365 Tage bis für immer - Teil 3

Autor: Erdbeere
veröffentlicht am: 10.09.2012


Hey, vielen Dank von uns dreien für die lieben Kommentare. Weiterhin erwünscht :D


----------------------------------------Lukas----------------------------------------------------
Obwohl dieses neue Mädchen schon längst von Maria mitgenommen wurde, starre ich immer noch an den Platz, wo sie gestanden hatte. Ich weiß nicht was es ist aber sie hat irgendwas, was andere Mädchen nicht haben. Und das erregt meine Aufmerksamkeit. „Lukas, ich hätte da eine Aufgabe für dich“, unterbricht Carlos meine Tagträume. „Äh, was?“, frage ich verdattert. „Könntest du dich bitte um Isabella Gonzales kümmern? Sie bracht vor allem eine Vertrauensperson und einen Arbeitsplatz.“ Isabella Gonzales? Das ist SIE! Er will, dass ich mich um sie kümmer? „Ja, klar!“ antworte ich etwas zu schnell und viel zu erfreut. „Gut, Maria wird dir gleich ihr Zimmer zeigen, geh‘ bitte sanft mit ihr um. Man weiß nie, was solche Menschen schon alles durchgemacht haben.“ Ich nicke, dieses Mal etwas beherrschter. Und dann mache ich mich auf die Suche nach Maria. Ich finde sie schließlich in der Krankenstation an einem Medikamentenschrank. „Oh, Lukas, kann ich dir helfen?“fragt sie mich überrascht. „Ja, Carlos hat gesagt, dass du mir das Zimmer von Isabella zeigen sollst. Er hat mir die Aufgabe gegeben, mich um sie zu kümmern.“ Sie seufzt leise und sieht etwas enttäuscht aus aber dann nickt sie wieder freundlich. „Na gut, eigentlich hatte ich gehofft, dass ich sie zugeteilt bekomme aber ich hätte mir auch denken können, dass Carlos dir erst einmal eine Arbeit geben muss.“ „Oh, das tut mir leid.“, antworte ich, allerdings ohne wirkliches Mitgefühl. „Das muss es dir nicht. Es ist ja nicht so, dass ich nicht schon genug zu tun hätte, aber sie macht auf mich irgendwie einen besonderen Eindruck.“ Das kann ich gut verstehen. „Na ja, ist ja auch egal, ich suche gerade Medikamente für ihre kranke Tante zusammen. Ich weiß noch nicht genau was sie hat aber ein paar Anzeichen kann ich schon deuten. Es wäre gut, wenn du sie mal zusammen mit Isabella besuchen könntest. Kennst du dich ein bisschen aus mit Erster Hilfe?“ „Ein bisschen, ich war früher Schulsanitäter, da mussten wir einen Kurs dazu machen.“ „Super, dann zeig‘ ich dir jetzt erst mal wo ihr Zimmer ist!“ Sie geht mit der gepackten Arzttasche los und ich folge ihr. An einer Tür bleibt sie schließlich stehen. „So hier wären wir“, sagt sie und klopft vorsichtig an der Tür, die sie dann ohne abzuwarten öffnet. Aber es ist auch niemand drin. Verwundert schauen wir uns an. „Ach ja, ich habe sie ja ins Badezimmer geschickt, warte hier, ich schaue nach ihr.“ Maria dreht sich um und geht den Gang entlang, ich gehe ins Zimmer und setze mich auf einen Stuhl und warte…
---------------------------------------Isabella------------------------------------------
Das Wasser ist angenehm. Es sprudelt aus den Schläuchen. So etwas habe ich nur einmal bei einem „Beutezug“ mit Cristina gesehen. Als ich aus dem Badezimmer rauskomme, weiß ich nicht mehr wo mein neues Zimmer ist. Ich gehe einfach durch den rechten Gang, eine Treppe runter und dann nach rechts. Ich komme in ein großes hell erleuchtetes Zimmer. In der Mitte dieses Zimmers steht ein großer Tisch mit Stühlen. An der Wand hängt eine große Pinnwand. Ich gehe aus dem Zimmer raus und biege nach links ab. Panik steigt in mir auf: „Wo bin ich?“, frage ich mich. Eins ist mir jetzt klar: Ich habe mich verlaufen.
