Mit dem letzten Atemzug - Teil 3

Autor: Raindrop
veröffentlicht am: 23.07.2012


*Dean*

Zuhause angekommen zog ich erstmal meine -trotz des Nieselregens- nasse Jacke aus und hängte sie an der Garderobe auf, dann entledigte ich mich auch meiner Schuhe. Mein Haar war ebenfalls klatschnass und ich nieste. Eine Erkältung hätte mir jetzt noch gefällt. Im Bad ließ ich meine Kleidung auf den Boden gleiten und stellte mich unter die heißen Wasserstrahlen. Erst jetzt wurde mir bewusst wie angespannt ich doch den ganzen Tag war. Ich seufzte, als das Wasser über meinen Rücken lief und schloss genüsslich die Augen. Erneut musste ich an Elena denken und daran, dass ich heute keinen Rückzieher machen konnte und auch sollte.
Ich liebte dieses Mädchen und es sollte die ganze Welt erfahren und vor allem sollte Elena das erfahren. Die ganze Welt wusste es wahrscheinlich schon. Shane hatte es am ersten Tag, als ich bei ihm eingezogen war und Elena mir geholfen hatte, mitbekommen. Vielleicht war es für die anderen auch so offensichtlich. Wahrscheinlich für alle, aber nicht für Elena. Kurz kam mir der Gedanke, dass sie es vielleicht auch schon wusste, aber ich verwarf diesen mit einem Schmunzeln. Mit keiner Geste oder Anmerkung hat sie mir je zu verstehen gegeben, dass sie weiß, dass ich in sie verliebt war und auch dass sie das Gleiche für mich empfand. Jetzt bekam ich wieder ein Kribbeln in der Magengegend. War ich auf eine Ablehnung ihrerseits überhaupt vorbereitet?
Tausendmal habe ich mir schon ausgemalt, wie ich ihr meine Liebe gestehe und sie fällt mir um den Hals. Doch da gab es noch eine andere Möglichkeit, die ich in meinen Fantasien und auch Gedanken nicht zuließ. Ich schüttele ihr mein Herz aus und sie dreht sich um und geht. Das wäre einfach schrecklich. Ich wäre am Boden zerstört und mein Herz wäre gebrochen.
Um meine Frage von vorhin zu beantworten, ich war auf keinen Fall auf eine Ablehnung vorbereitet. Jetzt bekam ich Angst und meine Gedanken verflochten sich zu einem undurchdringlichen Netz und mein Gehirn schaltete auf Standbymodus.
Okay, jetzt noch mal. Ich gehe einfach zu diesem Date mit Elena und ertrage eine Ablehnung wie ein Mann. Jetzt war ich aber ganz negativ eingestellt. Na gut, besser vom Schlimmsten ausgehen, dann ist man nicht so enttäuscht. Ich könnte heulen.
Vielleicht sollte ich das Date absagen und mich nie wieder bei Elena per Internet in der imaginären Gestalt von Saltfish melden. War ich wirklich so ein Feigling? Nein?! Doch?!
Jetzt zum zweiten Mal. Ich gehe zu diesem Date, sage Elena, dass ich sie liebe und warte ab. Bei einer Ablehnung benehme ich mich dann wie ein Mann und nicht wie ein kleines hysterisches Highschoolgirl. Aber irgendwie fühlte ich mich genauso.
Mit diesem Geflecht aus verworrenen Gedanken stieg ich aus der Dusche und wickelte ein Duschtuch um meine Hüfte. In meinem Zimmer angekommen, trocknete ich mich ab und zog eine Boxershorts an. Mein Laptop lag auf meinem Bett und ich setzte mich dazu. In der Startleiste blinkte ein Butten. Eine Nachricht bei Twitter. `Bestimmt von Elena` - kam mir in den Sinn und ich drückte darauf.
`Gerne, um 18:00 h bei `Roadtrip`. Freu mich schon.` - lautete ihre Antwort und ich schluckte. Jetzt konnte ich einfach nicht mehr absagen, obwohl es mir in den Fingern juckte. Um diesem Drang nicht nachzukommen, klappte ich den Laptop zu und stellte ihn auf den Schreibtisch. Dann legte ich mich auf mein Bett und starrte in die Decke. Ich legte die rechte Hand über meine Augen. Eine leichtes Pochen gegen die rechte Schläfe erinnerte mich noch an den Kopfschmerz. Mit geschlossenen Augen lag ich ausgestreckt auf meinem Bett und hoffte nur, dass das Date nicht so fies ablaufen würde, wie ich mir gerade ausmalte.
Irgendwann schlief ich ein.
