Patchwork love

Autor: honey
veröffentlicht am: 06.08.2012


Als ich aus dem Schulgebäude lief, wartete meine Mom mit dem Auto auf mich. Was machte sie hier? Mit eiligen Schritten lief ich zum Auto, machte die Tür auf und stieg ein. "Seit wann holst du mich ab?" Ich runzelte die Stirn und schaute sie fragend an. "Wir sind verabredet. Joachim wartet mit seinen Kindern Marlon und Nina auf uns", antwortete Mom. Joachim Schneider war Mom's Freund, seit ungefähr einem Jahr. Die beiden waren ein perfektes Paar und ich kam eigentlich auch gut mit ihm aus. Mit Marlon oder Nina verstand ich mich bis jetzt eigentlich ganz gut. Marlon war mit seinen 17 Jahren eineinhalb Jahre älter als ich und Nina war, genau wie ich, 15. Als wir vor dem Haus der Schneider's hielten, stand Joachim schon draußen um uns in Empfang zu nehmen. "Hallo Susanne!" Er drückte Mom einen Kuss auf den Mund. Dann gingen wir zusammen rein. Schon im Eingangsbereich konnte man riechen, dass Joachim gekocht hatte. Und er kochte nicht gerade schlecht. Marlon und Nina saßen bereits schon am Tisch. Ein wenig zurückhalten setzte ich mich neben Nina. "Hey", begrüßte ich die beiden. "Hi Jessy", kam es zurück. Mom und Joachim unterhielten sich leise über etwas und schauten dabei ab und zu zu uns. Danach wurde die Pfanne mit den Eiernudeln auf den Tisch gestellt. Marlon machte sich sofort darüber her. Hatte er schon mal was von Ladys first gehört? Nachdem jeder etwas auf seinem Teller hatte und bereits einige Bissen gegessen hatte, räusperte Joachim sich. "Wir wollten euch etwas sagen." Erwartungsvoll schauten wir ihn an. "Daher wir beide sehr glücklich sind", ein vielsagender Blick zu Mom, "haben wir etwas beschlossen. Und zwar möchten wir gerne zusammenziehen. Was haltet ihr davon?" Ich verschluckte mich fast an meinen Nudeln und musste husten. "Papa, ich hab schon 'ne Schwester, ich brauch nicht noch eine!", wandte Marlon sofort ein. Er betonte jedes Wort. Unter dem Tisch trat ich Marlon gegen sein Bein und schaute ihn empört an. Nina schien begeistert davon. "Also ich find's cool! Dann sind wir eine richtige Familie." Als sie das sagte, versetzte es mir einen leichten Stich. Mom, Dad und ich waren auch mal eine Familie gewesen. Aber er musste uns ja verlassen. Für irgendso eine Tussi, die zwar gut aussah aber kein Niveau hatte. "Was meinst du, Jessy?", fragte Mom und holte mich aus meinen Gedanken. "Was?" Sie lächelte. "Was du davon hältst, dass wir zusammen ziehen." "Ja..ja, ist eine gute Idee!" Schnell wandte ich mich wieder meinem Essen zu und stopfte mir eine Gabel in den Mund. "Okay, dann werden wir in den nächsten Tagen alles planen!", verkündete Joachim. Das Marlon nicht zufrieden war, konnte man erkennen. Er stand auf und lief mit energischen Schritten aus dem Raum. Einen kurzen Moment später hörte man seine Zimmertür knallen. "Was hat Marlon?", fragte ich Nina. "Der ist generell schlecht drauf, seine Freundin hat erst schluss gemacht." Oh. Den letzten Rest meines Essens aß ich schnell auf und kündigte dann an, dass ich mal schnell aufs Klo müsste. Aber ich wollte zu Marlon. Ein wenig angepisst war ich schon, schließlich sollte er es nicht an mir auslassen, dass seine Freundin schluss gemacht hatte. Ich klopfte. "Was ist?", hörte ich ihn genervt fragen. Dennoch drückte ich einfach die Klinke runter und trat ein. "Hast du ein Problem mit mir?" Marlon schaute mich verwirrt an. "Nein, warum?" "Ich meine nur. Du willst ja nicht 'noch eine Schwester haben'", machte ich ihn nach. Er seufzte. "Sorry, aber zur Zeit läuft nicht alles so geschmiert. Nimm's bitte nicht so persönlich." Mit einem Seufzer ließ er sich auf sein Bett fallen. Seine Finger fuhren durch seine dunkelblonden, süßen Locken. "Du trainierst?", fragte ich und deutete auf die Hanteln, die in seinem Zimmer lagen. "Ja, ich gehe auch ins Fitnessstudio. Willst mal mein Bizeps fühlen?" Er grinste mich frech an. Ich zuckte die Schultern und ging auf ihn zu. "Klar, warum nicht?" Als ich neben ihm saß, spannte er seine Muskeln an. Wow. Sie waren wirklich hart und sahen gut