Ich, meine Mutter und eine ganze Menge an Problemen - Teil 3

Autor: LiebesLüge
veröffentlicht am: 15.10.2012


Am nächsten Morgen wachte ich in meinem Bett auf. Allein. Lion ist also wohl schon auf. Ein Blick auf die Uhr an meiner Wand verriet mir, dass es schon 10 Uhr war. Langsam setzte ich mich auf. Nachdem ich in meine Plüschpantoffeln geschlüpft war, ging ich zum Fenster und öffnete den schweren Vorhang. Die Sonne strahlte in mein Zimmer, blinzelnd blickte ich aus dem Fenster. Ich dachte, es wäre ein Tag wie jeder andere auch, doch das, was mich am Nachmittag erwartete war alles andere als normal. Verschlafen lief ich in die Küche und sah Lion wie er das Frühstück machte. „Guten Morgen Schlafmütze.“ Lachte er. „Guten Morgen.“ Murmelte ich und setzt mich an meinen Platz. Ich trank meinen Kaffee leer, aß ein Brötchen und ging wieder zurück in mein Zimmer. Nach einer ausgiebigen Dusche ging ich mit Ty Spazieren. Als ich wieder zu Hause an kam, merkte ich, dass es schon Zeit war für meinen Nebenjob. Ich arbeitete Am Wochenende für 4 Stunden in einem kleinen Kiosk um die Ecke. „Lion, ich muss jetzt los bin um 16 Uhr wieder da. Kannst du dich vielleicht ums Essen kümmern? Charli ist glaub ich noch bei ihrer Freundin.“ Ich blickte Lion fragend an. Er hielt einen Zettel in der Hand und sein Blick war merkwürdig darauf gerichtet. „Lion? Was ist los?“ Ich bekam noch immer keine Antwort, also nahm ich ihm den Zettel aus der Hand und las selber.

„Hallo liebe Kinder. Ich weiß, dass in letzter Zeit einiges schief gelaufen ist, aber ich will das alles ändern. Es hat mich sehr viel überwindung gekostet, euch diesen Brief zu schreiben. Ich möchte mit euch sprechen, mit euch allen. Die ganze Familie an einem Tisch. Wann hatten wir das zum letzten mal ? Ich bitte euch 3 heute Abend um 18 Uhr zu Pabloe´s zu kommen. Es ist mir sehr wichtig, dass ihr alle kommt. Ich erwarte euch.
In Liebe, Mama.“

Ooookay, jetzt verstand ich auch Lions Blick. Was sollte das? Und vor allem, warum sollten wir ins Pabloe´s kommen? Das Pabloe´s war unser Stammlokal. Aber meine Mutter hatte sich dort nie blicken lassen. Es war seltsam. Meine Mutter hatte eigentlich nie etwas mit uns zu besprechen. Sie lebte in den Tag hinein, hatte ihren Alkohol und ihre Freier. Was dabei mit uns geschah, ging ihr regelrecht am Ar*ch vorbei. „Wir quatschen später, ich muss los.“ Ich gab Lion einen Kuss auf die Wange und machte mich auf den Weg zur Arbeit.

„Lina, das kann nicht wahr sein, es fehlen 20 Euro in der Kasse, wo ist das Geld hin?“ Mein Chef schrie mich wutendbrannt an. „Ey Axel, ich bin vor 5 Minuten erst gekommen, ich hab dein scheiß Geld nicht.“ Schrie ich zurück. Das konnte ja wohl nicht wahr sein, ich machte hier für ihn die Drecksarbeit für einen Hungerlohn, Arbeitete mehr als ich musste und bekam nichtmal mein Geld pünktlich. Alles ließ ich mir ja gefallen, aber das er mir jetzt unterstellte, dass ich sein Geld geklaut hätte war zu viel. „Ich geh jetzt erstmal in die Mittagspause, wenn ich wiederkomme, sind die 20 Euro wieder in der Kasse, sonst kannst du was erleben.“ Drohte er mir. Axel ging nach hinten. Ich kümmerte mich nicht weiter um sein Geld, da ich es nicht hatte und fing an, die Regale aufzufüllen. Es war nun schon gut eine Stunde vergangen und Axel war immer noch nicht zurück. Zwischendurch kamen immer mal ein paar Kunden, aber das wichtigste hatte ich erledigt.