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Nach einer Weile habe ich keine Lust mehr zu warten. So lange kann das doch nicht dauern, ich beschließe den beiden schon einmal entgegenzugehen. Aus der Führung, die Carlos in den ersten Tagen mit mir gemacht hatte, weiß ich bereits wo sich das Badezimmer befindet. Aber ich muss gar nicht den ganzen Weg dorthin gehen, da treffe ich auch schon Maria, die ganz aufgeregt auf mich zu kommt. „Luk, sie ist nicht mehr im Bad!“ „Na toll, dann muss sie gerade ins Zimmer gekommen sein, als ich gegangen bin!“ Ich steuere wieder den Raum an. „Das meine ich nicht. Bei ganz schlimmen Fällen kommt es manchmal vor, dass die Leute so verwirrt sind, dass sie wieder abhauen!“ Marias Gesicht sieht verzweifelt aus und meines wahrscheinlich nicht anders. „Was?! Das ist nicht dein Ernst!“ Langsam werde ich wütend! Wenn das so ist, dann müssen die Menschen hier doch viel intensiver überwacht werden! Maria scheint meine Gedanken erraten zu haben: „Luk, das hier ist eine freiwillige Einrichtung, kein Gefängnis! Die Leite kommen meist von selbst hierher, wenn sie Hilfe brauchen oder wir versuchen sie davon zu überzeugen. Aber zwingen kann man niemanden dazu.“ „Aber wir müssen doch irgendwas tun! Wir können sie doch nicht wieder in ihr Unglück laufen lassen!“ Maria überlegt kurz. „Ich weiß Luk. Lass uns als erstes das Haus durchsuchen! Wir teilen uns auf.“ Ich stimmte ihr zu und sofort machen wir uns in zwei verschiedene Richtungen auf die Suche. Ich gehe noch an ein paar Zimmern vorbei die leer sein müssten, denn man hörte keine Stimmen und außerdem müsste jetzt eigentlich Arbeitszeit sein. Also gehe ich eine Treppe herunter und bin wieder im Eingangsbereich, bei der „Rezeption“. Rechts geht es zu Speisesaal, geradeaus zu Gemeinschaftsraum und links zu dem Versammlungszimmer von uns Mitarbeitern. Ich werfe schnell einen Blick nach draußen in den Hof aber dort ist niemand auffälliges. Ich drehe mich dann nach rechts um einen Blick in den Speisesaal zu werfen. Aber der ist um diese Zeit bis auf ein paar Kinder, die heute Putzdienst haben, leer. Hoffungslos beschließe ich mir noch ein paar Mitarbeiter zur Hilfe zu holen und biege nach links ab. Doch plötzlich vernehme ich ein Schluchzen, instinktiv eile ich um die Ecke und da sehe ich SIE. Zusammengekauert sitzt sie mit angezogenen Knien an der Wand, die Hände hält sie vor das Gesicht. Erschrocken und gleichzeitig unglaublich erleichtert rufe ich: „Isabella, da bist du ja, wir haben uns schon Sorgen gemacht!“ Dabei überschlägt sich meine Stimme fast. Isabella zuckt zusammen und versucht sich schnell die Tränen wegzuwischen. Dann starrt sie mich an.
--------------------------------------------Isabella------------------------------------------------
„Entschuldigung, dass ich dich so erschreckt habe“, versucht ER mich zu beruhigen. Doch ich sitze wie erstarrt an der Wand und antworte ihm nicht. Auch ER sagt jetzt nichts mehr. Wie selbstverständlich hilft er mir auf und nimmt mich an die Hand. Er führt mich zu meinem Zimmer, ich bin zu benommen, um was zu sagen oder um meine Hand aus seinem Griff zu lösen. Ich taumel wie ein kleines Kind neben ihm her. In meinem Zimmer wartet schon Maria. Als sie mich sieht, läuft sie erleichtert auf mich zu. „Kind, was machst du denn? Wir haben uns schon Sorgen um dich gemacht…Wir dachten, dass du abgehauen bist!!!“, ruft sie erleichtert. „Ich habe dir schon mal die Sachen für deine Tante eingepackt. Sie sind unten in der Küche in der großen Tasche. Da sind auch ein paar Medikamente drin. Luk wird dich begleiten und Erste Hilfe leisten! Ach so… und… Isa, wenn ich dich so nenne darf… Luk wird sich ab jetzt auch hier um dich kümmern. Ok?“, plappert sie sofort los. Ich nicke nur etwas enttäuscht, denn um ehrlich zu sein, hatte ich gehofft ihr zugeteilt zu werden. Als Luk und ich auf dem Weg zu Tante Carmen sind reden wir kein Wort. Aber ich kann seinem Gesichtsausdruck ablesen, dass er noch nie so viel Leid gesehen hat. Zwischen durch kommen ein paar Kinder zu ihm, um ihn zu testen, ob er sich vor ihnen ekelt. Die meisten geben ihm ihre Dreck- und Schnodderhände. Aber ihm scheint das nichts auszumachen. Kurz bevor wir bei meiner Tante ankommen fragt er mich: „Isa…? Ach egal!“ Was er mir wohl sagen wollte? Ich würde ihn gerne fragen…aber dazu müsste ich meinen Mund aufmachen und dazu bin ich momentan nicht im Stande. Meine Tante sieht noch bleicher als vorher aus. „Hallo Isa? Wer ist der den?“, krächzt sie mir in unserer Familiensprache zu, sodass Luk es nicht versteht. Hier in Guatemala haben viele Familien eine „eigene Sprache“, so ähnlich wie ein Dialekt.
