Mit dem letzten Atemzug - Teil 6

Autor: Raindrop
veröffentlicht am: 29.07.2012


*Elena*

Den ganzen Tag war ich ziemlich aufgeregt. Weil ich mich auch nicht richtig konzentrieren konnte, ließ ich die letzten beiden Vorlesungen ausfallen und ging mit Katy shoppen.
“Unser erstes offizielles Date.” - verkündete ich meiner besten Freundin, als ich in einem weiteren Laden in der Umkleidekabine stand und ein weiteres Outfit anprobierte.
“Nach zwei Monaten, wird es auch langsam Zeit.” - pflichtete mir Katy bei.
“Zwei Monate?” - ich war selbst überrascht über diese Tatsache. “So lange sind wird schon zusammen?” - sagte ich etwas verwirrt.
Die letzten zwei Monate waren einfach nur wundervoll. Dean war als bester Freund schon richtig gut, aber als fester Freund war er nicht zu überbieten. Jeden Tag lud er mich zum Mittagessen ein und seit dem misslungenen Date bei `Roadtrip` haben wir keine einzige Nacht mehr ohne einander verbracht. Dean war sehr aufmerksam und überraschte mich immer wieder mit kleinen Dingen, wie einem spontanen Ausflug oder einem Geschenk, was nur einige Dollar wert war, aber dennoch vom Herzen kam. Jedes Mal wenn ich an ihn dachte, musste ich lächeln. Und da es sehr oft vorkam, lief ich nur grinsend durch die Gegend.
“Wenn ihr nicht die ganze Zeit im Bett verbringen würden, hättest du es schon gemerkt.” - meinte Katy und riss mich aus meinen Gedanken.
“Stimmt nicht.” - währte ich mich nur schwach und wusste selbst, dass das stimmte. Wir konnten einfach nicht die Finger von einander lassen. War das so schlimm?
Ich zog den blauen Vorgang der Kabine bei Seite und zeigte mich Katy. Sie nickte nur zufrieden und zeigte beide Daumen hoch.
“Das ist es.” - sagte ich begeistert, als ich mich vor den großen Spiegel stellte und mich von allen Seiten beobachtete. Das azurblaue Kleid schmiegte sich an meinen Taille und ging in einen etwas weiteren Rock über, der sich in wunderschönen Falten um meine Beine legte und unterhalb meiner Knie endete.
“Eigentlich ist es doch egal, was du anziehst.” - hörte ich Katy sagen, als ich wieder hinter der Vorhang verschwand und in meine Kleider schlüpfte. “So lange wirst du das Kleid ja eher nicht anhaben.” - meinte sie dann und lachte. Dem hatte ich nichts entgegenzusetzen.

Gegen 19:00 Uhr machte ich mich dann Zuhause fertig. Wie auch letztes Mal stand mir Katy mit Rat und Tat zur Seite. Sie kümmerte sich um das Make-Up und die Frisur. Zu dem Kleid ließ Katy meine Haare nur in großen Locken mir um Schultern fallen. Auch das Make-Up war eher dezent.
“Wahnsinn.” - meinte Katy, als sie einige Schritte von mir wegtrat und ihr Kunstwerk beäugte. “Wo trefft ihr euch eigentlich?” - wollte sie wissen, als sie mir etwas Rouge auf die Wangen auftrug.
“Bei `Roadtrip`” - antwortete ich und Katy sah mich nur lächelnd an.
“Wo alles angefangen hat.” - sagte sie und legte meine Schminkutensilien bei Seite. “Fertig.” - meinte sie dann und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
“Danke.” - sagte ich und schloss sie in meine Arme. “Du bist echt toll.” - fügte ich hinzu.
“Ich weiß.” - meinte Katy weniger bescheiden und ich musste lachen. “Aber jetzt musst du los.” - erinnerte sie mich mit einem Blick auf die Uhr. Ich schnappte mich meine Tasche und meine Jacke und lief aus der Wohnung, nachdem ich mich von Katy mit einer weiteren Umarmung verabschiedet hatte.
Als ich die Tür von `Roadtrip` sah, musste ich unfreiwillig lächeln. Mir kam die Erinnerung, wie ich genau wie jetzt hier stand und kurz davor war abzuhauen. Heute wusste ich aber, dass ich nie gehen würde. Nie würde ich verpassen wollen, was dort drinnen auf mich wartete.
Ich zog die Tür auf und betrat den Raum. Wie auch letztes Mal war das Lokal nicht besonders gut besucht. Von der Tür aus, sah ich bereits Dean am gleichen Tisch wie vor zwei Monaten sitzen, im gleichen rosa Hemd. Mit einem breiten Lächeln schritt ich auf ihn zu.
“Hallo Schatz.” - begrüßte ich ihn und küsste Dean auf den Mund.
“Hi Babe.” - grüßte er zurück und erwiderte mein Lächeln. Ich setzte mich ihm gegenüber. Mir fiel auf, dass er müde aussah und irgendwie geknickt.
“Was ist denn los?” - wollte ich wissen und sah ihn direkt an. Er wich meinem Blick jedoch aus.
“Ich hatte einen ansprengenden Tag.” - erklärte er und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. “Viel zum Vorbereiten für die Uni und viel Arbeit in der Firma.” - fuhr er fort.
“Du Armer.” - bemitleidete ich ihn und streichelte über seine Wange. “Sollen wir den Abend vielleicht auf ein anderes Mal verschieben?” - fragte ich.
“Nein.” - sagte er und nahm meine Hand. Er lächelte mich süß an und küsste meine Handfläche. “Jetzt genießen wir unser erstes Date.” - meinte er und im gleichen Augenblick kam auch schon der Keller an unseren Tisch, um unsere Bestellung aufzunehmen.


