muskulösen Körper, der sich durch seine Größe nichts anmerken ließ. Aber bestimmt konnte man seine Kraft spüren. Schmerzhaft.
Er zauberte niemals mit einem Stab, sondern mit den Fingern und darin war er unglaublich gut. Wäre damals nicht mein Clique und ein paar Lehrer dazwischen gegangen, hätte es für mich böse geendet. Was hatte man auch schon in der Hand gegen sieben Slummagier?
Aus Angst blieb ich endgültig stehen und beobachtete wie sie die Treppe hinunter kamen. Mitchs Blick fiel sofort auf mich. Er musterte mich erst, überlegte, ob ich es tatsächlich sein könnte. Sein frevelhaftes Grinsen verpasste mir eine eisige Gänsehaut. Er hatte mich allerdings entdeckt. Sein Finger zeigte in meine Richtungen, der alle anderen Augen folgten. Auch der Rest zog ein ekliges Lächeln in ihr Gesicht und meine Lunge brannte wie Feuer. Ich bemerkte, dass ich keinen Atemzug mehr getan hatte, als ich die Slummagier entdeckte.
Ich sog die Luft ein und schaute zu wie sie mit schnellen Schritten auf mich zustürmten. Erst als die Angst mich endgültig packte, spannte ich all meine Muskeln an und lief so schnell ich konnte. Die Dämonin in mir wollte aus meinem Körper schreiten und selbst meine Bemühungen schienen bald keine Kraft mehr gegen die Instinkte zu haben. Die Angst war zu groß, meine Nervosität zu hoch und die Anspannung zu stark.
Das Klimpern meiner Schuhe war nun so laut, das tatsächlich jeder dem ich ins Sichtfeld geriet, mir nachschaute und sogar hochschreckte.
Ich spürte wie die roten Augen zum Vorschein kamen. Meine Bemühungen hielten nicht länger stand. Sie wollte aus meinem Körper ausbrechen, mein Handeln übernehmen und anhalten, um den Magiern entgegenzutreten. Das wäre mein Tod.






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