---------------------------------------Lukas-------------------------------------------------------
Isas Tante sieht schlimm aus (wie eigentlich alle hier, dieses Leid ist sehr schwer zu ertragen aber der Gedanke, dass ich ja dabei helfe es zu lindern, macht das erträglicher). Dummerweise spricht sie mit Isa in einer anderen Sprache wie viele es hier tun, das hatte ich schon am Flughafen gemerkt. Aber was Isa ihr erzählt, muss etwas Positives über mich sein, denn ihre Tante sieht etwas beruhigter aus und versucht angestrengt ihre Hand so weit auszustrecken, dass ich sie schütteln kann. Sie fühlt sich heiß und zittrig an. Das erinnert mich wieder an meinen eigentlichen Grund hier zu sein. Auch Isa scheint darauf zu warten, dass ich ihre Tante verarzte, denn sie schaut mich fragend und auffordernd an. Ich löse meine Hand langsam von Tante Carmens und mache mich an der Medikamententasche zu schaffen. In einem bin ich mir schon mal sicher, nämlich darin, dass sie Fieber hat. Also gebe ich ihr ein bisschen Fiebersaft und dazu noch eine Schmerztablette. Aber was könnte sie nur für eine Krankheit haben? Ich untersuche sie noch einmal so gründlich wie möglich mit meinen vorhandenen Mitteln, doch ich kann nichts feststellen. Zum ersten Mal redet Isa richtig mit mir: „Und konntest du etwas feststellen?“ Ich schüttele zerknirscht den Kopf. „Nein, nicht wirklich. Ich habe ihr etwas gegen das Fieber und die Schmerzen gegeben. Aber ansonsten befürchte ich, dass ich nicht genug Ausrüstung und Arztkenntnisse habe.“ Isa nickt geistesabwesend und murmelt: „Ja wahrscheinlich.“ „Isa“, begann ich vorsichtig „es wäre am besten, wenn wir sie mitnehmen würden. Carlos hat eine richtige kleine Krankenstation und kennt sich besser aus als ich und…“ „Du hast Recht. Sie muss richtig behandelt werden und sich erst mal erholen. Wenn wir sie hier lassen würden, würde sie sterben, oder?“ Mit dieser Reaktion habe ich nicht gerechnet und es wundert mich wie locker sie mit dem Wort sterben umgeht. Aber ich nicke langsam. Warum soll ich sie anlügen? Ich bin mir sicher, dass man Tante Carmen heilen könne, aber nicht hier. „Ich rufe jetzt Carlos an, der holt uns dann ab.“, erkläre ich ihr. Sie kniet sich daraufhin neben ihre Tante und nimmt deren Hand in ihre. Dabei redet Isa beruhigend auf sie ein. Ich krame mein Handy, welches ich sicherheitsalber ein gesteckt habe, aus meiner Hosentasche und rufe in der Organisation an, zum Glück meldet sich Carlos, sodass ich mir nicht irgendwelche Höflichkeitsfloskeln auf Spanisch überlegen muss. Ich berichte ihm schnell meinen Plan und er fragt noch nicht einmal nach den genauen Umständen oder ob es die richtige Entscheidung ist, sondern verspricht mir so schnell wie möglich zu kommen. Und er hält sein Versprechen. Es dauert nicht lange, da sehe ich den Jeep, der mich vom Flughafen abgeholt hat. Als erstes verwundert mich das, denn ich habe mir einen Krankenwagen vorgestellt aber dann sage ich mir, dass ich hier in Guatemala bin- und nicht in Deutschland. Carlos und ich tragen Carmen auf die Ladefläche, dort hat Carlos bereits ein paar Decken ausgebreitet. Da Isa darauf bestand bei ihr zu bleiben, setzen wir uns auf die Sitze. Davor reicht Carlos Isa noch eine Flasche Wasser und ein paar Brote mit denen er auf Carmen deutet. Isa versteht und gibt ihrer Tante zu essen und zu trinken. Auf der Fahrt fragt mich Carlos dann, was ich herausgefunden habe und was ich unternommen habe. Ich nenne ihm die Antworten und er lobt mich für mein Verhalten.
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In der Hilfsorganisation wird meine Tante sofort in die Krankenstation gebracht, wo sich ein Arzt um sie kümmert. Leider werde ich weg geschickt, mit der Begründung sie bräuchte Ruhe. Also beschließe ich ein bisschen spazieren zu gehen um andere Gedanken zu fassen. Luk bietet sich an mit zukommen. Aber ich schlage das Angebot ab, da ich ja kein Kind mehr bin und deshalb keinen Babysitter mehr brauche. Aber der Spaziergang hilft nicht, denn ich muss die ganze Zeit an meine Tante denken… und um genau zu sein auch ein bisschen an Luk.






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