Black Star - Teil 5

Autor: Selly
veröffentlicht am: 10.10.2012


„So war das nicht gemeint“, meinte Ariel hinter mir und versuchte mich einzuholen.
„Mir egal“, sagte ich nur und beschleunigte meinen Gang, was nichts brachte, da er schon neben mir ging.
„Wohin gehst du?“, versuchte er das Thema zu wechseln.
„Nach Hause.“
„Darf ich dich begleiten?“
„Nein“, meinte ich und schaute ihn an. Erst jetzt fiel mir auf wie grün seine Augen waren. Tief atmete ich aus und es kam mir so vor, als hätte ich die ganze Zeit die Luft angehalten. Unberührt ging ich weiter. Der Weg bis zu mir war lang und ich bezweifelte, dass Ariel sich abschrecken ließ.
„Wo wohnst du denn?“, wollte er nun mit neuem Mut in der Stimme wissen.
„Weiter draußen“, antwortete ich nur knapp ohne ins Detail zu gehen. Er sagte nichts mehr, sondern hielt einfach mit mir Schritt. Wir kamen an Läden vorbei, die die neuste Mode anboten, an Cafés , aus denen verlockende Düfte strömten und Grünflächen ,auf denen sich Pärchen und Freunde vergnügten oder einfach nur relaxten.
Irgendwie mochte ich es, den Heimweg nicht alleine gehen zu müssen. Trotzdem machte mich Ariels Gegenwart ein wenig nervös, weswegen ich gerne das Allein sein hingenommen hätte.
„Ich hab dich gar nicht so still eingeschätzt“, versuchte er es nach einiger Zeit erneut.
„Und ich hab dich nicht so aufdringlich eingeschätzt“, konterte ich und sah ihn an. Er lachte einfach laut los und schaute mich danach immer noch lächelnd an.
„Was?“, fragte ich irritiert und auch ein wenig nervös.
„Nichts“, meinte er nur, immer noch lächelnd. Sofort wendete ich den Blick ab und schaute in die Schaufenster, an denen wir vorbeikamen. Kurz blieb ich stehen, weil ich im Ladeninneren eine mir bekannte Person entdeckte. Mary stand dort, umgarnt von Verkäufern, die ihr ein Kleid nach dem nächsten zum Anprobieren anhielten. Gierig nahm sie jedes an, bis sie Ariel und mich entdeckte. Sofort lief sie rot an, aber nicht vor Scham, sondern vor Wut.
„Ich sollte jetzt besser gehen“, stellte ich nur trocken fest und machte mich schon auf den Weg. Aber dann hörte ich schon Marys Stimme hinter mir: „Was soll das denn, bitteschön?!“
Ich blieb ganz ruhig und setzte einen Fuß vor den anderen.
„Ist das hässliche Entlein jetzt gekommen, um sich meine Kleiderauswahl abzugucken, oder was?“, spottete Mary und ich konnte vor meinem inneren Auge schon sehen, wie sie Ariel triumphierend an sich zog. Dieser lächelte bestimmt, weil er es geschafft hatte, mich in diese Lage zu bringen.
„Wieso gehst du denn schon? Vielleicht weil bei dir einfach auch kein hübsches Kleid mehr hilft? Was wirst du denn beim Ball tragen? Oder hat dich niemand gefragt? Wahrscheinlich nicht, wer denn auch!? Dein Dad ist bestimmt stolz auf dich. Ach, ich vergaß, kann er ja gar nicht mehr! “, rief sie mir in einem rasenden Tempo hinterher, als ob sie den Text schon einstudiert hatte. Ich wollte es so gut es ging ignorieren, aber als sie meinen Dad erwähnte, brannten in mir alle Sicherungen durch. Sofort machte ich auf dem Absatz kehrt und ging zurück.
„Jetzt pass mal auf du botoxgefüllte Barbie! Ich werde auf diesem verdammten Ball erscheinen und glaub mir, ich werde besser aussehen als du, was nicht sonderlich schwer sein wird! Falls es dich interessiert wurde ich gefragt, wenn nicht sogar eingeladen. Und auch ein ja, auf deine letzte Frage. Mein Dad wird stolz auf mich sein, denn ihn und mich verbindet mehr als das Wort Geld, nämlich Liebe. Ach, ich vergaß, das Wort kennst du ja nicht. Weißt du, das steht manchmal dick und fett auf deinen viel zu engen T-Shirts oder auf einer deinen teuren Taschen! Und jetzt geh einfach wieder zurück in deinen Designerladen und nimm deinen Märchenprinzen hier gleich mit!“, brüllte ich sie auf offener Straße an. Manche Passanten drehten sich nach uns um, was mir gleichgültig war, denn Mary hatte den Bogen überspannt.