Ich schmierte gerade noch ein Paar Brötchen für die Brötchentheke als erneut jemand den Kiosk betrat. Es war Yannick. „Oh, hallo Lina.“ Sagte er sichtlich verwundert. „Hey Yannick, was kann ich denn für dich tun?“ grinste ich. „Du Arbeitest hier? Seit wann?“ Ich legte das Brötchen in die Theke und ging nach vorn zu ihm. „Ja ich arbeite hier, seit ca. 2 Jahren. Kommst wohl nicht so oft hier her was?“ Ich sah ihn an, er sah ein wenig verwirrt aus. „Doch eigentlich schon, der Chef ist…“ In dem Moment kam Axel um die Ecke gestampft. „Lina, wo ist das Geld jetzt? Du sollst hier keine Pläuschen halten, du sollst arbeiten!“ Ich drehte mich zu ihm und ging ein paar Schritte auf ihn zu. „Axel, jetzt hör mir mal gut zu. In der Zeit wo du dich verkrochen hast, habe ich alle regale aufgefüllt, die Theke gefüllt, alles abgewischt und den Laden komplett gewischt, falls dir das nicht aufgefallen ist. JETZT gerade ist niemand da, außer Yannick da werde ich mich doch wohl mal 2 Minuten unterhalten dürfen. Und zu deinem Scheiß Geld. Ich buchstabiere es dir. I,C,H. H,A,B,E. E,S. N,I,C,H,T!! Merk es dir bitte.“ Yannick schaute mich erschrocken an. „So kenn ich dich ja gar nicht, kleines. Um welches Geld geht’s denn hier?“ „Diese kleine Göre, hat mir heut 20 Euro aus der Kasse genommen. Einfach so, jetzt will sie’s mir nicht mehr zurückgeben.“ Brüllte Axel. Yannick fing an zu lachen, ging auf Axel zu und klopfte ihm auf die Schulter. „Sag mal, hast du schon vergessen, dass du deinem Sohn heut Morgen 20 Euro gegeben hast? Als ich mit ihm hier war?“ Axel’s blick veränderte sich. Er wurde Rot, es war ihm sichtlich peinlich. „Oh Nein, Lina verdammt. Das tut mir verdammt leid.“ Sagte er „Du kannst jetzt Feierabend machen..“ Ich nickte nur, nahm meine Sachen und verließ den Kiosk.
Es war erst gut 14 Uhr. Yannick kam mir hinterher. „Man, ist das n Trottel, ich bin gut mit seinem Sohn befreundet und er hat ihm heut Morgen noch 20 Euro gegeben.“ Yannick lachte. „Kommst du mit? Lion fänd’s bestimmt auch cool, wenn du mal wieder da bist.“ Fragte ich ihn. Er nickte nur. „Ach und sag mal, ich bin etwas verwirrt. Als ich ehm.. also da auf der Party von Coco ne, du weißt schon.. also, da warst du ja da und Lion hat mir gesagt, dass DU uns nach Hause gebracht hast, das alles klang so, als ob er dich gar nicht kennen würde. Aber Gestern nach dem treffen im Cafè wo ihr euch getroffen habt, sah es schon so aus als kennt ihr euch.“ Yannick grinste über beide Ohren. „Ja, da gibt es ein wenig zu erklären. Also auf der Party warst du wirklich die ganze Zeit mit mir zusammen. Ich musste aber hinterher dringend weg, doch du wolltest mich nicht gehen lassen. Also hab ich nen Kollegen von mir angerufen, der ein wenig Ähnlichkeit mit mir hat. Er kam dann, ich sagte ich muss zur Toilette und dann hat er sich halt zu dir gesetzt und euch nach Hause gefahren. Ich meine, ich wusste ja nicht, dass du Lion’s Bruder bist, sooo lange kenne ich ihn nun auch nicht.“ Aha, so gab also alles einen Sinn. „Wollte ich deinen Freund etwa auch …..küssen?“ Yannick lachte und schüttelte den Kopf. „Du warst nur mir verfallen.“ Ich boxte ihn spielerisch auf die Schulter und lief mit ihm zu uns nach Hause. Als ich die Tür aufschloss sprang mir Ty schon regelrecht auf den Arm.

„Lion? Yannick ist da!“ rief ich und wartete auf Lion’s Antwort. Ich hörte wie eine Tür zugeschlagen wurde und plötzlich stand Charlie vor uns. „Oh, hallo. Wer bist du denn?“ fragte sie aufreizend und dachte sie hätte so Chancen bei Yannick. „Heeeeeeeeey“ sagte Yannick gespielt freundlich. „Ich bin Yannick, der Freund von Lina und wer bist du?“ Ich fing an zu grinsen als ich Charlie’s Gesicht sah. „DU bist der Freund meiner Schwester? Fester Freund und so? Oh mein Gott, dann hat sich das sowieso erledigt, armer Kerl. Schönes Leben noch.“ Mit diesen Worten schlurfte Charlie zurück in ihr Zimmer. Yannick und ich fingen lauthals an zu lachen. Charlie war echt manchmal das letzte. Ich weiß gar nicht, wie sowas meine Schwester sein kann. Trotzdem liebte ich sie, irgendwie. Ich zog Yannick mit in unser kleines Wohnzimmer und verfrachtete ihn auf die Couch. „Sitzen bleiben, ich hol kurz Lion.“ Er nickte. Ich ging in Richtung Lion’s Zimmer. Vor seiner Tür klopfte ich leicht und öffnete sie. Lion saß vor seinem Computer und Camte mit einem mir unbekannten Jungen. Vielleicht n Kollege vom Sport, dachte ich. Ich schlich mich an und klopfte Lion auf die Schulter. Er schreckte auf. „Mensch, musst du mich so erschrecken?“ rief er und blickte entsetzt auf seinen Monitor. „Yannick ist da, komm ins Wohnzimmer.“ Sagte ich, lächelte und winkte in die Cam. Lion nickte und ich verlies sein Zimmer. Ich ging in die Küche wo ich mir einen Joghurt aus dem Kühlschrank nahm, da wir später mit meiner Mutter zum Essen verabredet waren, brauchten wir heut nicht kochen. Lion kam auch irgendwann und so saßen wir zu dritt bis kurz vor 17 Uhr bei uns im Wohnzimmer und unterhielten uns über Gott und die Welt. Es waren eher belanglose Gespräche, nichts wichtiges.

Ich ging in mein Zimmer, um mir etwas anderes anzuziehen. Ich meine, wenn ich schon mal die ganze Familie an einem Tisch hatte, musste man das auch gebührend feiern. Um 17.45 Uhr erklärte Yannick sich bereit mich und Lion zum Pabloe’s zu fahren. Er wollte Charlie auch gern mitnehmen, doch sie stellte sich an wie ein kleines Mädchen und meinte „Wenn du der Freund meiner Schwester bist, kannst du ja nur n Vollidiot sein und mit Vollidioten will ich nichts zu tun haben.“ Sie ist und bleibt einfach ne hochnäsige Zicke. Hoffentlich änderte sich das bald. Nach 5 Minuten verabschiedeten wir uns von Yannick und er fuhr winkend davon. Ich sah Lion ernst an. „Was meinst du erwartet uns jetzt hier? Warum will Mama uns hier treffen?“ Er zuckte mit den Schultern, nahm mich bei der Hand und wir liefen zusammen rein.
„Oh, Lion, Lina. Schön euch mal wieder zu sehen. Eure Mutter wartet bereits, hinten am letzten Tisch in der Ecke.“ Begrüßte uns Steve, der Barkeeper. Ich nickte ihm freundlich zu und steuerte auf den besagten Tisch zu. Meine Mutter saß dort und ich muss sagen, im Gegensatz zu den letzten Wochen sah sie heute wirklich gut aus. „Hallo Mama.“ Sagte Lion und setzte sich gegenüber von ihr. Ich nahm den Platz neben ihm ein. „Ich bin froh, dass ihr gekommen seid, aber wo ist Charlotte?“ fragte meine Mutter ein wenig geknickt. „Sie kommt zu Fuß, war sich wohl zu Fein mit uns mit zu fahren.“ Sagte Lion. Nach gefühlten 10 Stunden kam Charli dann endlich, sie setzte sich neben meine Mutter und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Ihr wisst ja, dass ich euch nicht ohne Grund herbestellt habe.“ Fing sie an zu reden. „Ich möchte euch etwas erzählen, es ist mir sehr wichtig, dass ihr es wisst.“ Sie guckte fragend in die Runde. Der Kellner kam und brachte uns 4 Karten. Wir bestellten alle etwas zu essen und er ging wieder. „Mum, machs doch nicht so spannend. Was ist los? Ich hab keine Lust hier rum zu sitzen und ein auf heile Welt zu machen“ sagte ich genervt. „Sag mal, wie redest du eigentlich mit Mama, du bist doch n richtiges Miststück Lina. Mama hätte dich weggeben sollen, dann wären wir alle glücklicher“ schrie Charlie durchs ganze Lokal. Entsetzt starrte ich sie an. Ich stand auf und wenige Augenblicke später zeichneten sich die Umrisse meiner Hand auf ihrer Wange ab. Tränen liefen ihr aus den Augenwinkeln und sie lief auf die Toilette. „Sag mal musste das sein? Du kannst deine Schwester doch nicht einfach schlagen!“ sagte meine Mutter wütend. „Sag mal mum, kriegst du eigentlich gar nichts mehr mit? Hast du gehört, was sie gerade zu mir gesagt hat? Du hast 3 Kinder in die Welt gesetzt, also solltest du dich auch um 3 Kinder kümmern und nicht immer Charli bevorzugen. Es kotzt mich so dermaßen an!“ Jetzt war ich diejenige die schrie. Lion blickte mich Stumm an. Er legte seine Hand auf meinen Oberschenkel und streichelte mich zur Beruhigung.

Die nächsten 10 Minuten sagte niemand mehr was. Charlie hatte sich wieder beruhigt und kam irgendwann zurück an den Tisch. Ich beobachtete meine Mutter als sich plötzlich ihr Gesicht schlagartig erhellte und sie strahlte. Ich drehte mich um und blickte in die Richtung die sie schon seit Minuten fixierte. Im Eingangsbereich stand ein Mann, der meine Mutter liebevoll anlächelte, er kam langsam auf uns zu. „Mum? Was soll das?“ fragte Lion, der das gleiche sah wie ich. Meine Mutter schüttelte nur den Kopf und stand auf um den Fremden zu begrüßen. Sie küsste ihn zärtlich auf den Mund. Mein Gott, trifft sie sich jetzt schon mit ihren Freiern in der Öffentlichkeit oder was? Ich schüttelte genervt den Kopf und wollte gerade aufstehen, als meine Mutter mich zurück in den Stuhl drückte und anfing zu sprechen. „So, jetzt sind wir vollständig. Kinder, das ist Stephan. Stephan, das sind meine Kinder, Lina, Lion und Charlotte.“ Stelle sie uns vor. Stephan lächelte uns freundlich an. Er setzte sich auf den freien Stuhl und blickte schüchtern in die Runde. Moment mal, Stephan? So hieß doch der Typ der vor ein paar Tagen noch bei uns angerufen hatte. Also doch ein Stammkunde. „Ja, das ist ja alles schön und gut, aber was soll das ganze hier?“ Nun meldete sich Lion auch mal zu Wort. „Ja, das möchte ich euch jetzt erklären. Ihr könnt euch ja sicherlich denken, woher ich und Stephan uns kennen. Und naja es ist so, dass wir uns schon sehr lange kennen, ziemlich genau 1 Jahr. Und ich habe mich nun dazu entschlossen euch Stephan richtig vorzustellen, da wir seit ca. 4 Monaten ein Paar sind.“ Meine Mutter schaute erwartungsvoll in die Runde und Stephan machte sich noch kleiner. „Das ist aber nicht das einzige was ich euch sagen möchte. Ich habe das ganze Jahr, seit ich Stephan kenne einen Teil von meinem Geld zur Seite gelegt, Stephan ist übrigens Immobilienmakler. Und wir haben uns dazu entschlossen, dass wir zusammen ziehen. Wir 4 und Stephan mit seinen beiden Söhnen.“ Geschockte riss ich die Augen auf. „Wir wäre es denn mal wenn du sowas erstmal mit uns abklärst mum? Du kannst uns doch nicht schon wieder aus unserem Umfeld reißen?“ Meine Mutter nickte verständnisvoll. „Das weiß ich alles Lina. Deswegen sage ich euch das auch jetzt, damit ihr an der Haussuche beteiligt sein könnt. Damit wir zusammen ein schönes Haus finden, das uns allen gefällt und nicht direkt in einer anderen Stadt ist. Wie gesagt, Stephan hat 2 Söhne, aber das soll er euch doch einfach selber mal erzählen.“ Sie blickte ihren Stephan erwartungsvoll an. „Also, ehm Ja. Hallo erst mal. Wie ich heiße wisst ihr ja auch bereits.“ Er stotterte förmlich vor sich her, irgendwie tat er mir ja leid. „ Ich also, ehm ich bin 47 Jahre alt und habe 2 Söhne. Marvin, der ist 23 und Danny ist 19. Meine Frau und ich haben uns vor ca. 6 Jahren getrennt. Und Ja. Ich weiß nicht, was ich sonst noch großartig sagen soll.“ Er blickte verlegen zu meiner Mutter.

Ich nickte und blendete alles aus. Meine Mutter hatte also n neuen Freund. Sie hat es weder mit meinem Dad, noch mit den Vätern von Charli und Lion hinbekommen eine ordentliche Beziehung zu führen. Für uns hat sie nie etwas getan. Aber jetzt wo ich so drüber nachdenke, seit länger Zeit hatte sie sich schon verändert. Sie war orderntlicher geworden, machte mehr aus ihrem Aussehen und es kamen nur noch sehr wenige Freier zu uns. Maximal 2 Stück am Tag. Aber wahrscheinlich machte sie einfach Hausbesuche. Sie wollte also für einen Mann, den sie gerade mal ein gutes Jahr kannte ihr gesamtes Leben umkrämpeln, aber für ihre 3 Kinder, die sie hätte über alles Lieben müssen konnte sie das nicht? Vielleicht sollte ich doch zu meinem Vater ziehen. Er hatte erst gestern wieder angerufen. Wir Telefonierten oft und manchmal bekam ich auch ein Paket von ihm. Es war nicht voll mit irgendwelchen Teuren dingen. Meist waren ein paar Fotos drin, ein Brief von ihm und meine Lieblingssüßigkeiten, zum Winter hin, bekam ich immer eine Mütze und einen Schal und zum Sommer hin einen Bikini und Flip Flops. Es war Materiell gesehen nicht viel. Aber es kam vom Herzen und das war viel wichtiger. Dafür liebte ich meinen Vater.

