Died Again - Teil 15

Autor: Noa
veröffentlicht am: 17.09.2012


Solangsam gehen mir die Kapitel aus und noch immer fällt mir ietwas ein, um es zwischen Lex und Kayleigh noch spannender zu machen. Ich bin schon sooo gespannt darauf endlich zwischen den beiden das Finale schreiben zu dürfen :D
Aber dann wäre es noch ein wenig zu früh und es müsste einen passenden und perfekten Zeitpunkt geben ;)
Um euch nicht auf die Folter zu spannen, in spätestens Kapitel 18 ist es soweit ;D

Viel Spaß!

Kapitel 14

Es schnürt sich zu

Kayleigh wachte auf. In ihrem Kopf plagten sie noch harmlose Stiche, aber Ruhe herrschte. Licht schien in ihre Augen und ihre Lider blinzelten auf. Nur das kleine Nachtlicht neben ihr leuchtete schwach und ein Seufzer entglitt ihren Lippen.
Die hölzernen Deckenleisten über ihr waren dunkel und alt. Das Zimmer war allgemein, alt und spröde. Ihr Bett quietschte, wenn sie sich bewegte und mehr außer dem kleinen Eichenholzschrank gab es nicht.
Nachdem ihr Bewusstsein vollkommen in ihr angekommen war, hob sich ihr Oberkörper und Lex schlief mit dem Kopf gegen die Wand auf einem Holzstuhl. Ihr kleiner Wecker, neben ihr, zeigte zwei Uhr nachts.
Verworrene Augen schaute auf den geruhten Körper. Als Kleidung hatte er noch seine Badehose an, die ihm bis zu den Knien ging und locker am Körper hang. Das dunkelblaue Shirt von gestern lag an seinem Oberkörper.
Langsam stand Kayleigh auf und strich über seinen Oberarm.
„Lex.“, flüsterte sie und er blickte nach mehrmaligem Blinzeln in ihre Augen. Aufgeregt stand er auf und packte sie an beiden Armen.
„Alles ok mit dir? Was ist passiert?“, fragte er panisch.
„Ganz ruhig. Nichts. Es war bestimmt nur wieder einer meinen Anfälle, an die du dich einfach gewöhnen musst.“
Lex entdeckte in einem ihrer Augen, das einige Adern geplatzt waren und sie nun statt einem weißen Augapfel einen roten hatte. Sanft strich sein Daumen über ihre Wange unter den Wimpern.
Seine Mimik verschärfte sich. „Das war nicht irgendein Anfall. Da stimmt etwas nicht. Deine Stimmung von gestern Mittag hatte damit zu tun.“, bastelte er sich aus all den Ereignissen zusammen. „Also frage ich dich wieder. Was ist passiert?“
Kayleigh seufzte und löste sich aus seiner Umklammerung. Niedergeschlagen setzte sie sich auf ihr Bett und ließ ihren Rücken zurückfallen.
„Ich habe meine Schwester gesehen, von der ich bisher keinerlei Erinnerungen behielt. Warum auch immer…Sie ist damals vermutlich, durch einen mir unerklärlich Grund, gestorben.“, gab sie zu und er legte nachdenklich seine Hand an das Kinn.
„Deine Schwester?“
„Ja, offensichtlich meine Zwillingsschwester.“, riet sie. „Im Traum hatte sie am selben Tag Geburtstag wie ich.“
„Vielleicht war es auch das tatsächlich. Ein Traum.“, lenkte er vom Thema ab.
„Nein. Meine Träume weiß ich am nächsten Morgen nicht mehr. Aber bei diesem erinnere ich mich an jede Einzelheit.“, fügte sie hinzu und atmete erschöpft aus.
„Denkst du er hat eine Bedeutung?“
„Ja. Meine wahren Erinnerungen kehren zurück. Angefangen mit der Wichtigsten, der Familie. Trotzdem…“, zögerte sie zum Schluss. „…trotzdem verstehe ich nicht warum meine Eltern davon wussten, das Kira nicht mehr zurückkehren würde.“
„Kira? Das ist deine Schwester?“
Sie nickte.
Lex lief im Zimmer herum und tobende Gedanken beherrschten ihn. Seine Augen zuckten, wenn ihn etwas störte an seinen Überlegungen und ihm schien die Wange zu jucken, wenn er sich anstrengte.
