Das Leben und andere Rätsel

Autor: Becky
veröffentlicht am: 07.06.2012


Hallo an alle. Ich hoffe euch gefällt meine erste Geschichte und ich würde mich sehr über Kommentare und Kritik freuen.
:)


1.

„Mum, wo ist meine graue Hose?“
Ich hasse es, wenn sie mir nicht antwortet.
„Mum?“
Wie üblich höre ich nichts als Treppengetrampel und im nächsten Moment kommt meine Jeans durch den Türspalt geflogen – landet unsanft auf dem Laminat. Den Dank verkneife ich mir.
Mein Koffer ist voll, doch diese Hose kann ich nicht hier lassen. Nach kurzem Zögern gelingt es mir die Dinge in meiner Tasche bis zum Anschlag hinunter zu pressen und gleichzeitig mit dem Fuß meine Jeans vom Boden in die Tasche zu heben – Mum würde sagen, ich mache alles zu umständlich, ich nenne es ‚Ideenreichtum’. Nachdem auch die letzten Zentimeter des Reisverschlusses mühsam zugezogen sind, lasse ich mich auf mein Bett fallen. Der unfreiwillige Blick auf die Uhr macht mir noch einmal deutlich, dass ich viel lieber schlafen würde, doch Mama hat ihre Traditionen. So machen wir uns stets noch vor Mitternacht auf den Weg nach Ungarn, zu unserer Ferienwohnung, denn Mum ist der Meinung, man sollte auch den ersten Urlaubstag von morgens bis abends voll ausnutzen.
Normalerweise habe ich mich immer auf den Urlaub gefreut, doch dieses Mal ist es anders. Es kommt mir vor wie ein Trostpflaster, dass wir diese Woche noch zusammen verbringen. Es ist der Abschiedsurlaub, bevor ich in dieses schöne Internat am Arsch der Welt ziehe. Es ist ja nicht unfreiwillig, aber ganz so schön finde ich den Gedanken nach wie vor nicht.
„Johanna, denkst du bitte daran, dass ich warte? Wir wollen los.“
Wie ich es hasse, wenn sie mich so nennt.
„Ich komme schon.“ Ich versuche möglichst freundlich zu klingen, denn ich denke, es würde mir geistig nicht gut tun, mich in einem kleinen stickigen Auto, zehn Stunden lang mit ihr anzuschweigen, weil sie wütend ist. Sie hasst es nämlich, während der Fahrt zu diskutieren. Sie bevorzugt die Taktik: ‚Ich zeige dir so lange die kalte Schulter, bis du all deine Sünden gestehst’.
Bevor ich das Zimmer verlasse schaue ich mich noch einmal um. Es stehen schon überall kleine Kartons, die ich mir gepackt habe für meinen Auszug. Ich hoffe es ist genug Platz in den Zimmern dort. Auf meinem Nachttisch steht immer noch das Foto von Dad. Ich weiß nicht warum ich es noch immer nicht weggetan habe, denn er hat sich seit seinem Auszug vor vier Monaten nicht einmal bei mir gemeldet. Er hat es nicht verdient auf meinem Nachttisch zu stehen. Gereizt schiebe ich den Rahmen in das offene Schubfach und drücke es entschlossen mit dem Knie zu.
„Johanna!“
„Ja doch, ich komme…“






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