„Dann freu ich mich auf Freitagabend, Cinderella “, spottete sie und musterte mich noch einmal von oben bis unten. „Komm Ariel, du musst mir helfen, das schönste Kleid zu finden.“ Und damit verschwanden die beiden im Laden.
Wütend auf Mary, auf Ariel und letztendlich auch auf mich selbst, weil ich die Kontrolle verloren hatte, machte ich mich auf den Weg nach Hause. Es war nicht mehr weit und mit jedem Schritt hätte ich mich für meine Worte ohrfeigen können. Wie konnte ich so dumm sein und Mary diese Chance liefern? Ich und dieser Ball. Ich und ein Kleid. Ich und … und keine Begleitung. Der Abend würde ein Reinfall werden. Noch wochenlang würde Mary mich zum Gespött der Schule machen, was in meinen Augen das geringere Übel war. Vielleicht sollte ich doch einfach nicht hingehen und dies eben als Albernheit abtun. Aber Mary hatte Zeugen, somit konnte ich nicht sagen, dass sie sich das alles ausdachte, denn Ariel würde zu ihr stehen.
Seufzend blieb ich vor einem großen, weißen Haus stehen, welches von einem weißen steinernen Zaun umgeben war. Es wirkte elegant und hell, fast schon perfekt. Ich ging auf das hohe eiserne Tor zu und drückte einen metallenen Knopf, worauf ein Surren die Luft erfüllte. Sacht stieß ich das Tor auf und ging hindurch. Als ich an den gelben Blumen auf dem gewundenen Weg dahinging, hörte ich noch das Klacken, als ich das schwarze Auto in unserer Einfahrt sah. Sofort erreichte meine Laune den Tiefpunkt, da ich nun wusste, dass Daniel da war.
Es waren fünf Treppenstufen, die ich zu unserer Veranda hinaufstieg und genauso oft drückte ich auch auf die silberne Klingel unter der in geschwungenen Lettern O’Brian stand. Es dauerte nicht lange, bis ich Schritte hinter der großen weiß-blauen Tür hörte. Mit Schwung öffnete meine Mutter mir.
„Hallo, mein Schatz“, begrüßte sie mich und ich trat ein. Aus dem offenen Wohnzimmer nebenan, welches gleichzeitig mit der Küche verbunden war, hörte ich Daniels Lieblingsband krächzen. Somit hatte er schon das ganze Haus übernommen.
„Daniel und ich kochen was Schönes. Möchtest du auch etwas?“, verkündete mir meine Mum fröhlich.
„Nein“, antwortete ich nur trocken und ging durch den Flur in unser Wohnzimmer, nachdem meine Mutter die Tür geschlossen hatte. Es war groß und in einem leichten Vanille-Ton gestrichen. Die bis zur Wand hohen Fenster waren geöffnet, so dass sich die weißen Gardinen leicht im sommerlichen Wind bewegten und meiner Meinung nach den Boden wischten. Ich ging weiter in die Küche, wo Daniel hinter der Theke stand und irgendetwas Grünes zurechtschnitt.
„Schön, dass du da bist, Ela“, sagte er und ich hörte diesen ironischen Unterton in seiner Stimme.
„Ich wünschte, ich könnte das gleiche von dir behaupten“, erwiderte ich trocken.
„Ela!“, hörte ich meine Mutter hinter mir empört.
„Was denn? Ich muss doch nicht jeden mögen, oder?“ Und Daniel schon gar nicht. Der neue Freund meiner Mutter war mir einfach zu wider. Er versuchte sich schon seit Monaten hier rein zu drängeln, obwohl ich fand, dass kein Platz für ihn war.
„Wir kochen Spaghetti-Bolognese“, versuchte Daniel meinen Kommentar zu überspielen.
„Dann pass auf, dass du dich bei diesem Kunststück nicht übernimmst“ , sagte ich und ging hinaus. „Sie will wohl nicht mitessen“, hörte ich Daniel noch zu meiner Mutter sagen, als ich schon auf dem Weg die breite Treppe hoch war.






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