Gifted - Die Befreiung - Teil 11

Autor: Aven
veröffentlicht am: 20.07.2012


Sodale, der nächste Teil. Wenn die schon nicht veröffentlcihen, warum auch immer, habt ihr eben später mehr zu lesen. So lohnt die lange Wartezeit wenigstens ;D Der Teil ist etwas länger geworden, weil ich ihn an die Tausend mal umgeschrieben hab. Naja, ich hoffe dass er euch gefällt und ihr Lust habt, weiter zu lesen. Über Kommentare und Kritik würde ich mich wirklich sehr freuen!
LG und hoffentlich wird das bald veröffentlicht, ihr da von rockundliebe! :D
eure Aven
(18.07.12)

------------------


Kapitel 3

Draußen angekommen verschloss sie sorgfältig die Schiebetür, legte die Stirn gegen den kühlen Stahl und atmete dann zwei Mal tief ein und aus. Sie konnte es selbst nicht glauben, dass sie es geschafft hatte, etwas vor Markus zu verbergen.
Ein Feuer begann sie von links zu Wärmen. Es war wie ein Leuchten, das sie sofort in seinen Bann zog. Da bemerkte sie, dass Pareios an die Wand gelehnt auf sie gewartet hatte. Wie er da so stand, sah er wirklich aus, wie Adonis in Person. Er wirkte äußerst lässig und hatte die Arme vor der breiten Brust verschränkt. Bei seinem Anblick, seinen bewegten Augen, war es, als schlüpften tausende von Schmetterlingen in Aurelias Bauch. Nun flatterten sie dort wild umher, verursachten ein flaues Gefühl, dachten aber nicht daran, ihn wieder zu verlassen. Im Gegenteil, sie besiedelten jetzt auch noch das Innere ihrer Brust und führten dort ihren magischen Tanz fort. Sie strichen mit ihren zarten Flügeln über ihr Herz und kitzelten es zurück ins Leben, was es mit einem heftigen Anstieg der Schlagfrequenz quittierte.
„Und wie war‘s?“ fragte er sie gespannt.
Sie legte den Finger auf die Lippen. Markus konnte sie wohl kaum durch den 50 cm dicken Stahl hören, doch es war ihr lieber, nicht hier direkt vor seiner Nase mit Pareios darüber zu sprechen.
Sie nickte nach rechts und setzte sich in Bewegung. Pareios löste sich von der Wand und folgte ihr. Er holte auf, bis sie neben einander liefen. Sie fragte sich, ob er ihr Herz wummern hören konnte, denn sie selbst hörte beinahe nichts anderes mehr. Es war so laut, als wolle es dringend ihre Aufmerksamkeit auf sich lenken… und aus irgendeinem Grund auch seine.
Nachdem sie ein paar Abzweigungen zwischen sich und den Konferenzraum gebracht hatten, schilderte Aurelia ihm flüsternd, was geschehen war.
Sie sah ihn schmunzeln und dann sagte er: „Weißt du Aurelia, du bist immer für eine Überraschung gut, das li….“ Er brach ab und eine peinliche Stille trat ein, in der sie spürte, wie er ihr einen flüchtigen Blick zuwarf. Ihr war schmerzlich bewusst, dass das was heute und in der letzten Nacht geschehen war, jetzt irgendwie zwischen ihnen stand. Ihr Herz pochte empört noch einen Takt schneller. Sie empfand immer noch eine mörderische Wut auf das wunderschöne Biest. Und auch ein klein wenig auf ihn. Schließlich musste er sich ja nicht blöd anstellen, nur weil sie es tat. Aber sie sah ein, dass sie ihn wohl zuerst verletzt hatte. Und sie wusste absolut nicht, wie sie jetzt mit dem ganzen Chaos und den vielen Schmetterlingen umgehen sollte. 300 Jahre ohne diesen Kram, dachte sie sehnsüchtig, doch der Tanz der Schmetterlinge verdichtete sich in ihrer Brust zu diesem Leuchten, das sie vorhin bei ihm gespürt hatte und durchströmte nun auch sie. Es verursachte, dass sich ihre ganze Sehnsucht nun auf Pareios einzupendeln schien. Ob sie wollte oder nicht, sie hatte keine Machte mehr darüber.
