Atemzeit.. - Teil 10

Autor: Caprice
veröffentlicht am: 09.08.2012


Ein greller Lichtblitz verfehlte nur knapp meinen Kopf. Ich packte Caprice am Handgelenk und zog sie mit einer schwungvollen Bewegung unter mich.
Michael schleuderte einen weiteren Lichtblitz aus seinen Händflächen. Ein Shadow hatte unsere Fährte aufgenommen. Er stand da, wie eine Statue, in der Morgenröte. Fokusiert und suchend. Der Lichtblitz prallte gegen einen morschen Baum, verfehlte den Shadow und zersplitterte das brüchige Holz in jegliche Einzelteile. Die Kreatur fauchte laut auf. Michael, der immer noch mit ausgestreckten Händen vor uns stand, formte einen weiteren, größeren Lichtball. Raziel und Zadkiel taten es ihm gleich. Ich hielt Caprice schützend fest. Bedenkte ihren Kopf und Körper mit meinem eigenen.
„Macht euch bereit!“ Schrie Michael.
„Er kommt!“
Ich sah aus den Augenwinkel, dass der Shadow plötzlich lospreschte. Er sah direkt in meine Augen. Mit aufgerissenem Maul rannte er in meine Richtung. Seine Fangzähnen waren mit Speißel durchtränkt und sein Fell veränderte auf einmal die Farbe. Das zähflüssige schwarze verschwand und wurde Blutrot. Wieder faszinierte mich dieses seltsame Rot.Lockte mich. Ich konnte meine Augen nicht von den Flammen lassen, die statt Fell jetzt aus seiner Haut loderten.
„JETZT!“ Befiel Michael den anderen.
Drei Lichtbälle schossen an mir vorbei. Ich konnte ihre Hitze, ihre Energie auf meiner Haut spüren.
Diesmal traffen sie. Und zwar Alle. Er blieb regungslos auf der Erde liegen. Die Flammen, die zuvor aus seiner Haut loderten, erschloßen.
„Seith? Caprice? Alles inordnung?“ Raziel half uns auf die Beine und warf mir einen komischen Blick entgegen.
„Ja, es geht schon, danke!“ Er gab mir einen Klaps auf die Schulter und ging.
Ich musterte besorgt Caprice.
„Geht es dir gut?“
„Ja, alles ok,“ seufzte sie und sah ein wenig erschrocken aus.
„Das war ganz schön knapp,“ sagte Zadkiel und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Wieder lag diese Ruhe in seiner Stimme.
„Wir müssen schnell weiter. Bevor er aufwacht.“ Raziel schwang sich seinen Umhang um die Schultern und ging zu Michael. Ich konnte sehen wie er ihm etwas ins Ohr flüsterte.
„Wie? Er ist nicht Tot?“
Michael sah mich mit ernster Miene an.
„Nein, nur betäubt,“ antwortete er und klopfte sich den Staub von den Händen, die Rot und etwas wund aussahen. Michael nickte nachdenklich, als Raziel seinen Satz beendete und sich Zadkiel zuwand, der neben den Beiden stand und abwechselnd zur mir und zu dem bewusstlosen Shadow geschaut hatte. Wieder verzog sich Michael´s Gesicht zu einer seltsamen Miene. Diesen Ausdruck in seinen Augen konnte ich nicht beschreiben. Ich vergaß diesen lächerlichen Gedanken, dass vielleicht etwas nicht hätte stimmen können und kümmerte mich weiter um Caprice.
„Lasst uns gehen,“ sagte Zadkiel schließlich.
Ich nahm Caprice bei der Hand, verstaute die Flasche Wasser und ging in die Ausgangsposition zurück. Wir gingen alle dicht beieinander. Michael und Raziel gingen dieses mal an der Spitze. Zadkiel als Schlußlicht.
Nach zwei Stunden erreichten wir die Seinberge. Massiver Fels und Flüße, die müde dahinsickerten, erschreckten sich vor uns. Nach drei weiteren Stunden hatten wir das Ziel- ohne Zwischenfälle, endlich erreicht.
Die Höhlen der Dornalle hatten ein komplexes Tunnel-System. Michael war der einzige, der schon einmal hier gewesen ist. Er kannte jeden noch so verwinkelten Weg und führte uns bis in den innersten Kern. Dort kreuzten sich die Tunnel und genau hier, erlebte ich eine Überraschung.