Auch Kayleigh versuchte die Situation zu verstehen, schaute zu Lex und dann wieder zur Decke. Der ständige Wechsel zerbrach ihr den Kopf. Vielleicht kehrten tatsächlich ihre Erinnerungen zurück oder es war eine Vision gewesen, die höchst eigenartig war.
„Ich habe eine ganz bestimmte Stimme in meinen Gedanken gehört, bevor ich in Ohnmacht fiel. Sie klang wie ein kleines Mädchen. Nur kein einziges Bild strömte in meinen Kopf, worauf ich eigentlich gehofft hatte. Es ist mir ein absolutes Rätsel.“
„Du selbst bist ein ungelöstes Rätsel.“, lächelte Lex und wollte trotz der gesunkenen Stimmung, gute Laune aufbauen.
„Lex, ich habe daran gedacht in Hypnose versetzt zu werden.“
Er zog beide Augenbrauen nach oben und spitzte seine Ohren, da er sich verhört haben könnte. „Vielleicht entdecke ich Dinge, die mein Unterbewusstsein preis gibt.“
Dabei fiel ihm eine Idee ein, aber er hatte Angst diese Person um einen Gefallen zu bitten.
„Naja, ich kenne jemanden, der dir da weiterhelfen könnte. Diese…oder besser gesagt, sie ist ein Medium. Fähig in das Unterbewusstsein anderer zu schauen, kann Übernatürliches sehen und angeblich auch in die Zukunft. Dennoch glaube ich eher, sie ist ein wenig verstört ist und denkt sie würde diese Dinge sehen.“, stammelte er und sprach über die Person, als ob er sie gut kennen würde.
„Wer ist das?“, fragte Kayleigh und drehte ihren Oberkörper zu ihm.
„Ihr Name ist Nora Nas-“, stoppte er zum Schluss und saugte seine Lippen in den Mund, um nicht weiter sprechen zu können. Beinahe wären ihm Informationen herausgerutscht, die Kayleigh nicht erfahren sollte. „Wie gesagt, sie könnte uns helfen.“
„Das wäre schön. Denn ich möchte endlich die vielen Probleme klären. Steven ist noch da, dann die Träume tauchen wieder auf und ich habe doch nicht mehr so viel Zeit.“
Kayleigh war mit ihren Gedanken bei jeder ihrer Sache, passte jedoch nicht darauf auf, etwas preis zu geben, sodass Lex nachfragen könnte.
„Wieso hast du nicht mehr so viel Zeit?“, fragte er und wiederholte ihre Worte im Kopf. „Es hörte sich gerade so an, als ob du weniger als ein Jahr noch da wärst.“
Kayleigh zuckte und kniff verärgert ihre Augen zusammen. Die Ohnmacht hatte ihr den Rest gegeben. Das Ordnen ihrer verirrten Gedanken war völlig unmöglich und ihre Probleme schienen alles nur weiter zu erdrücken. Ruhe war ein guter Zeitpunkt gewesen, vor allen Dingen, als sie das Gefühl bekam, das sich durch Lex alles, wirklich alles, veränderte. Schließlich spielte sich zum ersten Mal in ihren achthundert Jahren ein vergangener Traum ab, der längst in Vergessenheit geraten sollte. Ein kleiner Funken glühte jedoch. Sie glaubte daran, dass dies ihr letztes Leben sei.
„Tut mir leid, so wollte ich das nicht ausdrücken. Zwei, drei Jahre sind eben für mich wie ein paar Wochen.“, log sie und versuchte seinen erhaschten Gedanken zu löschen.
„Ich werde die restliche Nacht hier bleiben. Du machst mir Sorgen, Kay.“, sagte er und setzte sich wieder gegenüber von ihr auf den Stuhl. Ihre Blicke kreuzten sich. Ihr Herz pochte laut, da es ihr gefiel, dass er sich um sie sorgte. Das bedeutete so etwas wie: Du bist mir wichtig.
Sie nickte einverstanden und legte sich wieder ins Bett. Ohne es zu merken, war sie weniger als in zwei Minuten eingeschlafen.
Am nächsten Morgen wachte sie alleine auf. Lex hatte es wahrscheinlich nicht ausgehalten auf einem einzigen hölzernen Stuhl zu schlafen. Beim erheben ihres Oberkörpers knacksten all ihre Knochen und ein stechender Schmerz breitete sich in ihrem Rücken aus.
