Gestern, heute, morgen - Eine Liebe für die Ewigkeit - Teil 6

Autor: Raindrop
veröffentlicht am: 21.11.2012


Kapitel 6

Nach einer -wieder mal- schlaflosen Nacht, fühlte ich mich wie gerädert. Ich lag mit offenen Augen in meinem Bett und schaute jede fünf Minuten auf den Wecker. Als dieser dann klingelte, schaltete ich ihn aus und schleppte mich aus dem Bett. Schnell machte ich mich fertig und versuchte mit etwas Make-up und Wimperntusche zu retten, was noch zu retten war.
“Guten Morgen Liebes.” - begrüßte mich meine Mutter mit einer nervig fröhlicher Stimme und bekam von mir nur ein Murmeln als Antwort. Ich ließ mich auf meinen Stuhl fallen und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. “Geht es dir gut?” - wollte meiner Mutter sofort wissen.
“Ich habe schlecht geschlafen.” - jammerte ich hinter meinen Händen.
“Das ist schon die zweite Nacht, in der du nicht so gut schlafen konntest.” - stellte sie klar und stellte einen Teller mit Pfannkuchen vor mir auf den Tisch. “Vielleicht sollten wir deine Matratze auswechseln oder die Bettwäsche wechseln.” - schlug sie vor.
“Mit der Matratze ist alles in Ordnung und die Bettwäsche hast du erst vor 2 Tagen gewechselt.”
“Vielleicht ist es das Waschmittel oder der Weichspüler. Ich habe einen neuen ausprobiert.” - rätselte sie weiterhin und brachte mich mit ihren irrsinnigen Theorien zur Weißglut.
“Das ist doch Quatsch. Ich kann nur nicht schlafen.” - maulte ich sie an und stocherte mit meiner Gabel in den Pfannkuchen rum. Wie auch gestern Morgen hatte ich gar keinen Hunger. Aber mir war auch bewusste, dass wenn ich jetzt keinen Bissen runterschluckte, meine Mutter sich noch mehr Gedanken macht und mich noch um den Verstand damit bringt.
“Ich muss los.” - sagte ich dann und sprang auf.
“Aber es ist doch noch so früh.” - wunderte sich meine Mutter.
“Ähh… ich wollte mich noch mit Mila treffen.” - log ich und stürmte aus der Haustür um weiteren Fragen ihrerseits zu entkommen.
Die morgige Luft war frisch und unverfälscht. Ich sog sie genüsslich auf und lief langsam zur Bushaltestelle. Ein Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass ich fast eine halbe Stunde zu früh dran war. Entkräftet ließ ich mich auf die Bank fallen und seufzte. Ich warf den Kopf in den Nacken und schloss meine Augen.
War ich müde. Warum bin ich heute überhaupt aufgestanden?
Ich hatte so viele Probleme, die meiner vollen Aufmerksamkeit bedurften, doch im Moment war ich nicht mal in der Lage klar zu denken, geschweige denn nach Lösungen zu suchen.
“Hi.” - wurde ich unerwartet angesprochen und schrak zusammen.
Diese Stimme würde ich unter tausenden erkennen. Mein Herz schlug wie wild, mein Atem ging schnell und es rauschte in meinen Ohren. Ich wagte es, die Augen aufzuschlagen und sah Sean neben mir stehen.
Er sah so gut aus. Genauso hatte ich ihn in Erinnerung, nur einige Jahre älter, doch genauso maskulin und unglaublich anziehend.
Lässig lehnte er an einer Straßenlaterne und hatte die Hände in den Taschen versenkt.
“Hi.” - ich stellte fest, dass meine Stimme zu zittern und meine Handflächen zu schwitzen anfingen.
“Anni?” - fragte er dann.
“Abby.” - berichtigte ich ihn.
“Oh, klar. Abby.” - sagte Sean dazu und widmete sich dem Handy in seiner Hand.
Ich schluckte schmerzhaft und hielt die Tränen zurück, die mir in die Augen brannten. Ein schmerzhafter Stich durchzog meinen Körper. Es tat so weh, dass der Mensch, den man mehr liebte als alles andere auf der Welt, nicht mal deinen Namen kannte und dich auch nicht beachtete.
