Schatten des Mondes - Teil 2

Autor: Ai
veröffentlicht am: 01.10.2012


„Glaubst du, Vater wird erfreut sein, wenn er erfährt, dass du seine Pferde verzauberst?“ Es war Eric, Dracos missratener Sohn. Ich konnte ihn nicht ausstehen und diese Situation zeigte einen der Gründe dafür.
„Ich beruhige sie nur“, war meine schnippische Antwort.
„Trotzdem hat dir das niemand erlaubt.“
„Trotzdem hast du hier nichts zu sagen!“ Der Kerl machte mich wahnsinnig. Kaum zu glauben, dass ich einmal mit ihm befreundet war. Wütend stürmte ich an ihm vorbei, hinaus in den Sturm. „Wehe du machst sie wieder nervös“, sagte ich noch, bevor ich den Stall verließ.
Wir waren befreundet, als wir noch Kinder und er noch kein Idiot war. Aber diese Zeit ist schon lang vorbei. Ich kann mich fast gar nicht mehr daran erinnern, wie er war, als er noch nett war. Seine ältere Schwester hingegen war immer schon so, wie ihre Mutter. Vielleicht hatte Eric es einige Jahre erfolgreich geschafft, sich dem Einfluss seiner Mutter zu entziehen, aber scheinbar ging das nicht für immer. Aber das ist nur eine Theorie, in der er noch halbwegs gut dastehen würde. Viel wahrscheinlicher ist es, dass er sich ganz freiwillig dazu entschlossen hat ein Arsch zu werden.
Man sagt doch, Vampire sehen anziehende Wesen, denen man sich nur schwer entziehen könne. Wenn ich hier Eric als Beispiel nehmen würde, könnte ich diese Theorie wunderbar wiederlegen, denn ich empfinde keinerlei Anziehungskraft zwischen uns. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich eine Hexe bin und damit ebenso ein magisches Wesen. Aber andererseits bin ich nicht die einzige Hexe in diesem Tal und auch nicht die einzig junge. Es gibt genug Mädchen, unter ihnen Menschen, Hexen, Feen und sogar Werwölfinen, die für ein Date mir Eric alles tun würden.
Ich blieb einen Moment auf dem Hof stehen, atmete tief ein und legte den Kopf in den Nacken. Der kalte Regen prasselte mir ins Gesicht. Ich muss zugeben, es gab schon einige Momente, in denen ich mir gewünscht hätte, dass Eric wieder der Eric von damals wäre. Ich hatte nicht besonders viele Freunde. Früher hatte ich Eric, damals akzeptierten mich die Meisten. Doch seit er beschlossen hatte, etwas Besseres zu sein, hatten alle anderen beschlossen, auch etwas Besseres zu sein. In der Mittagspause war Kaschmir die einzige, die sich zu mir setzte und das auch nur, weil sie ihre Ruhe vor den anderen haben wollte.
Kaschmir war keine typische Fee. Obwohl sie ihre wunderschon glitzernden Flügel von ihrer Mutter geerbt hatte, war ihr Wesen doch eher dem ihres Vaters ähnlicher. Sie war ruhig und liebte die Ruhe. Normalerweise lag es in der Natur einer Fee laut und offen zu sein. Viele Feen spielten für ihr Leben gern Streiche, aber Kaschmir war das totale Gegenteil, was sie wohl auch zu so etwas wie einer Außenseiterin machte.
Ein Blitz riss mich aus meinen Gedanken. Jetzt erst merkte ich, wie kalt mir war. Schnell rannte ich zurück ins Haus. „So gehst du aber keinen Schritt weiter“, sagte Bony, als ich völlig durchnässt in die Küche kam. Ich sah sie mit Dackelaugen an. „Du kannst so viel betteln, wie du willst. Weiter geht’s für dich in diesem Zustand nicht.“
„Und was soll ich jetzt machen?“
„Hast du keinen Trocknungszauber auf Lager?“ Ich schüttelte langsam den Kopf, während der Regen von meinem Mantel tropfte. Bony seufzte. „Na gut, ich bring dir ein Handtuch, zieh dich erst einmal aus.“ Resignierend streifte ich mir den Mantel über die Schultern. „Las die nassen Sachen erst einmal da liegen, sonst machst du noch die ganze Küche dreckig!“ rief sie mir noch zu, bevor sie über die Treppe in den ersten Stock verschwand.
Als ich mir gerade die Hose über die Oberschenkel nach unten streifte, hörte ich, wie die Tür zum Hof knarrend aufging. Oh nein. Schnell richtete ich mich auf und drehte mich um. Eric stand grinsend in der Tür und ich untenrum nur in Unterwäsche vor ihm. „Netter Hintern“, sagte er frech.
Ich versuchte, so cool wie möglich zu bleiben und zog mir einfach das Hemd über den Kopf und drehte mich wieder um. Zwar war meine Unterwäsche auch klatschnass, aber das musste ich ertragen. So blieb ich mit verschränkten Armen stehen und wartete auf Bony und das Handtuch.
Ich Spürte nur einen Lufthauch, als sich die Tür hinter mir schloss und Eric mit einem Affenzahn an mir vorbeirauschte. Endlich kam Bony die Treppe hinunter. In ihren knochigen Händen ein flauschiges Handtuch. Doch als sie zu mir sah und vor allem den Boden um mich herum sah, den Eric gerade mit seinen dreckigen Schuhen total versaut hatte, ließ sie vor Schreck das schöne, flauschige Handtuch fallen. Genau in den Dreck.
Sie kniete sich erschüttert hin um den Dreck genauer betrachten zu können. „Eric“, sagte ich zur Erklärung.
„Ich weiß“, gab sie mir zur Antwort. Wütend ballte sie ihre Knochenhand zu einer Faust. „Der kann was erleben!“
Bony war eigentlich ein herzensgutes Skelett. Sie war das Mädchen für alles im Hause Marley. Früher war sie Kindermädchen gewesen. Putzfrau sowieso und dann kümmerte sie sich auch noch um die Pferde. Als Putzfrau war sie natürlich sehr auf Reinlichkeit bedacht und da war es egal, ob es der Sohn ihres Chefs oder ich war, die das Haus verdreckten.
Wütend stand Bony wieder auf und machte sich daran, den Drecksspuren zu folgen. „Hey Bony! Warte!“ rief ich ihr nach, doch da war sie schon verschwunden. „Was ist mit meinem Handtuch?“ fragte ich dann sehr viel leiser, sie hätte mich sowieso nicht mehr gehört. Also stand ich da, halbnackt ohne sauberes Handtuch und ohne eine reale Chance, in nächster Zeit eines zu bekommen. Oh ja, ich liebte diese Freitagabende.





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