Died Again - Teil 11

Autor: Noa
veröffentlicht am: 24.08.2012


Hoffe die Geschichte ist noch interessant für euch ;D

Noa


Kapitel 10

Wahrheit

Eine halbe Stunde vorher:
„Kayleigh! Du spinnst doch! Tu ihm das nicht an.“, schimpfte Steven und besetzte die komplette Couch. Sie lief aufgebracht hin und her, wusste nicht wo ihr der Kopf stand und murmelte ständig schlecht zusammengestellte Sätze.
„Steven! Er wird durchdrehen! Dieser Schmerz den er mit ansehen musste…selbst für mich war er grausam und ich lebe schon seit achthundert Jahren damit. Er kennt diesen Druck nicht.“, schrie sie und musste mit Mühe ihre Tränen unterdrücken. Ihr Rücken brannte wie Feuer.
„Wie willst du ihm die Erfahrung aus dem Kopf streichen? Er hat es nun mal gesehen und wird es eines Tages verkraften.“, gab er beinahe unbeteiligt Antwort. Steven juckte das Thema nur sehr wenig.
„Nein, du verstehst nicht. Es wird ihn belasten. Sehr sogar. Er muss es vergessen…oder…“, grübelte Kayleigh zum Schluss und setzte sich nachdenklich neben Steven hin.
Eine Idee besetzte ihre Gedanken und es schien, als würde sie scheinbar funktionieren.
„Lex ist durch den gemeinsamen Sprung ein Teil von dir geworden, Kay. Es ist seine Pflicht es zu wissen.“, sprach er ihr ins Gewissen. Sie schüttelte mit zugekniffenen Augen den Kopf.
„Bitte, sag das nicht. Ich möchte nicht dass er leidet. Er…ist mir zu wichtig.“
Ihr Seufzer klang verzweifelt und hilflos. Es gab nur eine Möglichkeit das Blatt zu wenden und dafür musste sie lügen. Natürlich konnte solch eine Tat es nicht besser machen, aber für ihn erträglich.
„Steven, kannst du mir helfen?“, fragte sie flehend und er nickte zögernd. Sie verschwand im Bad und zog ihr Shirt hoch. Auf dem Becken lag Make-up und ein Schwämmchen.
„Denkst du, du schaffst es mein Symbol zu überdecken?“
Er atmete lange aus.
„Das wird schwer. Vielleicht. Ich versuche es mal. Auf Stühlen zu sitzen, Besteck schweben zu lassen, ist wesentlich einfacher, als mit einem Gegenstand etwas anderes zu verändern. Aber ich probiere es.“
Schon allein das Schwämmchen aufzunehmen brauchte seine Zeit. Als er es hatte, spürte Kayleigh wie viel Energie für solch eine Aufgabe notwendig war. Steven gab sich alle Mühe. Er strich nur sehr zart auf den Rücken, da ihm ansonsten der Schwamm wegrutschte und hinunterfiel. Das passierte einige Male und wegen zwei Schichten brauchte beide eine viertel Stunde. Steven stoppte und schmiss das Schwämmchen ins Becken.
„Lex ist da.“, sagte er und verschwand augenblicklich. Nervös schüttelte Kayleigh ihre Hände und verstaute ihr Make-up unauffällig. Nur im starken Licht war ihr Zeichen noch zu erkennen, aber im Wohnzimmer war es dunkel und daher schlecht zu sehen. Die ersten Stimmen erklangen aus dem nächsten Raum und noch einmal wiederholte Kayleigh im Kopf ihr Vorhaben. Solange Steven mitspielte und Lex den nackten Rücken zu Gesicht bekam, musste er ihre Lüge glauben. Bis zum Flur drang Lex erschöpftes Seufzen und nun war ihr Auftritt an der Reihe. Ihr Shirt zog sie sich wieder herunter, zerzauste ein wenig ihre Haare, als ob sie geschlafen hätte und verließ leise das Bad.