Sie waren schon fast bei ihrem Zimmer angekommen, da wollte sie all ihren Mut zusammen raffen und sich bei ihm entschuldigen. Aber wie sollte sie das anfangen? Sie hatten keine Verpflichtungen einander gegenüber, also kam es ihr irgendwie absurd vor, dennoch spürte sie, dass es notwendig war.
„Pareios, ich… es tut mir leid. Ich…, die ganze Sache ist irgendwie verfahren. Als du da nachts vor meiner Tür gestanden hast, da habe ich dich verletzt, oder?“ Er starrte zu Boden. Sie meinte erkennen zu können, wie die Muskelstränge an seinem Hals hervortraten, als er sie und den Rest seines Körpers anspannte. Dann hob er den Kopf und sah sie an. Seine Augen waren jetzt keine güldene Sommerdämmerung mehr, sie waren von einem tiefen graublau und die Sterne funkelten in ihnen intensiver denn je. Sie konnte sich dem Magnetismus seines Blickes nicht entziehen und verlor sich in den unendlichen Weiten die er ihr darin offenbarte. Es war, als hätte er jede Schotte, die es zwischen ihnen gegeben hatte, fallen gelassen und nun stand die Tür weit offen, um sie endlich willkommen zu heißen.
„Genauso wie ich dich heute morgen. Du sahst so wütend aus…“ Er gab es somit indirekt zu und machte ihr klar, dass er durchaus durchschaut hatte, wie sie sich gefühlt hatte. Aber sein Ton verriet, was sie ebenfalls fühlte, die Gewissheit mit ihrem Handeln nicht nur den anderen verletzt zu haben, sondern auch sich selbst. Mittlerweile war ihr kaum noch schlecht, es hatte sich in den letzten Stunden, in denen sie mit ihm zusammen in dem Raum gesessen hatte, nahezu vollständig verflüchtigt. Seine Anwesenheit war wie ein Segen und die Wut war unter Kontrolle, solang sie kein anderes Weibsstück bei ihm sah.
Doch sie wusste nicht wie sie jetzt vorgehen sollte. Sie hatte noch nie versucht mit einem Mann darüber zu reden, dass sich etwas zwischen ihnen entwickelt hatte und wie es nun weiter gehen sollte. Doch sie hatte Pareios wieder ein Mal gründlich unterschätzt.
„Na dann schlage ich vor, dass wir BEIDE das in Zukunft unterlassen!“ sagte er vollkommen lässig, dann lächelte er verschmitzt. Seine Augen funkelten und zeigten die unsichere Vorfreude, die er äußerlich verbarg. „Deal?“ Er streckte ihr die Hand entgegen.
„Deal!“ Sie ergriff sie ohne zögern, als hätte sie sie schon gehoben, während seine noch schlaff an seiner Seite gehangen hatte. Sofort war wieder jegliches Unwohlsein, sogar die Wut verschwunden. Da war nur noch seine Wärme und das Bedürfnis noch mehr von ihm in sich aufzusaugen und es für Zeiten ohne ihn zu speichern. Das Kribbeln der Schmetterlinge war jetzt auch in ihrer Hand, ihrem Kopf, einfach überall!
Sie war beinahe euphorisch und diese zarten Gefühle, die in ihr aufstiegen, waren so köstlich! Bei dem Gedanken daran, was er noch alles in ihr bewegen könnte, erfasste sie eine freudige Erregung! Mehrere Sekunden hielten sie die Verbindung mit den Händen und sahen sich tief in die Augen. Sie gaben sich hier gerade ein Versprechen, das war Aurelia klar und sie war definitiv mehr als erleichtert darüber! Vielleicht ließe sich das Monster so besser zügeln.
Sie trennten den Kontakt schließlich wieder und setzten ihren Weg beklommen fort. Sie gingen so nah neben einander, dass ihre Arme auf ganzer Länge aneinander rieben. Auf die Weise erfuhr sie immer wieder warme Schauer und musste sie nach einer Weile fest an die Seite klemmen, damit sie sich nicht von selbst um ihn warfen.