aus, unter seiner gebräunten Haut. "Nicht schlecht!", meinte ich beeindruckt. Marlon musste lachen. "Danke." Nach einer Weile des Schweigens machte stand ich langsam wieder auf. "Kommst du wieder mit runter?", wollte ich wissen. Er nickte, stand ebenfalls auf und zusammen gesellten wir uns wieder zu den anderen. Joachim redete sofort auf seinen Sohn ein. "Marlon, wegen vorhin, ich... " Aber er unterbrach ihm mitten im Satz und meinte: "Ach quatsch, Papa. Ist voll okay." Unwillkürlich musste ich lächeln. Nachdem in der Küche aufgeräumt war, machten Mom und ich uns wieder auf den Heimweg. Im Auto quetschte Mom mich natürlich gleich wieder aus. "Was hast du denn heute mit Marlon angestellt, dass er seine Meinung geändert hat?" Sie zog mich wieder mal ein bisschen auf. "Eigentlich nichts. Wir haben nur ein bisschen geredet." Nach einer Weile sagte sie nebenbei: "Ihr würdet gut zusammenpassen." "Mom, das wird mein zukünftiger Bruder, glaub nicht das ich mit ihm was anfangen werde!", rief ich empört. Ja, so war sie eben, meine Mom. Sie sagte oft, was sie dachte. Und wenn es noch so abwegig war. Zu Hause machte ich erst mal meinen Berg von Hausaufgaben. Nach gut zwei Stunden war ich mit dem ganzen Kram fertig, dann zog ich mich um und machte mich auf den Weg zum Gestüt Sonnenhof. Dort hatte ich mein Pflegepferd Espri stehen. Espri war ein pechschwarzer Wallach, mit mittellanger Mähen und glänzendem Fell. Ich liebte das Pferd. Nachdem ich noch ein paar Karotten eingesteckt hatte, sagte ich Mom bescheid und verließ dann das Haus. Zum Gestüt fuhr ich mit meinem Fahrrad, da brauchte ich nicht lange. Dort angekommen, stellte ich mein Fahrrad in einen der Ständer und lief dann über den großen Hof, in dessen Mitte sich ein Springbrunnen befand, direkt zum Stall. Ich lief den beiden Stallburschen über dem Weg, und in der Reithalle wurde gerade Unterricht gegeben. Die Reitlehrerin, Frau Witzke, war eine gute Lehrerin. Bei ihr hatte ich früher auch Unterricht genommen und beherrschte das Reiten jetzt fast perfekt. Das Stalltor war bereits sperrangelweit offen, als ich in den Stall trat. Einige Pferde waren auf der Koppel. "Hey Jessy!" Ich drehte mich um und sah, dass Jamie auf mich zukam. Sie hatte hier ein eigenes Pferd, Jimmy, und ich verstand mich gut mit ihr. Sie fragte mich, ob ich gleich mit ins Gelände wollte. "Klar, warum nicht? Ich mach nur schnell Espri fertig!" "Ja, kein Ding. Luca kommt auch mit." Dann verschwand sie in Jimmy's Box und ich ging zu Espri. Der Wallach blickte mit seinen dunklen Augen wachsam umher. "Hey, mein Kleiner!" Sanft strich ich ihm über die Nüstern und hielt ihm eine der Karotten hin, die ich mitgebracht hatte. Er nahm sie gerne. Anschließend machte ich Espri schnell reitfertig. Dreckverkrustet war er ja nicht, geputzt hatte ich ihn also geschwind. Beim aufsatteln gab es wie immer auch keine Probleme und so führte ich ihn zehn Minuten später vor den Stall. Jamie wartete schon mit Jimmy. Als sie sah, dass ich auch schon kam, schwang sie sich in den Sattel. "Wo ist Luca?", fragte ich, als ich auf Espri stieg. Jamie deutete auf die Longierhalle. "Er lässt Fiona nochmal kurz laufen. Die hat doch immer Wespen im Arsch." Wir mussten lachen. Das stimmte allerdings, sein Pferdchen war ziehmlich temperamentvoll. Nachdem Luca aber auch bei uns war, machten wir uns auf den Weg. Auf einer Wiese beschlossen wir, unsere Pferde einfach laufen zu lassen. Wir trieben sie alle stürmisch an und sofort fetzten sie auch schon los. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Fiona schon wieder einen Bocksprung vollzogen hatte. Ich musste lachen. Der Wind peitschte mir ins Gesicht und Espri hatte heute einiges an Geschwindigkeit drauf. Wie gerne würde ich jetzt die Zügel einfach loslassen... Hey, warum eigentlich nicht? "Versuchen wir's!", dachte ich mir und klemmte die Zügel unter mein Knie. Dann streckte ich beide Arme aus. Wow, das war ein Feeling! "Jessy, du bist verrückt!", hörte ich Jamie rufen. Wieder musste ich lachen. Wenn ich auf Espri über die Wiesen jagte, war ich einfach frei.
