Gifted - Die Befreiung - Teil 33

Autor: Aven
veröffentlicht am: 02.04.2013


Hi ihr Lieben,
lang lang ist's her...
Die Prüfungen sind vorbei und hier geht's weiter.
Viel Spaß beim lesen :D
Aven


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Ein Summen unter ihrem Rücken weckte sie. Das Nachtblau des Himmels verblasste langsam, als sie verwirrt die Augen aufschlug und sich umsah. Sie lag neben den schlummernden Pareios, er hatte einen Arm um sie gelegt und sie beide mehr schlecht als recht mit ihrer Kleidung zugedeckt. Das Summen forderte ihre ganze Aufmerksamkeit und sie rappelte sich schnell auf und wühlte in der Jackentasche, auf der sie gelegen hatte, nach ihrem Handy.
Sie erwartete mehr als nur einen Anruf und fragte sich, wer sie aus ihrer Sorge um ihn erlösen würde.
Das Display verriet ihr, dass es halb sieben am Morgen war und dass Evrill sie gerade aus dem Schlaf gerissen hatte.
„Ja?“ Als sie sich mit leiser Stimme meldete, begann Pareios, sich zu regen. Er streckte sich noch im Halbschlaf, aber als er bemerkte, dass sie das Telefon am Ohr hatte, war er sofort hellwach und setzte sich auf.
„Morgen!“ grüßte Evrill fröhlich und ihr fiel ein Stein vom Herzen, da anscheinend alles in Ordnung war. „Ich hab die drei Typen, ein Fahrer und einer saß mit dem Kerl aus Jespers Gedanken auf dem Rücksitz, zu einem uralten Bauernhof hier mitten in der Pampa verfolgt. Wenn du mich fragst, ist das ein Versuch, den Typen vor uns zu verstecken. Der scheint ihnen so wichtig zu sein, dass sie ihn nicht als Kanonenfutter enden lassen wollen…
Auf jeden Fall, die sind jetzt schon ne Stunde da drin und die hatten einiges an Gepäck dabei, also denke ich, die bleiben erst mal noch ‘ne Weile hier.“
„Ich habe dir doch gesagt, dass du gleich zurück kommen sollst!“ fauchte Aurelia und überlegte, ob Evrill einer war, der keine Befehle ausführen konnte.
„Ich weiß,…“ setzte er in beschwichtigendem Ton an. „Aber woher sollte ich wissen, dass das hier die Endstation ist? Hätte ja auch sein können, dass sie hier nur was abholen!“
Das leuchtete Aurelia irgendwie ein, aber immer noch behielt ihre Sorge die Oberhand.
„Ok, schon gut. Aber jetzt kommst du schleunigst zurück und um den Rest kümmern wir uns gemeinsam, klar?“
Evrill antwortete erst nicht. „Evrill? Hast du mich verstanden? Keine Alleingänge!“
Schließlich seufzte er verdrießlich. „Ja, ja, ist klar! Ich mach mich jetzt auf den Rückweg, auch auf die Gefahr hin, dass sie dann weg sind, wenn wir wieder kommen! Ich meine, ich bin denen jetzt fast fünf Stunden gefolgt, hin und zurück macht das ‘ne Menge Zeit, in der die verduften können!“
Besser, als dass Evrill dann verschwunden war, war ihr erster Gedanke, aber auch damit hatte er im Endeffekt Recht.
Sie fluchte innerlich, stand auf und versuchte einhändig in ihre Hosen zu schlüpfen. Mit ihrem Gleichgewicht ringend hüpfte sie auf einem Bein, versuchte mit dem anderen in das Hosenbein einzufädeln.
