Schatten des Mondes - Teil 13

Autor: Ai
veröffentlicht am: 06.11.2012


Die zwei Stunden Geschichte vergingen viel zu schnell. Ich hatte keine Lust auf eine Mittagspause mit Bill und der Schar von Mädchen, die sich mit Sicherheit um ihn scharren würde. Doch mir blieb nach Ende der zweiten Stunde wohl nichts anderes übrig, immerhin hatte ich ihm schon gesagt, dass wir uns sehen würden und wie ein Feigling verstecken wollte ich mich auch nicht.
Also auf zur Cafeteria. Es war noch nicht viel los und das Essen war schlecht, wie immer. Also stellte ich mich, wie immer, an die Salatbar und kippe mir Haufenweise grünen Salat und Tomaten auf den Teller. Dann hol ich mir noch eine Cola, damit das Essen nicht zu gesund ausfällt und begebe mich zu unserem „Stammtisch“. Wobei „Stammtisch“ eigentlich nicht der richtige Name dafür ist. Kaschmir und ich sitzen zwar jeden Tag dort, aber nur, weil wir von jedem anderen Tisch vertrieben werden würden. Also haben wir eigentlich gar keine andere Wahl.
Kaum hatte ich das Tablett mit meinem Essen auf den Tisch gestellt, kam auch schon Eric mit seinem Gefolge hereinspaziert. Eric alleine war schon unerträglich für mich, vor allem, wenn ich an vergangene Freitagnacht denke, aber mit seinen Anhängern war er die pure Qual.
Eric würdigte mich eines kurzen Blickes. Mir schauderte, als er zu mir herüber sah, während Dalia, eine Fee mit pinken Flügeln und blonden Locken, die schon seit Jahren auf ihn stand, seinem Blick folgend, einen finsteren Blick für mich übrig hatte. Dann wandte er sich wieder der Menüauswahl zu. Für Vampire gab es eine Auswahl an Blutgruppen. Hauptsächlich Spenden von Freiwilligen. Nur so konnte ein friedliches Zusammenleben funktionieren. Es gab eine große Auswahl an Geschmacksrichtungen. Immerhin spendeten Menschen, Hexen, Feen und Werwölfe ihr kostbares Blut und scheinbar hatten sie alle unterschiedliches. Jede Art hatte dann natürlich auch 4 Blutgruppen und dazu kam auch noch der Rhesusfaktor. Also ergab sich alles in allem eine beachtliche Auswahl von 32 Sorten und was blieb für alle Nicht-Blutsauger? Drei verschiedene geschmacklose Menüs, von denen eines vegetarisch war und dazu eine Salatbar. Toll.
Eric griff zu einer Flasche Hexenblut, Gruppe B positiv. Meine Blutgruppe. Ich schluckte. Theoretisch könnte das mein Blut in der Flasche sein, ich spende fast jede Woche. Das ist mir lieber, als irgendwann einmal eines Nachts von einem hungrigen Vampir angefallen zu werden. Aber das kann unmöglich beabsichtigt sein. Er hat doch keine Ahnung von meiner Blutgruppe, oder? So ein Mist. Ich will doch gar nicht über diesen Idioten nachdenken.
Bevor überhaupt bemerkt habe, dass Kaschmir den Raum betreten hat, sitzt sie schon neben mir. Die Nase in einem ihrer Bücher und auf dem Tablett ein Apfel und eine Flasche Wasser, wie jeden Tag. Kaschmir war, wie ich schon erwähnt hatte, nicht meine beste Freundin, aber die einzige, die ich als so etwas wie eine Freundin bezeichnen konnte. Wir redeten zwar nie viel, weil sie meistens in einem Buch vertieft war, aber dafür musste ich mir von ihr auch keine dummen Sprüche anhören.
„Kaschmir?“ fing ich vorsichtig an.
„Hm?“ murmelte sie.
„Ich hab William Wicker zu uns an den Tisch eingeladen.“
„Hm.“ Hm? Das war alles? Hörte sie mir überhaupt zu. „Moment mal.“ Sie sah von ihrem Buch auf. „Was hast du gerade gesagt?“ Aha, sie hatte mir also nicht zugehört.
„William Wicker wird mit uns essen. Oder besser gesagt, uns beim Essen zusehen.“
„Warum?“ Warum? Was soll ich darauf sagen? Weil ich bei diesem Lächeln nicht nein sagen konnte? Bin mir nicht sicher, ob das bei ihr so gut ankommen würde.
Ich entschloss mich für die halbe Wahrheit. „Weil er gefragt hat und ich nicht nein sagen wollte.“ So klang es nicht, als wäre ich total bescheuert.
„Na gut, von mir aus“, war Kaschmirs Reaktion, sie steckte ihre Nase wieder in ihr Buch und laß weiter, als hätte ich nichts gesagt.
Kurze Zeit darauf kam auch schon Bill an den Tisch spaziert. „Hey“, sagte er, mit diesem umwerfenden Lächeln. Ich glotzte ihn nur dumm an. „Darf ich?“ fragte er und deutete auf den Stuhl neben mir.
„Eh...“, stammelte ich. „Ja klar.“
Er setzte sich. Als ich verzweifelt versuchte, nicht wieder knallrot anzulaufen, ließ ich meinen Blick unauffällig durch den Raum schweifen. Mein Blick blieb wieder bei Eric hängen, der inzwischen an seinem Stammtisch rechts von mir, am anderen Ende des Raumes, saß und durch einen Strohhalm möglicherweise mein Blut trank. Ich schauderte bei dem Gedanken daran. Starr war sein Blick geradeaus auf mich gerichtet. Auf mich? Warum auf mich? Warum glotze er so blöd herüber? Oh Mist, jetzt hat er bemerkt, dass ich ihn gesehen habe. Sofort steht er auf und kommt auf mich zu. Schnell wende ich mich wieder Bill zu.
„Violetta?“ fragt der vermutlich nicht zum ersten Mal. Warum hab ich mich von Eric so ablenken lassen.
„Eh sorry, was?“ frage ich verlegen.
„Wann hast du heute aus?“ fragt er, vermutlich auch nicht zum ersten Mal.
„Eh …“ ich muss kurz überlegen. Diese Situation überfordert mich gerade sehr. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Eric schon fast da ist. „Noch drei Stunden“, sage ich dann hastig.
„Gut“, Bills Lächeln lässt meine Knie weich werden. „Dann sehen wir uns nach der Schule.“ Ach du meine Güte!
„Vio“, toll, Eric ist da. Und warum nennt er mich Vio?
Ich sehe zu ihm auf und bemühe mich, eine möglichst neutrale Miene aufzusetzen, was mir auch ganz gut zu gelingen scheint. „Was willst du?“ raune ich ihn an.
„Hast du kurz Zeit?“
„Wofür?“
„Um zu reden“, sagt er bestimmend.
„Ich unterhalte mich gerade“, sage ich und deute zu Bill.
Eric mustert Bill mit einem argwöhnischen Blick. Ich weiß gar nicht, wie sich die zwei Freitagabend verstanden haben, dafür war ich zu verzaubert. Oh Gott, bloß nicht wieder an diesen Abend denken, dabei steigt mir die Schamesröte ins Gesicht.
Bill setzt sein strahlendes Lächeln auf und sagt: „Ist schon okay, von mir aus kannst du gehen.“ Warum ist er nur so nett. Ich will doch gar nicht mir Eric reden. Egal, was er mir zu sagen hat, ich will es gar nicht hören.





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