Als ich wieder nach Hause kam, war es bereits halb sieben. "Bin wieder da!", rief ich und als antwort kam ein "Okay" aus dem Wohnzimmer. Nachdem ich meine Schuhe ausgezogen hatte, lief ich zu Mom ins Wohnzimmer. Ich setzte mich neben sie auf's Sofa. War ja klar, dass sie wieder eine Schnulze anschaute. Mom liebte Schnulzen. Gelangweilt starrte ich auf den Bildschirm. "Entweder du schaltest um oder ich verzieh mich", meinte ich ohne den Blick abzuwenden. "Ich schalte nicht um!" Okay. Seufzend stand ich auf und ging die Treppen in mein Zimmer rauf. Dort hockte ich mich erst mal an den Laptop, ging auf Facebook und chattete ein bisschen mit Freunden. Nach zweieinhalb Stunden hüpfte ich unter die Dusche, aß anschließend etwas und ging dann früh ins Bett. Ich war heute irgendwie ziehmlich müde. Als ich mich in die Decke kuschelte, dachte ich daran, was in der nächsten Zeit wohl auf uns zukommen würde. Umzug. Neues Haus. Eventuell andere Gegend. Neue Familie. Bei dem Gedanken wurde ich schon wieder traurig. Schnell dachte ich an meinen Espri und fiel dann irgendwann in einen traumlosen Schlaf. Am nächsten Morgen fühlte ich mich ausgeruht. Ich war sogar vor meinem Wecker wach geworden, der in fünf Minuten klingeln würde. Also machte ich ihn aus, strampelte die Decke von den Füßen und ging zum Schrank. Dort wählte ich mein heutiges Outfit, eine Hotpants und ein schwarzes Top. Schnell schlüpfte ich in die Klamotten und schlurfte dann ins Badezimmer. Dort kämmte ich mir erst mal meine dunkelblonden Haare, die mir bald bis zum Bauch reichten. Ich sprühte sie mit Haarspray fest. Anschließend widmete ich mich meinem schmalen Gesicht. Auf Puder und Rouge verzichtete ich generell, also schnappte ich mir meine Wimperntusche und den Eyeliner und fing an, meine braunen Augen besser zur Geltung zu bringen. Wenn ich sie schminkte, wirkten sie größer als sonst. Denn eigentlich hatte ich lange Wimpern, doch wenn ich ungeschminkt war, sah man sie nicht so gut. Nachdem ich mit meinen Augen fertig war, griff ich zum Lippgloss. Eigentlich mochte ich meine Lippen nicht besonders. Die obere war dünn, und die untere fülliger. Von wem ich die hatte, wusste ich nicht, auf jeden Fall nicht von Mom. Als ich dann schließlich mit dem täglichen Styling fertig war, ging ich in die Küche, um eine Kleinigkeit zu essen. Mom war heute schon auf den Beinen. "Warum bist du schon um halb sieben auf?", fragte ich sie, während ich mir Kaffee einschenkte. "Ich konnte nicht mehr schlafen." Das war mal was neues. Aus dem Essensschrank holte ich mir Cornflakes und futterte sie aus der Verpackung raus. Um sieben Uhr musste ich mich schließlich auf den Weg zum Bus machen. Ich drückte Mom einen Kuss auf die Wange und verließ das Haus.





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