„Hmpf! Pass auf, du bleibst da und behältst sie im Auge. Pareios und ich besorgen uns ein Fahrzeug, dann machen wir uns auf den Weg zu dir. Aber Evrill, es bleibt dabei, du setzt keinen Fuß aus dem Auto, bis wir da sind!“ Bei ihren Worten war auch Pareios auf die Füße gekommen und zog sich in Windeseile an, dann nahm er ihr das Telefon ab, damit sie es ihm gleich tun konnte. Schnell schlüpfte sie in den Rest ihrer Sachen und lauschte Pareios wie er sich von Evrill erklären ließ, wo sie hin mussten. Pareios wollte schon auflegen, da verlangte sie noch ein Mal den Hörer von ihm. Er reichte ihn ihr widerstandslos, aber mit fragender Miene. Sie hatte das dringende Bedürfnis Evrill noch Mal einzuschärfen, dass er sich auf keinen Fall in Gefahr bringen solle. Sie waren hunderte von Kilometern von ihm entfernt, wenn die Hegedunen ihn jetzt schnappten, war er zweifelsohne verloren.
„Evrill, bitte versprich mir, dass du im Auto bleibst, egal, was du siehst, hörst oder riechst, du bleibst im Auto! Und wenn die Welt untergeht, du bleibst…“
„…im Auto!“ unterbrach er sie genervt aber auch belustigt. „Ich hab‘ s kapiert! Das Auto und ich, wir sind unzertrennlich!“ Jetzt war seine Stimme heiter und vergnügt. „Aurelia, ich sag‘ das nicht gern, aber du bist nicht besser, als meine Mutter!“
Tja, vielleicht hatte sein Vater ihr auch gesagt, dass er darauf vertraute, dass sie auf ihren Sohn Acht gab, was sich schwerer gestaltete, als einen Sack Flöhe zu hüten! Ezekiels Kinder schienen alle von diesem Schlag zu sein!
„Also, wir machen uns los. Bis später!“ gab sie zurück, ohne auf seinen Kommentar einzugehen und folgte dann Pareios runter vom Dach.
Es dauerte nicht lange, da hatten sie ein paar Straßen weiter einen unauffälligen, etwas heruntergekommenen Wagen entdeckt. Pareios knackte ihn flink und sie stiegen ein. Während er schon Gas gab, riss Aurelia das Ortungssystem heraus und warf es in der nächsten Kurve zum Fenster heraus.
„Ich kann’s gar nicht erwarten, den Kerl in die Finger zu kriegen, der an Jesper und den anderen diese Versuche durchgeführt hat!“ sagte Pareios in die gespannte Stille, als sie schon auf der Schnellstraße waren. Leider stellte sich bald heraus, dass sie ihre Vehikelwahl schlecht getroffen hatten, da die Tachonadel sich einfach nicht über die 180 hinausbewegen wollte, egal wie sehr Pareios auch aufs Gas latschte.
Aurelia blickte ihn überrascht an. Die Schlussfolgerung, die Pareios soeben getroffen hatte, war logisch, aber bisher hatten sie sich das noch nicht bewusst gemacht. Wenn dieses Gesicht in Jespers Erinnerungen immer dann auftauchte, wenn er im Labor gewesen und mit Elektroschocks gefoltert worden war und genau dieses Gesicht zu einem Kerl gehörte, der gestern aus dem Labor weggeschafft und an einen vermeintlich sicheren Ort gebracht worden war, dann war die Vermutung naheliegend, dass er eine wichtige Rolle in der Versuchsreihe spielte, vielleicht sogar ein leitender Wissenschaftler war! Aufregung übermannte sie in hitzigen Wellen und trieb ihr den Schweiß auf die Stirn. Ihr Gefühl sagte ihr, dass Pareios Recht hatte und das bestätigte wieder, dass sie auf dem richtigen Weg waren. Diese Gewissheit war ein solch merkwürdiges Gefühl, in noch keiner Mission hatte sich ihre Intuition auf so viele Stunden im Voraus gemeldet. Auch schon als sie in Paris aufgebrochen waren hatte sie es verspürt, sich dabei aber nichts gedacht. Da war sie noch damit beschäftigt gewesen, dass sie plötzlich verfolgt wurden und die Kontrolle über die Sache verloren. Jetzt bemerkte sie bewusst, dass ihre Intuition sich auszuweiten begann. Sie meldete sich früher und was noch verwunderlicher war, sie schien nicht mehr nur die nächsten Sekunden für sie von Gefahren sauber zu halten, sondern plante langfristiger. Als wäre ein zweites Wesen in ihr erwacht, das immer einen Schritt voraus tat und sie mit Informationen und Gefühlen über ihre Zukunft versorgte. War das möglich? Sie verstand es selbst nicht, aber es schien tatsächlich so, als würde ihre Gabe sich weiterentwickeln, stärker werden, ohne dass sie hilflos in den Strudel aus Bildern versank. Ganz in Gegenteil, es geschah völlig unbemerkt und hatte sich klammheimlich in ihre Denk- und Handlungsprozess eingeflochten! Auch hatte sie nicht mehr so extreme Unruhezustände, nachdem sie ihre Gabe benutzt hatte.
Ein weiteres Summen in ihrer Jackentasche riss sie aus ihren Gedanken. Sie warf einen Blick auf das Display und konnte nicht anders, als erleichtert aufzuatmen.

„Viktor! Endlich rufst du an! Kannst du dir vorstellen, welche Sorgen ich mir gem…“ setzte sie an wurde doch sogleich von ihrem Gesprächspartner unterbrochen. Seine Stimme klang gehetzt und aufgescheucht und sofort befiel sie das Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war.
„Ja ich weiß, tut mir Leid, aber du errätst nie, was letzte Nacht hier los war!“
Ihr erster Gedanke galt den Steinen und sie befürchtete sofort, dass sie gestohlen worden waren. Sie stellte das Handy schnell laut, damit auch Pareios mithören konnte.
„Die Steine… sind sie noch da?“
„Ja, schon, aber es gibt andere Neuigkeiten. Gestern Abend habe ich mich mit Aiden und Row zusammengesetzt. Sie und Syrus haben die Datenordner aus dem Labor rauf und runter studiert. Er hat ihr erklärt, dass es sich dabei um Verlaufsberichte handelt. Insgesamt sind es 53 Versuchspersonen gewesen, zu jedem gibt es einen Ordner, in dem penibel alles aufgezeichnet wurde. Wann die Behandlungen stattfanden und wie die Untersuchungsergebnisse ausgefallen sind und das über Jahre hinweg! Syrus sagt, das Besondere daran ist, dass alle Blut- und Leistungstests zu Beginn überdurchschnittlich gute Werte aufwiesen und sich im Laufe der Versuche dann schnell verschlechterten. Bei allen gab es aber einen gewissen Zeitpunkt, an dem die Werte plötzlich einen mächtigen Sprung nach unten machten. Deshalb nimmt er an, dass die Versuchspersonen Menschen gewesen sein mussten!“
Aurelia seufzte. „Ja, das haben wir uns auch schon gedacht! Wir haben Jesper Svenssen gefunden, du weißt schon, der Kerl, dessen Name in den Daten vorkam! Er hat uns mehr oder weniger erzählt, dass er als Versuchskaninchen an diesen Tests teilgenommen hat und er war ein Mensch!“
Viktor zog am anderen Ende der Leitung scharf die Luft ein. „Ihr habt ihn also gefunden! Das ist ja fantasti…. Moment, was soll das heißen, ‚er war‘?“ Natürlich entging Viktor nicht Mal das kleinste Wörtchen und wenn sie es noch so beiläufig fallen ließ.
„Er ist tot!“ gab sie in resigniertem Ton zu. „Aber er hat uns weitergeholfen, bevor er… sich verabschiedet hat.“ Sie beeilte sich, das anzufügen, weil sie schon Viktors Schnauben vernahm und sich geradezu bildlich vorstellen konnte, wie er gerade das Handy mit den Fingern umkrallte und vor Wut schäumte.
„Wo seid ihr jetzt?“ erkundigte er sich daraufhin und die Worte waren abgehackt, er bebte immer noch. Pareios‘ Blick traf sie augenblicklich und sie nickte sofort, einverstanden, diese Information besser für sich zu behalten. Stattdessen antwortete sie nur: „Wir folgen einer neuen Spur, hat sich zufällig ergeben, als wir in dem Labor waren, in denen die Versuche durchgeführt worden sind. Im Großen und Ganzen spricht da drin aber auch alles für Leistungstests… und … Himmel Viktor, diese Leute wurden da gehalten wie die Tiere!“
Viktor schwieg und sie hörte, wie Row im Hintergrund etwas sagte. Anscheinend hatte auch er sein Gerät auf Lautsprecher gestellt. „Row meinte, dass fast die Hälfte der Versuchsteilnehmer als tot vermerkt wurden außerdem sind Präzise Anleitungen für Elektroschocktherapien aufgeführt…“ erklärte er, mehr beklommen als wütend, bei dem Gedanken an all die Qual und das Grauen, das sich in dieser Anstalt abgespielt haben musste.
„Vielleicht überzeugen diese Neuigkeiten Syrus, sich mehr damit zu beschäftigen, denn im Moment macht er hauptsächlich Materialtests und Aiden…“
„Materialtests?“ unterbrach sie ihn diesmal verwirrt.
„Ja. In den Daten waren doch auch chemische Formeln enthalten. Leider ohne Gebrauchsanweisung. Er versucht diese Verbindungen zu synthetisieren und testet dann, welche Materialien am ehesten mit den Steinen kompatibel sind, wodurch sich eine kontrollierte Reaktion auslösen lässt und welches Material die entstandene Energie am ehesten aufnehmen könnte.“
„Was?“ fragten Pareios und sie wie aus einem Mund. Was sollte das Ganze? Offensichtlich waren die Steine irgendwie gefährlich, wenn schon nicht für Elevender, dann aber ganz sicher für Menschen! Also welches Interesse hatte der Rat daran, die Steine nutzbar zu machen? War es dieses Ziel, das Markus verfolgte?
„Das ist noch nicht alles, haltet euch fest!“ Viktor machte eine bedeutungsschwere Pause, dann meinte er aber: „Warte, das kann Aiden besser erklären!“
Er schien den Hörer weiter zu geben, ein Rauschen und vernehmliches Knacken drang aus dem Lautsprecher.
„Hey Aurelia!“ meldete sich Aiden am anderen Ende der Leitung. „Ich hab mich in unseren Systemen umgesehen wie du wolltest. Zu dem Namen gab es nichts, aber das hat sich ja jetzt sowieso erledigt. Dafür habe ich was anderes entdeckt. Ich habe mich in Markus Messengeraccount gehackt und da gibt es jede Menge Nachrichten ohne Text drin, dafür aber mit Anhängen versehen. Es sind hauptsächlich Baupläne. Ich dachte zuerst für irgendeine riesige Maschine, aber welche Maschine braucht schon eine winzige Halterung für etwas Rundes, etwa in Erbsengröße, und ein Mündungsrohr?“ Es war eine rhetorische Frage und weder Pareios noch Aurelia machten einen Mucks. Sie waren beide wie vom Donner gerührt, vollzogen die selbe Schlussfolgerung, die auch Aiden getroffen hatte.
„Es sind Baupläne für eine Waffe!“ vollendete er seine Ausführungen und jetzt war es auf beiden Seiten der Leitung nur noch still.
Pareios fand als erster seine Sprache wieder. „Und Syrus testet jetzt aus, aus welchem Material diese Waffe sein muss, damit sie die Energie umwandeln kann, oder wie?“
„Das vermuten wir, richtig!“ Aiden räusperte sich und seufzte lange.
„ Wir haben Markus darauf angesprochen, warum er Syrus nur Material testen lässt und er sagte und ich zitiere wörtlich:…“ Er imitierte Markus‘ schmeichlerische und vornehme Art zu sprechen. „Der Rat erhofft sich davon einen entscheidenden Vorteil im Kampf gegen die Hegedunen!“
„Sie wollen also mit den Steinen eine Waffe bauen, gegen die Hegedunen…“ fasste Aurelia zusammen und verstand plötzlich, warum die Ratsmitglieder verschwunden waren und auch sonst keiner, einschließlich ihres Teams, informiert worden war, wozu sie die Dinger hatten stehlen müssen. Keiner von ihnen, und auch sonst keine Elevender, die in den vielen Standorten der Legion lebten, hätte diese Vorgehensweise unterstützt. Wenn die Steine so mächtig waren, wie Syrus und Markus und offensichtlich auch der Rat vermuteten, dann wäre keiner das Risiko eingegangen, daraus auch noch ein Massenmordinstrument zu machen. Sie hatten in den letzten Jahrhunderten doch gelernt, dass Krieg und Tod den Hegedunen egal in welcher Form, nur in die Hände spielte. Wenn die Legion die Hegedunen offen angreifen würde, würde es nicht lange dauern und sie wären weltweit als die gefährlichste terroristische Organisation bekannt. So lange die Menschen noch schliefen, bildeten sie einen schlummernden Giganten, den man besser nicht dazu brachte, mit dem falschen Fuß aufzustehen. Alle Elevender der Legion hatten einen gesunden Respekt vor diesem Giganten. Sie brauchten die Menschen auf ihrer Seite und ein solch bestialisches Vorgehen würde sie den Hegedunen quasi in die Arme treiben. Sie konnte sich schon die Volkshetze in den propagandistischen Medien vorstellen, mit denen die Hegedunen die Bevölkerung dann beschallen würden, bis sie vollkommen gehirngewaschen waren und glaubten, dass die Legion als Staatsfeind Nummer Eins ausgerottet werden müsse.
„Das ist doch der helle Wahnsinn!“ entfuhr es ihr. Wie kam der Rat, der all die Jahrhunderte immer überlegt, vorsichtig und rational gehandelt hatte, dazu, einen solch wahnwitzigen Plan in die Tat umzusetzen?
„Genau!“ bestätigte Aiden. „Da Markus nichts weiter rausgerückt hat, haben wir die ganze Nacht hier vor den Computern im Konferenzraum gesessen und heimlich nach Informationen gesucht, warum der Rat so agiert, aber bisher tote Hose!“
Langsam fügten sich in Aurelias Kopf einige weitere Puzzleteile zusammen.
„Der Venusorden!“ flüsterte sie erschrocken, als sie sich an Evrills Worte erinnerte.
„Was? Wovon redest du da?“ hakte Aiden wissbegierig nach. Sie berichtete ihm von ihrem Gespräch mit Evrill. Jetzt ließ es sich nicht mehr vermeiden, sie mussten davon wissen.
„Was, wenn schon Kontakt zwischen dem Rat und dem Venusorden besteht? Was wenn sie sich auf einen Krieg vorbereiten?“ Sie konnte nur noch flüstern, so gewagt war ihre These.
„Aber warum heimlich?“ tönte es nach einer langen, mit stummem Entsetzen gefüllten Pause aus dem Lautsprecher.
„Hast du schon jemals gehört, dass Vorbereitungen für Überraschungsangriffe öffentlich gemacht wurden? Zu viele mögliche Lücken für Informationen!“ fragte sie rhetorisch und begann langsam, selbst zu glauben, was sie da eben gesagt hatte.
Aber warum ignorierte der Rat völlig, dass die Steine von den Hegedunen zu einem bestimmten Zweck geschaffen worden waren? Sie war sich dessen ganz sicher, nach all dem, was sie in den letzten Tagen gesehen hatte. Aurelia rieb sich nachdenklich über das Gesicht.

Wie es aussah, hatten sich ihre Befürchtungen gegenüber dem Rat und Markus nur Teils bewahrheitet. Er hatte ihnen etwas verschwiegen und es sah so aus, als wollte er das auch weiterhin tun, aber wie lange wollte der Rat dieses Treiben noch vor den anderen Elevendern der Legion verheimlich? Wie lange war das überhaupt möglich? Heute war sie fest davon überzeugt, dass keiner ihnen Unterstützung bei diesem Tun gewährleisten würde. Das wäre doch blanker Wahnsinn. Aber was wenn sie es doch schafften, die Elevender zu überzeugen, dass es Zeit für einen offenen Krieg war. Die Dimension dessen, was sich da gerade entwickelte bestürzte sie.
„Herr Gott noch mal! Das bedeutet, wir haben jetzt zwei Baustellen! Wenn nicht noch mehr….!“ Pareios zog die Augenbrauen hoch und sah sie fragend an.
„Wenn sie wirklich einen Krieg vorbereiten, in wie weit steckt der Venusorden mit drin? Und was wenn sie versuchen, die Leute auf ihre Seite zu ziehen, damit sie diesen Krieg beginnen können? Und Markus…, das kann noch nicht alles sein! Erinnert ihr euch, als wir Syrus Bericht bekommen haben? Er war mindestens genauso daran interessiert, zu erfahren, was die Hegedunen mit den Steinen bezwecken!“ Sie schwieg kurz. Die Gedanken flogen durch ihren Kopf, resümierten verschiedene Informationen. Sie fasste einen Entschluss.
„Ich schlage vor, wir kümmern uns hier um die Hegedunen und die Sache mit dem Venusorden und ihr macht weiter, haltet die Ohren offen und… Row, kannst du irgendwie vorfühlen, wie Syrus dazu steht? Unterstützt er Markus? Vielleicht können wir ihn auf unsere Seite ziehen…“
„Ich werd’s versuchen!“ Kam die knappe Antwort schnell.
„Gut! Und ich glaube, es lässt sich nicht vermeiden, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten!“
„Du meinst, wir sollen eine Opposition gegen den Rat zusammensuchen?“ Viktor verstand ihren Vorschlag richtig und zog zischend die Luft ein. „Verflucht noch mal Aurelia, du weißt, was das heißt, wir begeben uns auf verdammt dünnes Eis!“
Jetzt redeten alle wild durch einander. In heller Aufregung tauschten sie sich über ihre Befürchtungen aus, wobei Aurelia ihnen immer wieder vor Augen führte, dass sie doch alle wussten, dass es das richtige war! Manchmal musste man aufstehen und sich gegen die wehren, die man die ganze Zeit für Verbündete gehalten hatte. Und als Verbündete musste man sie auch davon abhalten, schwere Fehler wie diesen zu begehen.

„Selbst wenn wir das wirklich durchziehen, wie sollten wir denn bitte davon anfangen? Die Leute haben doch keine Ahnung von den Steinen und den anderen Kram werden sie uns nie und nimmer abkaufen!“ hielt Aiden dagegen und hatte damit natürlich völlig Recht! Wie sollten sie die Elevender von so etwas überzeugen, wo doch noch keiner ahnte, was eigentlich ablief! Aurelia biss verärgert die Zähne zusammen. Wie sollte es nur weiter gehen? Sie konnten doch nicht die Hände in den Schoß legen und abwarten!
„Aber wir müssen doch irgendetwas tun!“
„Was ist wenn wir versuchen, die ganze Sache im Keim zu ersticken?“ Viktors Vorschlag kam zaghaft, als ob er sich nicht sicher, war, ob ihn jemand hören wollte. „Wir könnten versuchen, selbst Kontakt mit dem Venusorden und mit dem Rat aufzunehmen und sie davon zu überzeugen, dass sie das Falsche tun! Falls das nichts bringt, können wir uns immer noch Gedanken darüber machen, wie wir das den anderen Leuten klar machen!“
Pareios kicherte plötzlich leise neben ihr. Aber sein Gesicht sah nicht fröhlich aus, eher betrübt. „Oh Mann, Leute, merkt ihr, was gerade hier läuft? Wir intrigieren gegen den Rat!“
Keiner kicherte mit, ihnen war beileibe nicht danach zumute. Diese Einsicht hatte es in sich. Sie waren ganz auf sich gestellt und wenn sie sich irrten oder noch schlimmer, scheiterten, was sollte dann bloß werden?
Pareios‘ Ausspruch blieb unbeantwortet, sattdessen entschieden sie sich, wie besprochen zu verfahren und Aurelia beendete das Gespräch mit einem Knoten im Magen. Wenn sie an ihren Weg hier dachte, fühlte sie immer noch diese Gewissheit, aber alles was im Bunker ablief, und somit außerhalb ihrer Reichweite lag, bereitete ihr Kopfschmerzen. Sie musste so bald wie möglich hin, und sich selbst ein Bild machen. Ihre Intuition ein bisschen schweifen lassen, vielleicht ergab sich daraus eine Lösung für das ganze Schlamassel!
Ein weiterer Anruf wartete auf sie. Nach kurzem Klingeln nahm Evrill ab. Er saß immer noch im Auto und beobachtete. Brav, dachte Aurelia und unterbreitete ihm dann ihr Anliegen. Er willigte ein und versprach, sofort Xandra zu kontaktieren und sich nach den Fortschritten ihrer Bemühungen zu erkundigen.
Danach fehlte nur noch Ezekiel. Auch er nahm ziemlich schnell ab, was ihr verriet, dass er schon auf einen Anruf gewartet haben musste. Nach kurzem höflichem Geplänkel ließ sie sich von ihm berichten, was er bei seinen Nachforschungen in Erfahrung gebracht hatte. 10 der Ratsmitglieder befanden sich aktuell in Kaliningrad, einschließlich der fünf, die den Bunker verlassen hatten.
„Warum könnten sie sich dort treffen?“ fragte sie Ezekiel, der die Denkweise der Ratsmitglieder wahrscheinlich besser nachvollziehen konnte.
„Eine Besprechung unter 20 Augen, ohne Möglichkeit belauscht zu werden, würde ich sagen. Das ist die einzige Erklärung, die mir einfallen will!“
„Warum Kaliningrad?“
„Frag mich was Besseres!“ Ezekiel schnaubte frustriert in den Hörer.
„Chronos, lebt er noch dort?“ Aurelia traf die Assoziation wie ein kleiner Stromschlag, den man sich an einem elektrisch geladenen Stoff, oder an der Autotür holen konnte.
„Oh ja, er und Annabeth wohnen dort in dem Anwesen der Legion. Velvet ist eng mit ihr befreundet und sie telefonieren hin und wieder!“
Chronos traf sich also für eine Versammlung mit 9 weiteren Ratsmitgliedern und Markus steckte auch mit drin, da würde sie ihren Arsch darauf verwetten!
Das waren dann 11 von 15. Aber was war mit den anderen?
„Ezekiel, ich brauche alle Namen und wo sich der Rest des Rats aufhält, kriegst du das hin?“
„Wird sich machen lassen!“ willigte dieser ruhig ein. Dann stockte er kurz. „Eins noch. Wie geht’s Ev?“
Aurelia biss sich unwillkürlich auf die Lippe und auch Pareios neben ihr zuckte zusammen.
„Dem geht’s gut! Alles noch dran!“ Das entsprach zwar der Wahrheit, trotzdem klang ihre Stimme unnatürlich hoch und sie hoffte, Ezekiel würde es überhören. Aber sie hätte sich schon denken können, dass er sich von keinem täuschen lassen würde.
„Was ist los?“ Ruhig, beinahe zu ruhig kamen die Silben durch den Lautsprecher.
„Naja, es… geht ihm gut, wirklich, aber ist nicht direkt… hier bei uns…, aber wir sind auf dem Weg zu ihm!“
Sie hatte erwartet, dass er wütend werden und ihr eine Standpauke halten würde, die sich gewaschen hatte. Sie mochte Ezekiel, daher tat es ihr wirklich Leid. Aber dieser stieß nur resigniert den Atem aus. Ein wortloser, zynischer Laut entwich gleichzeitig.
„Ich hätte es wissen müssen. Er ist schließlich mein Sohn! Hat sich nichts sagen lassen, was?“
„Mhm,“ machte sie nur. Er brauchte nicht zu wissen, dass sie die Voraussetzungen geschaffen hatte, in denen Evrill so handeln hatte können.
Sie verabschiedeten sich in einer merkwürdigen Stimmung von einander. Auch wenn keine Schuldzuweisungen stattgefunden hatten, war sie doch verantwortlich. Pah, als ob sie nicht schon genug Probleme gehabt hätten. Wieder verfluchte sie Evrill. Aber es half ja alles nichts, er hatte eine Spur verfolgt, die sie verpasst hatte. Das musste man ihm lassen, der Kerl war immer einsatzbereit!






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