„Michael! Endlich sehen wir uns wieder.“ Es war die Stimme von Syril, die in mein Ohr drang. Die Gestalt in der Höhle begrüßte Michael mit einer herzlichen Umarmung. Ich dachte ich sehe nicht richtig. Danach wurden auch Raziel und Zadkiel freundlich begrüßt. Mein Gesicht muss ausgesehen haben, als hätte ich ein Gespenst gesehen. Mein Mund war immer noch geöffnet, als Syril mich an seine Brust drückte und mir durch die Haare wuschelte. Ich freute mich sehr darüber ihn wieder zusehen.
„Tut gut dich gesund zusehen mein Junge.“ Sagte er fröhlich und löste sich von mir.
„Und du musst Caprice sein!?“ Er malte ein Lächeln mit seinen Lippen. Dieses schöne. Dieses typische Syril- Lächeln. Caprice wirkte leicht irritiert und nickte nur schüchtern drein. Sie war sichtlich müde und erschöpft von der langen Reise. Wer konnte es ihr verübeln?
„Wo habt ihr solange gesteckt?“ Fragte Syril und setzte sich auf einen großen Felsen.
„Dachte schon ihr würdet es nicht schaffen.“
„Es gab ein paar Schwierigkeiten mit einem Shadow,“ antworte Michael mit gewohnter, ernster Tonlage.
„Keine Sorge! Das Problem wurde behoben. Wir müssen dennoch auf der Hut sein.“
„Hmm..“ Syril legte den Kopf in den Nacken.
„Wohin geht es als nächstes?“
Zadkiel zog eins der Pergamentstücke aus einer schmalen Ledertasche und reichte es Syril.
„Verstehe,“ sagte er resigniert und faltete das Pergament wieder zusammen.
Michael nickte zustimmend. Ich setzte Caprice auf einen Felsen und gab ihr die Flasche mit dem Wasser und etwas von dem süßen Brot, das ich extra für sie eingepackt hatte. Sie lächelte dankend und nahm einen großen Schluck.
„Das ist ein gewagter Sprung Michael.“ Syril rieb sich nachdenklich die Stirn.
„Deshalb bat ich dich um hilfe.“ Michael´s Stimme wurde zunehmend härter.
„Was ist das nächste Ziel?,“ wollte ich wissen.
„Das Land der Philaes.“
„Der Philaes? Das soll ein Scherz sein, oder!?“ Ich kannte diesen Ort von Erzählungen aus meiner Lehre. Eines war sicher. Philaes waren Wesen, viel gefährlicher als ein Shadow.
Wie sollten wir dort sicher durchkommen? Ihr Land ist eine Speerzone für jedes Lichtwesen und dass seit tausenden von Jahren.
„Anders geht es nicht,“ sagte Michael und bohrte seinen Blick in meinen empörten Gesichtsausdruck.
„Nur so gelangen wir zu den Ältesten. Es gibt keine Alternative.“
„Aber... Wie sollen wir.. Ich meine..“
„Seith, es gibt keine Alternative,“ betonte er zum wiederholten mal. Als wenn es das besser machen würde.
Ich seufzte und mir wurde ganz mulmig bei dem Gedanken an dieses Ziel.
„Syril ist schon dort gewesen. Er kennt den Weg. Deshalb habe ich ihn um hilfe gebeten.“ Syril nickte, als ich ihn fragend anstarrte.
„Wir können nur von Checkpoint zu Checkpoint springen. Wir werden uns in dieser Welt nicht lange aufhalten. Der Weg von dort, zum nächsten, sicheren Sprungpunkt ist kurz. Wir werden schnell sein müssen. Sehr schnell.“
Raziel und Zadkiel stimmten kopfnickend zu. Sie standen voll und ganz hinter Michael und dass was er sagte. Ich hatte meine bedenken. Schließlich wollte ich unter allen Umständen verhindern, dass Caprice irgendetwas zustoßt.
„Philaes sind giftig! Ihr müsst euch also vor ihren Zähnen besonders in acht nehmen,“ mahnte Zadkiel. Mit dieser Ruhe in der Stimme. Wie schafft er das nur?
In so einer Situation? Ich legte meinen Kopf in die Hände. Caprice sah überhaupt nicht besorgt aus. Deshalb liebte ich sie so. Sie vertraute jedem von uns, so sehr.
„Mach dir keine sorgen, Seith.“ Sie wusste genau, was in mir vorging.
Ich sah ihr hoffnungsvoll in die Augen. Sie waren so klar und schön. Sie lächelte und legte ihre Hand auf meine Wange. Mein Herz überschlug sich regelrecht.
„Ich weiss, dass alles gut wird,“ sagte sie mit gelassen Stimme.
„Woher?“
„Woher? Es ist ganz einfach Seith: Du bist hier.“ Sie grinste und nahm einen bissen von dem süßen Brot.
„Stimmt. Ich bin hier.“ Und du bist der Gedanke hinter meiner Stirn.
