Schatten des Mondes - Teil 22

Autor: Ai
veröffentlicht am: 14.08.2013


„Weil ich dich liebe.“
Ach du Scheiße. Hat er das gerade wirklich gesagt? Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte, die Überraschung darüber hatte mich geradezu übermannt. „Ist das dein Ernst?“ „Natürlich.“ „Warum …“ ich war total verwirrt. „Warum sagst du mir das erst jetzt?“ Er schloss die Augen und atmete einmal tief durch. „Ich … ich hab‘s so oft versucht.“ Was hat er? Das hätte mir doch auffallen müssen.
„Seit wann“, ich schluckte. „Seit wann bist du in mich verliebt?“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern. Schon verdammt lange.“ Was?! Schon verdammt lange? Wie konnte das sein? Wie konnte es sein, dass ich davon nichts mitbekommen habe?
„Aber Eric …“ ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
„Du hast die Rose fallen lassen“, sagte er, den Blick auf den Boden gerichtet.
„Was?“
„Die weiße Rose, die ich dir auf dem Spielplatz vor fünf Jahren gegeben habe. Du hast sie fallen lassen.“ Er seufzte. „Ich …“ er ballte die Hände zu Fäusten. „Ich war so wütend darüber.“ „Ich hatte mich gestochen“, sagte ich traurig. Langsam begann ich zu verstehen.
„Was?“ er wirkte überrascht. Er hatte es damals tatsächlich nicht mitbekommen. Deshalb war er wütend. Er dachte, ich wollte die Rose nicht. Ich wollte seine Liebe nicht. Er hat sie mir geschenkt, weil er in mich verliebt war.
„Ich hatte sie vor Schreck fallen lassen, weil ich mich in den Finger gestochen hatte.“ Ich war auch in ihn verliebt. Wer hätte sich nicht in ihn verlieben können? Er war so nett und lustig und ein guter Freund. Doch die Betonung liegt auf war. Er ist schon lange kein guter Freund mehr für mich.
„Vio …“ ich warf ihm einen finsteren Blick zu. Sein Geständnis änderte nichts an der Tatsache, dass er mich nicht mehr Vio nennen sollte. „Violetta“, verbesserte er sich. „Es tut mir leid, wenn ich das gewusst hätte …“ Er sah echt traurig aus.
„Wenn du mich gefragt hättest, hättest du es wissen können! Aber du bist einfach gegangen!“ Ich spürte die Wut wieder in mir aufsteigen. „Du bist gegangen und hast mich ab da wie einen Haufen Scheiße behandelt! Wie kann man jemanden, den man angeblich liebt, nur so behandeln?!“ All die Wut, die sich in den letzten Jahren in mir angestaut hatte, kam nun zum Vorschein. Erics Miene veränderte sich. Er sah traurig aus, trotzdem konnte ich mich nicht mehr beherrschen. „Ich war auch in dich verliebt, du Vollidiot!“ schrie ich und die Tränen quollen aus meinen Augen.
Erics Miene hellte sich wieder auf. „Was?“ fragte er verwundert.
„Ich war in dich verliebt, bis zu dem Tag, an dem du mich allein am Spielplatz hast stehen lassen!“ schrie ich ihn an, machte auf dem Absatz kehrt und stapfte über die Wiese davon.
Mir schwirrte der Kopf. Eric war in mich verliebt. Er war in mich verliebt und zwar schon so lange, dass er nicht einmal mehr genau wusste, seit wann. Ein Teil meines Herzens machte Luftsprünge, doch es war nur ein kleiner Teil. Der Rest meines Herzens zog sich zusammen, wütende Tränen quollen mir über die Wangen und brannten wie Feuer. Ich fühlte mich fast wie an jenem Tag, als unsere Freundschaft in die Brüche ging, nur weil ich mich an dieser verdammten Rose gestochen hatte und er zu arrogant, zu verletzt oder was auch immer war, um mit mir zu reden!
„Violetta!“ Ich hörte Erics Stimme dicht hinter mir. „Violetta! Bitte warte!“ Ich stapfte wütend weiter durch den Wald. „Bitte, lass uns reden.“ Abrupt blieb ich stehen. „Worüber willst du noch reden?“ knurrte ich.
Er trat vor mich, ein schüchternes Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Du warst in mich verliebt?“ fragte er hoffnungsvoll.
Ich verdrehte die Augen. „Ja, ich WAR in dich verliebt!“ „Das könnte doch wieder so sein“, sagte er grinsend. Was bildete sich dieser Vollidiot eigentlich ein? Das ich Blindlinks seinem Vampircharme erliegen würde, wie schon zwei Mal. Gott wie peinlich. Doch nach Allem, was ich jetzt wusste, würde ich auf seine funkelnden Augen nicht mehr hereinfallen.
„Nein, das könnte es nicht!“ Seine Unverfrorenheit machte mich noch wütender. Ich hatte im Moment ohnehin besseres zu tun, als mir zu überlegen, ob ich noch Gefühle für Eric hatte, oder nicht.
Die Brände, die vier Gestalten. Wer hatte mich gestern Nacht wieder nach Hause gebracht? Was sollte das Alles nur? Hatten die Wickers vielleicht doch etwas damit zu tun. Und warum war an den Orten, an denen es gebrannt hatte, regenbogenfarbenes Funkeln zu sehen?
Ich hatte im Moment absolut keine Lust, mich mit Eric zu beschäftigen, das hatte ich vor fünf Jahren schon oft genug getan. Ich glaube, ich hatte noch nie so viel geweint, wie in der ersten Zeit nachdem Eric unsere Freundschaft beendet hatte. Er war mein bester Freund und meine erste Liebe und er gab mir das Gefühl, ich wäre ihm egal.
Meine Mutter hat sich nicht eingemischt. Sie hat aber auch nie von mir verlangt, dass ich mit Eric reden musste, wenn wir bei ihnen zum Essen waren. Ich habe ihr zwar nie erzählt, was passiert ist – vielleicht auch, weil ich es selbst nicht so richtig verstanden hatte – aber irgendwie wusste sie trotzdem, was passiert war. Der erste Freitagabend nach der Sache auf dem Spielplatz war der allerschlimmste meines Lebens. Danach habe ich mich fünf Wochen geweigert mitzukommen und meine Mutter hat das akzeptiert. Zum Glück.







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