What we used to be - Teil 16

Autor: Ai
veröffentlicht am: 30.08.2012


Richard:
Ich bin gerade auf dem Weg zur Polizei. Zwei Wochen sind eindeutig zu lang.
„Hallo, ich möchte Jemanden vermisst melden.“ Ich lege meinen Ausweis auf den Tresen. Der Polizist sieht mich skeptisch an.
„Wie lang ist dieser Jemand denn schon verschwunden?“
„Zwei Wochen. Mein Bruder.“
„Mhm und ist er schon öfter verschwunden?“
„Eigentlich nicht, zumiendestens nicht so lange.“
„Wie ist denn der Name Ihres Bruders?“ Jetzt geht der Beamte hinüber zum PC und beginnt etwas einzutippen.
„Oliver Rento.“
Er tippt weiter. „Hm.“ Er runzelt die Stirn.
„Was ist?“ will ich wissen.
„Ihr Bruder wurde vor einer Woche verhaftet. Ihre Mutter ist verständigt worden.“
„Was?“ Ich bin fassungslos. Mama hat mich eiskalt angelogen. Sie wusste genau, wo Oliver war! „Und wo ist er jetzt?“
„Momentan noch in Untersuchungshaft, da niemand die Kaution bezahlt hat.“
„Und wo?“
„Im Hauptbüro, das liegt in der Innenstadt …“ Doch ich höre ihm schon gar nicht mehr zu, bin schon auf dem Weg zu Oliver.
Dieser Vollidiot! Was hat er jetzt schon wieder angestellt? Langsam reicht es! So kann es nicht mehr weiter gehen!
Sophie. Verdammt Sophie! Ich hab sie total abweisend behandelt. Ob sie jetzt noch mit mir redet? Und Alles nur wegen diesem Vollidioten und Mama!
„Ich bin hier um Oliver Rento abzuholen!“

Oliver:
Eigentlich wollte er nur ein paar Tage weg bleiben, um seinen Bruder zu schocken. Er wollte seinem Kumpel Viktor unterkommen, aber der öffnete die Tür nicht, als er klingelte. Also machte er es sich auf einer Parkbank bequem. Es war Hochsommer, wahnsinnig heiß, auch in der Nacht. Da hatte er Glück.
Bis er am vierten Tag eine Bank erwischte, die offenbar schon Jemandem gehörte. Irgend so ein Penner stieß ihn einfach herunter, als er gerade eingeschlafen war. Das konnte er sich natürlich nicht gefallen lassen, also verpasste er dem Alten einen Kinnhacken. Blöd nur, dass der Typ sich dann nicht mehr bewegte und noch blöder, dass es Jemand gesehen hatte. Und dieser Jemand rief dann auch noch die Polizei.
Tja, der Penner war tot. Er hatte mit der Faust nicht nur das Kinn sondern auch die Nase erwischt. Knochensplitter waren wohl bis ins Stammhirn eingetreten. Das sagten ihm jedenfalls die Bullen. Sie hatten ihn gleich mitgenommen und in eine Zelle verfrachtet.
„Du bekommst eine Anzeige“, sagte er Bulle.
„Na und, davon hab ich schon einige!“ blaffte er frech zurück.
„Eine Anzeige wegen Todschlag.“
Da musste sogar er kurz schlucken. Todschlag war schon eine Nummer größer als seine bisherigen Vergehen.
„Du bleibst erst einmal in Untersuchungshaft.“
„Rufen Sie meine Mutter an?“ Jetzt bekam er doch etwas schiss.
„Ja, du bist noch minderjährig. Wir müssen einen Erziehungsberechtigten verständigen.“
So eine Scheiße! „Was … was passiert denn jetzt?“ Die Coolheit war dahin. Er bekam richtig Angst.
„Du bleibst erst einmal hier. Wenn deine Mutter die Kaution bezahlt, dann darfst du bis zur Verhandlung zu Hause bleiben.“ Der Polizist wirkte ganz gelassen, als würde er jeden Tag siebzehnjährigen Todschlägern erklären, wie es weiter ging.
„Und wenn sie sie nicht bezahlt?“
„Dann musst du hier bleiben.“ Fuck! Das wurde ja immer schlimmer. „Ich lass dich jetzt mal alleine.“
Langsam kamen ihm die Tränen. Der coole Junge, der sich von Niemandem etwas sagen lassen wollte, Alles alleine hinbekam, saß nun in einer kleinen Zelle und weinte.
„Haben Sie meine Mutter erreicht?“ fragte er aufgelöst.
„Ja“, sagte der Beamte nur.
„Und? Komm ich jetzt hier raus?“
„Nein.“
„Was? Warum denn nicht?“
„Deine Mutter zahlt nicht. Du musst hier bleiben.“ Scheiße.

Richard:
Oliver sieht furchtbar aus. Klar, seit er hier drinnen sitzt, ist er auf Entzug. Was er getan hatte war nur die Spitze eines Eisbergs. Es war wohl nur eine Frage der Zeit gewesen, bevor er den Ersten umbrachte. Einen hatte er ja schon halb tot geprügelt. Vielleicht ist im wirklich nicht mehr zu helfen. Aber einen Versuch werde ich noch wagen.
„Danke Mann!“ sagt Oliver erleichtert, als der Polizist die Zellentür aufsperrt und er mich sieht.
„Bedank dich nicht zu früh“, sage ich warnend. „Ab sofort gibt es Regeln und wenn du dich nicht daran hältst, wanderst du ganz schnell wieder in diese Zelle zurück.“ Schockiert sieht er mich an. „Es reicht! Du hast jetzt schon genug Scheiße angerichtet! Das ist deine letzte Chance und wenn du sie nicht nutzt habe ich keinen Bruder mehr!“
„Und … und was heißt das jetzt?“ er spricht leise und ängstlich. So kenne ich ihn gar nicht.
„Ich bring dich jetzt zu Mama. Dort bleibst du bis zum Verhandlungsbeginn. Wenn das Urteil gesprochen bist, wirst du deine Strafe absitzen und einen Entzug machen.“ Olivers Augen werden immer großer. Er ist entsetzt. „Keine Drogen, keine Gewalt, kein Scheiß mehr. Das ist das letzte Mal, dass ich dich aus dem Müll raushole, den du verzapft hast!“
Ich habe fast 2000 Euro Kaution gezahlt. Ein Polizist hat mir den ungefähren Ablauf erklärt und was Oliver als Strafe wahrscheinlich erwarten wird. Er wird fünf Jahre bekommen, weil er noch minderjährig ist. Vor diesem Urteil kann ihn nichts mehr retten. Er hat in der Vergangenheit schon so viel Scheiße gebaut, dass der Richter sicher kein Auge zudrücken wird.
Oliver hat sich seine Zukunft verbaut. Alles, was ich jetzt noch tun kann, ist dafür zu sorgen, dass er nach dem Knast nicht weiter abrutscht. Ob mir das gelingt weiß ich nicht. Ich setzte Oliver erst einmal bei unserer Mutter ab.
Sie will nichts mehr mit dieser Sache zu tun haben.
„Aber Mama, Oliver ist noch nicht volljährig. Du bist für ihn verantwortlich.“
„Nein, ich bin vor allem für mich und meine Gesundheit verantwortlich und dieser Junge macht mich krank!“ sie sieht Oliver vorwurfsvoll an.
„Kann er wenigstens hier bleiben?“
„Bitte! Aber wenn er wieder etwas anstellt, ist mir das so was von egal!“
Mama kann nicht mehr. Sie ist psychisch am Ende. Ihr Ex-Mann und ihr jüngster Sohn haben sie krank gemacht. Aber vielleicht ist das die Lösung. Ich habe seit fast vier Jahren nicht mehr mit unserem Vater gesprochen. Vielleicht wird es wieder Zeit.





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