365 Tage bis für immer - Teil 2

Autor: Erdbeere
veröffentlicht am: 07.09.2012


Hallo ihr Lieben :D Vielen Danke für die Kommentar. Wir drei haben uns sehr über die Rückmeldung gefreut und versucht es zu berücksichtigen. LG Sarah


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Wieder kein Erfolg auf dem Müllplatz. „Wenn wir nicht bald was zu essen bekommen, verhungern wir noch!“, jammert da auch schon meine eigentlich immer (egal was ist) fröhliche Tante. „Ich weiß“, seufze ich. Das einzige, was ich abstauben konnte ist eine handvoll Heidelbeeren. Als ich die Beeren teile und die Hälfte meiner Tante gebe, verschlingt sie diese mit einem Schluck. Ich weiß wie es ist Tage lang nichts zu haben also steckte ich die Hälfte meiner Portion in die Tasche und esse langsam den Rest, wobei ich mich zusammenreißen muss, nicht gleich alles zu verschlingen. Meine Tante hat mir schon oft vorgeschlagen, dass ich zu der Hilfsorganisation „Niños obreros“ gehen und mich dort für einen Platz bewerben soll, sodass ich ihr immer etwas Essen zustecken kann. Ich habe es bis jetzt immer abgelehnt, denn ich traue ihnen irgendwie nicht. Ich weiß, dass ich damit es nicht zu machen, das Leben meiner Tante gefährde. Aber ich kann mich nicht dazu überwinden. Sie meint, sie wäre schon längst selber gegangen aber leider nehmen die, da sie nicht genug Platz und Mittel haben, nur Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene auf und das auch nur in sehr schlimmen Fällen. Und meine Tante meint, ich wäre so ein „schlimmer Fall“, da ich ungefähr nur 30 Kilo wiege, an manchen Stellen meines Körpers schon fast die Knochen raus ragen, etc… Aber ich finde ihre Bemerkungen reichlich übertrieben, denn sonst wär jeder in unserem „Dorf“ ein Problemfall, weil so wie ich fast alle aussehen. Denn reich ist in unserer Gegend niemand. Zwei Dörfer weiter wohnen die „Reichen“. Dort gehen meine Freunde oft klauen, da ihnen nichts anderes übrig bleibt.
----------------------------------------Lukas-------------------------------------------------------------------------
Ich schaue aus dem Fenster und starre die Landschaften unter mir an. Weil sie immer deutlicher werden, merke ich, dass wir tiefer fliegen, vielleicht sind wir ja bald da. Ein mulmiges Gefühl breitet sich in mir aus, die Gegend ist mir so fremd, ich bin ganz auf mich allein gestellt. Jetzt beginnt mein wirklich eigenes, selbstständiges Leben. Ich bin entschlossen und gespannt, bereit für Neues. Bei der Landung reiße ich mir die Kopfhörer vom Kopf, mit denen ich Musik gehört hatte und verstaue sie in meinem Handgepäck. Als das Flugzeug dann sicher und still auf dem Boden steht, werden meine Gefühle noch verstärkt und ich fühle mich irgendwie richtig gut. Als ich aus dem Flugzeug aussteige weiß ich, dass das hier ein wichtiges Ereignis in meinem Leben werden würde.
--------------------------------------Isabella------------------------------------------------------------------------
„Isa, kommst du auf die nächste Tour mit?“, fragt mich Cristina, meine beste Freundin. Aber ich lehne wie immer ab. Das ist einfach nicht so mein Ding. Obwohl das bedeuten würde, dass wir etwas zu Essen haben würden… Doch ich war noch nie so ein „Gängstertyp“. Obwohl ich es schon das ein oder andere Mal versucht habe. Als ich an unserem „Schlafplatz“ ankomme, ist meine Tante wiedermal in einem „Tief“ und fragt mich, ob ich mir das mit der Hilfsorganisation nicht nochmal überlegen will. Doch ich wechsel schnell das Thema. Kurze Zeit später schläft meine Tante ein und ich denke über die Zukunft nach.