Gegen 17:00 Uhr wurde ich dann wach und rieb mir das verschlafene Gesicht. Ich streckte mich und sprang vom Bett. Im Bad machte ich mich noch fertig, dann lief ich wieder zurück. Aus meinem Kleiderschrank zog ich meine schwarze Hose und ein schwarzes Hemd, schlicht, aber ich wusste, dass ich darin gut aussah und außerdem hatte mir Elena das auch schon öfters gesagt.
“Schwarz ist einfach deine Farbe.” - sagte sie immer.
Ich setzte mich noch mal an meinen Laptop. Wieder eine E-Mail von Elena via Twitter.
“Da wie beide nicht wissen, wie wir aussehen, würde ich vorschlagen, dass wir beide etwas rosa farbenes tragen. Als Erkennungszeichen.” - hatte sie geschrieben. Na toll, mein perfektes Outfit hatte ich eigentlich schon. Als ich ihr eine Bestätigungsemail geschrieben hatte, ging ich zurück zu meinem Kleiderschrank. Rosa war ja nicht unbedingt meine Farbe und wie erwartet, fand sich auch in meinem Kleidungssortiment nichts in dieser Farbe. Da fiel mir aber ein, dass Shane ein Hemd in rosa hatte. Er gehörte nämlich zu dieser Art von Mann, der sehr auf sein Äußeres achtete und so selbstbewusst war, um diese Farbe zu tragen.
Nachdem ich mir das Hemd aus Shanes Kleiderschrank rausgezogen hatte, musste ich feststellen, dass es eng war und die Ärmel waren etwas zu lang. Das Problem mit den Ärmel regelte ich, in dem ich sie einfach bis zum Elenbogen hochkrempelte. Das mit dem Engsein, war schon etwas knifflig. Die Knöpfe standen sehr unter Spannung und ich stellte mir vor, wie eine von ihnen bei meinem Date abreißt und Elena an der Stirn trifft. Ich lachte laut auf.
Was einem für Gedanken kamen, wenn man nervös war? Meine Hände waren eiskalt und mir war warm. Auch diese Eigenschaften traten bei mir auf, wenn ich aufgeregt war.
“Ich sehe aus wie eine Presswurst.” - stellte ich laut fest und schnaubte. Ich zog das Hemd wieder aus und legte es auf mein Bett. Jetzt musste mir aber schleunigst was einfallen. Ich kratze mich am Kopf und dann kam auch die Idee.
Der Spiegel gab mir recht. Das schwarze T-Shirt passte zu dem rosa Hemd, was ich jetzt aufgeknöpft ließ. Ich lächelte meinem Spiegelbild aufmunternd zu und strich durch mein Haar.
Die Uhr auf meinem Handgelenk trieb mich zur Eile an. Es war schon 17:33 Uhr und ich wollte noch Blumen kaufen.
Gegen 17:54 Uhr kam ich bei `Roadtrip` an. Es war ein kleines gemütlich aussehendes Lokal.
Ich ging in das Innere und sah mich um. Elena war noch nicht da. Ein Kellner mit einer weißen Schürze eile auf mich zu.
“Guten Abend.” - begrüßte er mich lächelnd und ich lächelte unsicher zurück. “Kann ich Ihnen weiterhelfen?” - fragte er mich.
“Guten Abend. Ich hätte gerne einen Tisch für Zwei.” - sagte ich etwas nervös und räusperte mich.
“Aber gerne.” - meinte der Kellner dazu und wies mich an, ihm zu folgen. Er führte mich zu einem Tisch, in einer einsamen Ecke des Raumes. “Bitte sehr.” - sagte er nur. “Wollen Sie schon etwas Trinken?” - wollte er wissen und zog ein Block und einen Kugelschreiber aus seiner Schürzentasche.
“Ich warte noch.” - lehnte ich ab. “Danke.” - meinte ich dann und er entfernte sich mit einem Lächeln von meinem Tisch.
Dieses Lokal habe ich schon mehrmals von außen gesehen, aber war nie hier drinnen gewesen. Der großzügige Raum war schlicht aber jedoch sehr gemütlich eingerichtet. Die Tische standen so weit auseinander, dass man nicht unbedingt das Tischgespräch des Nachbarn mitbekam und doch so nah, dass man sich nicht so verloren fühlte.
Über den Tisch in der hintersten Ecke war ich sehr froh. So konnte ich ungestört mit Elena sprechen, ohne das meine Tischnachbarn große Ohren bekammen. Mein Blick schweifte durch den ganzen Raum und blieb an der Eingangstür hängen. Elena stand da in der Tür, etwas ratlos. Ich schluckte schwer und mein Herz rutschte mir sprichwörtlich in die Hose.
Jetzt oder nie.