*Dean*

Ungeduldig schaute ich auf die Uhr. 10:30 Uhr, bereits seit geschlagenen 45 Minuten wartete ich bereits. Ich seufzte etwas genervt und nahm eine auf dem Tisch vor mir liegende Zeitung, die ich bereits zwei Mal durchgeblättert hatte in die Hand. Schnell überflog ich die Seiten und legte sie dann wieder zurück. Ich stand auf und lief im Wartezimmer auf und ab. Wie lange kann es noch dauern? - fragte ich mich. Ich hatte heute ja nicht mal einen Termin, wollte nur meine Ergebnisse erfahren.
Vor ungefähr zwei Wochen war ich bereits bei Dr. Miller, weil meine Kopfschmerzen auch nach den von ihm verschriebenen Medikamenten nicht besser wurden. Er hatte eine Röntgenaufnahme gemacht, mir Blut abgenommen und wollte mir dann das Ergebnis telefonisch durchgegeben. Ich war schon etwas erschrocken, als seine Empfangsdame mich heute morgen angerufen hatte und mich bat, persönlich vorbeizukommen.
Desto länger ich hier wartete, desto nervöser wurde ich. Ich fragte mich, warum ich persönlich vorbeikommen sollte. War es so schlimm? Und schon spielte meine Fantasie verrückt. Ich stellte mir vor, dass ich eventuell nur noch ein paar Monate zu leben hatte oder an einer schrecklichen Krankheit litt. Schnell vertrieb ich meine Gedanken und lächelte über die Dramatik. Immer vom schlimmsten ausgehen, dann wird es nicht so schlimm.
Ich setzte mich wieder auf den Stuhl und warf den Kopf in den Nacken.
“Mr Foster.” - ein ältere Dame in einem weißen Kittel öffnete die Tür und sah mich an.
“Ja.” - ich sprang sofort auf. “Hier.” - meldete ich mich, obwohl keiner außer mir da war.
“Kommen Sie bitte mit.” - sagte sie zu mir und ich folgte ihr zum Büro von Dr. Miller. Die Frau öffnete die Tür und machte eine einladende Bewegung. “Nehmen Sie schon Platz, Dr. Miller kommt gleich.” - meinte sie dann und verschwand.
“Danke.” - rief ich ihr nur hinterher und setzte mich auf den Stuhl für die Patienten.
“Mr Foster.” - hörte ich im meinem Rücken und sprang sofort auf. Dr Miller war ein kleiner in die Jahre gekommener Mann mit einer Hornbrille und grauen Haaren.
“Guten Morgen Doktor.” - begrüßte ich ihn und wir gaben uns die Hände.
“Nehmen Sie bitte Platz.” - bat er mir an und setzte sich auf den Sessel auf der anderen Seite des Schreibtisches. Auch ich setzte mich. Einige Momente saßen wir uns schweigend gegenüber und Dr. Miller sah mich durchdringend an. Irgendwie gefiel mir das nicht. Ich wurde unsicher und rutschte auf meinem Stuhl hin und her.
“So schlimm?” - meinte ich mit einem Lächeln. Das Schweigen machte mich einfach nur nervös und ich versuchte mit einem Scherz die Situation aufzulockern.
“Bitte?” - Dr. Miller schien verwirrt.
“Meine Resultate.” - half ich ihm auf die Sprünge.
“Mr Foster.” - er räusperte sich. “Dean.” - es gefiel mir auch nicht, dass er mich beim Vornamen ansprach. Mein Atem ging flach und mein Herz schlug mir bis zum Hals. “Bei den Röntgenaufnahmen habe ich ein Abnormalität festgestellt .” - meinte er dann und nahm seine Brille ab. Ich sah ihn konfus an.
“Abnormalität?” - fragte ich nach und wusste nicht, ob ich über dieses Wort erfreut oder erschrocken sein sollte.
“Ja, einen Schatten.” - teilte er mir mit und ich schluckte schwer. Mein Puls raste. “Aber bevor wir voreilige Schlüsse ziehen, schlage ich vor, dass Sie sich gründlich untersuchen lassen. Ich habe Ihnen bereits einen Termin bei meinem Kollegen, Dr Morrey in dem städtischen Krankenhaus gemacht.” - teilte er mir mit und streckte mir eine weißes Kärtchen entgegen. Wie gelähmt nahm ich diese entgegen und sah darauf. Montag, 24.05. Um 10:00 h, stand dort mit einer schönen Handschrift geschrieben. “Dr Morrey kennt Ihren vorläufigen Befund.” - fuhr er fort.