----------------------------------------Lukas-------------------------------------------------------------------------
Draußen auf dem offenen Flugplatz, der gegen unseren Berliner sehr heruntergekommen aussieht, muss ich nach jemandem von „Niños obreros“ Ausschau halten. Der Flugplatz, ist allerdings so voll, dass ich einsehe, hier keinen Erfolg zu haben. Ich drängle mich durch die Menge in die Empfangshalle. Hier kann man schon deutlich das Gesicht der Hauptstadt erkennen. Bettler sitzen in den Ecken oder wühlen in Mülleimern. Abgerissene Plakate an den dreckigen Wänden und lautstarke Auseinandersetzungen, die ich nicht verstehe, da sie voller verschiedener Sprachen sind. Mittendrin reisende Reiche, die man an ihrem Anzug und der Aktentasche erkennt. Die ständigen Ansagen der nächsten Flüge machen das Chaos perfekt, in dem ich mich nach meinem Abholer umsehe. Weil ich ihn nicht entdecken kann und ich das Bedürfnis habe an die frische Luft zu kommen, gehe ich auf den Ausgang zu, durch die alte Drehtür, die man anschieben musste, hindurch. Vor mir bauen sich klapprige Taxis mit dunkelhäutigen Fahrern, sowie die Gebäudemauern der Stadt auf. Und da entdecke ich ein Schild aus Pappe: „ Niños obreros- nuevos voluntarios aquí!!!“ Dahinter verbirgt sich ein freundliches Gesicht. Erleichtert und aufgeregt gehe ich auf den Mann mit dem Pappschild zu.
--------------------------------------------Isabella--------------------------------------------------------------
Am späten Nachmittag geht es meiner Tante ziemlich schlecht. Ich gebe ihr den Rest von meinen Heidelbeeren, doch sie lehnt dankend ab und meint, sie hätte keinen Hunger. Aber ehrlich gesagt glaube ich ihr das nicht, denn sie kann nicht von der handvoll Beeren vorhin satt sein. Oder? Doch ihr Magenknurren bestätigt meine Vermutungen. Erst jetzt fällt mir auf, dass sie am ganzen Körper zittert und total bleich ist. Ich decke sie sofort mit den alten Decken ab. „Ich hole schnell ein bisschen Wasser für dich“, sage ich während ich schon los renne. Mist, das hat mir noch gefehlt! Hoffentlich ist die nicht sehr krank, denn wir haben kein Geld für Medikamente und ich will sie nicht auch noch verlieren, weil… außer meinem Bruder und ihr habe ich keine Familie mehr. Und meinen Bruder habe ich lange nicht mehr gesehen. Meine Tante Carmen darf nicht sterben! Panik steigt in mir auf… Plötzlich wird mir etwas klar: Ich habe keine andere Wahl. Ich muss mich bei der Organisation einschreiben lassen. Nur so können meine Tante und ich überleben.
----------------------------------------------Lukas-------------------------------------------------------------------
Im Gehen überlege ich mir schon einmal wie ich den Mann begrüßen sollte. Als ich schließlich ankomme sage ich:“Buenos días, estoy Lukas Taddiken, el nuevo voluntario por los „Niños obreros“, was so viel heißt, dass ich der neue freiwillige Mitarbeiter von den „Niños obreros“ bin. Der Mann lächelt mich an und was er dann sagt überrascht mich.“Hallo Lukas! Ich darf dich doch so nennen, bei uns nennen sich alle beim Vornamen, ich bin übrigens Carlos“ Als er meinen offenen Mund bemerkt, fügt er noch hinzu:“Ach ja, du wunderst dich bestimmt, dass ich deutsch sprechen kann aber ich komme ursprünglich auf Deutschland. Später war ich dann mal hier in einer Gastfamilie und wollte dem Leid hier helfen. Ja, die Organisation wurde dann gegründet! Naja, erst mal herzlich willkommen in Guatemala. Ich bin sicher, die erste Zeit wird hart für dich, aber du wirst auch sehr viel lernen. Wir alle sind froh, dass du beschlossen hast zu uns zukommen. Ich denke, du wirst ganz gut mit uns klarkommen.“ Carlos verstaut mein Gepäck auf der Ladefläche eines alten Jeeps, zeigt dann auf die Beifahrerseite und steigt auf der Fahrerseite ein. Ich setze mich dann auf den Beifahrersitz. Der Motor brummt und knattert während wir durch Antigua fahren, die Straßen sind ziemlich uneben. Ich schaue aus dem Fenster und beobachte die Leute auf den Straßen. Carlos schaltet spanische Musik ein und singt ungestört mit.