Lex‘ Nacht war wieder der Horrortrip Nummer Eins gewesen. Stundenlanges Wälzen, Grübeln und Stöhnen. Am liebsten wäre er wieder zum Strandhaus gefahren, aber er musste nun endlich die Sache mit Kayleigh klären. Der Morgen würde wahrscheinlich nicht angenehm verlaufen, da ihm sein Albtraum eine Heidenangst bereitete. Endlich hatte er sich die Wahrheit so oft eingeredet, bis er sie tatsächlich akzeptierte.
Steven tanzte munter durch das Wohnzimmer und begrüßte Lex, der sich völlig fertig an den gedeckten Tisch setzte.
„Morgen, mein Muffel! Warst gestern wohl zu lange in der Waschmaschine.“, spottete Steven und musste über seinen eigenen Witz lachen, der anscheinend nur für ihn belustigend war.
„Steven...“, nörgelte er und schmierte sich im Halbschlaf sein Brot. Die Gartentür stand weit offen, sodass kühle, frische Luft hineinblies und die Sonne ergab zugleich eine freundliche Atmosphäre. Es zwitscherten Vögel und der kleine Brunnen hinter dem Busch der Nachbarn plätscherte. Er liebte es an so einem Morgen in Frieden frühstücken zu können. Wenn es nicht noch jemanden gäbe der bessere Laune hatte...
„Schau mal! Hab ich zwischen den CDs gefunden.“, rief er und von Geisterhand sprang die extrem laute Stereoanlage an. Lex nahm in dem Moment ein Schluck Orangensaft und hatte sich so erschreckt, dass er sich verschluckte und ihm die halbe Flüssigkeit im Hals stecken blieb. Er hustete laut los. Ihm dröhnte die laute Hip-Hop Musik mit einem viel zu tiefen Bass in die Ohren. Der Boden vibrierte und Steven tanzte wie auf einer Party wild los. Er bewegte sich in einem speziellen Rhythmus. Seine Beine kreisten über dem Boden, er hüpfte auf seinem Rücken und lief im berühmten Michael Jackson Schritt rückwärts.
„Steven!“, schrie Lex wütend und schaltete die Stereoanlage aus. Danach brummten seine Ohren. Die Musik drückte noch immer auf das Trommelfell und er konnte in den ersten Sekunden nichts hören.
„Verdammt! Schon wieder diese Nasons!“, rief eine alte Dame über den Zaun und ihre schrille Stimme hatte Lex überhört. Er zog die Stecker heraus und setzte sich wieder auf seinen Platz. Steven kratzte sich an seinem Kopf. Wo blieb die Standpauke? Erst jetzt merkte er, dass sein Kumpel in einer wirklich schrägen Verfassung war. Leise setzte er sich neben ihn und schaute ihm beim Frühstücken zu.
„Sorry.“, flüsterte er und Lex ignorierte ihn eiskalt.
Steven wollte nur gute Laune verbreiten, doch damit hatte er genau das Gegenteil erreicht. Lex stoppte mit dem Essen und blickte auf seinen gegenüberliegenden Platz. Der Tisch war gedeckt, nur sein Teller stand noch.
„Wo ist Kayleigh?“, fragte er und sofort breiteten sich Sorgen in ihm aus. Ihm kam ihr gestriges bekümmertes Gesicht in den Sinn.
„Bei Shain. Sie wollte dich nicht wecken. Gestern hat sie selber nicht schlafen können. Hatte die ganze Nacht über auf der Couch gesessen und nachgedacht. Morgens war sie dann losgegangen um die Sache allein zu regeln.“
Er legte seine halbgegessene Scheibe nieder und sammelte seine Gedanken. Erschrocken blickte er hinter sich auf die große Uhr über der Gartentür. Es war halb eins. Wie lange schlief er denn?
„Hat sie den Jeep genommen?“, fragte er und Steven schluckte. Er wusste nicht, ob er es erfahren sollte oder nicht. Schließlich könnte er durch die Wahrheit wütend werden.
„Naja, kein Auto, aber ein anderes Beförderungsmittel.“, murmelte er fast unverständlich. Lex wusste sofort was er meinen könnte, sprintete aus der Tür, riss die Riesengarage auf und schaute sich nach seinem neuen Streetfighter mit 200 PS um. Er hatte seit kurzem den Führerschein dafür. Seufzend ließ er seine Schultern hängen und konnte nicht fassen, dass nun eine Frau damit fuhr. Kayleigh hatte doch gar keinen Führerschein und wenn sie angehalten würde, wären noch mehr Probleme da gewesen. Er schlug sich seine Hände über den Kopf und stampfte verärgert auf den Boden.
Im selben Moment ertönten laute Auspuffgeräusche und das Brummen eines Motorrads. Sein Blick fiel sofort in dieselbe Richtung und Kayleigh kam mit mindestens sechzig Sachen angefahren. Kurz vor seinem Haus startete sie eine Vollbremsung und drehte das Hinterrad ruckartig um hundertachtzig Grad. Lex Mund klappte auf.
„Da bin ich wieder!“, rief sie und entnahm den Helm von ihrem Kopf.
„Kayleigh, woher kannst du Motorrad fahren?“, staunte er und begutachtete seine unbeschadete Maschine.
„Tja! Muss ich mir wohl in einem früheren Leben angeeignet haben. Auf jeden Fall ist die Sache geklärt. Ich bin Shains Schwester, besitze einen Wohnsitz, Personalausweis und Führerschein für Pkw und Motorräder.“
Lex schüttelte missverstanden den Kopf. Wie war das? Schwester? Wohnsitz?
„Spul nochmal zurück. Hab ich das richtig gehört?“, fragte er.
„Jap. Shains Mutter hatte ihn auch adoptiert und da sie für eine sehr lange Zeit woanders arbeitete, kann ich mit ihm in Ruhe zum I-Team. Wir wohnen gemeinsam und ich wurde erst seit kurzem adoptiert. Die paar Monate werde ich noch überleben.“
Lex wiederholte in seinem Kopf den letzten Satz. Monate? Er dachte Kayleigh würde für noch eine längere Zeit bei ihm bleiben.
„Was? Wieso Monate? Du meinst Jahre.“, korrigierte er sie und wollte Gewissheit haben, dass sie sich hoffentlich irrte. Ihr Körper zuckte zusammen. Beinahe hätte sie sich versprochen.
„Ja, Monate, Jahre...alles dasselbe.“, lächelte sie glücklich und war froh endlich auf eine richtige Schule, beziehungsweise ein Internat gehen zu können.
Es tat weh ihn anlügen zu müssen. Sie wollte nicht, dass er erfuhr, dass sie nur noch sechs Monate zu leben hatte. Es würde ein Druck zwischen ihnen entstehen, der ihre freundschaftliche Beziehung mehr belasten würde, statt die letzten Momente miteinander zu genießen.
Sie stieg mit einem Satz vom Streetfighter und stellte ihn zurück in die Garage. Noch nie hatte er sie so glücklich und munter erlebt. Das veranlasste zur guten Laune und ein Lächeln war unerlässlich.
„Lass uns herein gehen. Heute lacht die Sonne und mir ist heiß. Ich gehe in den Schwimmteich.“, sagte Kayleigh und lief ins Haus hinein. Lex schloss die Garage und schüttelte den Kopf. Das Mädchen steckte voller Überraschungen.
Im Teich schwamm sie im Kreis. Ihre Haut schimmerte wie poliertes Silber in der Sonne. Durch die Hitze überkam Kayleigh das Gefühl, dass sie austrocknete, sobald ihr Körper nicht in Wasser bettete.
Steven lag Oberkörperfrei auf der Liege, auch wenn er keine Wärme spürte, passte er sich zu gern der Umgebung an. Von drinnen bekam Kayleigh das Gespräch mit seinen Eltern mit, die bald aus dem Urlaub zurückkehrten.
„...also ich werde auf das I-Team Internat gehen. So wie ihr es immer wolltet.“, sagte er und kauerte nervös auf seinem Nagel herum. Als er bemerkte, dass ihn seine Mitbewohnerin vom Schwimmteich aus beobachtete, wurde ihm das Kauen zu unangenehm und drehte ihr den Rücken zu. Ein begeistertes Kreischen ertönte aus dem Telefon und er streckte den Hörer weit von sich weg. Genervt massierte er seine Stirn und versuchte das Gespräch so schnell wie möglich zu beenden.
Nach wenigen Minuten musste seine Mutter wegen eines Massagetermins auflegen, worüber sich Lex freute.
„Ok. Jetzt gehen du, ich und Shain zusammen auf das I-Team.“, rief er und Kayleigh klatschte erfreut in die Hände. Er zog sein dunkelblaues Tanktop aus, richtete seine Badehose und legte sich neben Steven. Kayleigh schwamm zum Rand. Ihre Arme verschränkten sich, sodass ihr Kopf auf ihnen angenehm liegen konnte.
„Möchtest du nicht auch schwimmen?“, fragte sie und eine leichte Röte stieg ihr ins Gesicht. Lex zuckte mit den Achseln und blieb weiterhin liegen. Ihn beschäftigte eine weitere Frage. Warum in Gottes Namen schwamm Kayleigh seit Tagen in ihren Klamotten? Wenigstens die alten Bikinis ihrer Mutter müssten ihr passen.
„Kayleigh so wird man nicht braun.“, sagte er neckend und deutete mit dem Finger auf ihr dunkles Shirt.
„Ach was! Ich werde niemals braun werden und es passt schon im Shirt zu schwimmen.“
„Meine Mutter hat aber noch alte Bikinis. Die könnten dir passen.“