*Elena*

Meine Wut auf Deans Reaktion auf mein Date mit Saltfish verklang als ich die Tür zu meiner Wohnung hinter mir zuschloss. Was weiß er schon? Seit Monaten hatte er doch keine Dates mehr gehabt. Er war je nur neidisch. Oder eifersüchtig, sagte eine kleine unsicher Stimme in meinem Kopf. Bei diesem Gedanken wurde mir ganz warm.
“Blödsinn.” - antwortete ich laut der Stimme in meinem Inneren. Mit Mühe schob ich den Gedanken an Dean bei Seite und konzentrierte mich jetzt ganz darauf, ein perfektes Outfit für meine Verabredung auszusuchen.
Auch wenn ich Saltfish noch nicht persönlich kannte, hatte ich bereits mit ein Bild vom ihm gemacht. In meiner Vorstellung war er ungefähr ein Kopf größer als ich, muskulös, mit blauen Augen und blonden Haaren. Vielleicht ein Brad Pitt oder Bradley Cooper. Ich seufzte verträumt.
Jetzt fiel mir erst auf, dass ich ja überhaupt nicht wusste, wie er aussah. Wie sollte ich ihn denn erkennen? Darüber würde ich mir dann später Gedanken machen, zuerst das richtige Outfit, beschloss ich und schritt entschlossen in mein Zimmer.
Es war wie immer. Mein Kleiderschrank platzte aus allen Nähten und trotzdem hatte ich nichts zum Anziehen. Ich warf ein Kleidungsstück nach dem anderen auf dem Boden in meinem Zimmer, nachdem ich es an meinen Körper gelegt und als schrecklich abgestempelt hatte. So kam ich aber nicht weiter, mein Kleiderschrank war leer und ich hatte immer noch nur Unterwäsche an. Deprimiert sah ich mir die Ordnung an und beschloss mir Hilfe zu holen. Schnell warf ich mir meinen Bademantel an und ging in den Flur raus. Energisch klopfte ich an die Tür meiner gegenüber.
“Hallo meine Liebe.” - begrüßte sie Katy mit einem Lächeln. Wie immer sah sie atemberaubend an. Sie hatte ein blaues Etuikleid an und dazu weiße High Heels. Ihre roten Haaren waren zu großen Locken gedreht und fielen ihr über den Rücken bis zur Hüfte. Katy war genau die Richtige für mein Kleidungsproblem.
“Ich brauche deine Hilfe.” - warf ich ein, ohne ein Wort der Begrüßung. Katy legte ihren Kopf schief und sah mich aus ihren großen goldenen Augen fragend an. “Ich habe ein Date und nichts zum Anziehen.” - schoss es aus mir heraus.
“Okay.” - sagte sie nur. “Ich komme gleich rüber.” - versprach sie mir und verschwand wieder im Inneren ihrer Wohnung und ich kehrte wieder in meine zurück. Für Katy ließ ich die Wohnungstür offenstehen und ging wieder in mein Zimmer.
Wie auch besprochen kam Katy nach wenigen Minuten nach mit ihrer Lebensgefährten Clover im Schlepptau. Clover war ein genaues Gegenteil von Katy. Mit ihrem schwarzen kurz geschorenem Haar hatte Clover immer ein leidenden Gesichtsausdruck. Ich mochte sie nicht, aber da Katy so was wie eine beste Freundin war, musste ich auch ihre Liebelei aushalten.
“Also, erzähl mal.” - forderte Katy mich auf. Ich erklärte ihr meine schwierige Situation und sie nickte nur verständnisvoll. Von Clover kam gar nichts. “Ich verstehe.” - sagte sie nur und sah auf den mit meinem gesamten Kleiderschrankinhalt bestreuten Boden. Sie beugte sich und hob ein weiße enge Hose an und eine rote durchsichtige Tunika auf. Nachdem sie es an meinen noch immer in den rosa Bademantel gehüllten Körper gelegt hatte, nickte sie nur zustimmend. “Das sieht doch süß aus.” - sagte sie und sah mich erwartungsvoll an. Ich sah an mir runter und rümpfte die Nase. Süß wollte ich nicht aussehen.
“Ich will gut, nein großartig und sexy aussehen.” - machte ich Katy klar. Erneut nickte sie nur und legte die Sache säuberlich zusammengefaltet zurück in meinen Schrank.
Egal was Katy in den nächsten zwei Stunden mir vorschlug, gefiel mir nicht. Ich gab die Hoffnung auf. Es lag nicht an meinen Klamotten, es lag an mir. Ich passte nicht zu meinen Kleidern. Resigniert ließ ich mich auf mein Bett fallen. Mein Boden war schon frei und der Schrank war ordentlich gefüllt.
“Du hast so viele hübsche Kleider.” - ließ mich Katy wissen.