“Sag mal, warum bist du so früh hier? Der Bus kommt erst in 20 Minuten.” - wollte Sean dann wissen und riss mich aus meinen Gedanken.
“Einfach so.” - meinte ich nur und schluckte erneut. Alleine der Klang seiner Stimme bereitet mir Schmerzen und es war wie eine Folter, hier neben ihn zu sitzen. “Und du?”
“Hatte keinen Bock auf die heile Familie meines Alten.” - gab er zurück und ich vernahm eine Spur von Frust in seiner Stimme. “Seine neue Frau und das Balg gehen mir tierisch auf den Sack.” - fügte er hinzu und zog eine Packung Zigaretten aus seiner Tasche und zündete sich eine an. “Spielen die perfekte Familie aus einer Vorstadt. Zum Kotzen.” - er inhalierte und blies der Rauch durch die Nase aus.
“Tut mir leid.” - das wollte ich eigentlich nicht sagen. Aber irgendwie füllte ich mich für sein Leben verantwortlich. Ich lief rot an.
“Du kannst doch nichts dafür.” - er schenkte mir ein einseitiges Lächeln. “So spielt das Leben.”
`Wenn du nur wüsstest?` - dachte ich nur, erwiderte aber nichts, weil ich Angst hatte etwas falsches zu sagen.
“Warum bist du eigentlich aus Detroit hierhin gezogen?” - fragte ich dann, um das Thema in die andere Richtung zu lenken.
“Ich hatte ein paar Probleme mit dem Gesetz und meine Mutter fühlte sich mit der Erziehung etwas überfordert. Also hat sie das für sie einfachste gemacht und mich zu meinem Vater geschickt.” - erzählte er mir und ließ den Zigarettenstummel auf den Boden fallen.
“Das tut mir aber leid.” - wiederholte ich, weil ich nicht wusste, wie ich auf das Gesagte reagieren sollte.
“Ist schon okay.” - winkte Sean ab. “Ich werde es schon überleben.”
Ein betretendes Schweigen trat ein. Wie schwer es für mich war, hier neben ihm zu stehen, mit ihm zu sprechen und nicht mit ihm zusammen sein zu dürfen, war in Worten nicht auszudrücken. Es war ein Schmerz, die der Eingeweide zusammenzog und das Herz in zweit riss.
Ich blinzelte die Tränen weg.
“Halloooo.” -- hörte ich Mila rufen und atmete erleichtert aus. Erfreut sprang ich auf und lief ihr entgegen. Sie nahm mich in den Arm. Sie wusste gar nicht, wie dankbar ich ihr war, dass sie mich aus dieser mehr als unangenehmen Situation rausholte.
“Hi.” - begrüßte ich sie und zusammen gingen wir zurück zur Haltestelle.
“Hallo Sean.” - sie lächelte ihn an.
“Hi.” - gab er nur zurück.
“Hast du schon darüber nachgedacht, uns bei dem Straßenfest zu helfen?” - überfiel sie ihn sofort.
“Ja, ich kann nicht.” - meinte er nur dazu, ohne weitere Erklärung, obwohl Mila ihn fragend ansah.
“Okay.” - sie schien über seine Ablehnung sehr enttäuscht. “Aber du kommt dorthin oder?” - ihre Fröhlichkeit war wieder zurückgekehrt.
“Mal sehen.” - Sean zuckte nur mit den Schultern.
“Okay.” - Mila war etwas irritiert und sah mich hilfesuchend an.
“Lass ihn doch. Er muss sich erst eingewöhnen.” - meinte ich dann.
“Du hast recht.” - pflichtete mir Mila zu. “Und hast du dir schon Gedanken über dein Date mit Tony gemacht?” - wechselte sie rasch das Thema und lächelte mich an.
“Nein.” - meinte ich und sah zu Sean rüber. Er reagierte gar nicht auf Milas Frage und war ganz mit dem Handy in seiner Hand beschäftigt.
Erneut bekam ich einen schmerzhaften Stich mitten ins Herz.
Mir war bewusst, dass er nichts dafür konnte, dass er sich an unsere gemeinsame Vergangenheit erinnerte, dennoch tat er mit seiner Gleichgültigkeit weh.
Schuld an meiner Misere war ganz allein das gemeine, häßliche Schicksal.






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