„Das ist wirklich nett, Lex, aber ich lehne dankend ab.“, beendete sie sofort das Thema, denn er könnte ihre Rose auf dem Rücken entdecken. Es war unmöglich mit Bikini in seiner Gegenwart zu schwimmen.
Am Abend, als ihre Haut schon längst mit Wasser aufgesaugt und aufgeweicht war, erhob sie sich aus dem Teich und schnappte sich ihr Handtuch. Noch immer brannte die Rose auf dem Rücken. Hoffentlich wurde diese Nacht nicht ebenfalls unruhig. Lex war so fertig, das er sich sofort schlafen legte.
Gegen zwölf Uhr saßen Steven und Kayleigh schweigend nebeneinander.
„Ich glaube, ich lasse mir einen Bart wachsen.“, sagte er, um überhaupt irgendein Thema zu beginnen und kratzte sich am Kinn. Aber in ihrem Kopf schwebten ganz andere Sorgen.
„Ich brauche unbedingt Kleider. Wenn ich ins Internat die sechs Monate einziehen möchte, muss ich mich ihnen ein wenig zivilistisch anpassen. Ich kann nicht ewig in den Klamotten seiner Mutter herumlaufen.“, sagte sie und blickte an sich hinunter.
„Also ich finde, die Sachen stehen dir.“, lächelte er und Kayleigh nickte dankend mit dem Kopf. Der Gedanke, dass Lex ihr vielleicht vorübergehend ein wenig Geld leihen könnte, juckte in ihrem Kopf. Aber sie hatte zu große Angst ihn zu fragen. Solch eine Tat würde sie als Schnorrerin enttarnen. Auch wenn Lex momentan ihr einziger lebender Freund war, hatte sie keine Wahl, als ihn darum zu bitten. Ihr fehlte eine beste Freundin. Die Stimme, Entscheidung und der Rat einer weiblichen Person. Zurzeit waren drei Jungs in ihrem Umfeld, Lex, Shain und Steven, der ihr persönlicher Poltergeist war.
„Frag doch einfach. Mehr wie nein kann er nicht sagen.“, grinste er von der Seite und Kayleigh schmunzelte.
Es machte sie verlegen daran zu denken ihn um Geld zu bitten. In ihr sagte jemand dass es falsch war.
„Weißt du was ich witzig finde.“, sagte er aufmunternd und Kayleigh hob aufmerksam ihren Kopf. „Dein Geseufze ist schon eine ganze Weile zu hören. Die Blicke, das Grinsen…“
Ihre Augenbraue hob sich in die Höhe und vorerst wusste sie nicht von was er sprach. Aber das neckende Grinsen von Steven wies ihr den richtigen Weg.
„Nein! Wir fangen erst gar nicht mit dem Thema an.“, lehnte Kayleigh ab und erhob sich knackend von der Couch. „Ich geh ins Bett.“
Steven legte seinen Arm oberhalb der Rückenlehne und strich mit dem Finger über die kalte Lederhaut.
„Du hast doch an der Tür gelauscht und mitgehört, als er sagte dass er dich mochte. Und sag jetzt nicht du hast dich dafür nicht gefreut.“, stieß er am Thema weiter herum.
Ihr rechter Arm griff an die Hüfte. War es richtig mit einem Geist darüber zu reden? Steven war zwar ein Freund, jemand mit dem man gern sprach, aber das war eindeutig ein Thema für eine gute Freundin. Sie vermisste das Mädchengespräch. Sie fühlte sich in diesem Haus vermännlicht. Auch wenn es manchmal gut tat mit Lex oder ihrem persönlichen Geist abzuhängen, fehlte jemand in ihrem Kreis, der Tratsch, Klatsch, die aktuellsten Neuigkeiten und Gemeinsamkeiten mit ihr austauschte. Es gab keine Erinnerungen an eine so gute Freundin, sodass wenigstens ein kleiner Teil zurückgeblieben wäre. Wahrscheinlich hatte sie noch nie jemanden, auf den sie sich volle hundert Prozent verlassen konnte.
„Themawechsel. Könntest du bitte Lex fragen, ob er eventuell mir Geld liehe?“, fragte Kayleigh flehend und faltete ihre Finger ineinander.
Steven seufzte nachgebend. „Okay.“
„Gute Nacht.“, rief sie, bevor sie ins Zimmer verschwand um zu schlafen.
„Nacht, Kleines.“, flüsterte Steven traurig, wenn er daran dachte, dass sie nur sechs Monate noch lebte und vielleicht ihr momentanes Leben, das besser als je zuvor zu laufen schien, vergaß. Der Fluch konnte nicht ewig auf ihr lasten. Eines Tages würde ihr Körper von innen verfaulen, wie eine Leiche. Es wäre die ähnliche Prozedur, wie bei Lepra. Schmerzhaft, langwierig und qualvoll. Allerdings gäbe es hierfür keine Heilung.






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