Gifted - Die Befreiung - Teil 13

Autor: Aven
veröffentlicht am: 26.07.2012


So, next. Sorry für die lange Wartezeit. Ich hoffe, der Teil gefällt euch :D, LG Aven

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Der nächste Morgen begann laut. Ein Tumult brach um sie los, als die Zimmertür aufgerissen wurde. Mehrere Hände rüttelten und verschiedene Stimmen riefen sie, zerrten sie aus ihrem Schlaf, solange bis sie blinzelnd die Augen öffnete.
Sie wurde von hellem Tageslicht geblendet und sie brauchte einige Sekunden, um sich zu orientieren. Sie befand sich in ihrem Hotelzimmer, mit dem braunen Flokati. Sie lag im Bett, während drei Mitglieder ihres Teams um sie herum standen und laut auf sie und einander einredeten. Plötzlich fühlte sie, eher als dass sie es sah, wie sich zwei kräftige, männliche Arme unter sie schoben.
Es war Viktor, der sie mit atemberaubender Geschwindigkeit hochriss und sie aus dem Raum in das Männerzimmer trug.
„Er hat kein Dreieck!!“ rief Aiden hinter ihnen. „Das bringt doch nichts! Wir sollten uns auf das Gebäude konzentrieren!“
„Aiden, dass er jetzt keins auf der Brust hat, heißt nicht dass er es nicht sein könnte!“ hörte sie Pareios draußen lauter sagen. Sie vernahm die Aufregung und die Besorgnis in seinem Ton und fragte sich sofort, was passiert war! Automatisch suchten ihre Augen nach ihm, wollten den warmen Schauer und das Auffliegen des Schmetterlingsschwarms fühlen. Doch Viktor war zu schnell für die anderen Beiden, sie waren noch außer Sichtweite im Flur.
Er stellte, bzw. knallte sie direkt vor dem Fenster auf die Füße und Row drückte ihr ein Fernglas in die Hand. Viktor packte sie bei der Schulter, drehte sie ein wenig herum und deutete mit dem Finger auf den Eingangsbereich des Wolkenkratzers. „Schnell!“ jetzt brüllte er schon fast und drückte ihre Hände samt Fernglas vor ihre Augen. Es tat ein wenig weh und kurz konnte sie nichts sehen, weil das Gerät noch auf Row eingestellt war. So langsam ging ihr Viktor mit seiner neuen Seite wirklich erheblich gegen den Strich. Ärgerlich befreite sie sich aus seinem Griff, damit sie flink an den Stellrädchen drehen konnte.
Al sie endlich ein scharfes Bild hergestellt hatte, erkannte sie eine lange, mattschwarz lackierte Limousine, die am Bürgersteig vor dem Wolkenkratzer parkte. Die hinteren Türen standen offen. Schnell ließ sie den Fokus weiter zum Eingang schweifen und erkannte gerade noch, wie ein Mann mit braunem Haar und marineblauer Uniform durch eine große gläserne Drehtür im Gebäude verschwand. Sie hatte nur noch einen Blick auf seinen Hinterkopf erhaschen können, trotzdem packte die Aufregung nun auch sie. Hibbelig trat sie von einem Bein aufs andere und leckte sich über die Lippen. Fünf Männer in schwarzen Anzügen folgten dem Mann in blauer Uniform auf den Fersen, offensichtlich eine Leibwache. Aurelias Augen erfassten sofort die verräterischen Beulen an Hüften und Knöcheln, die ihre Waffen unter der Kleidung verursachten.
„Und?“ drängte Viktor. „Ist das der Kerl aus deiner Vision?“
„Ich konnte ihn nur von hinten sehen!“ sagte Aurelia enttäuscht und mit kratziger Stimme. Hatte sie gestern so viel geschrien? Sie ließ den Blick weiter über den Vorplatz schweifen, während Viktor ein lautes, wütendes Knurren ausstieß.
Drei der Männer waren ebenfalls ins Haus hinein gegangen, zwei standen nun vor dem Eingang und beobachteten die Straße. Sie bemühte ihre Intuition nicht, sie wusste, es hätte keinen Sinn, wenn sie nicht heute noch mit diesem Mann zusammen treffen würde. Sonst war er für sie nicht sichtbar. Also entschied sie, am Fenster stehen zu bleiben, bis die Delegation wieder herauskam. Mit ein wenig Glück würde sie dann freie Sicht auf die Vorderseite des Mannes haben.
„Warts ab!“ ermutigte sie Viktor, der begonnen hatte zwanghaft im Zimmer hin und her zu laufen, wie eine Wildkatze im Käfig. „Die müssen ja auch irgendwann wieder raus kommen. Dann krieg ich ihn schon!“ Er schnaubte ein wenig besänftigt, ließ aber nicht von seiner Bewegung ab.
Während sie weiterhin den Platz im Auge behielt, hörte sie, wie hinter ihr jemand verschiedene Taschen öffnete und wieder schloss. Dann vernahm sie Geklapper, das von aneinanderstoßendem Metall erzeugt wurde. „Was machst du da?“ fragte Viktor in die Geräuschkulisse hinein.
„Ich bereite mich darauf vor, ihnen zu folgen, was glaubst du denn?“ hörte sie Pareios‘ entschlossene Stimme. Jetzt musste sie ihr Vorhaben kurz vernachlässigen und sich zu ihm umwenden.
Er stand am Fußende eines der beiden großen Betten und hatte die Arme verschränkt. Die Augen hatte er auf sie geheftet und sah ihr liebevoll entgegen. Der warme Schauer ließ nicht lang auf sich warten und Aurelia musste sich am Riemen reißen, um nicht in den bewegenden Erinnerungen an die gestrige Nacht zu versinken. Kurz war sie gefesselt von seinen tiefen Augen, die nun so viel mehr versprachen. Sie zwang sich, den Blick von ihm abzuwenden und drehte den Kopf weiter, sodass Viktor in ihr Sichtfeld kam.
Er starrte ebenfalls sie an, aber definitiv erzürnt: „Aurelia! Augen auf die Straße!! Was zur Hölle ist nur los mit dir?“
Ertappt drehte sie sich schnell wieder zum Fenster und beobachtete weiter den Eingang. Zum Glück regte sich dort noch nichts, nur die beiden Bodyguards standen immer noch unverändert links und rechts der Glastüren. Ihre Anzugjacken wehten leicht in der kühlen Brise, die an diesem Morgen vom grautrüben Himmel herab wehte. Sie versuchte ihre Gesichter genauer zu erkennen, vielleicht hatte sie eines ja schon vorher mal irgendwo gesehen. Der eine war groß und eher schlank und hatte einen dunkelblonden GI-Schnitt, der andere war eher klein und stämmig und hatte den Kopf kahl rasiert. Beide waren ihr unbekannt. Jedoch konnte sie dank ihrer Elevender-Augen eine winzige Tätowierung hinter dem Ohr des Glatzkopfes entdecken. Dünne, schwarze geschwungene Linien.
„Pareios hat Recht!“ sagte sie mit dem Fernglas beinahe am Fenster. „Einer von den Gorillas hat eine Tätowierung. Sie ähnelt der Gravur auf den Steinen!“
Jetzt fing auch Viktor hektisch an seine Sachen zusammen zu packen, wobei er die Aufgaben verteilte.
„Row, besorg‘ Aurelia was zum Anziehen! Aiden, hol‘ ihre Waffen! Ihr beiden bleibt hier und behaltet das Labor im Auge. Sobald sie draußen sind, folgen Aurelia, Pareios und ich ihnen. Wir müssen uns beeilen!“
Alle stoben auseinander und taten wie ihnen geheißen. Viktor sammelte noch ein paar Gegenstände zusammen und Pareios trat neben sie ans Fenster, so nah, dass sich ihre Schultern berührten. Sie hätte so gerne in seine schönen Augen mit dem golden glitzernden Sternenstaub gesehen, um darin zu versinken, aber sie traute sich nicht die Szenerie unten an der Straße zu vernachlässigen. Sie fühlte das Feuer seines Körpers auf ihren abstrahlen und genoss die Berührung. Wieder schuf es diese neue unerklärliche Zufriedenheit in der die Schmetterlinge mit ihrem Herz tanzten. Jetzt war es nicht mehr so, dass es alles andere verdrängte, er küsste sie ja auch nicht, aber es tauchte alles in ein ganz anderes Licht. Die Farben waren strahlender, die Gerüche intensiver und die Gefühle echter. Plötzlich verspürte sie auch seine freudige Unruhe. Er umgab sie mit dieser lebendigen Aura, die so ganz anders war als sie selbst, und die sie in den letzten Wochen an ihm fasziniert hatte.
Schließlich kam Row zurück und nahm ihren Posten ein, damit Aurelia sich schnell umziehen konnte. Sie hatte noch dieselbe Montur wie gestern an und wünschte sich, kurz duschen zu können. Aber dazu war keine Zeit, deshalb zog sie schnell die dunkle Jeans über die Strumpfhose, erst danach zog sie den Rock aus. Über das dunkle T-Shirt warf sie sich einen grauen Sweater und schob sich eine ebenfalls graue Wollmütze auf den Kopf. Darunter befand sich immer noch die sandelholzfarbene Perücke. Ihre Augen brannten jetzt ein wenig. Sie waren ganz trocken, weil sie die Kontaktlinsen darin vergessen und damit geschlafen hatte. Trotzdem mussten sie jetzt einfach bleiben, wo sie waren.
Auch die anderen waren in unauffällige Kleidung geschlüpft und Viktor verteilte ein paar kleine Handys.
Sie verstauten die kleinen Handfeuerwaffen, Messer, Wurfsterne und vieles mehr in den Taschen und Falten ihrer Montur und zogen die Stiefel über. Die beiden Männer schulterten die Rucksäcke.
„Sind sie schon draußen?“ fragte Viktor an Row gerichtet.
„Nein! Die beiden Gorillas haben sich ne Kippe angezündet. Schätze ihr habt genug Zeit, es runter zu schaffen!“ antwortete sie in geschäftigem Ton und wedelte mit der Hand, um sie aus dem Zimmer zu scheuchen.
Pareios, Viktor und Aurelia stürmten zur Tür hinaus. Sie nahmen die Treppe, der Aufzug hätte zu lange gebraucht. Bevor sie die Rezeption passierten, bremsten sie ihr Tempo und schlenderten betont lässig am Portier vorbei, der sie immer noch misstrauisch beäugte.
Draußen angekommen trennten sie sich kurz. Viktor verschwand buchstäblich, um den SUV zu holen. Es war riskant weiter mit dem selben gestohlenen Wagen durch die Gegend zu fahren, aber sie hatten keine Wahl. Es war keine Zeit, um am helllichten Tag ein anderes zu klauen.
Es hatte zu regnen begonnen. Dicke schwere Tropfen fielen vom Himmel und verdichteten sich bald zu einer wolkenbruchartigen Sintflut. Ihre Kleidung zeigte dunkle große Flecken, und saugte sich sogleich mit der Feuchtigkeit voll. Die beiden Leibwächter drängten sich unter den kleinen Unterstand, den ihnen ein kleiner Glasvorsprung über dem Eingangsbereich bot.
Da drehte sich die Tür abermals und die anderen drei Männer in den dunklen Anzügen traten auf den Vorplatz hinaus. Sie streckten die Hände aus und wandten die Köpfe zum Himmel, dann öffneten sie mehrere Regenschirme.
Aurelia fluchte leise, ohne die Lippen zu bewegen. Der Sturm begann jetzt aus ihrer Richtung zu peitschen und die Leibwächter wandten die Regenschirme dadurch ihnen entgegen. So verdeckte der schwarze Stoff den Mann, der jetzt ebenfalls das Gebäude verließ. Sie konnte gerade noch seine Beine und einen Teil des Rumpfes erkennen. Er war ca. 1,85 Meter groß und trug eine marineblaue Jacke samt einer Hose der selben Farbe, dazu feste Stiefel mit breiter Sohle. Während Pareios nach dem dunklen Geländewagen Ausschau hielt, rief sie ihre Intuition zur Hilfe. Sie musste einen Winkel finden, in dem sein Gesicht nicht verdeckt war. Wenige Menschen waren auf der Straße zu sehen, also packte sie Pareios‘ Arm, legte ihn um sich und zog ihn dann leise lachend mit sich, weiter durch den Regen auf das Glasgebäude zu. Sie plapperte irgendwas vor sich hin und drückte immer wieder sein Handgelenk, um ihn aufzufordern auf ihre Finte einzusteigen und mit zu plappern, damit sie wie irgendein Pärchen wirkten, das zufällig hier unterwegs war. Schließlich waren sie gegenüber des Wolkenkratzers auf der anderen Straßenseite angelangt.
‚Jetzt!‘ meldete sich wieder ihre Intuition und sie drehte sich schwungvoll vor Pareios, schlang ihre Arme um seine Hals und zog sich ein Stück an ihm hoch. Er ließ ihr freie Hand, da er wusste, wie sie vorging.
Für einen kurzen Moment hatte sie perfekte Sicht auf das Gesicht des Mannes. Es war schmal und zierlich, mit einer kurzen etwas breiteren Nase und vollen, kindlichen Lippen. Der Teint war fahl, aber die Augen wanderten belebt über die Straße. Sie hatten die Farbe von Moos. Als seine Augen in ihre Richtung schweiften schob sie schnell den Kopf auf der abgewandten Seite an Pereios‘ Hals. Kurz überraschte sie das heftige Pochen ihres Herzens, das seine Nähe verursachte. Sein Duft stieg ihr in die Nase, doch sie riss sich wieder zusammen.
„Er ist es nicht!“ zischte sie ihm ins Ohr und sah im selben Moment über seine Schultern hinweg den dunklen Geländewagen mit Viktor am Steuer. Er parkte etwa 50 Meter entfernt hinter einem Baum und während die Männer nach einander in die Limousine einstiegen überquerten Pareios und Aurelia Arm in Arm die Straße. Es fühlte sich merkwürdig gut an, registrierte sie dabei und konnte sich einen Seitenblick auf das markante Profil Pareios‘ nicht verkneifen. Er sah einfach unvergleichlich gut aus.
Als das lange Fahrzeug vor ihnen anrollte, stiegen sie zu Viktor ins trockene Auto und dieser gab sogleich sachte Gas, um sich in den leichten Verkehr einzuordnen. Sie informierte ihn darüber, dass sie da nicht dem Mann aus ihrer Vision folgten und er schlug verärgert mit der flachen Hand gegen das Lenkrad. „Egal!“ murmelte er dann trotzdem. „Wer weiß, wo die uns noch hinführen!“
Mit einigem Abstand folgten sie der Delegation der Hegedunen. Wenn sie zu weit zurück fielen, sprang Aurelia mit ihrer Intuition ein, solange bis sie sie wieder vor sich entdecken konnten. Die Scheibenwischer glitten in schnell aufeinander folgenden Abständen über die Windschutzscheibe und befreiten sie von dem unaufhörlich fallenden Regen.
Je länger sie den Männern vor ihnen in der Limousine folgten, desto unwohler fühlte sich Aurelia, obwohl Pareios vorne neben Viktor im Auto saß. Ihr sechster Sinn alarmierte sie und versetzte sie in gespannte Wachsamkeit. Ampel für Ampel und Straße für Straße wurde es schlimmer, weitete sich zu einem Gefühl aus, das ihr sagte, dass etwas nicht stimmte.
„Viktor, findest du’s nicht merkwürdig, dass die nur Tage nachdem da eingebrochen wurde eine so auffällige Einheit hier her schicken? Ich hab kein gutes Gefühl dabei!“ sagte sie nachdenklich und Viktors Augen suchten sie im Rückspiegel. Aus dem grau wabernden Aufruhr, den sie darin vorfand, konnte sie entnehmen, dass er hin und her gerissen war. Er wusste, dass sie Recht hatte, aber sein Verlangen danach, dieser ganzen Geschichte endlich ein Gesicht zu geben, war genauso groß. Vielleicht sogar so groß, dass er jetzt Risiken eingehen würde, die er früher gemieden hätte, schoss es Aurelia durch den Kopf, was sie noch zusätzlich beunruhigte. Nicht nur, dass sie sich mit einem oder mehreren aus der Reihe tanzenden Ratsmitgliedern rumschlagen mussten, jetzt drehte auch noch Viktor so langsam durch. Sie sah, wie auch Pareios langsam den Kopf wandte und seinen Bruder forschend fixierte. Dieser machte keine Anstalten langsamer zu fahren, oder umzudrehen. Er war entschlossen der Limousine bis zum bitteren Ende zu folgen, egal, wohin sie sie führte.
Jetzt war ihr gesamtes Inneres in Bewegung und sie überlegte, ob sie es riskieren sollte, in ihren Zukunftsvisionen nach ihrem Ziel zu suchen, vielleicht konnte sie einen Eindruck erhaschen, was sie dort erwarten würde. Gerade als sie die Augen geschlossen hatte, um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, packte sie eine Hand an der Schulter.
Pareios hatte sich über seinen Sitz nach hinten gelehnt. „Nicht jetzt Aurelia! Du weißt nicht, wie lange wir ihnen noch folgen müssen. Wir können es jetzt nicht gebrauchen, dass du wieder in Ohnmacht fällst!“ Dann strich er mit den Fingern über ihre Wange und vertrieb jedes Unwohlsein, hinterließ dagegen nur ein warmes Brennen und sachte Schauer. In diesem Fall ein echter Nachteil, da sie das Bedürfnis hatte, ihrer Vorahnung nachzugehen. Sie seufzte, was ihr einen verwirrten Blick von Pareios einbrockte. Sie konnte nicht anders, als ihn anzulächeln, schob aber bestimmt seine Hand weg. „Nicht jetzt!“ formte sie lautlos mit den Lippen, da Pareios breite Schultern Viktors Blicke durch den Rückspiegel abschirmten. Mit einem letzten liebevollen Zwinkern ließ er sich in seinen Sitz zurückfallen und beobachtete wieder die mattschwarze Limousine zwei Autos weiter vorn.
Nach etwa einer halben Stunde bog sie auf ein großes Müllverwertungsgelände ein. Dieses sah jedoch alt und verlassen aus. Viktor fuhr noch eine Querstraße weiter und parkte ihren eigenen Wagen dort knapp hinter der Ecke, sodass von der Anlage aus allenfalls das Nummernschild zu sehen sein würde.
„Du bleibst hier und behältst den Eingang im Auge.“ sagte er entschieden zu Pareios.
Dieser versteifte sich kurz und es war ihm anzusehen, dass er damit überhaupt nicht einverstanden war. Das Auflodern seines Feuers erfüllte den Wagen kurz mit einer durchdringenden Hitze, die die Scheiben beschlagen ließ. Er warf Aurelia durch den Spiegel einen sehnsüchtigen Blick zu. Dann schien er einen Entschluss zu fassen. „Meinetwegen!“ murrte er und beugte sich daraufhin erneut über seinen Sitz nach hinten. Anscheinend dachte er nicht daran, seinem Bruder voll und ganz zu gehorchen.
Diesmal ließ er sich nicht von ihrer abweisenden Haltung zurückstoßen. Seine Rechte fasste sie im Nacken und zog sie ein wenig zu sich vor. Er sah sie fest an, jedoch nicht, um ihre Erlaubnis einzuholen, sondern um abzuschätzen, ob sie es zulassen würde. Dann hob er einen Mundwinkel zu einem halben Lächeln hoch und strich mit dem Daumen an ihrem Kinn entlang. Ihre Haut dort kribbelte wie wild und sie vermochte weder den Blick abzuwenden, noch sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Dann trafen seine weichen Lippen auf ihre, schmiegten sich sanft an sie und löschte wieder alles andere in ihrem Kopf aus. Wie von selbst öffneten sich die ihren und erwiderten den Kuss mit einem Seufzen. Er schmeckte genauso gut, wie am Tag zuvor und ihr Herz vollführte wahre Freudensprünge. Das wilde Kribbeln drohte, sie aufzulösen, bis nur noch Sternenstaub von ihr übrig geblieben wäre. In diesem Kuss lag seine ganze Sorge und Angst, die er nun empfand, da sie sich trennen mussten und er angesichts ihrer schlechten Vorahnung nicht wusste, ob er sie wiedersehen würde. Dieses Gefühl, dass da plötzlich etwas, nein jemand war, für den es sich zu überleben lohnte, ergriff sie mit voller Wucht und sie nahm sein Gesicht in ihre Hände, intensivierte den langen Kuss, bevor sie ihn mit ein paar kleineren gehauchten ausklingen ließ. Das Glühen in der Magengrube erwärmte sie von Kopf bis Fuß. Sie lehnte die Stirn an seine. „Ich komme wieder! Versprochen!“ wisperte sie und stupste mit ihrer sanft gegen seine Nase. Es war so fremd und doch so einfach, liebevoll zu ihm zu sein. Er war wie ein Schatz, der behütete und umsorgt werden wollte. Sie hatte es nie geübt, aber es war als hätte diese Seite von ihr nur auf den richtigen Moment gewartet, sich zu zeigen. Er sah ihr noch einmal tief in die Augen, dann sagte er: „Ich hoffe, das liegt in deiner Macht!“
Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass Viktor sie beobachtete hatte. Seine Miene war glatt und undurchdringlich und er wich ihrem Blick aus. Vielleicht gingen ihm gerade ein paar Lichter im Bezug auf Aurelias Verhalten in der letzten Zeit auf. Aber er hütete sich davor, es äußerlich zu zeigen. Sie meinte eine ablehnende Aura um ihn herum wahrnehmen zu können, aber er hatte nicht das geringste Recht, etwas gegen ihre Verbindung sagen zu dürfen. Schließlich räusperte er sich vernehmlich.
„Können wir jetzt?“ fragte er genervt, wobei er schon seine Tür aufstieß.
Aurelia löste sich von Pareios, zwinkerte ihm noch ein Mal aufmunternd zu und stieg dann ebenfalls aus.






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