“Genau. Hübsch.” - sagte ich weinerlich. “Ich will nicht hübsch aussehen. Großartig und sexy.” - meinte ich dann.
“Vergiss es.” - hörte ich Clover sarkastisch sagen und biss die Zähne wütend aufeinander.
“Clov.” - ermahnte Katy und ich musste grinsen. “Ich habe da was.” - sagte sie dann und ich setzte mich auf. “Warte kurz.” - meinte Katy und lief aus der Wohnung.
Zwischen Clover und mir entstand eine ungenehme Stille. Wie gesagt ich mochte sie nicht besonders und ihr erging es wohl gleich. Ich atmete erleichtert auf, als Katy wieder zurückkam.
“So.” - sagte sie und präsentierte mir, eines der schönsten Kleider, die ich je gesehen habe. Es war schlicht weiß und ging bis unter die Knie. Am Saum war es mit rosa Blumen bestickt.
“Wow.” - sagte ich nur und stand auf.
“Ich wusste, dass es dir gefällt.” - meinte Katy nur und lächelte mich an. “Probier mal an.” - schlug sie vor und ich schlupfte auf meinem Bademantel. Katy half mir das Kleid anzuziehen und es fühlte sie toll an. Es schmiegte sich an meinen Körper wie eine zweite Haut. Ich stellte mich vor den Spiegel und mir blieb der Atem weg. Jetzt konnte ich behaupten, dass ich großartig und sexy aussah.
“Das ist aber ganz neu.” - stellte ich fest, als ich das Preisschild unter meiner rechten Achsel hängen sah. Mit großen Augen stellte ich fest, dass das Kleid außerhalb meiner Budgetweite lag. “Mein Gott. Ich kann das nicht anziehen, es kosten ein Vermögen.” - sagte ich und versuchte mir das Kleid vorsichtig auszuziehen, doch Katy schlug meine Hände bei Seite.
“So jetzt ist es nicht mehr neu und kostet auch nichts.” - meinte Katy, nachdem sie das Preisschild abgerissen hatte. “Du siehst großartig aus.” - bestätigte sie mich.
“Und sexy.” - fügte ich hinzu und Katy lachte nur.
“Ja.” - bestätigte sie dann. “Jetzt muss noch eine passende Frisur her.” - sagte sie und schritt sofort zur Tat.
Als Katy mit mir fertig war, erkannte ich mich nicht mehr. Ich fragte mich, wer diese wunderschöne Frau mit großen Augen im Spiegel war. Mein Haar lag in einen Zopf geflochten um meinen Kopf und war mit kleinen rosa Blumen geschmückt. Zum Kleid zog ich noch einen rosa Blazer an und weiße Pumps, denn auf High Heels konnte ich nicht laufen.
Jetzt dachte ich wieder daran, wie ich Saltfish erkennen sollte. Ich warf einen weiteren Blick in den Spiegel und hatte eine Idee. Mit einer SMS schlug ich ihn vor, als Erkennungszeichen etwas rosafarbendes zu tragen.
“Du bist die Beste.” - lobte ich Katy und warf mich ihr dankend um den Hals. Dafür erntete ich einen vernichtenden Blick von Clover, die die ganze Zeit schweigsam auf einem Stuhl saß und uns aufmerksam beobachtet hatte. Ich lächelte sie frech an. “Wenn ich lesbisch wäre, würde ich dich glatt vernaschen.” - sagte ich dann zu Katy und küsste sie zart auf die Lippen. Clover sah jetzt noch wütender aus.
“Ich habe schon jemanden zum Vernaschen.” - entgegnete Katy bloß mit einem herzhaften Lächeln. Selbstgefällig sah Clover mich an und stand auf, um Katy von hinten zu umarmen und ihr Kinn auf ihre Schulter zu legen. Obwohl ich diese Kabbelei mit Clover gerne fortgesetzt hätte, musste ich mich sputen. Es war bereits 17:33 Uhr und in den hohen Pumps war ich nicht so schnell wie in Turnschuhen.
“Danke Schatz.” - konnte ich mir jedoch nicht verkneifen und nahm mir meine Tasche. Ich überprüfte sie auf ihren Inhalt und warf noch meine Wohnungsschlüssel rein. “Ich muss los.” - sagte ich etwas unsicher und strich mir eine imaginäre Falte aus dem Kleid.
“Viel Glück.” - ermutigte mich Katy, Clover schwieg.
Ich lächelte unsicher und verabschiedete mich von den Beiden an der Wohnungstür. Nachdem Katy mir erneut viel Glück gewünscht hatte, machte ich mich auf zu meiner Verabredung mit Saltfish.
Kurz nach 18:00 Uhr erreichte ich `Roadtrip`. Ich stieß die Eingangstür auf und betrat das gemütliche Lokal.

Fortsetzung folgt ...





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