Mit dem letzten Atemzug - Teil 7

Autor: Raindrop
veröffentlicht am: 03.08.2012


*Dean*

Was hätte ich alles dafür gegeben, aus diesem Albtraum aufzuwachen, den Schlaf aus den Augen zu reiben und zum langweiligen Alltag überzugehen. Da gab es nur ein kleines Problem. Mein Albtraum war real. Nachts träumte ich von meinem Gespräch mit Dr. Miller und von den Untersuchungen in dem städtischen Klinikum und als ich wach wurde, verfolgten mich die gleichen Sachen den ganzen Tag. Ich war gefangen.
Am Montag habe ich eine Reihe an Tests über mich ergehen lassen und heute war bereits Donnerstag und ich hatte von Dr. Morrey immer noch nichts gehört. War das jetzt gut oder schlecht, vermochte ich nicht zu entscheiden. Bei einem Abendessen in meiner Wohnung mit Elena saß ich sprichwörtlich auf heißen Kohlen und sah jede fünf Minuten auf mein Iphone, doch das Gerät blieb stumm.
“Warum siehst du die ganze Zeit auf dein Handy?” - wollte Elena wissen und sah mich böse mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Ich wusste, dass mein Verhalten nicht fair war und ihr gehörig auf die Nerven ging. Vorerst wollte ich sie aber in Unkenntnis lassen, obwohl ich sehr gerne mit jemandem über meine Sorgen und meine Angst gesprochen hätte. Aber Elena schien mir nicht die richtige Person dafür. Sie würde sich Sorgen machen und das wäre mir jetzt auch keine Hilfe. Ich brauchte jemanden, der mir eine Schulter zum Anlehnen anbietet und nicht noch mehr in Panik verfällt als ich selbst.
“Ich wollte nur wissen, wie spät es ist.” - log ich und nach ihrem Blick zu urteilen, glaubte sie mir auch nicht. Das konnte ich ihr nicht verübeln, besonders viel Mühe gab ich mich beim Lügen nicht und außerdem wollte ich sie auch nicht anlügen. Ihr nur etwas vorenthalten.
Bein nächsten Blick auf mein Display explodierte sie. Ihre Gaben fiel klirrend auf ihren Teller.
“Was ist denn los Dean?” - fragte sie und sah mich eindringlich an. “Die ganze Woche bist du jetzt schon so komisch drauf. Du hörst mir kaum zu und redest selbst nur auf Nachfrage, starrst ständig auf das verfluchte Handy.” - zählte sie auf und ich hatte dem nicht entgegenzusetzen. Mein Verhalten tat mir ja leid, doch ich konnte nicht anders.
“Ich bin nur gestresst.” - benutzte ich meine banale Lüge, mit der ich bereits die ganze Woche gut fahren konnte, doch nicht heute.
“Das kaufe ich dir nicht mehr ab.” - sagte Elena bloß dazu. “Was ist los?” - fragte sie erneut und sah mich fragend an. Doch ich mied ihren Blick, zu schmerzhaft war die ganze Situation.
“Nichts ist los.” - sagte ich gespielt lässig und versuchte es mit einem Lächeln, was jedoch kläglich daneben ging. “Viel Arbeit und Stress in der Uni.” - fuhr ich fort und stocherte in meiner Lasagne rum. Es klang wie einstudiert, das fiel sogar mir auf. Auch Elena entging es nicht. Sie seufzte nur und versuchte es jetzt mit sanfter Stimme, jedoch mit mehr Nachdruck.
“Ich kenne dich schon lange genug, um dir das nicht zu glauben.” - machte sie mir klar. “Da stimmt was nicht.” - fuhr sie fort. “Hast du eine Andere?” - fragte sie und ich sah sie an.
“Was?” - fragte ich und lächelte über diese absurde Annahme ihrerseits. “Ich habe keine Andere.” - versicherte ich ihr und widmete mich wieder meiner kaum angerührten Lasagne zu.
“Was ist es dann?” - fragte sie weiter.
“Verdammt noch mal. Kann ich nicht mal einen schlechten Tag haben?” - stieß ich genervt und auch etwas lauter hervor.
“Kannst du, aber ohne mich.” - entgegnete sie beleidigt und genervt.
“Elena …” - sofort tat mir mein forscher Ton leid und ich sollte mich entschuldigen, doch Elena ließ bereits die Wohnungstür hinter sich ins Schloss fallen. “Shit.” - schimpfte ich und fuhr mir mit der Hand durch das eingefallene Gesicht. Seit einer Woche konnte ich nichts mehr essen und das sah man mir auch an. Meine Wangenknochen stachen hervor und die Wangen waren eingefallen. Auch die Tatsache, dass ich die ganzen Nächte seit meinem Besuch bei Dr. Miller wach lag, war nicht von der Hand zu weisen. Dunkele Augenringe schmückten meine Augen.
Es tat mir richtig leid, dass ich Elena nicht die Aufmerksamkeit zukommen lassen konnte, die sie wollte und auch verdiente, doch im Moment war ich zu sehr damit beschäftigt, in Selbstmitleid zu zerfließen und auf ein positiven Befund zu hoffen.
Wie konnte ein Leben sich nur so ändern? Unbeschwert und unbekümmert in einem Augenblick, und um Hoffnung bahnen und sich das Schlimmste ausmalen im nächsten.
Durch ein Piepen meines Iphones wurde ich aus meinen düsteren Gedanken gerissen. Zu einem war ich dankbar dafür, doch als ich die Telefonnummer auf dem Display sah, überlegte ich für einen kurzen Augenblick nicht dranzugehen.
“Dean Foster.” - meldete ich mich und schluckte schwer.
“Lena Wolic vom Städtischen Krankenhaus South.” - meldete sich eine angenehme weibliche Stimme auf der anderen Seite der Leitung. “Ich rufe im Auftrag von Dr. Salvator Morrey an.” - sagte sie weiter und mein Herz flatterte auf. “Dr. Morrey bittet um einen Termin.” - meinte sie.
“Ja.” - war alles, was ich herauspressen konnte.
“Er hätte heute um 15:00 Uhr noch einen Termin frei. Passt es Ihnen?” - fragte Lena Wolic.
“Ja.” - sagte ich wieder.
“In Ordnung. Heute um 15:00 Uhr im Raum 216.” - bestätigte sie noch mal.
“Ja.” - meinte ich erneut.
“Auf Wiedersehen. Mr. Foster.” - verabschiedete sie sich und legte auf.
“Bis dann.” - sagte ich und hörte einige Momente dem Piepen zu. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken und meine Hände fingen an zu zittern.
Wie lange ich auf diesen Anruf gewartete hatte, rutschte mir jetzt das Herz in die Hose. Ihre Stimme und auch das Gesagte von Lena Wolic ließ nichts durchsickern. Vielleicht wusste sie auch nichts. Verwirrt sah ich auf die Uhr. Es war bereits 14:00 Uhr und noch eine Stunde musste ich die Ungewissheit ertragen. Doch was dann? Davor hatte ich noch mehr Angst.

Kurz vor 15:00 Uhr betrat ich das städtische Krankenhaus und fragte an der Rezeption nach dem Weg zum Raum 216. Die freundliche Dame erklärte mir diesen und nachdem ich mich bedankt hatte, ging ich zu den Aufzügen. Mit einem Gong glitten die Aufzugstüren in der dritten Etage auf und ich schritt in einen weißen und leeren Flur. Kurz blieb ich vor der weißen Tür des Raumes 216 stehen und sammelte mich. Meine Gedanken liefen querbeet in meinem Kopf und langsam wurde es mir zu viel.
Ich wollte jetzt endlich wissen, was mit mir los war. Ich klopfte an die Tür und nachdem ein “Herein” erklang, drückte ich die Türklinke runter.
“Mr Foster.” - Dr. Morrey stand von seinem Platz hinter einem massiven Schreibtisch auf und kam mit einer ausgestreckten Hand auf mich zu.
“Guten Tag Doktor.” - begrüßte ich ihn und wir schüttelten uns die Hände.
“Setzen Sie sich bitte.” - meinte er und zeigte auf einen bequemen roten Sessel. Aus den wenigen Worten, die der Arzt von sich gab, versuchte ich herauszulesen, wie die Ergebnisse nun ausgefallen waren, doch sein Gesichtsausdruck war undurchdringlich. “Wie geht es Ihnen?” - fragte er, als er Platz an dem Tisch mir gegenüber wieder eingenommen hatte.
“Gut.” - antwortete ich nur und schluckte. Mein Puls raste und das Blut brodelte durch meine Adern.
“Wir haben heute Morgen die Ergebnisse erhalten.” - teilte er mir mit und räusperte sich. Gespannt sah ich in an. “Es ist ein Tumor.” - sagte Dr. Morrey ohne Umschweife und sah mich an.
Mir blieb der Atem weg und ich schnappte nach Sauerstoff, um meine Lungen wieder damit zu fühlen. Das Rasen meines Herzens hallte in meinem Kopf wieder. Die Gedanken überschlugen sich.
“Was?” - fragte ich, obwohl ich ihn verstanden hatte. Es war bloß eine Reaktion und die Hoffnung, sich doch verhört zu haben.
“Mr. Foster.” - sagte Dr. Morrey. “Um festzustellen, ob es sich hierbei um einen gutartigen oder bösartigen Tumor handelt, müssen wir noch einige Test durchführen. Besonders muss in diesem Fall eine Biopsie vorgenommen werden. Dann muss noch eine entsprechende Behandlungsmethode erarbeitet werden.” - erklärte er mir, doch ich verstand nichts mehr und hörte nichts. Ich dachte an Elena. “Mr. Foster.” - rief er mich wieder und ich sah ihn benommen an. “Um diese Untersuchungen durchführen zu können, müssen wir Sie für einige Tage im Krankenhaus behalten. Die Gehirnaktivität muss eine Zeit lang beobachtet werden.” - erklärte der Arzt.
“Wann?” - frage ich nur.
“Desto schneller, desto besser.” - sagte er nur und ich nickte nur. “Desto schneller wir mit den Test durch sind und mit der Behandlung anfangen, desto besser ist es.” - fuhr er fort.
“Am Montag.” - spuckte ich nur aus.
“Gut.” - meinte er und sah in seinen Kalender. “Gegen 8:00 Uhr?” - wollte er wissen und sah mich oberhalb seiner Brille an. Nur ein Nicken kam von mir.
“Wie lange wird es dauern?” fragte ich nur.
“Ich gehe von 5 bis 10 Tagen.” - informierte er mich und erneutes Nicken.
“Auf Wiedersehen.” - verabschiedete ich mich. Ich wollte hier weg.
“In Ordnung.” - er schien meine Reaktion verstanden zu haben. “Alles weitere besprechen wir dann am Montag.” - sagte er und stand auf. “Mr. Foster, behalten Sie vorerst die Ruhe.” - empfiehl er mir und ich nickte. Ohne ihm zum Abschied die Hand zu schütteln, verließ ich sein Büro und fluchtartig das Krankenhaus. Draußen atmete ich die frische Luft ein und fing an zu weinen.


*Elena*

Ich war sauer auf Dean. Vor allem weil er mir nicht verraten wollten, warum er die ganze Woche so geknickt war. Dass man einen schlechten Tag oder gar eine schlechte Woche hatte, konnte ich nachvollziehen, aber warum musste er mich mit seinen Launen strafen. Eingeschnappt lag ich auf meinem Bett und umklammerte mein Kissen, was nach Dean roch.
Ich konnte nicht verstehen, warum er mit mir seine Sorgen nicht teilen konnte oder wollte. Seine Ausrede, dass er Stress bei der Arbeit und in der Uni hatte, glaubte ich ihm einfach nicht. Früher hatte er die gleichen Probleme, und benahm sich trotzdem nicht wie ein Arsch. Ich seufzte traurig, doch lange konnte ich meinen traurigen Gedanken nicht nachhängen, denn es klingelte an meiner Tür.
“Hi.” - begrüßte Dean mich schuldbewusst an der Tür. Ich plusterte mich auf und sah ihn beleidigt an, ohne ihn hereinzubieten.
“Was willst du?” - fragte ich, doch er streckte mir nur einen Strauß Blumen entgegen.
“Es tut mir leid, wie ich mich benommen habe.” - entschuldigte er sich. “Ich war echt arschig.” - sagte er und lächelte mich süß an. Ich konnte nicht anders und lächelte zurück.
“Warst du.” - pflichtete ich ihn bei und roch an den Blumen. “Und du warst echt blöd.” - sagte ich weiter.
“War ich.” - bestätigte er.
“Und richtig gemein.” - fuhr er fort.
“Schuldig.” - gestand er. “Es tut mir echt leid.” - entschuldigte er sich wieder. “Bitte verzeih mir.” - bat er und sah mich wie ein Hund, treudoof an. Darüber musste ich lachen.
“Komm schon rein.” - sagte ich und ging in die Küche vor, um die Blumen in eine Vase zu stellen.
“Elena.” - fing Dean an und stand neben mir in der Küche.
“Ja.” - ich sah ihn von der Seite an.
“Ich wollte mit dir da noch was besprechen.” - sagte er etwas nervös und fuhr sich durch das bereits verwuschelte Haar.

Fortsetzung folgt ...





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