In ihrem Zimmer packte sie ein paar Habseligkeiten in eine schwarze Tasche und legte auch ihr Waffenarsenal dazu. Dann holten sie gemeinsam Pareios Ausrüstung. Sie sah immer wieder zu ihm hoch, um sich zu vergewissern, dass es auch wirklich er war, der sie sich so fühlen ließ. Er bemerkte ihre Blicke und nahm dann ihre Hand! Es war wie ein kleines, verstohlenes Zeichen und fühlte sich wunderschön an, als ob sie auf Zuckerwatte ginge. Sie glühte jetzt vor Freude und Gefühle, die sie so lange unter der Oberfläche vergraben hatte, drängten heraus, vermischten sich mit den Schmetterlingen. Wie wäre es erst, ihn zu küssen, zu berühren…? Sie schmunzelte, weil sie Pareios noch nie mit einer Frau Händchenhalten gesehen hatte. Wie er sie bezirzte, sie küsste, das schon, aber hier schien auch er mit Aurelia eine andere Kategorie von Beziehung im Sinn zu haben. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel und sie konnte es kaum fassen, wie sich alles durch ihn in so kurzer Zeit verändert hatte.
Als sie dann das Waldstück durchquert hatten und das Industriegelände erreichten, auf dem der Hubschrauber auf sie wartete, befreite sie sich automatisch aus seinem Griff, doch es tat ihr beinahe körperlich weh. Sie wusste nicht genau warum sie es trotzdem tat, aber sie hielt es für besser, diese Geschichte zwischen Pareios und ihr nicht breitzutreten. Zumindest nicht, bis sie wusste, wohin sie das führte. Er schien leicht angefressen, aber respektierte ihren Wunsch, es war ja keine Zurückweisung an sich.


Die anderen waren schon eingestiegen und hatten sich zwischen die verschiedenen Taschen und Koffer gezwängt, mit denen die Maschine vollgestopft war. Sie stieg vor Pareios ein und versuchte Rows unverschämt auffälliges Grinsen zu ignorieren. Pareios setze sich neben sie, die Kopfhörer wurden verteilt und der Pilot fuhr die Drehzahl des Motors hoch, um abzuheben.
Langsam ließ sie ihre Hand neben sich auf den stählernen Boden sinken. Sie hoffte die Bewegung würde niemandem auffallen, aber sie wollte undbedingt wieder seine Haut spüren. Das Verlangen nach seiner Nähe und sein Versprechen gaben ihr Auftrieb. Was war nur mit ihr los? Fragte sie sich zum hundertsten Male in diesen letzten Tagen. Sie musste sich wirklich zusammenreißen!
Erleichtert fühlte sie endlich seine Wärme, wie von selbst verschränkte er die Hand mit ihrer.
Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen und diesmal nahm sie es bewusst wahr.

Viktor unterbrach ihre Gedanken unwirsch. „Aurelia! Was wollte Markus von dir?“ Der herrische Ton war so fremd für sie. Sie berichtete knapp umrissen was sich zugetragen hatte, ohne es jedoch zu erklären und Viktor nickte zufrieden. „Gut, alles weitere besprechen wir später.“ Er machte mit dem Kopf eine Bewegung in Richtung des Piloten, denn er würde sonst alles über das Funksystem der Kopfhörer mitbekommen.
Sie brachten den mehrstündigen Flug schweigend hinter sich und Aurelia genoss jede Sekunde, in der sie Pareios nahe sein konnte. Dann gab es keine Schuldgefühle und keinen Selbsthass, es war als hätten sie nie existiert.