--------------------------------------------Isabella------------------------------------------------------------------
Meine Tante ist so erschöpft, dass sie sofort wieder einschläft. Ich darf keine Zeit mehr verlieren! Wer weiß wie viel Zeit Tante Carmen noch bleibt? Ich beeile mich versuche meine Angst und Panik zu unterdrücken, doch es gelingt mir irgendwie nicht ganz. Als ich vor dem Gebäude stehe, überlege ich was denn wäre, wenn sie mich nicht annehmen würden. So schnell wie möglich versuchte ich mir diesen Gedanken aus dem Kopf zu schlagen. An der „Rezeption“ steht einer dieser Animateure, der einem neuen Animateur etwas erklärt. Dieser „Neue“ scheint nicht viel älter als ich zu sein. Aber man merkt sofort, dass er nicht von hier ist, denn er sieht nicht dick aber wohlgenährt aus und hat etwas hellere Haare als die eigentlichen „Guatemalteken“. „Hmm.“, räuspere ich mich. Da gucken mich auch schon zwei Augenpaare an. Der ältere Animateur kommt auf mich zu und fragt mich in einem dialektfreien und flüssigen spanisch, was er für mich tun könne. Ich antworte ihm, dass ich einen Antrag für einen Platz machen möchte. Er nickt lachend und meint dann, dass so wie ich aussehe, kein Antrag nötig ist. Und wirft hinterher, dass ich sofort angenommen bin. Diese Reaktion hätte ich nicht erwartet. Ich hatte gedacht, er würde mich erst lange ausfragen oder sogar abwimmeln nach dem Motto: „Wir sind schon überfüllt mit Straßenkindern.“Der ältere Animateur stellt sich sofort als Carlos, den Leiter dieser Organisation vor und der junge Animateur stellt sich als Lukas vor. Als ich ihn anschaue merke ich, dass sein Blick schon die ganze Zeit auf mir ruht. Aber als er dann meine Hand drückt und mir tief in die Augen schaut durchfährt mich ein kribbeln. Ich wende mich schnell von ihm ab und konzentriere mich wieder auf Carlos. Er fragt nach meinem Namen und wo denn meine Familie sei. „Ich heiße Isabella Gonzales und meine Mutter ist vor ein paar Monaten an einer schweren Krankheit gestorben, meine Tante ist momentan sehr krank, mein Bruder ist seit dem Tod von meiner Mutter verschwunden und… ach egal. Also von meiner Familie leben nur noch meine Tante und eventuell mein kleinerer Bruder.“, antworte ich mit so fester Stimme wie möglich, wobei mir Tränen in die Augen schießen. Mit einer schnellen aber fast unmerkbaren Bewegung wische ich mir meine Tränen in den Ärmel ab. Carlos nickt nur und ruft eine ältere Frau namens Maria, die auch eine Animateurin zu sein scheint. Als sie mich sieht, kommt sie herzlich auf mich zu. Carlos erklärt ihr schnell ein paar Details, die ich nur als schnelles Zischen wahrnehme. Vielleicht auch nur, weil ich meine Gedanken bei Tante Carmen sind… Maria führt mich durch die Gänge und Zimmer und erklärt mir wo was ist. Vor dem einem Zimmer bleibt sie stehen und erklärt mir: „ Das ist dein zukünftiges Zimmer. Wir haben momentan leider sehr wenig Platz, deshalb musst du dir das Zimmer mit Karla, Sara und Lucía teilen. Aber die sind ganz nett, du wirst dich bestimmt gut mit ihnen verstehen! Wenn du willst gebe ich dir was Neues zum Anziehen und wir waschen und flicken deine Kleidung.“ „Danke, das wäre sehr nett“, danke ich ihr für den Stapel, den sie mir in die Hand drückt. Langsam gestehe ich mir ein, dass die Leute viel netter sind als ich gedacht habe. „Ach so, geh‘ dich erst mal waschen! Dort hinten ist das Badezimmer. Ich warte dann in der Küche auf dich, da können wir ein bisschen für deine kranke Tante zusammen tragen.“, sagt mir Maria und mit einem Zwinkern verschwindet sie da auch schon um die Ecke.






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