Gifted - Die Befreiung - Teil 20

Autor: Aven
veröffentlicht am: 10.08.2012


Hallo ihr Lieben,
ich hab mich so riesig über eure Kommis gefreut, es ist einfach klasse, wie ihr mitfiebert:D Deshalb hoffe ich besonders, in diesem Teil euren Erwartungen gerecht zu werden ;)))
Also viel Spaß beim lesen und ich bin wirklich gespannt, was ich dazu sagt, also kommentiert fleißig!
LG und bis bald, Aven



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„Ja genau! Liebe erobern! Von wegen!“ dachte sie voller bitterem Spott über sich selbst, als sie die Terrassentür des herrschaftlichen Landsitzes öffnete und in die einladende Geborgenheit des Hauses zurückschlüpfte. So konnte sie das ja wohl vergessen. Da war sie sich sicher gewesen, dass er der einzige war, dem sie alles geben wollte und konnte, und was war jetzt? Wieder hatte ihr die Vergangenheit ein Hundehalsband angelegt und hielt sie an der kurzen Leine. Hatte den strahlendsten Moment aller Zeiten in ein absolutes Desaster verwandelt.
Viktor hatte Recht gehabt, fiel ihr zu ihrer Bestürzung ein. Sie hatte seinen Bruder kaum 24 Stunden nach ihrem Gespräch so verletzt, dass er völlig übereilt die Flucht angetreten hatte. Was für eine Heldin sie doch war! Die aufwallende Wut über ihr vermaledeites Wesen schnürte ihr die Kehle zu, während sie auf nackten Füßen, die Schuhe in den Händen, ansonsten wieder vollständig bekleidet, in die Küche taperte, die man ihr vorhin gezeigt hatte. Der Raum war hell und gemütlich, lud ein, sich auf der bequem gepolsterten, runden Bank, die hinter einem großen, ebenfalls runden Tisch in einem gläsernen Erker stand, niederzulassen. Sie ließ den gefüllten Wasserkocher, der auf der Anrichte neben dem marmornen Spülbecken stand, aufbrühen und durchforstete die vielen Schränkchen der cremeweißen Zeile im Landhausstil. Sie kramte eine Tasse und Aufgusskaffee hervor. In der anheimelnden Atmosphäre bewegte sie sich zwanglos und fühlte sich jetzt schon mehr zu Hause, als sie es im Bunker jemals getan hatte. Aus diesen Empfindungen Kraft schöpfend, zwang sie sich, den Ärger ohne Reaktion über sich ergehen zu lassen und stellte sich vor, wie er von ihr abperlte, wie Regentropfen von einem wächsernen Pflanzenblatt. Dabei hielt sie sich an der Arbeitsplatte aus Grafitstein fest und atmete tief durch, die Augen geschlossen. Sie sog den Duft der ganzen Familie ein, irgendwo lag ein Hauch Waschmittel in der Luft, vermischt mit dem samtig weichen Kleinkindgeruch. Sie entspannte sich ein wenig, zog die Schultern nach unten, lockerte den Nacken.
Wenn sie Pareios und die ganze Geschichte mit ihm eins gelehrt hatte, dann dass sie sich nicht mehr von solchen negativen Gefühlen beherrschen lassen durfte. Sie brachten ihr Chaos und Unglück, während sie, wenn sie mit ihren Gefühlen im Reinen war, vor Kraft und Klarheit nur so strotzte. Und die kleine Verwirrung vorhin hatte ihr dies nur noch ein Mal eindrucksvoll bestätigt. Negative Gefühle, negative Konsequenzen.
Sie schüttelte sich angesichts dieser Erkenntnis.
Sie hatte endlich erkannt, wo genau das Problem lag und war jetzt bereit, es mit Pareios aufzunehmen, da sie einen Einblick in eine vielleicht mögliche, wunderschöne Zukunft erhaschen hatte können. Die Frage war nur, ob Pareios noch mit im Zug saß, oder schon wieder abgesprungen war. Im Moment war sie nicht besonders scharf darauf, es herauszufinden. Mit ihm zu sprechen, hätte bedeutet, sich erklären zu müssen, ihre ganze beschissene Vergangenheit vor ihm auszubreiten wie ein Teppich, nur dass es kein eleganter, samtroter Läufer war, sondern eher ein schwarzgrauer, dreckverkrusteter Fußabtreter. Bei dem Gedanken, wie er reagieren würde, lief es ihr kalt den Rücken runter und sie erschauerte.