Der Hubschrauber setzte sie am Stadtrand ab, wo sie ein Fahrzeug knackten. Es war bereits Abend geworden und die Dämmerung schützte sie vor ungebetenen Beobachtern. Viktor riss das Ortungssystem des schwarzen SUV, wie nun jeder Wagen eines besaß, heraus und setzte sich ans Steuer. Die anderen luden das Gepäck ein und Aiden tauschte das Nummernschild gegen ein gefaktes aus. Dieses nicht regestierte Schild würde auch auffallen, wenn man es explizit nachprüfte. Aber es war immerhin besser, als mit einem durch die Gegend zu fahren, das offensichtlich gestohlen worden war, da es vom Schirm der Hegedunen verschwunden war. Sie überwachten jedes einzelne Fahrzeug, das seit dem Jahr 2060 gebaut und verkauft wurde.
Aiden saß vorne und dirigierte sie durch den Feierabendverkehr der belebten Metropole. Berlin war in den letzten hundert Jahren in die Breite, aber vor allem in die Höhe geschossen. Die Hegedunen hatten sie nach ihren Vorstellungen geformt. Wohnräume wurden in Hochhäuser verbannt, die gesamten Außenbezirke mit Industrie zugebaut und in den Zentren der Stadtviertel hatte man die alten Kieze erhalten, damit sich die Bevölkerung nach der Arbeit in die Besinnungslosigkeit saufen konnte.
Sie kurbelte das Fenster runter und ließ sich den Fahrtwind ins Gesicht wehen. Es war jedesmal wieder schön, über der Erde zu sein. Ein weiterer Grund, warum sie das Jagen im Allgemeinen gegenüber den Aufenthalten im stickigen Bunker favorisierte.
Sie bestaunte die vorbeiziehenden Gebäude, die verschwenderisch mit bunten Lichtern bepflastert waren. Sie war schon oft hier gewesen und freute sich als sie die bekannten Wege über ‚Unter den Linden‘ und die ‚Straße des 17. Juni‘ nahmen. Viele von den schönen alten Steinbauten, waren gegen modernere kalte metallische Gebäude ausgetauscht worden. Sie waren glatt, besaßen nichts von den Ecken und Kanten und dem Flair eines der schönen alten neoklassizistischen Häuser. Es gab viele Einkaufspaläste, in denen die Arbeiterschaft nach 19 Uhr das sauer verdiente Spielgeld wieder an den Mann bringen konnte. Genau wie Amüsierviertel war es ein Mittel, sie ruhig zu halten, ganz nach dem Motto „Brot und Spiele“ für das Volk.
Immer wieder sah sie rüber zu Pareios, der auf der anderen Seite der Rückbank saß und betrachtete sein hübsches Gesicht mit dem Dreitagebart und diesen soften Lippen. Manchmal bemerkte er es und zog einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln hoch, ließ den Blick jedoch nach draußen gerichtet.
Sie erreichten Moabit, den Stadtteil, in dem das Labor lag, in das sie vor zwei Nächten eingedrungen waren. Bald schon fanden sie ein Motel, das vom Labor aus nur ein paar Häuser die breite Straße hinunter gelegen war.
Row hatte während der Fahrt bunte Jacken und anderes Schuhwerk verteilt. Mit ihren schwarzen Uniformen, die sie meistens trugen, wären sie zu sehr aufgefallen. Da viele Plätze in den größeren Städten kameraüberwacht waren, war es zudem nötig, sich zu vermummen. Row zauberte jetzt fünf Perücken in verschiedenen Brauntönen hervor und reichte ein Schächtelchen mit fünf Paar Kontaktlinsen, auch alle braun, herum. Aurelia band die dicken Haare zu einem engen Knoten im Nacken und setzte das sandelholzfarbene Haarteil auf. Auch die Kontaktlinsen fummelte sie sich in die Augen, zuerst war es ein komisches Gefühl, doch nach ein paar Mal Blinzeln hatten sich die kleinen flexiblen Scheiben an die Wölbung ihrer Augäpfel angepasst.
Sie parkten in einer Seitenstraße, etwa 500 Meter von dem Motel entfernt und gingen den Rest des Weges zu Fuß. Man hätte sie dank der vielen Koffer auch für Touristen halten können, die ein besonders billiges Schlafplätzchen suchten. Moabit war kein typischer Touristenmagnet.

Das Motel hatte nur einen schäbigen kleinen Eingangsbereich. Überall waren alte Poster und Hinweise auf Veranstaltungen an die Wände geklebt worden. Über die Jahre hatten die sich vorbei schiebenden Schultern das Papier abgenutzt und ein paar ganz Freche hatten Tecks darüber gesprüht. Der ‚Portier‘, wenn man ihn denn so nennen konnte, denn er hatte nur ein fleckiges, abgeranztes Feinripp-Unterhemd und eine ausgebeulte Jogginghose an, saß hinter einer Plexiglasscheibe, durch die nur ein paar Löcher zur Verständigung gestanzt waren.
Viktor verlangte zwei nebeneinander liegende, zur Straße gerichtete Doppelzimmer und legte das Geld, zwei Mal soviel wie nötig, in ein Schubfach, das man unter der Scheibe hindurch in den abgeriegelten Raum ziehen konnte, in dem sich der Mann befand. „Ich habe meinen Ausweis auf der Reise verloren!“ behauptete Viktor jetzt. Der Mann betrachtete mit großen Augen die Geldmenge und fixierte ihn kurz. Er zog etwas Luft durch die gelblichen Schneidezähne, musterte sie alle abschätzend von oben bis unten und rieb sich nachdenklich den verfilzten Bart. Dann nickte er, verkündete mit schnarrender Stimme ihre Zimmernummern und übergab, wieder über das Schubfach, die elektronischen Schlüsselkarten.