“Was könnte dieser Schatten bedeuten?” - sagte ich das, was mir auf der Zunge lag.
“Es könnte alles mögliche sein.” - entfloh er einer direkten Antwort. “Ein Fehler am Röntgenapparat, eine Fettgeschwulst, die durch eine kleine Operation leicht zu entfernen wäre oder …” - er schwieg und räusperte sich.
“Was?” - fragte ich ungeduldig, nachdem er mir zu lange für seine Antwort brauchte.
“Wir wollen doch erst die Ergebnisse von Dr Morrey abwarten.” - erneut sah er von einer Antwort ab.
“Was könnte es denn im schlimmsten Fall sein?” - ich wollte es wissen.
“Ein Tumor.” - sagte er schließlich und mir blieb die Luft weg. Hilfesuchend sah ich mich im Büro um. Weiße Wände, abstrakte Bilder, ein dunkles Regal mit zahlreichen Medizinbüchern, ein menschliches Skelett. Alles drehte sich um mich herum und das letzte was ich hörte, bevor es dunkel um mich herum wurde, war die Stimme von Dr Miller, der meinen Namen rief.
Neonlicht schien mir in die Augen und ich kniff die Augen wieder zusammen, die ich gerade mühsam geöffnet hatte.
“Dean, hören Sie mich.”- hörte ich die Stimme von Dr Miller.
“Ja.” - sagte ich mit brüchiger Stimme. “Könnte ich bitte etwas zu trinken haben?” - fragte ich heiser. Wie aus dem Nichts hatte ich plötzlich ein Glas mit Wasser in der Hand. Nachdem ich meinen Durst gestillt hatte, sah ich meinen Arzt fragend an.
“Sie sind in Ohnmacht gefallen.” - teilte er mir mit und die Erinnerung kam wieder. Abnormalität auf dem Röntgengerät, ein Schatten, könnte ein Tumor sein. Erneut wurde mir schwindlig und ich legte mich wieder auf den Behandlungsliege zurück. Ich schloss die Augen und hoffte, nur geträumt zu haben
“Ist Ihnen schlecht?” - wollte Dr Miller besorgt wissen.
“Es geht schon.” - murmelte ich als Antwort und legte mir eine Hand über die Augen.
Elena, dachte ich nur. Wie sollte ich es ihr beibringen? Ich wusste es einfach nicht. Mein Puls raste und ich bekam keine Luft.
“Ich muss gehen.” - sagte ich und sprang von der Liege, bevor der Arzt mich aufhalten konnte.
“Sie waren gerade ohnmächtig und es wäre ratsam, wenn Sie noch eine Weile liegen bleiben würde.” - meinte Dr Miller und versuchte mich wieder zurück zudrücken, doch ich ließ es nicht zu. Ich musste an die frische Luft.
“Nein.” - stritte ich ab und schob ihn grob bei Seite. “Auf Wiedersehen.” - verabschiedete ich mich rasch und lief fluchtartig raus.
Auf der Straße atmete ich tief durch und die Luft brannte in meiner Lunge. Mein erster vernünftiger Gedanke galt meiner Freundin, meiner Lebensgefährtin, meiner Seelenverwandten, meiner Elena. Wie wird sie das verkraften? Ich wusste auch nicht, ob ich es ihr erzählen sollte, immerhin stand das endgültige Ergebnis noch gar nicht fest. Ein Tumor, das konnte meine Schicksal mir einfach nicht antun. Jetzt, wo ich so glücklich war und Elena bei mir hatte. Vielleicht machte ich mir auch zu viele Sorgen.
Immer vom schlimmsten ausgehen.
Ich sollte doch nicht den Teufel an die Wand malen, nicht vor Montag.
Heute war Freitag und ich hatte mein erstes offizielles Date mit Elena. Darauf sollte ich mich jetzt konzentrieren, doch die Worte von Dr Miller drangen immer an die Oberfläche.
Den ganzen Abend mit Elena war ich sehr verstreut und das entging ihr auch nicht. Mehrmals fragte sie mich, ob alles in Ordnung sein. Ich schon meine Müdigkeit und Zerstreutheit auf den Stress in der Uni und bei der Arbeit, denn ich hatte beschloss sie vorerst in Unwissenheit zu lassen. Sie sollte sich nicht unnötig Sorgen machen, falls es sich bei dem Resultat bloß um einen Fehler gehandelt hatte.
Ich sah sie beim Essen an und hörte ich mit einem halben Ohr zu, wie sie von ihren Tag und von der Uni erzählte. Ab und zu nickte ich und gab knappe Antworten, aber redete selbst kaum.