Da räusperte sich jemand hinter ihr.
Beinahe zu Tode erschrocken, zuckte Aurelia zusammen und fuhr herum. Dabei setzte ihr Herz einen Schlag aus und sie hielt unwillkürlich die Luft an. Ihre Augen suchten in hektischen Bewegungen die Küche ab, glitten über leere Möbel und in dunkle Ecken, doch es war keine Menschenseele außer ihr im Raum. Die Härchen auf ihrem Unterarm richteten sich auf, als die Präsenz eines Elevenders in ihr Bewusstsein sickerte. Obwohl sie nichts sehen konnte, war sie sich ganz sicher.
Ein tiefer, amüsierter Laut, es klang wie ein Kichern, ertönte rechts in ihrem Blickfeld und sie versuchte sofort den Fleck zu fixieren, von dem ihre feinen Ohren das Geräusch geortet hatten.
„Ja, jetzt haben sie mich!“ sagte Ezekiel und tauchte direkt vor ihren Augen auf. Er materialisierte sich einfach aus der Luft, absolut leise und abrupt. Er saß in einer entspannten Haltung leicht schräg in dem weichen Polster, hatte ein Bein lässig übers andere geschlagen. Ein Ellenbogen ruhte auf der Lehne, das Kinn hatte er auf die Fingerknöchel gestützt und seine silbernen Augen leuchteten in schalkhafter Freude.
„Verzeihen sie mir bitte. Ich habe um diese Uhrzeit nicht mit Gesellschaft gerechnet. Als ich sie kommen hörte, setzte wohl ein Reflex aus meiner aktiven Zeit ein.“ gestand er höflich.
Endlich stieß Aurelia die angehaltene Luft aus und aspirierte einen neuen tiefen Zug. Er hatte die ganze verfluchte Zeit dort gesessen? Dann waren die merkwürdigen Regungen sicher nicht entgangen, die durch ihren Körper gefahren waren, während sie sich ihrem stummen, inneren Monolog hingegeben hatte. Sie fühlte sich gedemütigt, aber ließ auch dieses Gefühl einfach wie Regentropfen abperlen. Sie befahl sich, den Fokus auf etwas andres zu richten.
„Sie können sich unsichtbar machen?“ erkundigte sie sich nach der Gabe ihres Gegenübers. Er schmunzelte mit einem tiefen Grollen und wechselte die Position, jetzt lagen seine Fingerspitzen an einander. Das war wohl eine Ratsmitgliedsgeste, dachte sie, als sie sich unwillkürlich an Markus erinnert fühlte.
Mit sanfter Stimme erklärte Ezekiel: „Ja, und nein. Der Effekt ist tatsächlich, dass ich für sie nicht sichtbar bin. In Wahrheit sitze ich aber immer noch genau hier in diesem Stuhl, nur in einer anderen Dimension.“ Sie bemühte sich, das Gesagte zu verstehen, war sich jedoch nicht sicher, ob ihr das auch gelang. „Könnten sie von da aus jemanden in dieser Dimension berühren?“ Er schaute ihr anerkennend entgegen. „Ich muss sagen, sie begreifen äußerst schnell, Aurelia. Viktor hat sie in den Himmel gelobt, aber ich bin von Natur aus ein Skeptiker. Sie jedoch, übertreffen seine Beschreibungen noch. Und um ihre Frage zu beantworten: Nein, das kann ich nicht.“ Ezekiel hatte eine gemächliche Art zu sprechen, trotzdem wirkte es nicht zögerlich, sondern eher wohl durchdacht. „Sie würden direkt durch mich hindurch laufen. Ihr Wasser ist fertig.“ In dem Moment stellte sich das Gerät automatisch aus.
Aurelia bereitete sich ihren Kaffee, fügte ein wenig Milch aus dem Kühlschrank zu. „Kann ich ihnen auch…“ fragte sie dann an den Hausherren gerichtet, als sie sich an ihre guten Manieren erinnerte. Er lehnte dankend ab und bot ihr dann den Stuhl zu seiner Linken an. Bereits das heiße Gebräu schlürfend, ließ sie sich dort nieder und betrachtete Ezekiel nachdenklich. Obwohl dies wohl eher unhöflich war, hielt er ihrer Musterung selbstbewusst stand, hatte sogar ein leichtes Lächeln auf den Lippen.
