Teufelskreis - Teil 12

Autor: Sahraa.
veröffentlicht am: 10.07.2012


Das Krankenhaus war nicht sehr voll. Es roch nach Desinfektionsmitteln und Trauer. Ich ging langsam den langen Gang entlang und starrte dabei aus den Fenstern. Draußen regnete es in Strömen. Wenn das die ganze Nacht so weiter ging würde das Glatteis geben. Ich hasste Regen und Schnee. Und die Mischung aus beidem nur noch mehr.
Ich bog um die Ecke und nahm den Fahrstuhl um nach oben zu fahren.
Die Notaufnahme war im 11.Stock. Meine Mutter lag dort oben und ich wollte sie jetzt endlich sehen. Ich schämte mich ein bisschen das ich sie gestern noch nicht besucht hatte,aber auch nur ein bisschen.
Es würde ihr egal sein,Hauptsache sie hatte jemanden zum reden.
Wenn sie schon wach war...
Der Aufzug hielt mit eine kleinen Ruck an,der mich aus meinen Gedanken riss.
Viele Zimmertüren standen weit offen ud ich musste mich bemühen nicht so sehr hinein zu starren.
Die Menschen die darin lagen sahen nicht gerade so prickelnd aus.
Ich ging an die Info und fragte wo ich Frau Berger finden könnte. Die Frau schickte mich zu Zimmer 9 warnte mich aber nicht laut zu sein.
Ich runzelte die Stirn. Warum um Himmels Willen sollte ich hier rumschreien?
Ich klopfte an Zimmertür 5 und wartete kurz. Niemand antwortete.
Okay sie schlief.
Ich drückte langsam die Türklinke herunter und trat ein.
Hier roch es noch schlimmer als auf dem Gang bemerkte ich leicht angewidert.
Alles in weiß,kaltem weiß. Die Farben passten eigentlich immer perfekt zu der Stimmung der Patienten und Angehörigen in der Notaufnahme.
Meine Mutter war die einzige in diesem Zimmer. Sie lag da wie ein Häufchen elend. In ihrem Armen waren Nadeln und Schläuche. Sie hatte einen Verband um ihren Kopf,genauso wie um ihre Hand.
Ich ging langsam auf sie zu. Sollte ich sie ansprechen? Ich wusste nicht was man jetzt tat. Ich war in meinem ganzen Leben noch nie im Krankenhaus gewesen. Darüber könnte man ja froh sein,wenn man die Tatsache übersieht das ich trotz schlimmen Verletzungen noch nie im Krankenhaus gewesen war. Wir hatten kein Geld für eine richtige Behandlung also ließen wir meine gebrochene Rippe einfach von selbst heilen. Es waren höllische Schmerzen aber mein Vater hatte immer gesagt das ich ihn jetzt wenigstens nichts kosten würde.
Ja, dieser Mann war schrecklich,aber was hätte ich mit neun Jahren da schon sagen können? Da traut man sich noch nicht so zu wiedersprechen wie heute.
Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich neben ihr Bett.
Sollte ich ihre Hand nehmen? Das hatte ich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr getan. Seit meinem elften Lebensjahr ließ ich sie nicht mehr an mich heran. Ich baute eine Mauer auf die mich von ihr abschirmte und mich beschützte. So konnte ich nicht mehr von ihr verletzt werden,dachte ich zumindest.
In mir kamen alte Erinnerungen hoch die ich dachte schon längst vergessen zu haben, ich dachte das sie nicht mehr schmerzen würden. Na Ja...falsch gedacht würde ich mal sagen.
„Mama?“,fragte ich zaghaft.
Sie öffnete leicht die Augen und wandte ihren Kopf in meine Richtung.
„Katie?“,fragte sie verwundert.
„Wo warst du? Ich habe mir Sorgen gemacht“
Ah ja... das konnte sie dem Weihnachtsmann erzählen,aber nicht mir.
„Wie geht’s dir?“,fragte ich stattdessen.
Sie lächelte mich leicht an. „Den Umständen entsprechend ganz gut“,krächzte sie.
„Du weißt doch das du mich nicht anlügen kannst,gab ich zurück.
Sie lächelte wieder und sagte: „Ja stimmt. Ich fühle mich miserabel aber was macht das schon? Weißt du wie fiel das hier kostet? Dafür muss ich ein Jahr lang extra Schichten arbeiten“,seufzte sie.
„Nur sechs Monate“
„Was?“
„Ich habs schon ausgerechnet. Mir war klar das du das als erstes fragen würdest“
Sie sah mich lange an und machte dann wieder ihre Augen zu.
Weißt du wo dein Vater ist?“,brachte sie dann nach ein paar Minuten des Schweigens heraus.
Ich zuckte leicht zusammen,schüttelte aber den Kopf.
Das war ein heikles Thema. Ich durfte nicht zu schlecht über ihn reden,sonst würde ich es noch bereuen. So sagte das meine Mutter immer.
„Du musst dich von ihm trennen“,brach es aus mir heraus.
Sie sah mich wütend an.
Na toll! Gerade das wollte ich doch vermeiden.
„Katie,dein Vater ist ein guter Mensch,es liegt an dem Alkohol nicht an ihm“,wies sie mich zurecht.
„Wo ist da der Unterschied?“,konterte ich wütend.
„Ich werde mich nicht von ihm trennen. Er braucht mich jetzt. Er hat auch eine schwere Zeit“
„Du warst doch immer für ihn da,und er dankt es dir in dem er dir ne Flasche überbrät und dich in unserer Wohnung liegen lässt! Du weißt das er nicht mehr zurückgekommen wäre um nach die zu sehen“,schrie ich jetzt schon fast.
Wow,die Frau an der Info hatte doch recht gehabt.
Ob sie wohl Gedanken lesen konnte? Ich schüttelte diesen dummen Gedanken ab und stürmte aus dem Zimmer.
Ich würde sie nicht mehr besuchen,so viel war sicher.





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