„Lina? Lina träumst du schon wieder?“ riss mich eine Stimme aus meinen Gedanken. „mh?“ fragte ich und blickte mich um. „Ich habe gefragt, ob du noch etwas trinken möchtest“ sagte meine Mutter. Ich schüttelte den Kopf und stand auf „Sorry, ich muss jetzt los, Ty wartet.“ Ich verabschiedete mich von Stephan und blickte noch einmal durch die Runde. Dann verließ ich das Lokal. Das war einfach alles zu viel heute. Es Dämmerte bereits als ich auf die Straße trat. Es war ein wenig frisch draußen, dennoch angenehm. Ich lief zügig nach Hause, schnappte mir Ty und ging mit ihm in den Park. Er war genau wie ich. Er liebte die Dunkelheit. Ich bin jetzt kein Grufti oder so, aber ich liebe es einfach, spazieren zu gehen, wenn es dunkel ist. Niemand schaut einen schief an, wenn man im Park sitzt und weint, einfach weil Abends kaum jemand im Park ist. Man kann die Sterne beobachten und die ruhe genießen. Am schönsten war es dann, wenn es dazu noch regnete. Ich liebte es einfach und wenn ich könnte, würde ich wohl jeden Abend im Regen nach draußen gehen. Ty war genauso er liebte Regen und Dunkelheit, wir passten einfach perfekt zusammen. Ich lief weiter durch den Park und wollte zu meiner Bank. Es war die Bank unter der großen Eiche, dort wo ich immer saß. Doch heute machte mir jemand ein Strich durch die Rechnung, als ich an der Bank ankam, sah ich, dass jemand darauf lag, einfach so.

Ty fing an zu knurren und der Unbekannte schreckte hoch. „Hey, hey halt bloß den Hund bei dir“ hörte ich eine Wunderschöne Männliche Stimme sagen. Ich trat einen Schritt auf ihn zu und er setzte sich kerzengerade auf die Bank. Ohne ein Wort zu sagen setzte ich mich neben ihn und Ty nahm zwischen meinen Füßen Platz. „Ich heiße Lina und das ist Ty“ sagte ich und streichelte meinem kleinen sanft über den Kopf. Der Unbekannte sah mich an. „Hey, ich bin Kalle, wie kommt es, das so jemand wie du mit mir redet?“ fragte Kalle verwunderlich. „Wieso sollte ich denn nicht mit dir reden?“ er fing lauthals an zu lachen. „Du weißt scheinbar nicht, wer dir hier gegenüber sitzt. Ich bin ein Straßenpunk.“ Verwirrt sah ich ihn an. „Ein Straßenpunk? Du bist also ein Punk, der auf der Straße lebt?“ er nickte. Für jemanden, der auf der Straße lebt, sah er eigentlich recht sauber aus. Dass er ein Punk war, sah man ihm aber sofort an. Er hatte blond/braunes Haar, was ihm Zottelig im Gesicht hing. Es ging ihm etwa bis zu den Ohren und hing auf der rechten Seite zu einem Pony ein wenig länger herunter. Er trug im Gesicht mehrere Piercings. 2 an der Unterlippe, jeweils links und rechts. Einen Ring durch die Nase. Und so eigenartige Dinger an den Ohrläppchen. Dazu trug er ein Schwarzes Hemd, eine Schwarze ausgewaschene Lederjacke und eine Graue Jeans Hose. „Was sind das für Piercings?“ fragte ich ihn neugierig. „Das hier“ er zeigte auf das Ding an seinem Ohr.“ Ist ein Tunnel. Und das hier..“ er zeigte auf das Ding in seiner Nase. „.. ist ein Septum und die beiden…“ Nun zeigte er auf die ringe an seiner Unterlippe. „ das sind Snakebites. Wieso interessierst du dich dafür?“ er lächelte leicht und legte seinen Kopf schief. „ Naja, ich selber hab mit Piercings nicht viel zu tun, find aber, dass sie dir echt wahnsinnig gut stehen.“ Er bedankte sich und wir quatschten noch ein wenig weiter. Ich erfuhr, dass er 21 Jahre alt war, seit ca. 3 Jahren schon auf der Straße lebte. Er hatte die Realschule mit einem Guten Abschluss beendet, aber sein Vater wollte einfach immer mehr, Kalle liebte die Freiheit und die Natur und sein Vater wollte, dass er Medizin studierte oder sonst so was. Er arbeitete gelegentlich in einem kleinen Geschäft ganz in der Nähe zur Aushilfe. Und zur Zeit wohnte er in einem Verlassenen alten Haus am Stadtrand. Irgendwie Faszinierte mich das, was er sagte. So ein Leben in Freiheit, wo man selbst bestimmen konnte, was man Tat und was nicht, ohne Verpflichtungen und Vorschriften.

Ich saß bis um kurz vor 23 Uhr noch mit Kalle im Park. Mir wurde langsam kalt und ich fror. „Ist dir Kalt?“ fragte Kalle und legte mir seine Jacke um die Schultern. „Hey, das geht nicht du wirst ja noch Krank.“ Sagte ich und wollte ihm die Jacke wieder zurück geben. Doch er bestand darauf, dass ich sie an behielt, bis ich zu Hause war. „Sag mal Lina…“ fing er nach einiger Zeit des laufens an. „würdest du mir wohl deine Nummer geben? Ich würde dich wahnsinnig gern wieder treffen. Es hat so verdammt gut getan heute.“ Sagte Kalle und hielt mir einen Kugelschreiber hin. Ich lächelte, nahm seine Hand und schrieb ihm meine Nummer auf. Ty lief still neben uns her und nach guten 10 Minuten, die wir unterwegs waren fing es plötzlich wie aus Kübeln an zu Regnen. Kalle nahm meine Hand und wir fingen an zu laufen. Es regnete immer fester und meine Hose klebte mir bereits an den Beinen. Kalle lief schneller und zog mich hinter sich her. Nach 5 Minuten durch den Regen sprinten standen wir bei mir vor der Haustür. Kalle blickte mir in die Augen. „Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.“ Er drückte mir einen Kuss auf die Wange und verschwand in der Dunkelheit.

Ich drehte mich zur Tür und Schloss sie auf, als plötzlich etwas von meinen Schultern rutschte. Ich drehte mich um und sah, dass es Kalle’s Lederjacke war, er hatte sie vergessen. Ich hob sie auf und nahm sie mit rein. Ty und ich liefen wie immer die Treppen hoch. Vor der Wohnungstür ließ ich Ty von der Leine und schloss die Tür auf. Meine Mum stand im Flur. „Wo kommst du jetzt her? Ich hab mir verdammte Sorgen gemacht!“ rief sie wütend. „Du machst dir nie Sorgen um uns Mum, vielleicht um Charli aber nicht um uns.“ Sagte ich. Ich hing meine Jacke und Ty’s Leine auf, zog die Schuhe aus und ging in Richtung mein Zimmer. „Es tut mir Leid Lina.“ Sagte meine Mutter. Ich dreht mich zu ihr um und sie stand mit gesenktem Kopf da. Ich nickte, drehte mich wieder und ging leise in mein Zimmer. Dort zog ich mich um und ließ mich erschöpft ins Bett fallen. Kalle’s Jacke hatte ich neben mein Bett gelegt, ich hob sie auf und betrachtete sie. Man sah, dass sie nicht gerade neu war, Aber es passte einfach zu Kalle. Ich roch vorsichtig an ihr, dachte sie würde schlecht riechen , gar stinken, doch ganz im Gegenteil sie roch angenehm, sehr angenehm nach Kalle. Ich legte die Jacke wieder weg, schloss die Augen und ließ den Tag heut nochmal Revue passieren. Die Aktion im Laden, der Nachmittag mit Yannick, das Treffen mit meiner Mum und die Begegnung mit Kalle. Das viele Nachdenken machte mich müde und so schlief ich mit den Gedanken an Kalle ein.






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