Schatten des Mondes - Teil 3

Autor: Ai
veröffentlicht am: 04.10.2012


Man weiß erst nach so einem Abend sein warmes und kuscheliges Bett richtig zu schätzen. Und eine große Tasse Tee ist bei so einer Gelegenheit sicher auch nicht fehl am Platz.
„Gute Nacht mein Schatz“, sagte meine Mutter, als sie mir die Tasse auf mein Nachtkästchen stellte und mir einen Kuss auf die Stirn gab.
„Gute Nacht Mama.“
Sie strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und murmelte dabei irgendetwas, das ich nicht verstehen konnte. Wohl ein Zauber. „Schlaf gut, meine kleine Violetta“, mit diesen Worten ging sie aus meinem Zimmer.
Langsam ließ ich mich auf die weichen Kissen zurücksinken. Ein furchtbarer Abend und das alles nur dank Eric und diesem blöden Sturm.
Chica, mein Hund, legte den Kopf auf mein Bett und gab ein jämmerliches Winseln von sich. Sie wollte Aufmerksamkeit. Langsam hob ich meine Hand und tätschelte ihr den Kopf. Ich hörte, wie ihr Schwanz auf den Teppich trommelte. „Na komm schon rauf“, sagte ich und sie tat sofort, wie ihr geheißen. Mit einem Satz landete sie auf meinem Bauch. Die Zeiten, in denen sie leicht genug war, um mir dabei nicht weh zu tun waren eindeutig vorbei. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rollte ich sie von mir herunter und sie blieb schwanzwedelnd neben mir liegen. Als sie noch ein Welpe war, konnte ich sogar mit ihr zusammen auf dem Besen fliegen, diese Zeiten waren auch schon sehr lange vorbei.
In einem Schluck trank ich die ganze Tasse aus um gleich darauf feststellen zu dürfen, dass das ein sehr großer Fehler war. Als sich meine Kehle nicht mehr ganz so verätzt anfühlte, löschte ich das Licht und rollte mich in Embryonalstellung zusammen. Chica rollte sich am Fußende meines Bettes zusammen und begann lautstark zu schnarchen.
Der Wind pfiff durch die Ritzen zwischen den Dachschindeln und hielt mich noch eine ganze Weile wach. Dabei konnte ich nicht darum herum über Eric nachzudenken. Normalerweise ließ er sich nicht dazu herab, mit mir zu reden und wenn, dann waren es nur irgendwelche Beleidigungen oder Drohungen. Ach wenn seine Bemerkung in der Küche auf den ersten Moment ziemlich abfällig erscheint, war es doch so ziemlich das netteste, was er in den letzten Jahren zu mir gesagt hat.
Warum war das nur passiert? Mir tat es jedes Mal wenn ich ihn sah, leid um unsere Freundschaft. Wir hatten so viel Spaß zusammen und jetzt? Jetzt war es nur noch furchtbar ihn zu sehen.
Ein Klopfen weckte mich am nächsten Morgen. Verschlafen rieb ich mir die Augen und sah mich verwirrt im Zimmer um, bis ich Packu am Fenster sah. Langsam schlüpfte ich unter der warmen Decke hervor, schlürfte zum Fenster und öffnete es. Packu kam über das Fensterbrett herein gehüpft. Ich streckte ihm meine Hand entgegen und er setzte eine Kralle nach der anderen vorsichtig darauf. Danach schloss ich das Fenster wieder. Packu begann sich eifrig die Flügel zu putzen. Er war Mamas Falke und wohl die ganze Nacht unterwegs gewesen.
„Schreckliche Nacht“, sagte er, als er fertig mit putzen war.
„Wo warst du?“ fragte ich verschlafen und musste gähnen.
„Was für deine Mutter erledigen.“ Das hieß im Klartext, es hat mich nicht zu interessieren. Tja, in meiner Familie gibt es viele Dinge, die ich nicht weiß und offensichtlich auch nicht wissen darf.
„Na gut, Mama wird unten in der Küche sein“, sagte ich, als ich ihm die Tür öffnete und ehr hinausflog. Als ich die Tür wieder ins Schloss fallen ließ, hob Chica das erste Mal den Kopf. „Jetzt wachst du erst auf?“ Ich ging zu ihr um ihr den Kopf zu kraulen.
Als ich mich wieder auf mein Bett zu Chica legte, hörte ich draußen Bremsen quietschen. Es klang nach einem größeren Wagen. Neugierig lehnte ich mich zum Fenster hinüber. Tatsächlich, es war ein Umzugswagen. In dem alten Haus gegenüber zog echt jemand ein. Vor dem Umzugswagen parkte ein alter Mercedes und genau aus diesem stiegen gerade drei Personen aus. Ich lehnte mich noch weiter ans Fenster, langsam rutschte ich vom Bett herunter. „Menschen“, war alles, was ich noch sagen konnte, bevor ich auf dem Boden landete.
Ich stieß mir den Kopf am Heizkörper und blieb, meine Stirn reibend, neben dem Bett sitzen. Menschen. Ich hatte noch nie erlebt, dass Menschen hier her gezogen waren. Es gab zwar Menschen hier, aber die wohnten schon seit einigen Generationen hier und hatten auch schon das eine oder andere magische Wesen in der Familie.
Das Tal war unter den Menschen so unbekannt, dass kaum jemand wusste, dass es überhaupt existierte. Nur bei den magischen Wesen war es so etwas wie ein Zufluchtsort. Hier konnte jeder sein, was er war. Jeder wusste über alles Bescheid und niemand fand irgendetwas merkwürdig. Unser Tal hatte sich sogar bis nach Asien herumgesprochen. So kam es, dass eines Tages sogar ein Dschin dieses Tal zu seiner Heimat machte. Sein Name war Salam.
Also kurz gesagt, in dieses Tal waren schon viele Kreaturen gekommen, aber Menschen noch nicht. Ich fragte mich nur, wie sie überhaupt von diesem Ort erfahren hatten und warum sie gerade in so ein düsteres und Wolkenverhangenes Tal wie unseres gezogen waren.
Plötzlich öffnete sich meine Zimmertür und Mama stürmte herein. „Was ist passiert?“ fragte sie und sah sich dabei hektisch im Raum um. „Bist du verletzt?“
„Was?“ diese Hektik verwirrte mich so kurz nach dem Aufstehen. „Nein, ich bin nur aus dem Bett gefallen.“
„Oh Schatz, hast du dir den Kopf angeschlagen?“ schon war sie vor mir auf die Knie gefallen und untersuchte meine Stirn.
„Aua!“ zischte ich, als sie die Stelle berührte.
„Tut mir leid, ist gleich vorbei“, sagte sie und wischte mit der flachen Hand einmal über meine Stirn. Der Schmerz war weg.





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