Elena kuschelte sich an mich und legte ihren Kopf auf meine Brust. Sanft streichelte ich über ihre nackte Schulter.
“Ich liebe dich.” - gestand ich ihr leise in der Dunkelheit meines Zimmers.
“Mh.” - gab sie als Antwort. Sie war kurz vorm Einschlafen.
“Elena?” - fragte ich sie jedoch und mein Herz flatterte.
“Mh.” - meinte sie wieder.
“Was wäre, wenn ich sterben würde, durch einen Unfall oder so was?” - wollte ich wissen und mir wurde kalt und heiß in Einem.
“Was?” - sie wurde hellhörig und hob ihren Kopf, um mich im Dunkeln anzusehen. “Was ist denn das für eine Frage?” - wollte sie empört wissen.
“Einfach eine Frage.” - antwortete ich. “Sag mal, was würdest du machen?” - fragte ich dann. Einen kurzen Augenblick sah sie mich misstrauisch an.
“Ich würde auch sterben wollen.” - antwortete sie und küsste meine Brust. “Ohne dich will ich nicht weiterleben.” - meinte sie und ich zog scharf Luft an. Ich streichelte über ihr Gesicht.
“Und was wäre, wenn ich dich verlassen würde.” - wollte ich wissen und sie lächelte.
“Dann würdest du sterben.” - sagte sie und ich wusste, dass sie es nicht ernst meinte. Dabei war es mir todernst. “Und jetzt hör auf, mich so was zu fragen.” - mahnte sie mich an und legte ihren Kopf, nachdem sie mir einen Kuss gegeben hatte, auf meine Brust. “Wenn wir alt und schrumpelig sind, dann sterben wir beide am gleichen Tag gemeinsam.” - sagte sie dann und streichelte über meine Brust.
“Du hast recht.” - meinte ich und küsste sie auf den Kopf.
Ich hoffte so inständig, dass sie recht hatte. Eine Träne löste sich auf meinem Augenwinkel und lief über meine Gesicht.

Fortsetzung folgt ...






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