Mit dem letzten Atemzug - Teil 15

Autor: Raindrop
veröffentlicht am: 06.09.2012


*Elena*

Obwohl ich mir fest vorgenommen habe, ein neues Leben mit einer leeren Seite anzufangen, fiel es mir am nächsten Tag sehr schwer. Das Gespräch, oder eher das Aufeinandertreffen mit Dean, setzte mir sehr zu.
Mit einem bitteren Geschmack im Mund wachte ich am nächsten Nachmittag auf. Sofort überfielen mich die Erinnerungen an heute Morgen und ich zog mir die Decke über den Kopf, um diesen zu entkommen, doch vergeblich. Sie schienen sich in mein Gehirn eingebrannt zu haben und liefen immer wieder vor meinem geistigen Auge ab, wie ein Kinofilm. Als mir der Sauerstoff ausging, sah ich mich gezwungen, die Decke bei Seite zu schlagen. Ich seufzte traurig und ließ meine Beine vom Bettrand baumeln.
Ein neues Leben, eine leere weiße Seite, die neu beschrieben werden sollte mit positiven Ereignissen. Es war leichter gesagt als getan, denn die Trennung und die Aussprache mit Dean hatten eine tiefe schmerzhafte Wunde in meinem Inneren hinterlassen, die immer noch stark blutete. Jetzt brauchte ich jede Menge Verbandzeug in Form von Zuneigung und etwas Mitleid und vielleicht einen Kaffee gegen die Kopfschmerzen, die meinen Kopf fast zum Platzen brachten.
Stöhnend richtete ich mich auf und lief auf wackligen Beinen in Richtung Küche. Erst jetzt vernahm ich den Geruch von frischem Kaffee und Brötchen.
“Guten Morgen, Süße.” - zwitscherte Katy mit einem strahlenden Lächeln. Ich grunzte zur Begrüßung und ließ mich auf einen Stuhl am Frühstückstisch plumpsen. “Wie geht es dir heute?” - sie setzte sich mir gegenüber und sah mich mit einem für eine besorgte Mutter typischen Blick an.
“Es geht.” - ich sah von einer direkten Antwort ab, denn ich wusste selbst noch nicht, wie ich meinen Gemütszustand beschreiben könnte.
“Was ist denn genau zwischen dir und Dean vorgefallen?” - wollte sie wissen, aber nicht aus Neugier, sondern damit sie ihre Tröstungsstrategie darauf aufbauen könnte.
“Sei mir nicht böse.” - sagte ich dann und nahm eine Tasse Kaffee. “Aber ich möchte nicht darüber sprechen. Noch nicht.” - ich nippte an der schwarzen Flüssigkeit, die im Normalfall alle meine Lebensgeister wieder zum Leben erwecken würde, aber nicht heute.
“Aber wenn du sprechen möchtest, ich bin immer für dich da.” - versicherte sie mir und sah mich aufmerksam an.
“Danke.” - murmelte ich nur zurück.
“Also.” - meinte Katy dann gespielt fröhlich. “Was wollen wir heute machen?” - fragend wandte sie sich mir zu. “Shoppen, Kino, Bowling.” - zählte sie auf.
“Katy, ich möchte heute einfach im Bett bleiben und mein weiteres Vorgehen erstmal überdenken.” - erklärte ich ihr. Sie nickte nur verständnisvoll, jedoch etwas besorgt. “Und ich verspreche dir auch, dass ich meine Finger von Schlaftabletten lasse.” - versprach ich ihr. “Obwohl ich mich nicht umbringen wollte, aber das glaubst du mir eher nicht.” - meinte ich nur und es sollte als Scherz gemeint sein, doch Katy sah mich nur alarmierend an und ich bereute bereits das Gesagte. “Ich will nur in mein Bett.” - wiederholte ich und stand auf.
“In Ordnung.” - sagte sie dann. “Ich muss zur Arbeit, aber ich rufe Shane an.” - ich blieb auf dem halben Weg in mein Zimmer stehen und drehte mich um.
“Ich brauche keinen Leibwächter.” - informierte ich sie patzig.
“Er soll einfach da sein, falls du Gesellschaft brauchst oder …” - Katy brach ab und suchte nach dem passenden Schluss für ihren Satz.
“… um auf mich aufzupassen.” - fügte ich dann hinzu.
“Elena, ich mach mir halt Sorgen. Shane soll einfach da sein und wenn du Hilfe brauchst, dann ist er einfach da.” - sie sah mich flehend an und ich verdrehte nur genervt die Augen, hatte aber keine Lust mich mit Katy deshalb anzulegen.
“Von mir aus.” - gab ich dann auf und verschwand in meinem Zimmer.
Mit der Kaffeetasse setzte ich mich in mein Bett und ließ das Gespräch mit Dean noch mal Revue passieren. Als er mich küsste, hatte ich dieses Kribbeln in Bauch, und ich hätte mein Leben darauf verwettet, dass er mich liebte. Aber wenn es doch so war, warum leugnete er das? Ich konnte mir daraus keinen Reim machen.
“Ich liebe dich nicht.” - hallte es immer wieder in meinem Kopf und Tränen traten mir in die Augen.
Warum nicht? - hätte ich ihn gern gefragt, doch das würde sich zu verzweifelt anhören und deshalb habe ich ihn rausgeschickt. Er sollte gehen, bevor ich meine Würde ganz ablegen könnte und ihn auf Knien angefleht hätte, mich nicht zu verlassen, weil ich ohne ihn nicht leben könnte.
Die aufkommenden Tränen waren jetzt nicht mehr aufzuhalten und sie tropften auf meine Decke.
Ich fragte mich, wann ich endlich Dean vergessen würde. Wie viel Zeit brauchte ich um die Liebe meines Lebens loszulassen? Ein paar Jahre, ein Leben oder auch zwei Leben lang? Wird es mir überhaupt irgendwann gelingen?
Ich wollte mich damit nicht weiter quälen, stellte ich die Tasse auf den Nachttisch und streifte meine Kleider ab. Unter die Decke gekuschelt, weinte ich so lange, bis ich keine Tränen mehr hatte und in einen unruhigen aber traumlosen Schlaf fiel.

Ein undefinierbarer Lärm ließ mich aus dem Schlaf aufschrecken. Ich setzte mich auf und sah mich konfus um. Das Gepolter kam eindeutig aus meiner Wohnung. Leiste stieg ich aus dem Bett und wickelte mich in die Bettdecke ein. Auf Zehenspitzen überquerte ich mein Zimmer und spähte ums Eck in Richtung des Wohnzimmers. Ganz sicher kam der Krach daher.
In der Türschwelle zum Wohnzimmer blieb ich stehen und vernahm den Geruch von Rauch und ein Summen gelang in mein Ohr.
Shane tänzelte vor meiner Küchenzeile rum und hantierte mit einer Pfanne und einem Topf. Ich trat näher und der Geruch wurde noch beißender.
“Hey.” - begrüßte ich meinen aktuellen Leibwächter. Erschrocken drehte er sich um und der Topf fiel ihm aus der Hand.
“Oh hi.” - sagte er dann und hob ihn auf. “Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt.”
“Ist schon gut.” - ich versuchte herauszufinden, wo dieser Geruch herkam.
“Ich koche.” - informierte mich Shane und ich nickte nur etwas verhalten. “Es gibt Lasagne.” - er lächelte mich an und ich sah maschinell zum Bachofen runter. Der Käse -ich nahm zumindest an - dass er es war, war übergelaufen und verkokelte jetzt am Boden des Ofens.
“Okay.” - meinte ich nur.
“Mach dich fertig, ich decke schon mal den Tisch.” - schlug er mir vor und nahm sich ein Handtuch, um den Topf abzutrocknen.
Nach etwa 10 Minuten hatte ich mein Gesicht gewaschen und mir einen Bademantel übergezogen.
Auf dem Tisch stand bereits die Lasagne und zwei Teller.
“Möchtest du ein Glas Wein?” - Shane steckte mit dem Kopf in meinem Kühlschrank.
“Ja.” - willigte ich ein und roch an der sogenannten Lasagne, die überhaupt nicht nach einer aussah. “Das riecht ja … köstlich.” - ich wollte ihn nicht kränken.
“Warte mal bis du sie probiert hast.” - Shane schien von seinen Kochkünsten überzeugt.
Er stellte ein Glas Rotwein vor mir auf den Tisch und öffnete für sich ein Bier.
“Na dann.” - großzügig schaufelte er mir seine Lasagne auf den Teller und mutig nahm ich die Gabel. Leicht klopfte ich auf die harte Kruste, die sich wie Holz anhörte und ehrlich gesagt, auch so aussah. Ich schnitt ein kleines Stück ab und schob es mir in den Mund. Das war das Scheußlichste, was ich je gegessen hatte. Da Shane mich aufmerksam beobachtete, zauberte ich ein Lächeln auf meine Lippen und kaute. Es knirschte zwischen meinen Zähnen und schluckte schnell runter.
“Sehr knusprig.” - war mein Urteil.
“So muss es auch schmecken.” - versicherte mir Shane und schob sich ein großzügiges Stück in den Mund. Seine selbstzufriedene Miene machte einem erschrockenem Gesichtsausdruck Platz und er spuckte den Inhalt seines Mundes in einer Servierte. “Schmeckt ja, wie eine Schuhsohle.” - sagte er angewidert und ich konnte mir kein Lachen verkneifen.
“Ich dachte, dass es so schmecken muss.” - mir kamen die Tränen.
“Ich glaube, da stimmt was mit einem Backofen nicht.” - verteidigte sich Shane und nahm einen Schluck aus der Bierflasche.
“Aber sicher.” - bestätigte ich seinen Verdacht sarkastisch. “Es stimmt eher was mit deinen Kochkünsten nicht.”
“Ich habe mich doch an das Rezept gehalten.” - wunderte er sich.
“Heißt aber nicht, dass du automatisch kochen kannst, nur weil du das Rezept befolgst.” - gab ich ihm zu verstehen, noch immer mit einem Lächeln um die Lippen.
“Ich wollte dir eine Freude machen.” - Shane klang etwas enttäuscht.
“Das war auch sicherlich gut gemeint, aber ich bin dafür, dass wir uns einfach eine Pizza bestellen.” - schlug ich vor.
“Gut, ich habe auch ein paar DVDs mitgebracht.” - sagte er dann.

Ich musste zugeben, dass Shane da war und mich von den traurigen Gedanken an Dean ablenkte.


*Dean*

Die ganze Nacht lag ich wach und ständig musste ich an unseren Streit denken. So gerne hätte ich ihr alles erzählt, doch das ging nicht. Alleine die Tatsache, dass Elena sich das Leben nehmen wollte, nur weil ich mit ihr Schluss gemacht habe, bestätigte mich in meiner Entscheidung. Elena war schwach und vom Gegenteil würde mich keiner überzeugen können.
Gegen Mittag zwang ich mich endlich aus dem Bett und lief in die Küche. In der Schwelle zur Küche blieb ich stehen.
“Ich weiß nicht.” - sagte Shane unsicher. “Dean ist mein bester Freund und die Trennung ist für ihn auch nicht so einfach.” - mich würde gerne interessieren, mit dem wem er telefonierte. “Ich weiß. Denkst du wirklich, dass sie noch einen Aufpassen braucht?” - fragte er seinen Sprechpartner. “Ist gut, in ungefähr 2 Stunden bin ich da.” - willigte er dann ein und verabschiedete sich. Er schnaubte und fuhr sich nervös über das Gesicht.
“Hey.” - ich verließ mein Versteck und betrat die Küche.
“Hi.” - begrüßte er mich etwas erschrocken.
“Wer war das?” - ich versuchte beiläufig zu klingen. Fragend sah er mich an. Ich konnte nicht sagen, ob er tatsächlich nicht musst wovon ich sprach oder nur so tat, weil er sich vor einer Antwort drücken wollte. “Du hast doch telefoniert.” - half ich ihm auf die Sprünge und nahm eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank.
“Katy.” - Shane warf mir einen vorsichtigen Blick zu. “Sie muss jetzt arbeiten und hat mich gebeten, auf Elena aufzupassen und sie etwas aufzumuntern.” - erklärte er mir und ich nickte nur verständnisvoll. “Ich meine, ich kann auch hier bleiben.” - er zuckte mit den Schultern.
“Nein, nein.” - lehnte ich ab mit wegwerfende Bewegung. “Ist schon gut.” - ich wollte nicht zugeben, dass ich auch jemanden brauchte, der auf mich Acht gab. “Nach heute Morgen braucht Elena etwas Ablenkung.” - die brauchte ich jetzt auch, sprach es aber nicht aus.
“Dean, vielleicht wäre es jetzt an der Zeit das Schmierentheater sein zu lassen und Elena die Wahrheit zu sagen.” - wieder kehrte er zu unserem Thema von heute Morgen zurück. “Sie ist verletzt, du bist verletzt. Es ist für niemanden gut.” - machte er mir klar.
“Jetzt noch nicht.” - ich merkte wie die Flasche in meiner Hand zu zittern begann. Schell stellte ich sie auf die Theke. “Aber schon nach einigen Wochen wird es gut für Elena sein.” - bei diesem Satz schüttelte Shane nur den Kopf.
“Ich verstehe das nicht. Ich verstehe DICH nicht.” - sagte Shane.
“Das verlange ich auch nicht.” - erwiderte ich bloß und verließ die Küche.
“Dean.” - rief er mir hinterher und ich blieb stehen, ohne mich jedoch umzudrehen. “Ich gehe dann gleich zu Elena und werde wahrscheinlich länger dort bleiben. Bis Katy mit der Arbeit fertig ist.” - verkündete er mir und ich nickte nur.
In meinem Zimmer angekommen, warf ich die Tür zu und tigerte im Raum hin und her. Ich konnte mir nicht erklären, warum mich das so ärgerte, dass Shane mit Elena alleine sein würde.
Er war ein attraktiver Mann und Single. Sie war eine wunderschöne Frau, ebenfalls Single. Ich konnte es mir nur so erklären, dass ich eifersüchtig war.

Fortsetzung folgt ...





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