What we used to be - Teil 4

Autor: Ai
veröffentlicht am: 06.08.2012


Richard:
Dieser Tag konnte ja nur noch besser werden. Zuerst hat der Vermieter den Schlüssel für meine neue Wohnung vergessen und ich musste eine geschlagene halbe Stunde in der Hitze warten, bis dieser Vollidiot endlich wieder kam. Dann wollte ich mir einen kleinen Vorrat an Lebensmittel zulegen, aber auf den Weg zum Supermarkt fährt mich so eine Irre fast über den Haufen und behauptet dann auch noch rotzfrech, ich hätte Schuld gehabt. Und jetzt siezte ich endlich mit einem kühlen Bier auf meinem Balkon und will mich etwas entspannen, da dröhnt vom Nachbergrundstück ein Lern herüber. Anscheinend steigt da irgendeine Party.
Das Nachbarhaus sieht ziemlich groß und alt aus. Ich bin mir nicht sicher, ob es ein Ein- oder Mehrfamilienhaus ist. Auf jeden Fall hat es einen Garten und einen Pool, indem sich gerade jede Menge Menschen tummeln. Der Duft von gegrilltem Fleisch steigt mir in die Nase und dabei muss ich unwillkürlich an diese junge Frau denken, die mich fast umgebracht hätte. Sie hat Stakes gekauft. Eigentlich sah sie ja ganz niedlich aus. Richtig hübsch, wenn man es genau nimmt. Aber sie schien eine echte Zicke zu sein und von solchen Frauen hatte ich echt schon genug.
Ich nehme wieder einen Schluck von meinem Bier und werfe noch einmal einen Blick in den Garten meiner neuen Nachbarn. Ich verschlucke mich fast, als ich sie sehe. Da steht doch tatsächlich eben diese junge Frau mitten im Garten, trinkt ein Bier und sieht sich aus sicherer Entfernung das Spektakel am Pool an. Hustend klopfe ich mir auf die Brust. Was zur Hölle macht die denn da? Es wäre interessant zu wissen, ob sie in diesem Haus wohnt, oder nur zu Gast ist. Denn eines steht auf jeden Fall fest, so groß das Haus auch sein mag, all diese Leute können da nie und nimmer drinnen wohnen. Außerdem wäre es auch seltsam. Ein Haus mit lauter Halbwügsigen? Die meisten von denen sind sicher gerade einmal 18.
Vielleicht sollt ich hinüber gehen und mich vorstellen. Aber ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es bald halb elf Uhr abends wird. Eine komische Zeit um sich seinen Nachbarn vorzustellen. Außerdem wäre es allgemein etwas merkwürdig. Immerhin wohnte ich in einem Mehrfamilienhaus und sich gerade da den Leuten im Haus nebenan vorzustellen konnte schon komisch rüberkommen. Also bleibe ich einfach hier sitzen, genieße den Rest meines Biers und schaue mir noch ein bisschen das Spektakel nebenan an.

Sophie:
Es ist zwar schon ziemlich dunkel, aber gerade diese Tatsache machte es mir leichter den Typen zu erkennen, der uns offensichtlich beobachtete. Er saß auf seinem Balkon im Nachbarhaus. In seiner Wohnung war das Licht an, der Schein der Lampen, der durch die Fenster fiel, beleuchtete ihn etwas. Deshalb konnte ich gut erkennen, dass da jemand saß und die ganze Zeit in unseren Garten starrte. Perverse Leute gab es hier. Kaum zu glauben!
Ich für meinen Teil hatte sowieso schon genug für den Tag und der Spanner im Nachbarhaus gab mir den letzten Schubs, den ich gebraucht hatte, um mich auf den Weg in mein Zimmer zu machen. Ich sagte Marco Bescheid und stieg die gefühlten zweitausend Stufen bis zu meinem Zimmer hoch. Mika saß vor der Tür zu unserer Wohnung, als sie mich kommen hörte, stand sie auf, ging bis zum Treppenabsatz, blieb dort stehen und miaute so lange, bis ich die Tür öffnete. Eine wahnsinnig ungeduldige Katze.
David und Veronika schliefen schon, es war immerhin schon fast elf Uhr nachts. Aber Adam saß noch im Wohnzimmer vor dem Fernseher. „Wo ist Mama?“ fragte ich ihn, an den Türrahmen gelehnt. Kurz zuckte er zusammen. Er hatte mich nicht kommen hören und der Film, den er sich gerade ansah, war sicher nicht für sein Alter geeignet. Einer Frau wurde gerade die Kehle durchtrennt, sodass das Blut nur so spritzte.
„Ist ist noch bei Oma und Opa“, sagte er dann. Mama liebte ihre Schwiegereltern heiß und innig und sie liebten sie auch.
„Denkst du, dass das das richtige Programm für dich ist?“ Mit dem Kinn deutete ich Richtung Fernseher, wo gerade ein Typ ein Loch in den Bauch geschossen bekam.
„Vermutlich nicht“, sagte er. So ehrlich kannte ich ihn gar nicht. Eigentlich hatte ich erwartet, dass er mir hundert Ausreden präsentiert, warum er sich diesen Film ansehen konnte.
„Na dann komm“, sagte ich, nahm die Fernbedienung und drehte den Fernseher ab. Ohne zu murren stand er auf und machte sich auf den Weg in sein Zimmer. Verwundert blieb ich im Flur stehen. Wahrscheinlich war er einfach zu müde um noch groß aufmüpfig zu sein. Er hatte den ganzen Tag im Baumhaus herumgespielt.
Als ich in mein Zimmer kam, lag Mika schon schnurrend auf meinem Bett. Eigentlich war sie ja eine ausgesprochen süße Katze und sie liebte mich heiß und innig. Wenn sie im Haus war, ging sie immer gleich zu meinem Zimmer. Wenn die Tür verschlossen war, blieb sie so lange davor sitzen, bis Jemand kam. Dann miaute sie solange, bis dieser jemand ihr die Tür öffnete. Nur zum fressen wagte sie sich in die Küche. Am liebsten machte sie es sich in meinem Kleiderschrank bequem. Wenn man einmal nicht aufpasste, huschte sie einfach hinein und blieb dort auch mal ein paar Stunden liegen.
Ich zog mir meine durchgeschwitzten Klamotten aus und meinen Pyjama an. Dann schaltete ich die große Deckenlampe aus und ließ nur meine Nachttischlampe brennen. Durch das Fenster über meinem Bett warf ich einen kurzen Blick in den Garten. Es war noch immer Bombenstimmung. Unwillkürlich wanderte mein Blick dann auch hinüber zum Nachbarhaus. Aber der Typ saß nicht mehr dort. Irgendwie war ich endtäuscht. Eigentlich hatte ich erwartet, ihn dort sitzen zu sehen. Na ja, auch kein Weltuntergang. Licht aus und gute Nacht.





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