Kann Liebe alle Grenzen überwinden? - Teil 6

Autor: zeitvorhang
veröffentlicht am: 08.08.2012


Erklärungen

Claire konnte es nicht fassen.
Seit Tagen hatte sie sich nach diesem Moment gesehnt, Jean endlich wieder zu sehen und nun stand er tatsächlich vor ihr. In ihrem Kopf hatte sie sich tausendmal ihr zweites Aufeinandertreffen ausgemalt - wie sie lachend durch die Stadt liefen und ein Eis aßen oder nebeneinander im Kino saßen und zufällig im gleichen Moment in die Popcorntüte griffen oder... ja, sie hatte sich die verschiedensten Situationen ausgemalt. Aber mit diesem Wiedersehen hatte sie im keinsten Falle gerechnet.
Woher konnte sie denn auch wissen, dass Jean der Sohn des Chefs von RM war? Florian hatte ihr nie etwas davon erzählt - bis zu seiner Party hatte sie Jean ja nicht gekannt und es hätte sie nicht sonderlich interessiert.
Aber warum hatte Jean nichts gesagt?
Zwar sah er in dem - wahrscheinlich - schweineteuren Anzug wieder einmal unverschämt gut aus, aber sein Gesicht wirkte emotionslos, steif und seine Augen ungewohnt kalt. Wo war sein keckes Lächeln geblieben? Wo war die Wärme in seinen Augen hingewichen?
Und erkannte er sie denn gar nicht mehr?
Claires Finger umklammerten hilfesuchend den Fotoapparat und in ihrem Hals bildete sich ein immer größer werdender Kloß.
Jean zeigte keinerlei Wiedererkennungsfreude - er betrachtete sie wie eine Fremde.
Hatte er sie etwa schon wieder vergessen? Sie wollte weg, raus hier.
"Frau Courounne?", fragte Baptiste Roi schließlich höflich, jedoch mit einem scharfen Unterton - er schien leicht genervt zu sein. "Wollten Sie nicht ein Foto schießen?"
Der Geschäftsmann war es zwar gewohnt, dass die Frauen seinen Sohn so anstarrten, aber nicht auf seine Kosten, er hatte wahrlich noch besseres zutun, als hier sinnlos herumzustehen.
Aber um seinen guten Ruf zu wahren, musste er in jeder Situation Ruhe bewahren - komme was wolle!

Claire schreckte auf und fummelte hektisch an der Kamera herum. "Natürlich", erwiderte sie leise. "Tut mir leid."
Mit neu aufgebauter Selbstbeherrschung sah sie schließlich wieder auf und setzte ihr schönstes Lächeln auf - zwar etwas verzerrt und gezwungen, aber immerhin.
Vor Jean und seinem Vater würde sie sich nicht (nochmal) blamieren, oh nein!
Professionell stellte sie sich in die richtige Position, stellte die Blende ein und gab ein "Bitte recht freundlich!" von sich, bevor sie auf den Auslöser drückte.
Mit leisen Klickgeräuschen schoss sie einige Fotos hintereinander, überprüfte sie kurz auf dem kleinen Bildschirm und packte die Kamera wieder weg. Nach getaner Arbeit streckte sie dem älteren Roi die Hand entgegen und bedankte sich strahlend für das Foto, danach ging sie zu Jean und schüttelte ihm ebenso kräftig die Hand. Ein kurzer Blick zur Seite, dann nuschelte sie Jean leise zu: "Wiedersehen macht Freude." Dann drehte sich um und verschwand wieder in der Menschenmenge.

Nach einem freien Stehtisch suchend, quetschte sich Claire zwischen den Grüppchen hindurch und blieb letztendlich an einem Stehen, auf dem noch ein halbvolles Sektglas stand - am Rand war noch ein roter Lippenstiftabdruck zu sehen. Oh ja, einen Sekt könnte sie jetzt auch vertragen, aber nein, sie musste ja noch Auto fahren! Frustriert angelte sie sich eine Cola von einem der herumlaufenden Kellner und nahm einen großen Schluck des pappsüßen, braunen Getränks.
Mürrisch schaute Claire sich um, sie kannte hier niemanden und der letzte Funke der guten Laune war vor wenigen Minuten endgültig im Erdboden versickert.
Wenigstens hatte sie nun alle Fotos zusammen und konnte bald von dieser Ausstellung verschwinden!
Trübselig nippte sie ein weiteres Mal an der Flasche, das braune pappsüße Getränk kam ihr gerade recht.
Hatte Jean sie etwa wirklich vergessen? Konnte er sich denn an gar nichts mehr erinnern?
Wenn ja, schien sie ja keinen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben.
Andererseits: vielleicht WOLLTE er sie ja gar nicht erkennen? Wollte er sie abstoßen und damit sagen: "Was war, das war"? Nach alldem was geschehen war...oder hatte Claire das Ganze einfach überbewertet?
Wahrscheinlich war sie ihm egal und er hatte nur nach einer netten Partybegleitung gesucht...

"Willst du vielleicht ein Exklusiv-Foto?", hauchte ihr plötzlich eine bekannte Stimme ins Ohr. Ein wohliger Schauer durchfuhr Claires Körper. Als sie sich zu ihm umdrehte, blickte sie in das Gesicht eines vollkommen anderen Jeans. Dieser hier hatte ein warmes Lächeln auf den Lippen und seine grünbraunen Augen funkelten ihr verschmitzt entgegen.
Verdammt, was hatte dieser Mann nur an sich, dass sie ihm sofort in die Arme fallen wollte?
Nachdenklich legte Claire den Kopf schief.
"Ach, auf einmal kennst du mich wieder, oder wie?", fragte sie skeptisch. Nein, so leicht würde sie es ihm nicht machen!
"Es tut mir leid", sagte Jean leise und hielt ihr versöhnlich seine Hand hin.
"Aber kann ich dir das vielleicht woanders erklären?"
Was sollte das denn jetzt?
Claire sah misstrauisch auf seine Hand, ergriff sie jedoch zögerlich und wurde von Jean in Richtung Ausgang gezogen.


Zum hundertsten Mal fragte sich Claire, wieso sie gerade mit Jean über den großen Parkplatz lief. Was sollte das überhaupt? Erst kannte er sie nicht, dann tauchte er plötzlich auf und entführte sie auf den Parkplatz. "Wow...", brachte Claire nur heraus. Jean war vor einem schwarzen Auto stehen geblieben und hielt ihr die Beifahrertür auf. Verdutzt besah Claire sich das Auto - da stand das Auto von RM in seiner vollen Schönheit! Und Jean hielt ihr gerade die Türe auf, damit sie einsteigen konnte!
Bewundernd strich Claire über den Türrahmen, ehe sie sich auf den Sitz sinken ließ. "Das ist echt deiner?", fragte sie beeindruckt.
Jean grinste und stieg lässig ebenfalls in das Auto ein. "Es hat schon seine Vorteile, der Sohn von Baptiste Roi zu sein", sagte er und startete den Motor.
Zuerst fuhren sie durch das kleine Städtchen, doch mit der Zeit wurde die Umgebung immer ländlicher. Gelegentlich tauchten ein paar Bauernhöfe und Kuh- oder Pferdeherden auf den saftigen Wiesen auf, doch ansonsten war dort keine Zivilisation.
"Wohin fahren wir eigentlich?", fragte Claire schließlich und betrachtete Jeans Profil. Seine Augen waren konzentriert auf die Straße gerichtet, doch auf seinen Lippen bildete sich sein typisches Lächeln. "Lass dich überraschen", sagte er geheimnissvoll.
Mit der rechten Hand drückte er auf einen Knopf, damit das nervige Gedudel aus dem Radio ausging. Der Fahrtwind umspielte Claires Haare, die sie mittlerweile aus dem Zopf gelöst hatte. "Ach, soll das wohl so eine Art Entführung werden?", fragte sie und lehnte ihren Kopf auf ihre Hand. "So ähnlich", erwiderte Jean und setzte seine Sonnenbrille auf.
Claire betrachtete ihren Sitznachbarn lächelnd von der Seite, er sah immernoch verdammt gut aus in dem schwarzen Anzug, aber sie fand, dass er darin viel zu steif aussah - es passte einfach nicht zu ihm. Am liebsten hätte sie ihm die Jacke vom Körper gestreift.
Im Moment gefangen, strich Claire sich ihre Haare wie automatisch aus dem Sichtfeld, die ihr der Wind immer wieder ins Gesicht blies.
Es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl, in diesem tollen Auto durch die Gegend zu fahren, bei strahlendem Sonnenschein - und dann auch noch neben Jean! In diesem Augenblick konnte sie sich kaum etwas Schöneres feststellen.

Nach einer Weile wurde die Umgebung wieder lebendiger, am Straßenrand standen vereinzelt Häuser und man konnte nach rechts und links abbiegen, um in nahe gelegene Dörfer zu gelangen.
Ein paar Minuten vergingen, bis Jean sein Tempo verlangsamte und in eine Kiesfahrt einbog. Schließlich hielten sie neben ein paar anderen Autos und Claire steig aus. Wegen der blendenden Sonnenstrahlen hielt sie sich die Hand über die Augen, um die Aufschrift des Schildes erkennen zu können, welches vor ihr auf dem süßen, steinernen Gebäude prangte.
»Café de Lac«, stand dort in geschwungenen Buchstaben, von denen die hellblaue Farbe schon leicht abblätterte.
"Kommst du?", fragte Jean und machte ein paar Schritte auf den Eingang des Cafés zu. Da Claire nichts anderes übrig blieb, folgte sie ihm ohne weiteres durch die geöffnete Tür und blieb kurz stehen, um sich den Innenraum besser ansehen zu können.
Der Innenraum war nicht sonderlich groß, er bestand aus einer offenen Küche, in der eine laufende Kaffeemaschine, ein Schrank voller Geschirr und einer kleinen Theke, in der liebevoll gebackener Kuchen und Muffins angeboten wurden.
Im Raum verteilt standen auf dem dunkelbraunen Holzboden ein paar kleinere Tische mit dazugehörigen Stühlen, die mit blumigen Polstern belegt waren.
Im hinteren Bereich des Raumes war eine oben abgerundete Tür, die offen stand und den Durchgang auf eine riesige Sonnenterrasse bot. Jean steuerte auf eben diese zu, nachdem er die Bedienung mit einem freundlichen Lächeln begrüßt hatte und führte Claire auf der hölzernen Steg-Terrasse an einen Tisch in der '1. Reihe'.

Das Plateau war von einem riesigen See umgeben, der von der Sonne in ein glitzerndes Blau getaucht wurde. Auf dem Wasser schwammen vereinzelt rosane Seerosen, die dem Wasser einen märchenhaften Touch gaben.
Die komplette Terrasse war im Strandstil hergerichtet und gab einem sofort das Gefühl, sich im Urlaub zu befinden.
"Es ist wunderschön", sagte Claire leise und ließ sich langsam in ihren Korbstuhl sinken. Außer Jean und ihr waren noch drei weitere Pärchen und zwei Frauen an den Tischen verteilt, sodass sie dennoch ungestört reden konnten.
Hatte Claire gerade eben gedacht, dass es kaum etwas Schöneres gab, als in Jeans Auto durch die Gegend zu fahren?
"Ich wusste, dass es dir gefallen wird. Ist ein Geheimtipp", meinte Jean verschmitzt und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
Nachdem Clair die Erkundung des Cafés abgeschlossen hatte, schenkte sie ihrem Gegenüber wieder ihre volle Aufmerksamkeit.
"Ja, das ist es wirklich."
Einen Moment lang waren die beiden in ihren Gedanken vertieft, bis die freundliche Kellnerin die Bestellung erfragte. "Einen Eiskaffee, bitte", sagte Claire und lächelte die Bedienung freundlich an. "Für mich auch, bitte, aber ohne Sahne", bestellte Jean.
Claire folgte der Frau mit den Augen, bis sie sie nicht mehr sehen konnte, dann lehnte sie sich erwartungsvoll in ihrem Stuhl zurück.
"Um die Erklärung komm ich wohl kaum herum, was?"
Claire schüttelte mit dem Kopf. "Nö. Aber... zunächst würde mich interessieren, warum wir ausgerechnet hier her gefahren sind. Hättest du mir nicht alles auf der Ausstellung erklären können?"
"Hätte ich", erwiderte Jean. "Aber... sagen wir es so: ich war die Gesellschaft meines Vaters ziemlich Leid."
Skeptisch zog Claire ihre Augenbraue in die Höhe. Was sollte das denn jetzt heißen?
"Wieso das?"
Langsam und nachdenklich fuhr Jean sich durch die sowieso schon zerstrubbelte Mähne und fing dann an zu reden: "Nun ja, das hängt mit meiner Erklärung zusammen. Kennst du die drei Vorschriften eines Rois?"
Verwirrt schüttelte Claire den Kopf und schaute ihn fragend an. Woher sollte sie denn die Antwort auf diese eher rheotorische Frage kennen?
Jean hielt den Daumen in die Höhe. "Erstens: Höflichkeit. In jeder Situation.", er hielt den Zeigefinger in die Höhe. "Zweitens: Souveränität." Dann hielt er noch den Mittelfinger hoch. "Und Drittens: Reserviertheit."
Verblüfft starrte Claire ihn an - damit hätte sie nicht gerechnet. Was waren das denn für schwachsinnige Grundsätze? Klangen ganz klar nach denen eines richtigen Geschäftsmannes.
"Dann lass mich raten, die stammen von deinem Vater?" Claire hatte Baptiste Roi ja erlebt, er war mit Leib und Seele ein geschäftstüchtiger Mann wie er im Buche stand.
Auf Jeans Gesicht erschien ein keckes Lächeln. "Ausnahmsweise nicht. Aber er hält sich strikt daran. Du musst wissen, dass der Stammbaum meiner Familie sehr weit zurück reicht und nicht immer so hoch angesehen war wie jetzt. Deshalb versucht mein Vater, die 'Wogen zu glätten', indem er versucht, sich und seine Familie immer ins rechte Licht zu rücken."
Claire klappte der Mund auf. Mit was für einem Mann hatte sie es denn hier zu tun?
Erst der Sohn des Chefs von RM und dann das!
"Du bist wirklich... unglaublich", murmelte sie geistesabwesend und nickte der Kellnerin dankend zu, die so eben ihre Eiskaffees serviert hatte.
Als ihr Blick von ihrem Glas wieder zu Jean wanderte, hatte dieser wieder einmal sein übliches Grinsen auf den Lippen. Unwillkürlich verfärbten sich Claires Wangen in ein zartes Rosa. Sie hatte nicht ganz auf ihre Wortwahl geachtet, da war ihr das wohl einfach so rausgerutscht.
Jeans Grinsen hingegen wurde immer breiter, er erlebte nicht selten ähnliche Situationen, wenn die Leute - vorwiegend Frauen - erfuhren, wer er war - wenn sie es nicht schon wussten. Doch danach zogen sich die meisten eingeschüchtert zurück, hatten einfach nicht den Mut dazu, eine Freundschaft oder mehr zu ihm aufzubauen. Aber er konnte sich kaum vorstellen, dass Claire auch so war.
"Dass ich der Sohn des Chefs von RM bin, wusstest du also nicht?", fragte Jean belustigt und zog an seinem Strohhalm. Verlegen schaute Claire in seine funkelnden Augen, wandte sich aber schnell wieder ab, da sie seinem stetig fesselnden Blick nicht länger als drei Sekunden standhalten konnte.
"Nein, aber jetzt ist mir auch klar, wieso du meinen Autoreifen auswechseln konntest", antwortete sie keck und trank ebenfalls einen Schluck ihres Eiskaffees. "Na ja, ich denke, dass ich das auch mit Mühe so hinbekommen hätte", lachte er und warf ihr einen süffisanten Blick zu. "Hast du dich denn nie gefragt, wofür RM steht?"
"Nein. Und wenn ich ehrlich bin, hat es mich bisher noch nie interessiert", gab Claire zu und strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht.
"Roi Motors."
Fast schon hysterisch lachte sie auf und schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. Darauf hätte sie aber auch selbst kommen können!
"Du steckst voller Geheimnisse, Jean Roi", hauchte sie ihm entgegen und lehnte sich nach vorne und leicht über den Tisch. "Du hast ja keine Ahnung", grinste Jean verschmitzt. Wie, als würde sie ein Geheimnis erwarten, beugte sich Claire noch etwas weiter über den Tisch. "Und willst du mir eines verraten?", flüsterte sie.
Jean hatte sich nun ebenfalls über den Tisch gebeugt und nun waren ihre Gesichter nur noch wenige Centimeter voneinander entfernt. Und so sehr er es nicht wollte - er konnte dem nicht widerstehen, Claire die widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr zu streichen, die sich wieder in ihr hübsches Gesicht verirrt hatte.
Ja, er fand sie wirklich hübsch. Die süße Stupsnase, die von vielen hellbraunen Sommersprossen übersäht war, die sich bis auf ihre Wangen verteilten und auf- und abhüpften, wenn sie ihr wunderschönes, helles Lachen lachte, bei dem ihre geraden Zähne zum Vorschein kamen und ihre intensiven blauen Augen anfingen wie ein Meer in der Sonne zu glitzern. Um ihre Pupillen befand sich ein gelber Kringel, der langsam in ein helles Blau überging und an den Rändern der Iris immer dunkler wurde - er könnte stundenlang in diese Seelenspiegel schauen, ohne, dass ihm langweilig werden würde. Ihre wunderschönen Augen wurden von einem leicht getuschten Wimpernkranz umgeben, der das Blau ihrer Augen nur mehr intensivierte.
Darüber ihre sinnlich geschwungenen Augenbrauen, mit denen sie unglaubliche Künste vollbringen konnte, wenn sie ihren Gefühlen mehr Ausdruck verleihen wollte.
Tja, und dann waren da noch ihre rosigen, vollen Lippen, die ihn bei jedem Lächeln dazu verführen wollten, sie auf der Stelle zu küssen.

"Also? Ich höre, Mister Roi", forderte Claire ihn auf und weckte ihn somit aus seinen Tagträumen. "Gerne", erwiderte er gefasst und beugte sich vor, bis er an ihrem Ohr angelangt war. "Ich bin der Erbe von Roi Motors."
Claire zog ihren Kopf überrascht zurück und zog eine Augenbraue in die Höhe. "Der Erbe?", hakte sie nach, worauf Jean nickte. "Ich dachte, du hättest noch einen älteren Bruder... zumindest hat Flo das irgendwann einmal erwähnt. Und soweit ich mich entsinnen kann, kriegt doch der Ältere...-" "-...ja, das simmt. Adrien würde eigentlich das ganze Unternehmen rechtmäßig erben, aber... nun ja, wie soll ich sagen? Er ist nicht geeignet dafür."
Nun zog Claire eine weitere Augenbraue in die Höhe und gab Jean somit zu verstehen, dass sie seiner Erklärung nicht so ganz folgen konnte. "Nun ja, er ist ein Taugenichts und ziemlich faul. Er weigert sich das benötigte BWL zu studieren und tut lieber das, was er will."
"Aber wollte er denn nicht der zukünftige Leiter von RM werden?", fragte Claire verdutzt. Zwar mochte Claire solch steife Jobs nicht, aber wenn man die Gelegenheit dazu hatte, eine der berühmtesten Autofirmen zu übernehmen, konnte sie beim besten Willen nicht verstehen, wieso man so eine Chance in den Wind warf.
"Doch, natürlich wollte er das", erwiderte Jean und nun war Claire vollends verwirrt. "Adrien kümmert sich allerdings keinen Deut um das, was unser Vater von ihm verlangt und macht absichtlich das, was ihn zur Weißglut bringt. Anstatt einem BWL-Studium hat er vor Kurzem ein Kunststudium angefangen."
Kopfschüttelnd lehnte sich Claire zurück in ihren Stuhl. Diesen Typen würde sie gerne mal kennen lernen!
Er schien so anders als Jean zu sein und doch waren sich die beiden Brüder ähnlich - soweit Claire das beurteilen konnte.
Lächelnd musterte sie ihr Gegenüber, Jean war zweifelsohne ein Roi. Und doch war er so anders.
"Und die lassen dich einfach so die Firma erben?"
"Es gibt gewisse Bedingungen, zum Beispiel mein BWL-Studium."
"Und?", wollte Claire wissen, da sie ahnte, dass das nur die halbe Wahrheit war.
"Ist doch egal", wiegelte Jean das Thema wieder ab. "Aber verstehst du jetzt, wieso ich vorhin so war, wie ich war?"
Claire seufzte, setzte dann aber ein Lächeln auf und gab sich geschlagen: "Ja, du bist eben ein Roi."
"Und das macht dir keine Angst?", fragte er gefährlich grinsend.
"Ich bin beeindruckt, ja. Aber zur Angst bedarf es mir schon ein wenig mehr...", lächelte sie und trank einen großen Schluck ihres Eiskaffees.

Die beiden saßen noch eine ganze Weile auf der Terrasse, die mit der Zeit in ein orangenes Licht getaucht wurde, da die Sonne anfing, unterzugehen. Mittlerweile waren sie die einzigen, die noch draußen saßen und über Gott und die Welt quatschten und viel lachten.
Claire hatte bei Jean das Gefühl, sie würde ihn schon ewig kennen, so tief war ihr Vertrauen in der kurzen Zeit schon geworden.
Es war ein wunderbares Gefühl hier draußen in diesem kleinen Café zu sitzen, Jean gegenüber sitzend und neben ihnen die untergehende Sonne, die ihre letzte Wärme abgab. Nach einer kurzen Zeit des Schweigens, stand Jean schließlich auf und warf sich seine Jacke, die er sich ausgezogen hatte, über die Schulter. "Lass uns gehen", sagte er und Claire erhob sich widerwillig aus dem bequemen Korbstuhl.
Jean wollte gerade den ersten Schritt in Richtung der Terrassentür machen, da fiel Claire vorhin der Grund ihres 'Dates' ein. "War das vorhin eigentlich ernst gemeint mit dem Exklusiv-Foto?"
Überrascht wandte sich Jean zu ihr um und schmunzelte. "Klar, sofort, wenn du willst."
Claire legte ihre Kamera auf den Tisch zurück und zog Jean neben sich in die Hocke. Eine Hand auf dem Auslöser, die andere auf der Tischkante, machte Claire - oder eher die Kamera - das Exklusiv-Foto, auf dem Jean und Claire breit in die Linse lächelten, ihre Wangen leicht aneinander gedrückt und im Rücken die untergehende Sonne.

Der Rückweg kam Claire wesentlich kürzer vor, als der Hinweg. Vielleicht lag es auch nur daran, dass sie nicht wollte, dass die Fahrt in diesem Wahnsinnsauto neben diesem Wahnsinnsmann jemals endete.
Jedenfalls kamen sie wieder viel zu schnell an dem inzwischen leeren Parkplatz des Autohauses an, auf dem einsam und verlassen Claires blauer Polo stand.
Jean fuhr auf den freien Platz daneben und die beiden stiegen aus.
"Ich liebe dieses Auto", sagte Claire lächelnd und strich über den schwarzen Lack des Wagens. "Ich glaube, ich muss öfters mit dir fahren."
"Ach, nur deswegen?", fragte Jean gespielt beleidigt, woraufhin Claire auflachte und ihre Haare hinter die Schultern warf. "Ach was, deine Gesellschaft ist auch nicht übel."
Langsam ging sie zu ihrem Auto hinüber, wohin Jean ihr folgte. "Das nächste Mal lassen wir aber nicht das Schicksal entscheiden, oder?", fragte sie leise und schaute ihm in die Augen, die abenteuerlustig glänzten.
"Nein", erwiderte er. "Wir werden uns bald wiedersehen, das verspreche ich dir."
"Wann?", wollte Claire hoffnungsvoll wissen. "Lass dich überraschen", sagte er geheimnisvoll und strich ihr sanft über die Wange.
Zurück blieb eine verwirrte Claire, die sich selig über die Wange strich und sich die ganze Heimfahrt über fragte:
Was hatte das nun wieder zu bedeuten?


Fortsetzung folgt … ?


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Hey Leute!
Ich hab ein paar Fragen an euch und würde euch bitten, sie als Kommentar zu beantworten. :)
1) Gefällt euch die Geschichte (bis jetzt)?
2) Wenn nein, was soll ich besser machen? (Bitte genaue Kritikpunkte nennen!)

Ich lege Wert auf eure Meinung und freue mich über jegliche Art von Kritik! :)
Greez





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