Im Spiegel, der im Bad in perfekter Position zur Tür stand, entdeckte sie ihr blutgetunktes Auge. Es sah furchtbar aus. Erschrocken lief sie näher an den Spiegel heran und streckte ihren Kopf der Glasscheibe entgegen. Tatsächlich war die komplette Oberfläche in Rot getunkt. Das Grün in ihrer Iris fiel nicht mehr so stark auf. Sie gruselte sich selbst, sodass ein Schauer über ihren Rücken lief.
Sie seufzte schwer und fuhr vorsichtig mit den Finger über das Lid. Ihr Auge schmerzte und fühlte sich an, als ob es ausgetrocknet wäre.
Als sie die Treppe hinunter ging, tauchte Steven seit langem wieder auf. Er blickte sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht an.
„Wow, wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen? Wo warst du?“, fragte Kayleigh neugierig und stieg weiter die Treppe hinab.
„Oh! Mal hier, mal da...Also, eigentlich wollte ich mehr über mich herausfinden.“, sprach er das Thema an, aber seine lächelnde Fassade löste sich auf, als er daran zurückdachte. „Jemand zu dem ich eine merkwürdige Beziehung habe, den scheine ich zu kennen. An irgendetwas erinnert er mich. Es ist schwer, wenn Erinnerungen aus meinen Gedächtnis fehlen.“
„Ach ja? Weißt du wie er heißt?“, fragte sie und drehte sich zu ihm um.
„Ja. Einer von seinen Freunden nannte ihn Trevor.“
Kayleigh durchfuhr eine eiskalte Gänsehaut, ignorierte aber dieses Gefühl und zuckte mit den Schultern.
„Kenne ich nicht.“, meinte sie und setzte sich an den schon gedeckten Frühstückstisch. „Das war bestimmt Lex.“
Ein fröhliches Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
„Ja. Er war schon früh morgens gegangen. Meinte er müsste etwas erledigen.“, meinte Steven und setzte sich neben ihr auf den Boden.
„Kay, ich möchte die Sache endlich klären.“, sagte er traurig und seufzte zum Schluss.
„Ich weiß. Ich verspreche dir, noch bevor ich in sechs Monaten sterbe, werde ich dich erlösen.“, sagte sie. „Dieser Trevor...Wir könnten doch mal in Ruhe mit ihm reden, meinst du nicht?“
Steven lächelte einverstanden und spielte an seinem schulterlangen Rastalocken.
„Ja, da würde ich mich freuen.“
Das köstliche Essen versüßte ihren Tag. Steven schien nicht sehr begeistert zu sein, was auch verständlich war. Er sehnte sich nach Erlösung.
Nach dem Essen reckte Kayleigh ihren Körper und im selben Moment kam Shain hinunter gerannt. Er warf ihr einen verdutzten Blick zu und schlich sich mit schleifenden Schritten über dem Boden zu ihr.
„Dein Auge...ist ja gruselig.“, stammelte er und in seiner Stimme erklang ein ängstlicher Unterton. „War das wegen gestern?“
Kayleigh nickte.
„Es tut auch ein wenig weh, aber ich komme schon klar. Mir wäre es lieber, jetzt zu Lex zu gehen oder besser gesagt zu wissen, wo er ist.“
„Hast du nicht gerade mit jemanden noch gesprochen?“
Steven erschien neben ihm und verschränkte seine Arme vor der Brust. Kayleighs Augen schauten zu ihm. Shain bemerkte ihre Blickrichtung, die hinter ihm vorbeilief. Sein Kopf drehte sich nach hinten. Kayleigh räusperte sich.
„Nein. Da war niemand.“, log sie und faltete ihre Hände hinter dem Rücken.
„Aha.“, sagte er und zog misstrauisch eine Augenbraue hoch. „Hier! Auf dem Handy ist seine Nummer. Ruf ihn doch an.“, sagte er und zwinkerte ihr zu. Mit hochgezogenen Augenbrauen verschwand sie in die Küche und wählte seine Nummer. Das Freizeichen erklang.
„Ja?“, kam eine Stimme und hörte sich ein wenig verzehrt an, da das Signal nicht besonders stark zu sein schien. Aber es war seine.
„Lex! Hier ist Kay. Wo bist du?“, fragte sie und hörte im Hintergrund das Klirren von Geschirr.
„Ah! I-Ich bin...bei jemanden.“, stotterte er nervös.
„Dauert es noch lange?“
Er räusperte sich. „Nein. Ich bin in einer halben Stunde bei dir.“
Er legte ohne sich zu verabschieden auf. Kayleigh schaute zum Display und nichts war zu sehen. Shain nahm sich sein Handy wieder und steckte es in seine Hosentasche.
„Ich werde mal zu einem meiner Kollegen gehen.“, meinte er und drehte sich zur Tür.
„Du hast Freunde?“, fragte Kayleigh verdutzt. Shain schwenkte seinen Kopf mit einer genervten Mimik zu ihr.
„Stell dir vor, das habe ich.“, sagte er ernst und sie kicherte leise, bis er durch die Haustür verschwand.
Die restliche halbe Stunde zog sich lange hin. Lex tauchte jedoch viel später auf als geplant. Als die Klingel läutete, sprang Kayleigh aus dem Sofa und sprintete zur Tür. Lex stand in einer geschmackvollen beige kurzen Hose und einem bordeauxroten baumwollartigen T-Shirt vor ihr. Kayleigh musste erst tief einatmen um sich zu fassen.
„Hey!“, sagte sie mit stockendem Atem.
„Komm! Wir haben einen Termin.“, sagte er und drehte sich gleich in die Richtung seines Autos. Er lächelte überhaupt nicht und etwas schien ihn zu bedrücken. Es gefiel Kayleigh nicht, wenn er keine gute Laune hatte, besonders nicht, wenn sie den ganzen Tag auf ihn warten musste.
Die Tür war schnell geschlossen und ihre Füße verfolgten ihn.
„Alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie besorgt und er setzte ein gedrücktes Lächeln auf.
„Ja, mit mir ist alles klar. Steig ein! Wir müssen fahren.“, forderte er sie auf und sprang auf den Fahrersitz.
Die Fahrt war grausam gewesen. Kayleigh fühlte sich erdrückt und schlecht. Wenn Lex traurige Laune hatte und schwieg, brannte ihr Herz. Sie gab sich die Schuld für seine Stimmung. Wer wäre nicht schlecht gelaunt nach einer Nacht auf einem Holzstuhl? Während der Ankunft, als er den Motor abstellte, griff er nach ihrem Arm. Mit verwundertem Ausdruck blickte sie ihn an.
„Geht’s dir gut? Ich meine, fühlst du dich besser wie gestern? Ich konnte dir vorhin nicht in die Augen schauen. Es sieht so schlimm aus.“, senkte er zum Schluss seine Stimme, als ob es ihn schmerzen würde, sie in solch einem Zustand zu sehen.
„Es ist nur ein Bluterguss im Auge. Das vergeht nach einigen Tagen.“, lächelte sie aufmunternd, aber er hielt nicht lange stand ihn anzusehen. Tatsächlich sah Kayleigh aus, als hätte sie einen heftigen Aufprall am Auge erlitten. Es beruhigte sie, dass er sich um sie sorgte. Hoffentlich war nicht wegen ihres Ergusses seine schlechte Laune entstanden.
„Weißt du, Kay...“, seufzte er, senkte seinen Kopf auf die Brust und schloss verzerrt seine Augen. „Manchmal bereue ich es dich an den Klippen gerettet zu haben.“
Sie riss erschrocken die Augen auf. Was sagte er da? War das sein Ernst? Ein Stich bohrte sich in ihr Herz. Er seufzte tief.
„Ich habe dein komplettes Leben auf den Kopf gestellt, du bekommst furchtbare Albträume und ich kann nichts dagegen tun.“
Sein Arm hatte sich angespannt und die Hand zu einer Faust geballt. Seine Lider bebten und sie konnte spüren, wie wütend er momentan war.
„Lex...“, sagte Kayleigh ruhig und legte ihre Hand auf seinen Arm, worauf er wieder in ihre Augen blickte. „...ich bin dir so unglaublich dankbar, dass du es getan hast. Wirklich. Dank dir habe ich endlich wieder Hoffnung den Fluch brechen zu können.“
„Und wenn es nicht klappt? Wer weiß, wie lange wir dafür brauchen und wie lange du noch lebst?“, deutete er.
„Ich werde doch wiedergeboren.“, sagte sie hoffnungsvoll, obwohl ein Klos bei diesem Wort wiedergeboren in ihrem Hals entstand.
„Und das findest du gut?“, traf am Ende ein dunkler Ton, der sich verärgert anhörte, das Stimmband.
Kayleigh schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht!“
Beide schwiegen einander und Kay ertrug die Stille nicht lange und wollte schon aus dem Auto steigen, als Lex sie ein weiteres Mal aufhielt.
„Eine Frage habe ich noch. In meinen Traum hast du Symbole erwähnt, die sich auf deinem Rücken zeichnen. Stimmt das?“
Jetzt wurde es eng. Lex durfte keinen Verdacht schöpfen, das Kayleigh gelogen hatte und es tatsächlich pure Realität gewesen war. Mit einem aufgeschobenen Seufzer legte sie beide Hände auf den Schoß. Am liebsten wäre sie sofort geflüchtet.
„Ja. Es zeichnen sich Symbole auf meinen Rücken ab, aber das dauert noch ein Weilchen. Ich glaube, das habe ich dir aber schon einmal erklärt.“, log sie.
„Wirklich? Kann mich gar nicht daran erinnern.“
„Ja, ich habe es auch nur nebenbei erwähnt. Du hast so viel um die Ohren bekommen, da kann man schon einiges vergessen.“
Ihr munteres Lächeln ließ ihn das Gespräch aus dem Kopf schlagen und beide stiegen endlich aus dem Jeep.
„Dort drüben ist ihr Haus!“, rief er und zeigte auf das kleine weiß-graue Haus am Waldrand. Drumherum war weiche hellbraune Erde und der Weg, der zur Haustür führte, wurde durch einen Holzzaun gekennzeichnet. Die Fenster waren düster und einsam. Das Glas beschmutzt vom Regen und der Erde. An den Fensterbänken hingen wunderschöne rechteckige Blumentöpfe, in denen die verschiedensten Farben leuchteten. Die Haustür war weiß und frisch geputzt. Lex klingelte an einer altmodischen Klingel mit einem kleinen Knopf, die einen seltsamen lauten Ton von sich gab.
Nach wenigen Sekunden öffnete jemand die Tür und eine alte Dame öffnete sie.
Was zum Teufel? Diese Frau...
Kayleigh erinnerte sich. Dieselbe Dame saß auf der Backsteinmauer und starrte auf das Schaufenster mit der Puppe. Sie faselte komisches Zeug und lief einfach davon.
„Ich kenne sie!“, rief Kayleigh und zeigte mit dem Finger auf sie.
„Mit nacktem Finger zeigt man nicht auf Personen, Liebchen.“, krächzte die Alte und grinste frech. Danach blickte sie zu Lex und ging in kleinen Schritten auf ihn zu. Hinterhältig kniff sie ihm in die Wange und lächelte vergnügt.
„Da bist du ja wieder, mein Enkel.“, rief sie und Kayleigh fiel aus allen Wolken.
„Lex?“, stammelte sie und er verzog ein grimmiges Gesicht.
„Oma! Es war abgemacht, das du ihr gegenüber nicht erwähnst, das wir verwandt sind.“
„Ach! Papperlapapp! Du bist mein Enkel und du brauchst dich nicht jedes Mal dafür zu schämen. Die Leute lieben mich!“, kreischte die alte Dame und ließ seine Wange los. Er rieb sie kräftig und versuchte nun den Abdruck von Daumen und Zeigefinger verschwinden zu lassen.
„Wieso habe ich das Gefühl, dass es kein gutes Ende nehmen wird.“, murmelte Kayleigh und betrat zusammen mit Lex den Raum. Drinnen herrschte eine gemütliche alte Atmosphäre. Dielen auf dem Boden mit Teppichen, zwei Sessel, weiße vermoderte Vorhänge, eine große Standuhr, die laut schlug und ein großer Esstisch mit edlen dunklen Holzstühlen. Der Sitz war mit grünem Polster belegt. Die dicken Wände betrübten den Ort.
„Will jemand etwas trinken?“, fragte sie, als sie in die Küche lief.
Lex schüttelte den Kopf und blickte aufmerksam zu Kayleigh.
„Nein, danke.“, sagte sie und Nora sprang in die Luft.
„Gut! Auf geht’s in den Keller!“, befahl sie und gab die Richtung vor.
Im Flur verlief seitlich an der Wand eine Treppe hinunter, die in einen düsteren Raum führte. Statt Fliesen waren dort Pflastersteine eingepflanzt. Die Wände waren nur gemauert und noch nicht verputzt. Überall hingen Kerzenleuchter und alte Tische. Mitten im Raum war ein riesiger steiniger Altar aufgebaut. Kayleigh bekam eine Gänsehaut. Ein furchtbar gruseliger Ort. Es fehlte nur ein Sarg und es hätte Draculas Versteck seien können.
„Lass dich nicht einschüchtern. Meine Oma liebt diese alten Sagen und Legenden. Deshalb hatte sie ihren Keller in ein Verlies verwandelt.“
Auf dem großen Tisch standen mehrere Schriftrollen und in einem breiten Spalt stand ein extra angefertigtes Bücherregal. Die Atmosphäre erinnerte sie an ihre Zeit aus dem vierzehnten Jahrhundert. Als es noch Burgen, Schlösser und Türme gab. In diesem Jahr wurde sie geboren. Jetzt war schon ein Jahrtausend vorbei und sie fühlte sich elend, sich solange am Leben gehalten zu haben.
Aber bei Lex Großmutter überkam sie ständig ein hoffnungsvolles Gefühl, als ob sie endlich die Lösung in Händen hielt oder zumindest einen Hinweis auf ihre Freiheit hätte. Es schien vollkommen verrückt zu sein, heutzutage überhaupt jemanden zu glauben, der hellsehen, geschweige denn - etwas behauptete zu können - was bei den meisten Menschen überhaupt nicht in ihrer Vorstellungskraft lag. Kayleigh glaubte jedoch daran. Sie sah Geister, Visionen und war selbst ein Unwesen. Es gab nichts, was übernatürlicher als sie wäre. Lex schien seiner Großmutter weniger Glauben zu schenken, aber schon allein der Keller war wie ein altes Verlies aufgebaut. Nora musste an das Übernatürliche glauben. Denn alles was sich die Menschen einbilden, hatte meistens wirklich mit Dingen zu tun, an die niemand wagt zu denken.
Nora ging zu einem Bücherschrank und kreiste mit ihren Augen von oben nach unten.
„Ich hatte es doch letzten erst…“, murmelte sie und rieb über ihre verschrumpelte, spröde Haut. „…Ah! hier.“
Aus einer der untersten Winkel des Bücherregals zog sie ein dickes, verstaubtes Buch heraus. Der Einband war alt und auf der Oberfläche bildeten sich Fransen, da sich das Leder auflöste. Um das Buch herum war eine Schnalle gebunden, dessen Verschluss Silber aufglänzte. Die Blätter waren eher beige, gelb, als weiß. Nora öffnete es und legte die Schnalle zur Seite. Dadurch konnte man eine Aufschrift gut erkennen.

Das Buch der versiegelten Flüche

Es schauderte, dass Nora über Kayleigh Bescheid wusste. Warum sollte sie sonst ein Buch auspacken, bei dem es sich um Flüchen handelte.
„Es entstand aus dem fünfzehnten Jahrhundert.“, sagte sie.
„Die Zeit der Hexenverbrennung.“. fügte Kayleigh hinzu und kaute nervös auf ihren Lippen.
„Ja. Schon vorher gab es vereinzelte Fälle einer Verbrennung, aber ab diesem Jahrhundert wurde die Verfolgung der Hexen immer häufiger. Ganze Dörfer bezeichneten Frauen als ruchlose Geschöpfe, die den Menschen schaden wollten.“
Nora machte eine Pause und blätterte weiterhin in dem faszinierten Buch herum. Die Seiten war teilweise komplett zerrissen, und einige mussten einlaminiert werden.
„Ich fragte mich die ganze Zeit, wer kam auf den Namen Hexe oder wie kamen die Menschen auf solch ein Wesen? Ganz einfach. Sie existierten wirklich.“
Ihre Augen rollten zu Kayleigh, die fassungslos auf das Buch starrte, das sie praktisch magisch anzog. Am liebsten wäre sie mit ihren Fingerspitzen über die Blätter gefahren und der verwesende Duft von Blättern stieg ihr in die Nase. Es roch beinahe, wie Zuhause.
„Als die Magie die Frauen verführte, da sie sich nach Macht und Rache sehnten, beschlossen sie einen Pakt mit dem Teufel. Er gab ihnen die Kraft sich gegen die Brutalität der Männer zu wehren. Aber dafür erhielt der Teufel als Gegenleistung ihre Seele.“
Lex räusperte sich, zog seine Augenbrauen nach oben und atmete tief durch. Kayleigh schien jedes einzelne Wort zu glauben, aber er zweifelte an seiner Großmutter.
„Eine einzelne Hexe schrieb dann dieses Buch. Sie spezialisierte sich auf die Flüche, da sie ewig währen und nur ein schwerer Lösungswegs zu finden sei.“, erläuterte sie und hielt an einer bestimmten Stelle an. Auf der Seite war ein Bild gemalt. Es zeigte eine Frau, die um sich herum tausende von Schatten hatte. Neben ihr lag eine schwarze - dessen Stiel durchbrochen war – Rose und daneben waren Bluttropfen abgezeichnet. Die Frau auf dem Bild schien zu leiden.
„Es zeigt den Fluch. Er ähnelt deinem, Kayleigh.“, sagte die alte Dame und strich mit dem Finger über die vielen Schatten. „Das sind deine ganzen Leben, die du geben musstest. Allerdings ist hier etwas anders.“
Ihre Augen versuchten die alte Schrift zu lesen.
„Wenn ich das hier richtig lese, geht es um einen mächtigen Fluch, der nur durch ein starkes Band gebrochen werden kann...was auch immer das heißen mag.“, erläuterte sie.
„Das ist alles? Mehr können sie nicht heraus bekommen?“, fragte Kayleigh und ließ ihre Augen selbst über die Schrift fallen. Sie kicherte. „Einfach. Zwar ist diese Sprach ein wenig eingerostet bei mir, aber ich kann sie lesen.“

Fluch des starken Bandes
Die Auswirkungen halten ewig, so wie vor und nach dem Tod. Den Fluch selbst auszusprechen, kostet die Seele. Er kann nur von einem Hexenmeister oder einer Hexe ausgesprochen werden. Ein Mischen des Fluchs kann erhebliche Verläufe hervorrufen. Das Opfer kann sich nur durch das starke Band von dem Fluch befreien. Jedwede Zielperson wird bei längerem Gebrauch schmerzlich aufgelöst.
Jede weitere Missachtung der Regeln kann erheblich leidende Folgen haben.

Kayleigh hatte es so gut wie möglich versucht zu übersetzen. Die Wörter waren zu alt, als dass Nora sie hätte alle lesen können. Die alte Dame zog jedoch ihre Augenbrauen hoch und versuchte ihren Unterkiefer oben zu behalten. Es bestätigte ihr die Aussagen von Lex, das Kayleigh tatsächlich keine Sterbliche mehr war.
„Was mich am meisten bedrückt, ist das starke Band! Was heißt das denn? Wieso hatten alle Hexen diese bescheuerten Bücher in Rätseln geschrieben?“, schrie Kayleigh verärgert, als ihre Lösung zum Greifen nah war.
„Kay, bleib ruhig. Dieses Buch könnte auch eine Fälschung sein.“, sagte er.
„Nein...“, hauchte sie und fuhr über den Einband. In ihre Finger fühlte es sich an, als ob ein Energiestrom in ihren Körper lief. Es Kribbelte in ihren Zehenspitzen, als es sich überall verteilte. „Dieses Buch definitiv echt. Ich muss es mir ausleihen!“
Nora riss das Flüche-Buch an ihre Brust und starrte sie knurrend an. „Niemals! Es ist dafür zu kostbar!“
Lex sog Luft in seine Lunge.
„Oma, es geht hier um ihr Leben. Wir sind vielleicht schon so nah an der Lösung, dass wir sie nur greifen brauchen, bitte!“, flehte Lex und hob vorsichtig die Hand ihr entgegen. Jedoch lief Nora einige Schritte zurück und umklammerte das Buch noch fester.
„Nein! Dieses Buch ist alles war mir blieb. Das einzige noch existierende Erbe in unserer Reihe.“, klagte sie und prallte irgendwann gegen die Wand.
„Es geht hier um ein Menschenleben und da ist dir das Buch wichtiger?“, fragte er und in seiner Stimme lag ein sanfter vertrauter Ton, der beruhigend wirkte. Kayleigh schaute in Lex in die haselnussbraune Augen. Die Kerzenflamme spiegelte sich in ihnen und ein zartes Kribbeln durchfuhr ihren Körper. Was für ein wunderschöner Anblick, dachte sie sich in dem Moment. Das Lex für sie einsprang, hinter ihr stand, egal ob er sich gegen Familie oder Freund lehnte, rief ein unbeschreiblich entflammtes Gefühl in ihr hervor. Beinahe stieß ihr, aus einem unerklärlichen Grund, ein Gedanke mir drei kleinen Worten in den Kopf.
Ich...
„Oma!“, drang Lex und ballte beide Fäuste. Kayleigh wurde aus ihrer Trance gerissen. „Jetzt sei doch nicht so stur!“
„Also gut!“, gab sie auf und drückte sich von der Wand ab. Mit einem protzigen Blick und gewölbten Pausbacken setzte sie sich auf den kleinen Holzstuhl am Tisch. Davor schmiss sie das Buch vor Lex Füße. Er hob es auf und blätterte er auf dem Tisch aus.
„Es muss doch mehr geben...“, murmelte er und studierte die Bilder der vielen Seiten. Seine Augen wollten nicht mehr von dem Buch lassen. Es war wie eine Sucht für ihn. Bei der letzten Seite stoppte er, riss die Augen auf, als er Teufel las.
„Kay, was bedeutet das?“, fragte er und deutete auf den Text unter der schauderhaften Skizzierung. Er war ein schwarzes Wesen, das einen Schwanz mit dem Ende in Form eines Dreiecks hatte, große kräftige Hörner auf dem Kopf und scharfe Pranken als Hände. Die Augen waren weiße Punkte und er schien finster drein zu schauen. Hinter ihm loderte eine Flamme und es sollte den Teufel darstellen.
So stellten die Menschen sich damals den Teufel, auch Luzifer genannt, wie er in der Bibel stand, vor. Die Kirche hätte alles malen, zeichnen und aussprechen können, denn die Leute waren dumm. Selbst Kayleigh erinnerte sich noch daran, wie sie alle Priester verehrt hatte, jeden Tag beten gegangen war und geglaubt hatte, sie käme in den Himmel. All diese Dinge existierten. Denn das Inferno gehörte zufälligerweise dem Teufel. Es war das altbekannte Spielchen zwischen Himmel und Hölle, allerdings verkörperte keiner der beiden Seiten das Gute. Auf irgendeine Weise waren beide harte Gegner und berücksichtigten keine Menschenseele. Der Teufel nahm seinem Vater, dem Gott, seine Kinder weg, die Seelen der Menschheit, um ihn praktisch zu ärgern. Gott hingegen, ließ neue Kinder gebären und das Spiel drehte sich ständig im Kreis. Kayleigh war eine verlorene Seele, die ständig zwischen dem Inferno, der Toteninsel, und der Erde umherwandelte. Da nun die Seele der Hexe dem Teufel zu Händen fiel und Kayleigh stattdessen noch immer ausgehandelt wurde, bis der Fluch gebrochen werden würde oder ihr Körper zerfiel und sie zur Hölle fuhr. Natürlich waren das alles nur Legenden, Geschichten und Sagen, aber sie spürte, dass jedes verfluchte Wort davon existierte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis alles ein Ende hatte. Mit Lex an ihrer Seite spürte sie endlose Freiheit und ihre Angst verflog. Auch wenn das besorgniserregend Gefühl in ihrem Nacken einfach nicht stoppte.
„Kayleigh? Hallo? Alles in Ordnung?“, drang eine Stimme in ihr Ohr. Oh je! Sie musste durch ihre Träumerei, beinahe eingeschlafen sein.
„Ja...Entschuldigung! Ich habe nur nachgedacht.“, meinte sie und fuhr sich beschämend durchs Haar. Anschließend räusperte sie sich und allein die ersten paar Sätze ließen eine schauderhafte, kalte Gänsehaut über ihren Rücken laufen. Denn ihr kam jedes einzelne Wort bekannt vor.






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