Ich konnte nicht anders und lächelte sie verloren an.
Sie hatte recht. Wir sind viele. Es wird schon gut gehen. Nur Mut Seith, dachte ich und versuchte mich innerlich darauf einzustellen.
Syril und Micheal tauschten derweil letzte Informationen. Raziel und Zadkiel standen neben ihnen und hörten konzentriert zu. Es wird so aussehen, dass alle Syril folgen werden. Zügig, aber so leise wie möglich. Zadkiel erklärte mir jeden Schritt und Michael hatte recht. Es war tatsächlich nicht weit, bis zum nächsten Sprungpunkt. Gerade mal ein paar Meter. Michael nahm Caprice zu sich. Mich kostet es immer noch zuviel Energie sie mit mir zu transportieren. „Das nächste Ziel, nach dem Land der Philaes, ist das Silveertal,“ sagte Zadkiel und verteilte dieses mal, zwei Pergamentfetzen an jeden.
„Bereit?“ Michael schaute fokusiert in die Runde. Sein Blick lag sehr lange auf mir. Ich nickte und machte mich Sprungbereit. Syril verschwand zuerst. Er hatte uns angeordnet fünf Minunten zu warten. Die waren schneller vergegangen als ich hoffte. Es konnte los gehen. Michael und Caprice verschwanden als nächstes. Dann Raziel. „Jetzt du, Seith.“ „Geht klar! Bis gleich,“ antwortete ich Zadkiel und tauchte in den schimmernden Zeitwirbel. Ich konzentrierte meine Gedanken auf den Zielort und rauschte mit hoher Geschwindigkeit durch den Lichttunnel. Am Ende des Tunnels wurde es heller. Weißes Licht signalisierte sein Ende. Ich stolperte aus dem Zeitwirbel und plumpste auf einen matschig-warmen Untergrund. Es war stockduster. Man konnte kaum die eigene Hand vor Augen erkennen. Ich tastete mich sofort langsam voran. Wo waren die anderen? Ich konnte sie nicht sehen, konnte nichts hören. Es war eine unerträgliche Stille. Aus dem nichts hielt mir plötzlich etwas den Mund zu, packte mich an den Schultern und schubste mich in eine art Höhle in der Erde. Ich sah Michael´s Umrisse vor mir und atmete erleichtert auf. Er ließ von mir ab und hielt sich den Finger über die Lippen. Ich tat wie verlangt und machte keinen Mucks. Caprice saß neben Raziel auf der Erde. Sie lächelte, als sie mich unversehrt sah und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Syril stand vor der Erdgrube und dirigierte gerade Zadkiel durch die erschreckende Finsternis. Auch er stolperte sicher und heil in die Erdgrube.
„Wir müssen warten,“ flüsterte Syril.
„Sie sind ganz nah.“
„Es ist nicht weit. Ein Paar Meter nördlich bis zum nächsten Sprungpunkt.“ Sagte er kaum hörbar.
Dann gab er endlich das vorher besprochene Handzeichen. Einer nach dem anderen führte er zu dem Sprungpunkt. Raziel und Zadkiel hatten es bereits geschafft. Es waren wirklich nur einige Meter. Ich konnte sie aus der Höhle, in helle Zeitwirbel, verschwinden sehen. Syril kam schnell zurück. Jetzt waren Caprice und Michael an der Reihe. Ich half Caprice aus der Erdgrube und drückte ihre Hand ganz fest in meine. Ihr Blick war nicht mehr gelassen wie zuvor. Ihr Mund war leicht geöffnet, ihre Augen glasig und ihr Blick voll Panik.
„Keine Sorge, bin sofort wieder bei dir.“ Flüsterte ich und ließ ihre Hand los. Etwas, dass ich ungern tat. Sie schürzte die Lippen und stellte sich lautlos neben Michael.
„Fertig?“ Fragte Syril.
Michael nickte, nahm Caprice an seine Hand und folgte Syril, der mit ihnen in der Finsternis verschwand.
Wieder konnte ich nach einigen Metern den Bunten Zeitwirbel aufflackern sehen. Dann wurde es dunkel. Sie hatten es geschafft. Ich schnaufte erleichtert.
„Junge?“
„Ich bin hier,“ antwortete ich im flüsterton und kletterte aus der Erdgrube. Syril´s Augen wurden plötzlich rießig. Er starrte mich mit heruntergelassener Kinnlage an und schubste mich gewaltsam zurück in das kalte Erdloch.
„Was zum...Was tust du denn?“
„Sei still!“ Befahl er und sprang hinterher.
„Sie sind hier! Wir müssen leise sein, hörst du? Keinen Ton.“






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