Lights

Autor: Conni<3
veröffentlicht am: 11.09.2012


2:36 Uhr.
Die Bahntüren öffneten sich und die Treppen fuhren langsam hinaus.
„Bis Altstadt, bitte“ sagte ich und schaute durch die getönte Scheibe zum Bahnfahrer. Ich hörte zunächst ein kurzes Tippen, danach ein klirrendes Fallen und schließlich eine tiefe Stimme, die mir sagte: „Bitte.“
Ich ging den langen Bahnflur entlang, bis ich plötzlich anhielt. Der Geruch von Urin ließ mich paar Schritte nach hinten gehen. Gelächter und lautes Geschrei drang aus dem hinteren Abteil. Betrunkene Männer und Frauen saßen, mit Bier und Wodka in den Händen, ganz hinten und verhielten sich wie unreife Kinder. Mich überfiel Gänsehaut beim Gedanken, dass ich da hinten sitzen wollte. Dieser Gedanke ließ mich schließlich den Bahnflur zurückgehen. Ich ging an einer alten Frau mit drei Katzen vorbei. Sie schaute leblos aus dem Fenster und schien sich nicht mehr für ihre knurrenden Katzen zu interessieren. Ein älterer Mann saß auf der linken Seite, eine junge Dame, ende 30, auf der rechten. Sie waren die einzigen Leute, neben mir und den Betrunkenen, die in der Bahn saßen.
Schließlich setzte ich mich nach vorne. Ich nahm einen Vierer, wo die restlichen drei Plätze noch frei waren. Es wunderte niemanden mehr, dass, nach Mitternacht, Betrunkene in der Bahn saßen. Es interessierte weder die Fahrgemeinschaft, noch die Stadt. Der Konsum von Alkohol stieg immer mehr an und für die Stadt schien es sinnlos, Alkoholiker zu überprüfen, da es genug von ihnen gab. Nein, nicht genug, es gab zu viele von ihnen.
Ich überschlug meine Beine kurz und steckte mir direkt die Kopfhörer in die Ohren.
Tonight, we are young! So let’s set the world on fire. We can burn brighter than the sun! Drang mir an die Ohren und meine Lippen verwandelten sich zu einem Grinsen.
„Fast zwei Stunden muss ich fahren, bis ich zuhause bin ...“ murmelte ich leise vor mich hin, schaute aus dem Fenster und seufzte. Es kam mir fast vor, dass die Zeit gar nicht verging. Immer weniger Häuser sah ich, bis ich schließlich gar keine Häuser mehr sah. Nur irgendwelche Trümmer von ehemaligen Häusern. Ich hörte den Lautsprecher der Bahn ausrufen: „Feth-Platz.“
Ich kannte diesen Platz nur vom hören. Es war ein beliebter Skaterplatz, wo nicht nur Skater, sondern auch BMX-Fahrer, ihre Tricks übten.
Gerade als die Bahn weiterfahren wollte, und ich wieder dieses nervige Geräusch der Schienen hören sollte, sprang mir ein Hund entgegen. Ich erkannte direkt, dass das ein Boxer war, dazu noch ein männlicher. Er sah gar nicht brutal oder gefährlich aus. Seine Augen hatten diese unglaubliche Sicherheit in sich. Ich strich ihm kurz durch sein schwarzes Fell und sah ihm nochmal in seine strahlenden, blauen Augen. „Na du?“
Ich lächelte vor Freude und konnte meine Hände gar nicht mehr von ihm lassen.
„Tut mir leid, dass Beck dich so angesprungen hat!“ sprach eine männlicher Stimme. Sie war nicht wirklich tief, aber auch nicht gerade hoch. Ihr klang war so warm und ließ mich Sicherheit spüren.
Ich schaute kurz in die Richtung der Stimme und sah einen jungen Mann, wahrscheinlich Anfang zwanzig. Er trug eine hellgraue Cap über seinen leicht abstehenden, länglichen, blonden Haaren, wobei seine Ohren nicht wirklich rausguckten. Ihm stand, das was er anhatte: Ein dunkelblaues T-shirt, mit einem schwarzen Pulli und grauen Hosen. Ich sah direkt, dass er ein BMX-Fahrer war. Nicht nur wegen seinem BMX in seiner Hand, sondern auch an seinen Schuhen. Er lächelte mich direkt mit seinem unglaublichen Lächeln und schaute mich mit seinen blauen Augen an.
„Ach was, das ist doch nicht wirklich schlimm ...“ antwortete ich stotternd. Ich wusste in dem Moment nicht was ich sagen sollte – aus welchem Grund auch immer.
„Darf ich?“ fragte er und schaute auf die zwei freien Plätzen gegenüber von mir.
„Sicher!“ warf ich direkt ein und fuhr kurz hoch. „Darf ich denn fragen, wie er heißt?“
„Beck ...“ antwortete er schnell. „Ich hab ihn nach dem Bier benannt.“
Als ich das hörte, fing ich kurz an zu lachen und konnte es nicht verstehen. Wer benennt sein Hund schon nach einem Bier?
„Sie lachen! ..., aber das kann ich auch verstehen. Ich hab Beck so genannt, weil er unglaublich gern dieses Bier trinkt.“
„Wirklich?“ fragte ich lachend und erwartete eigentlich keine Antwort, aber er nickte kurz.
Dann schwiegen wir kurz und schauten uns nur lächelnd an. Ich wusste nicht, was das für ein Gefühl war, aber es war angenehm. Es war dieses tiefe Gefühl, welches das Herz so erwärmte und dir ein Lächeln ins Gesicht zauberte.
„Ich bin übrigens Nate“ sagte er schnell und zog Beck näher an sich.
„Liv, freut mich sehr!“ sagte ich und lächelte ihn an.
Immer mehr kamen wir ins Gespräch, bis die zwei Stunden vorbei waren. Durch ihn kamen mir diese zwei Stunden viel schneller vor, als sonst.
„Ich muss aussteigen“ sagte ich leise, lachend, wollte aber ein „leider“ darein setzen, da ich nicht wollte, dass es vorbei war. „Wo musst du aussteigen?“
Er lachte kurz und stand selber auf. „Altstadt.“
Ich schaute ihn leicht verdutzt an. Ich verstand das nicht wirklich, da ich ihn noch nie in der Altstadt gesehen hatte. Man musste aber auch sagen, dass die Altstadt nicht gerade groß war. Sie bestand nur aus dem Rathaus, aus der alten Bibliothek und 10 weiteren Straßen. Jeder, der in der Altstadt wohnte, musste man eigentlich schon gesehen haben. Ihn nicht.
Wir stiegen gemeinsam aus und gingen langsam über die Brücke. Wir hörten nur das leise Plätschen des Wassers, das leise Fahren der Autos, auch wenn es nicht immer da war, und das helle Licht der Straßenlaternen leuchtete auf uns nieder.
„Wie kommt es, dass ich dich dann noch nie gesehen habe?“ fragte ich leise.
Die Straßen waren dunkel. Man konnte kaum was sehen. Nur die Straßenlaternen spendeten etwas Licht, nicht einmal der Mond brachte uns so viel.
„Ich bin neu hierher gezogen. Ich lebe nun in einer WG mit zwei Freunden. Mex Kingston und Chuck Blackwood?“
„Der kleine Skateboardfahrer mit den länglichen, blonden Haaren, der zu jeder fetten Frau sagt, dass sie abnehmen soll, und der Typ mit der Stein-Mimik?“ sagte ich schnell. Zunächst lag eine Pause zwischen uns, bis wir dann gleichzeitig anfingen zu lachen.
Er nickte.
Minuten des Lachens vergingen und wir standen vor meiner Haustür. Wir schauten uns lächelnd an, bis er auf sein Handy schaute. Er machte die typische Bewegung: Er zuckte kurz, rappelte sich auf und lächelte mir nochmal zu. „Es ist schon ziemlich spät und Beck ist sicherlich auf ziemlich müde, wir sollten lieber gehen.“
„... ja... „ sagte ich leise und holte einen Kugelschreiber heraus. „Warte noch kurz ...“
Ich packte sein Handgelenk, krempelte kurz seinen Pulli hoch und schrieb auf seine Haut:
Liv Hemmingway,
017962904321
Er lächelte mich an, wünschte mir eine gute Nacht und fuhr auf seinem BMX weg. Ich schaute ihm noch eine zeitlang an, bis er dann vollkommen im Dunkeln verschwand.
„Du bist ein sehr komisches Mädchen, Liv ...“ sprach ich zu mir selbst und öffnete die Haustür.
Es war nicht das letzte Mal, dass ich ihn sah.





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