Sie fuhren mit einem winzigen Aufzug, in dem das Licht flackerte, nach oben in den 8. Stock und betraten ihre Zimmer. Die Frauen nahmen sich das Linke, die Männer das Rechte.
Danach versammelten sie sich im Männerzimmer, da man von dort aus einen perfekten Blick auf den Großteil des Eingangsbereiches und einen Teil der Front des 40stöckigen Hochhauses, das das Labor beherbergte, hatte.
Sie verteilten sich auf die abgewetzte Couchgarnitur. Die Zimmer sahen beide gleich aus. Brauner abgewetzter Flokati und beige Tapeten, dazu schwere dunkle Samtvorhänge, die an manchen Stellen angesengt waren. Row öffnete eine der vielen Taschen und reichte jedem eine Plastikdose mit einer Art Eintopf und sie begannen zu essen. Aurelia schlang ihre Portion förmlich hinunter. Da sie seit zwei Tagen kaum etwas gegessen hatte, wurde ihr Hunger aber währenddessen immer größer und sie war keineswegs satt, als sie die letzten Reste der Flüssigkeit in ihren Mund schüttete.
Die anderen unterhielten sich während des Essens über die Jagd. Sie klärten zuerst das Wichtigste.
„Noch ein Mal in das Gebäude einzubrechen, kommt für mich nicht in Frage. Die haben es bestimmt hermetisch abgeriegelt!“ sagte Viktor grimmig und sie stimmten ihm alle zu. „Daher schlage ich vor, wir beobachten es ein paar Tage und informieren uns über jede winzige Kleinigkeit, Personal, Grundriss, Bewachung, einfach alles. Ich will wissen wann wer kommt, wann die Post geliefert und der Müll abgeholt wird! Und wir müssen herausfinden, wo der Zentralrechner steht, ich nehme an, da besteht die größte Chance, dass wir fündig werden!“
Viktor war einfach der geborene Anführer. Er hatte meist einen logisch durchdachten Plan parat und lenkte jeden der anderen entsprechend ihrer Fähigkeiten. So teilte er auch die Aufgaben zu, obwohl sich mittlerweile meist von selbst verstand, wer was übernahm. Sie waren so gut eingespielt, dass meist nur das Nötigste besprochen werden musste. Das sparte Zeit und sie waren sehr effizient.
Aiden meldete sich nun zu Wort: „Ich muss mir die Sicherheitsanlage ansehen, dann können wir überlegen, wie und wann wir am Besten reingehen.“
Mehr gab es im Moment nicht durchzugehen und so wechselte das Gespräch bald zu dem Thema Markus.
„Ich brauche nicht Aurelias Gabe, um zu sehen, dass er was vor hat.“ meinte Row aufgebracht. Sie spielte dabei mit einer Strähne des langen glatten strohblonden Haars. Viktor stimmte ihr betrübt zu. Sie waren immer gute Freunde gewesen und er verstand nicht, was das Ratsmitglied dazu bewegte, ihm etwas zu verheimlichen.
„Wir müssen unbedingt vor Markus an die Infos rankommen!“ fasste Pareios zusammen und machte ein entschlossenes Gesicht. Er steckte voller Tatendrang und strahlte eine unruhige Vorfreude aus. Aurelia sonnte sich immer noch in seiner Wärme und genoss die kleinen wohligen Schauer, die entstanden, wenn sie sich zufällig oder gewollt berührten, während die Schmetterlinge um ihr Herz tanzten.
Viktor und die anderen waren voll und ganz seiner Meinung.
Aurelia spielte die vergangenen Tage im Kopf durch, um irgendwelche Unregelmäßigkeiten im Ablauf ihrer Mission feststellen zu können. Da fiel ihr ein kleines Detail auf, das bisher keiner bedacht hatte, wahrscheinlich, weil alles so schnell gegangen war.
„Viktor, hast du in den letzten Tagen irgendein anderes Ratsmitglied im Bunker gesehen?“ Er überlegte kurz, dann stutzte er. „Nein, ich glaube nicht…“ flüsterte er erschrocken. Aurelia rümpfte die Nase. Viktor glaubte nicht, er wusste es, da war sie sich sicher.
„Bist du vielleicht Cassiopaia oder Liif begegnet?“ fragte er Row, da ihre Schwester mit den beiden Frauen und Ratsmitgliedern befreundet war. Doch auch sie schüttelte stumm und beklommen den Kopf.
„Meint ihr, sie wurden in Sicherheit gebracht?“ fragte Aiden in die Runde, doch Viktor verneinte. „Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Diese Leute sitzen doch im Rat, weil sie immer an vorderster Front gekämpft haben. Dass sie jetzt den Schwanz einziehen, wo etwas so Bedrohliches auf uns zu kommt, will ich nicht glauben.“
Nur war es hier völlig belanglos, was Viktor wollte oder nicht, dachte Aurelia bitter bei sich. Außerdem hieße das, dass sie davon überzeugt waren, dass auch jetzt schon eine Gefahr für ihr Leben von den Steinen ausging. In diesem Fall war es aber wiederum ungewöhnlich, dass sie dann alle anderen im Bunker unwissend ließen und damit mutwillig mit deren Leben spielten. Das konnte und wollte diesmal selbst Aurelia nicht unterstellen.
Aber was, wenn doch? Agierte Markus autark oder waren auch andere Ratsmitglieder in die Sache involviert?
„Im allergrößten Notfall, da hatte Aurelia von Anfang an Recht, müssen wir Verantwortung übernehmen und die Steine zerstören. Das ist euch doch klar, oder?“ sprach Viktor diese beängstigende Wahrheit aus und unterbrach damit ihre Gedanken. Alle nickten sie ernst, fragten sich jedoch zu gleich, wie genau sie das schaffen sollten.