„Ist diese andere Dimension leer?“ hakte sie nach, jetzt schon wesentlich neugieriger. „Nein. Genau genommen ist sie wie hier.“ gab er schlicht zu und zog die Mundwinkel noch weiter nach oben. „Sind sie dann dort sichtbar?“
„Du lieber Himmel, nein! Das wäre wohl fatal!“
„Warum kann man sie dort ebenso wenig sehen? Und warum wäre es schlimm, wenn es doch so wäre?“ Das Gespräch begann langsam, sich ihrer Vorstellungskraft zu entziehen.
„Weil ich da nicht hingehöre. Und das ist die Antwort auf beide ihrer Fragen!“ Sein Tonfall signalisierte eine Grenze. Mehr würde er zu dem Thema nicht mehr verraten. Ezekiels ganzes Auftreten strahlte eine ruhige Würde aus und er wirkte auch jetzt noch wie ein Ratsmitglied. Seine Worte hatten Gewicht, er musste sie noch nicht ein Mal aussprechen.

„Nun, da ich so offen war, möchtest du vielleicht darüber reden, was dich eben beschäftigt hat, bevor ich dich erschreckt habe?“ Seine silbrigen Augen stachen ahnungsvoll in ihre. Sie fühlte sich augenblicklich von diesem weisen Blick durchschaut und dachte verblüfft, dass Ezekiel Markus‘ Gabe wohl nicht brauchen würde, um ihr jedes Geheimnis aus den Rippen zu leiern. Außerdem lockerte die Tatsache, dass sie sich hier beinahe zu Hause fühlte und sein lässiger, ungebetener Wechsel zum Du, auf listige Weise ihre Zunge, ohne dass sie sich bewusst dazu entschied.
„Naja, es gibt da, ein paar Geschichten aus meiner Vergangenheit, die mich immer wieder einholen, egal wie weit ich sie auch wegschiebe.“ Ihr Blick wanderte in die Ferne, während verschiedene Bilder durch ihren Kopf changierten. Allerdings behielt sie sich, wie er, vor, die Sache nicht weiter auszuführen.
„Meiner Erfahrung nach, ist die Vergangenheit eine überschätzte Zeit. Du kannst sie nicht mehr ändern und darin leben kannst du auch nicht. Du solltest loslassen, akzeptieren. Solange du diese Seite von dir schiebst, kommt sie immer wieder wie ein Bumerang zurück und wenn du nicht aufpasst, trifft sie dich hart und unerwartet am Kopf!“
Sie schmunzelte über die Metapher und war erstaunt, wie genau er ihre Situation mit seinen Worten getroffen hatte, ohne Näheres zu wissen. Bei dem Gedanken daran, das als Teil von ihr zu akzeptieren, was sie getan hatte, durchfuhr sie tiefe Ablehnung.
„So etwas kann man nicht in sich dulden. Aber ich versuche, damit zu leben, dass ich es getan habe.“ murmelte sie vage, woraufhin er wieder dieses merkwürdige Augenzucken zeigte, das ein jäh aufblitzendes Verständnis kennzeichnete.
„Du musst dir verzeihen, sonst wirst du niemals frei davon sein!“ beharrte er sanft.
Es fühlte sich alt vertraut an, Ezekiel ihr Herz auszuschütten und so langsam ging ihr auf, dass er ein begnadeter Netzwerker sein musste, wenn er so fabelhaft mit Menschen umgehen konnte. Sie seufzte leise und nickte. Er hatte wohl Recht, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie jemals zu diesem Schritt fähig sein würde.
Warum konnte sie mit einem völlig Fremden über dieses Thema sprechen, aber nicht mit Pareios?
Weil sie ihn liebte. Und diese Tatsache dämpfte ihre Redseligkeit gehörig!

Plötzlich ertönte ein leises Plop-Geräusch. Ein kleiner Junge, fast noch ein Baby war wie aus dem nichts auf Ezekiels Schoß aufgetaucht. Während Aurelia ordentlich zusammengefahren war, schien dieser nicht im Mindesten überrascht. Seine Arme schlossen sich wie selbstverständlich um den kleinen, rundlichen Körper seines Sohnes. Das war offensichtlich, denn die Ähnlichkeit ließ sich kaum von der Hand weisen. Die weißen Löckchen kringelten sich wie ein Haufen Daunenfedern auf dem Kopf des Kleinkindes. Die riesigen Augen waren von demselben flüssigen Silber, das auch sein Vater besaß und zischen den pausbackigen Wangen prangte ein kleiner Mund mit rosaroten Lippen, dahinter blitzten erste winzige Zähnchen. Trotz des Schrecks war sie sofort gefangen von dem Anblick des kleinen, zauberhaften Wesens und sie fragte sich sogleich, wie sich wohl die Haut über dem Babyspeck anfühlte.
Sie hatte noch nie ein Kind in den Armen gehalten. Ihre Schwester war nur anderthalb Jahre nach ihr geboren worden und ihre Berufung war nicht gerade kinderfreundlich, also liefen ihr bei der Arbeit nicht viele davon über den Weg. Viktors Sohn Mathia war das einzige Kind im Bunker, aber obwohl sie es nur ungern zugab, hatte sie sich immer bewusst von ihm ferngehalten. Sie wusste, dass es unfair war, aber sie hatte Meredia und ihren Sohn immer als Eindringlinge in ihrer geordneten Welt gesehen, die ihr das Vertrauteste genommen hatten. Das war Viktor natürlich nicht entgangen, was die heikle Situation im Bunker zusätzlich verschärft hatte. Meredia hatte sich offen um ihre Freundschaft bemüht, aber Aurelia hatte nichts als kühle Höflichkeit aufbringen können. Obwohl sie Viktor sein wohlverdientes Glück gönnte, konnte sie doch nicht umhin, mit dem Resultat daraus, ihrer Einsamkeit, zu hadern.
„Tut mir Leid, in dem alter will Elia sich einfach noch nicht an den guten Ton halten. Schlimmer als ein Sack Flöhe!“ schmunzelte Ezekiel und stand mit dem Jungen auf dem Arm auf. Erst bei seinen Worten verschlug es Aurelia die Sprache, nachdem sie zuerst von dem zarten Babygesicht gefesselt gewesen war. Elia hatte sich soeben direkt auf den Schoß seines Vaters teleportiert und das war äußerst bemerkenswert. Es war weniger die Gabe, diese kam relativ häufig unter den Elevendern vor, als die Tatsache, dass er sie in seinem zarten Alter schon benutzen konnte. Normalerweise regten sich Begabungen erst in der Pubertät, meist ziwschen 14 und 16 und es dauerte dann noch Jahre, bis sie voll ausgebildet waren. Ezekiels Familie war zweifellos vollgestopft mit überragenden Talenten!
Sie sah zu, wie ihr Gastgeber ganz in der Rolle des fürsorglichen Vaters aufging, während er einen Brei bereitete und sich dann wieder in den Sessel setzte, um Elia zu füttern. Dieser hatte jedoch anderes im Sinn und griff verwegen nach dem Löffel, wobei der Brei durch den Raum spritzte. Dabei quietschte er vergnügt.
Ezekiel seufzte vernehmlich. „Könntest du kurz?“ Er hielt ihr seinen kleinen Sohn vor die Nase, der währenddessen aufgeregt die kleinen, pummligen Fingerchen gegen einander patschte und lachte. Schon saß er auf ihrem Schoß und Ezekiel widmete sich der Beseitigung der Sauerei.
Aurelia wusste nicht wohin mit ihren Händen. Das Gefühl dieses leichten Gewichts auf ihren Oberschenkeln und der Kleinkindgeruch waren berückend. Etwas in ihr regte sich. Ihr Herz schien förmlich aufzublühen, unter einer Zuneigung, die nichts Romantisches an sich hatte. Es war etwas Besitzergreifendes, etwas Mächtiges. Ein Bedürfnis, von dem sie noch nicht einmal ernsthaft angenommen hatte, dass sie es besaß. Sie wollte dieses Kind an sich drücken und es beschützen, es sicher in ihren Armen wiegen.
War das etwa gerade ein Mutterinstinkt, der sich ihrer da bemächtigte? Sie versuchte energisch, es zu leugnen, aber der weiche Kinderkörper zog sie mit magischer Anziehungskraft in seinen Bann. Sie berührte den samtigen Flaum weißer Härchen und verfolgte jede fahrige Bewegung mit vor Interesse geweiteten Augen. Was für ein wundervoller Anblick! Jetzt brabbelte er etwas Unverständliches, dann streckte er die Hand nach ihrem Gesicht aus, und da war es um sie geschehen: es war definitiv ein Mutterinstinkt und dieser zog ihre Mundwinkel jetzt auch noch zu einem dämlichen, verträumten Lächeln!
Sie erschrak innerlich und schalt sich automatisch! Als ob sie nicht genug Probleme gehabt hätte, entwickelte sie jetzt auch noch einen Kinderwunsch? War sie denn völlig irre? Dieser Ort war nicht nur einnehmend, er schien sie geisteskrank zu machen!
Natürlich hatte sie sich schon gestern Nacht im Auto gewünscht, irgendwann ein normales Leben mit einer Familie führen zu können, aber jetzt war der Wunsch genauer, definierter. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie das Gefühl wie das Ticken ihrer biologischen Uhr beschrieben, dabei hatte sie unbegrenzt Zeit, Kinder zu gebären. Das hoffte sie zumindest, ihrer bedrohlichen Vision zum Trotz.
Wie konnte sie es wagen, von so etwas zu träumen, wo sie noch nicht einmal eine vermeintlich so einfache Sache wie Sex hinbekam? Mal ganz abgesehen davon, dass Pareios nicht ihr Gegenstück war und somit die Chancen auf Nachwuchs einem Sechser im Lotto samt Zusatzzahl gleich kamen. Wie lächerlich überhaupt darüber nachzudenken, wo sie doch eben Pareios mit kalter Präzision zurück gewiesen hatte. Wie konnte sie da annehmen, dass sie fähig war, einem Kind die Liebe zu geben, die es brauchte, die es verdiente?
Ezekiel nahm ihr den kleinen Wonneproppen wieder aus den Händen, um die Mahlzeit fortzuführen. Aurelia betrachtete das friedliche Bild versunken, doch als sie bemerkte, dass ihr hirnverbrannter Geist, Ezikiels Gesicht gegen Pareios‘ ausgetauscht hatte, zwang sie sich aufzustehen. Schnell raus hier, bevor sie noch völlig den Verstand verlor!
Im Türrahmen angekommen, vernahm sie noch ein Mal Ezekiels Stimme und es hörte sich an, als ob er unverschämt breit grinste. „Falls du übrigens einen hitzigen Elevender suchst, der hier vorhin Hals über Kopf durchgestürmt ist, der ist glaube ich im Gästeflügel verschwunden!“


Sie schlich sich auf den Zehenspitzen die marmorne Treppe hinauf und weiter in den Gästeflügel zu den Zimmern, die Ezekiel ihnen zugewiesen hatte. Das Linke hatten Row und Aiden besetzt, also öffnete sie zunächst das Mittlere. Ein unruhig schlafender Viktor lag angezogen auf dem Bett. Er schreckte sofort hoch, als sie den Kopf durch den Türspalt geschoben hatte. „Deins ist nebenan.“ raunte er ein wenig ungehalten über die Störung. „Wir sehen uns um elf.“ seufzte er dann und drehte sich um.
Schließlich betrat sie ihr eigens Zimmer und fragte sich eben, wo wohl Pareios schlafen würde, als sie ihn ausgestreckt auf dem breiten Doppelbett liegen sah. Er war unter die taupefarbene, samtige Tagesdecke gekrochen und hatte sie bis zum Bauch hochgezogen. Sein breiter Oberkörper hob sich dunkel und perfekt geformt von den weißen Laken ab. Da stand sie nun völlig erstaunt in mitten ihres Gemachs und zerfloss vor glücklichem Kribbeln, das die Freude über seine Anwesenheit auslöste. Er schenkte ihr ein unsicheres Lächeln, das völlig untypisch für seine sonst so lässige Fassade war. Sie hatte schon befürchtet, ihn ernsthaft verschreckt zu haben, aber er hatte ihr nicht den Rücken zugekehrt. Er war bei ihr geblieben, obwohl sie das nicht im Entferntesten verdient hatte. Er überraschte sie einfach immer wieder aufs Neue!
Pareios fixierte sie mit einem forschenden Blick und stützte den Kopf auf den angewinkelten Arm, wobei er mit der anderen Hand auf die leere Fläche neben sich im Bett klopfte. Sie blieb unschlüssig an ihrem Platz, unsicher, wie sie die Einladung aufnehmen sollte, immerhin hatte er doch vorhin gesehen, was passierte wenn…. Sie hatte wirklich vor, diese Reaktion in Zukunft zu unterdrücken, aber sie war sich nicht 100%ig sicher, ob sie es im Griff hatte.
Er erfasste ihr Mistrauen sofort, denn er sagte leise: „Keine Sorge, ist schon gut. Ich werde dich nicht bedrängen! Du musst mir noch nicht ein Mal sagen, was da los war,…. zumindest nicht, bis du bereit dazu bist.“ Er sah sie fest dabei an und ließ den Magnetismus aufwallen, der zwischen ihren Körpern knisterte. Schon hatten sich ihre Beine nach vorn geschoben, der überwältigenden Anziehung des Anblicks von Pareios auf dem Bett nachgebend. Am Matratzenrand angekommen zögerte sie beim Ausziehen der Kleider wieder.
„Wirklich, alles was ich will, ist neben dir liegen!“ beteuerte er noch ein Mal in solch feierlichem Ton, dass sie unwillkürlich schmunzeln musste. Pareios als Wächter ihrer Tugend, kam ihr irgendwie absurd vor. Aber wie um ihre Gedanken zu negieren fügte er frech an: „Außerdem kenn‘ ich ja jetzt, was da drunter steckt. Also keine falsche Scham!“ Zuerst wollte sie empört reagieren, aber sie stellte verdutzt fest, dass sich keine Empörung einstellte, sondern eine merkwürdig wohlige Vertrautheit, welche sie letztendlich überredete, die Kleider abzulegen und sich in der nassen Unterwäsche zu ihm unter die Decke zu legen. Dort würde sie in seiner Wärme schon bald trocken sein. Sie rollte sich auf die Seite mit dem Rücken zu ihm, doch er schlang sogleich den Arm um ihre Taille und zog sich fest an seinen heißen Körper, was sie kurz zusammenzucken ließ.
„Ich hab gesagt, ich werde dich nicht drängen, nicht, dass ich dich nicht mehr anfassen werde!“ neckte er an ihrem Ohr und die kleinen Härchen dort wankten im Strom seines Atems hin und her. Ihr gefiel, dass er sich nicht von ihr abschrecken ließ. Er drängte nicht, aber er war mit sanfter Unnachgiebigkeit an ihrer Seite geblieben. Sie bewunderte ihn für diese stoische Art, wie sie so vieles an ihm bewunderte. Trotz allem, was sie getan hatte, hatte er sich nicht abgewendet.
Sie lag nun mit Rücken und Po an ihn gepresst und konnte jeden Muskel, einige härter, als andere, spüren. Die Hitzewelle übertrug sich auf ihre nackte Haut und die Muskeln entspannten sich unwillkürlich. Sie fühlte sich geborgen und beschützt, eingemummelt in seine Umarmung und die weichen Falten des kuschligen Nachtlagers. Ihr normales Leben, das blutrünstige Geschäft und die Kälte, die damit einher ging, waren ganz weit weg.
Ja, das war es, ihr persönlicher Himmel, dachte sie, während sie von innen heraus vor Liebe zu glühen begann. Sie fragte sich, ob sie unter der Decke in ihrer gemeinsam erzeugten Hitze nicht vergehen würden, dabei lagen sie nur an einander geschmiegt da! Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig, während er ihr mit einer Hand immer wieder sachte über die Haare strich. Diese liebevollen Berührungen verflüssigten die letzten Vorbehalte in ihrem Geist und sie zerrannen in einem köstlichen Strom aus tiefer Zuneigung und aufkeimendem Begehren. Sie umfasste einen Unterarm an ihrem Bauch und ließ den Daumen über den Flaum seiner Behaarung kreisen. Der Moment war von tiefem Frieden erfüllt, als hätte sie alle Sorgen am Bettrand zurück gelassen. Sie wünschte, sie könnte die Zeit anhalten, die Welt einfach still stehen lassen und für immer hier in ihrem persönlichen Paradies schwelgen.
So dösten sie noch eine Weile in dieser Stellung, erlaubten ihren Fingern, einander milde über die Haut zu streichen und dem Atem des Anderen zu lauschen. Das Bett war ihr Rückzugsort, ihre kleine persönliche Festung und da wusste sie es. Sie war endlich nach Hause gekommen.







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