Row übernahm schließlich die erste Nachtwache und beobachtete das Gebäude durch ein Infrarotfernglas. Aiden und Viktor steckten die Köpfe über den Grundrissplänen, die sie noch vom ersten Mal besaßen, zusammen und auch Aurelia und Pareios schlossen sich ihnen an.
Aurelia prägte sich jeden Gang, jede Nische und jedes Treppenhaus ein. Sie legte eine kleine zweite Kopie der Karte in ihrem Gedächtnis an, auf dem alle Zimmer und Büros verzeichnet waren. Nach einer Stunde gab es für sie nichts mehr zu tun. Sie stand auf, ging zum Fenster und überlegte schon, ob sie laufen gehen sollte.
Pareios Wärme umschloss sie plötzlich von der Seite. Er war neben sie getreten und hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt.
„Lust auf ein bisschen Bewegung?“ fragte er und zwinkerte ihr mit einem Auge mit seinem Spiegelbild auf dem Fensterglas zu und brachte die Schmetterlinge zum Auffliegen. Er meisterte Viktors Rolle par exellance, definitiv!
Sie musste grinsen, da er scheinbar ihre Gedanken gelesen hatte und nickte dankbar.
„Bereit für ein Experiment?“ Seine Stimme war rau und er neigte den Kopf verschwörerisch zu ihr rüber, sodass ihn die anderen nicht hören konnten. Sie sah ihn erstaunt aus den Augenwinkeln an, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden. Sie wollte sein kleines entzückendes Spiel mitspielen.
„Was heißt Experiment?“ fragte sie misstrauisch flüsternd und hob eine Braue an.
„Na gut, lass es mich anders sagen. Hattest du in deinem Leben schon mal richtigen, ausgelassenen Spaß?“ Nein, wahrscheinlich eher nicht, dachte sie und schüttelte dann zögernd den Kopf. Sie war jetzt neugierig geworden, was er mit ihr vorhatte.
„Na dann will ich dir was zeigen. Komm schon, es wird dir bestimmt gefallen!“ sagte er drängender und sie konnte seine Aufregung spüren. Eine freudige Erwartung machte sich auch in Aurelia breit und ihr Herz begann fröhlich mit den Schmetterlingen zu flattern. Sie nickte und Pareios ging daraufhin zu Viktor, um mit ihm einen kurzen Wortwechsel zu führen. Viktor sah Aurelia abschätzend an, dann stimmte er zu, dass sie gehen durften. Es tat ihm wohl immer noch ein wenig leid, wie er sich jetzt ihr gegenüber benahm, so rücksichtslos.
Pareios kam wieder zu ihr herüber. „Ok, pass auf, du ziehst dir jetzt was Normales an. Ausgehtauglich! Und bequeme Schuhe wären bestimmt auch nicht schlecht! Wir treffen uns in 10 Minuten vorm Fahrstuhl!“
Verwirrt, aber mit teenagerhafter Erregung verließ sie das Männerzimmer. Die Schmetterlinge in ihr tanzten wie wild und ließen sie beinahe dahin schweben. An der Tür fiel ihr ein, dass sie nicht die geringste Ahnung hatte, was ausgehtauglich bedeutete, aber da musste sie jetzt wohl oder übel alleine durch.






Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15 Teil 16 Teil 17 Teil 18 Teil 19 Teil 20 Teil 21 Teil 22 Teil 23 Teil 24 Teil 25 Teil 26 Teil 27 Teil 28 Teil 29 Teil 30 Teil 31 Teil 32 Teil 33 Teil 34 Teil 35 Teil 36 Teil 37 Teil 38


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz