Stiefbrüder küsst man nicht - Teil 16

Autor: Raindrop
veröffentlicht am: 10.07.2012


Das konnte nicht sein, ging es Jennifer durch den Kopf. Er kann ihr doch nicht sagen, dass er in sie verliebt war und dann losziehen und mit ihrer besten Freundin schlafen. Rückwärts stolperte sie aus dem Zimmer und schloss hinter sich die Tür. Sie lief durch den Flur, die Treppe runter, durch die Eingangshalle und raus in den Garten. Doch auch hier war der Abstand, den sie von Josh brauchte nicht groß genug. Sie lief in die Einfahrt und dann auf die Straße raus. Sie lief weiter bis ihr die kalte nächtliche Luft in den Lungen brannte und ihre Beine nicht mehr konnte. Als sie stehen blieb, war sie bereits drei Straßen von ihrem Haus entfernt. Jennifer warf ihren Kopf in den Nacken und schnappte nach Luft. Tränen brannten auf ihren Wangen, liefen runter und tropften von ihrem Kinn, aber sie störte sich nicht daran. Die Tränen würden irgendwann trocknen, aber wird der Schmerz im Inneren je vergehen, fragte sie sich. Der Schmerz war so stark, dass er Jennifer den Boden unter den Füssen wegriss und sie auf den Asphalt fiel. Sie schluchzte und wusch sich die Tränen weg, aber sie kamen immer wieder.
“Nein.” - flüsterte sie vor sich hin. “Nein.” - wiederholte sie.
Nach wenigen Minuten rappelte Jennifer sich auf und ging durch die von den Laternen hell erleuchteten Straßen. Sie wollte nicht nach Hause, den dort war Josh und mit ihm auch der Schmerz.
Wie konnte er nur? - fragte sie sich. Sie hat ihn ungerecht behandelt, aber warum musste er ihr das so heimzahlen.
Es war bereits 5:00 Uhr morgens als die Sonne langsam am Horizont aufging und Jennifer müde und ausgelaugt, vom vielen Weinen und Laufen, wieder in die Einfahrt ihres Elternhauses einbog. Als sie die Tür, die sie vorhin nicht abgeschlossen hatte, aufstieß, kam Sarah die Treppe runter gerannt. Ihr Haar war zersaust und sie zog sich noch schnell ihre Jacke an.
“Oh Jennifer.” - meinte sie mit großen Augen.
“Ich habe euch gesehen.” - entgegnete Jennifer mit einer dunklen Stimme.
“Na dann.” - sagte Sarah nur leichthin und lächelte Jennifer vielsagend an. “Dann brauche ich dir nichts vorzulügen.” - fuhr sie fort.
“Wie konntest du bloß?” - sprach Jennifer ihre beste Freundin an. Sarah blieb ihr gegenüber stehen und sah sie direkt an. Sie lachte laut und hässlich auf. Ein grausiger Schauer lief Jennifer den Rücken runter, so kannte sie Sarah nicht.
“Genauso wie ihr mich die ganze Zeit wie Luft behandelt habt.” - sagte Sarah nur dazu. Fassungslos über die Worte ihrer Freundin konnte Jennifer kein Wort sagen. “Paris, Cortney und Du habt euch immer für was besseres gehalten.“ - Jennifer konnte den Hass fast fühlen, den Sarah ihr entgegenbrachte. “Du wusstest doch, dass ich Josh mochte und trotzdem hast du dich an ihn rangemacht.” - warf Sarah ihr vor.
“Das stimmt nicht.” - entgegnete Jennifer und schüttelte mit dem Kopf. “Ich wusste gar nicht, dass er in mich verliebt ist.” - erklärte sie.
“Aber sicher.” - glaubte Sarah ihr nicht. “Wie er sich um dich bei der Party gekümmert hat, da hätte es auch Blinder mit dem Krückstock mitbekommen, dass er dich liebt. Du hast dich auch noch an ihn geschmiegt, als er dich ins Bett getragen hat.” - sagte Sarah und sah Jennifer angewidert an. “Keine Rücksicht hast du auf meine Gefühle genommen.” - stichelte sie.
“Und deshalb hast du gelogen?” - wollte Jennifer wissen, sie konnte es immer noch nicht fassen.
“Ja.” - sagte Sarah nur dazu. “Wenn ich ihn nicht haben durfte, dann du erst recht nicht.” - erklärte sie.
“Du miese Schlampe.” - meinte Jennifer nur mit vor Verachtung zusammengekniffenen Augen. Erneut lachte Sarah nur auf.
“Ich bin eine miese Schlampe?” - sie sah Jennifer mit hochgezogenen Augenbrauen an. “Du hast ihm das Herz gebrochen.” - machte sie Jennifer klar und deren Herz zog sich schmerzhaft zusammen. “Ich habe ihn getröstet und glaub mir, nach dieser Nacht will er eh nichts mehr von dir.” - stellte Sarah klar und erneut verzogen sich ihre Lippen in einem selbstzufriedenen Lächeln. “Du weiß gar nicht, wie stark seine Arme sind und wie heiß seine Küsse und Berührungen.” - sagte Sarah und ihre Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Tränen traten in Jennifers Augen. “Wie er mir die Kleider vom Körper gerissen hat, oh mein Gott.” - meinte Sarah und stöhnte auf.
“Halt deine Schnauze.” - befahl Jennifer ihr mit einer bebenden Stimme. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und vor rasender Wut zitterte sie am ganzen Körper.
“Er hat mich geküsst, überall geküsst.” - verriet Sarah weitere Einzelheiten ihrer mit Josh verbrachten Liebesnacht. Sie lächelte, als sie sah wie Jennifer Tränen über die Wangen liefen. “Und dann …” - doch bevor sie diesen Satz zu Ende sprechen konnte, holte Jennifer aus und gab ihr eine laute Ohrfeige.
“Halt deinen Mund!” - schrie sie Sarah an, die sich die rote Wange hielt und Sarah mit Augen voller Angst ansah. “Und jetzt hau einfach ab.” - meinte Jennifer und schob sie aus der Tür, dann lehnte sie sich an diese.
“Aber vielleicht komme ich ja wieder, falls Josh noch mehr will.” - hörte sie Sarahs gedämmte Stimme hinter der Tür.

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“Hau ab!” - schrie Jennifer ihr zu und hämmerte mit den Fäusten auf das dunkele Holz, um Sarahs Lachen zu übertönen, dann wurde es still.
Sie ließ sich an der Tür auf den Boden gleiten und weinte. Ihre Fantasie nahm Sarahs Worte als Ansporn und drehte in Jennifers Kopf immer wieder kehrenden Bilder, von Josh und Sarah in seinem Zimmer.
Immer wieder musste Jennifer mitansehen, wie Josh Sarah küsste, auf den Mund und am Hals.
Immer wieder zog er sie aus und liebkost ihren nackten Körper.
Immer wieder lagen sie eng aneinandergeschlungen in Joshs Bett.
“Hör auf.” - bat Jennifer, kniff ihre Augen zusammen und bedeckte ihre Ohren. Doch ihrer Vorstellungskraft konnte sie nicht entfliehen. “Bitte.” - bat sie und rollte sich auf dem Boden zusammen. “Bitte aufhören.” - flehte sie immer wieder und immer leiser, dann fiel sie in Ohnmacht.

“Jennifer” - hörte sie aus der Ferne die Stimme ihres Vaters nach ihr rufen. “Schatz.” - seine Stimme wurde immer lauter und langsam öffnete sie ihre Augen.
“Was? … Wo bin ich?” - fragte sie und sah sich um. Sie war in ihrem Zimmer, in ihrem Bett. Ihr Vater saß auf ihrer Bettkante und hielt ihre Hand in seiner. Elinore stand an seiner Seite und beide sahen sehr besorgt aus. “Was ist passiert?” - fragte sie die beiden.
“Das wissen wir auch nicht so genau.” - meinte Elinore. “Wir kamen heute gegen 10:00 Uhr nach Hause und haben dich ohnmächtig und fiebrig vor der Tür vorgefunden.” - erzählte sie und Jennifer kamen die Erinnerungen wieder.
Sarah und Josh zusammen im Bett. Sie biss sich auf die Lippen und drehte sich zur Wand.
“Was ist los?” - fragte ihre Vater und streichelte ihr die Hand.
“Ich habe mich gestern den ganzen Tag nicht so wohl gefühlt.” - log sie ohne ihn anzusehen. “Kann … kann ich alleine bleiben.” - bat sie. Sie vernahm aus dem Augenwinkel wie Elinore und ihr Vater sich besorgte Blicke zuwarfen. “Ich verspreche auch, nicht mehr in Ohnmacht zu fallen.” - sagte sie an die beiden gewandt und lächelte schwach.
“Okay.” - meinte Jennifers Vater und lächelte ebenfalls. “Aber falls du was brauchst, dann rufe einfach.” - fügte er hinzu und küsste sie auf die Stirn. Er stand auf und ging zur Tür.
“Ich bringe dir dann später das Mittagessen rauf.” - sagte Elinore und tätschelte liebevoll Jennifers Schulter, dann folgte sie ihrem Mann aus Jennifers Zimmer.
Jennifer blieb alleine und musste immer wieder an gestern denken und das riss die Wunden wieder auf, wieder blutete ihr das Herz.
Wie konnte sich ihr Leben in einigen Tagen so verändern?
Wie konnte man in einigen Tagen einen Menschen lieben und ihn verlieren?
Wie konnte man in einigen Tagen die beste Freundin verlieren?
Sie fragte sich das immer wieder, doch die Antworten blieben von ihr verborgen.
Den ganzen Sonntag verbrachte sie im Bett. Sie reagierte nicht auf Gabes Anrufe und widmete sie ganz ihren traurigen Gedanken, in der Hoffnung, die würde irgendwann verblassen. Doch je mehr Jennifer über alles nachdachte, desto dramatischen wurde es.
Ein Klopfen an ihre Zimmertür ließ sie aufhorchen und sie wusch sich schnell die Tränen weg.
“Ja.” - rief sie und Elinore kam rein mit einem Tablett rein.
“Ich habe dir eine Suppe gekocht.” - sagte Jennifers Stiefmutter und schloss hinter sich die Tür.
“Eigentlich habe ich gar keinen Hunger.” - meinte Jennifer und setzte sich im Bett hin.
“Du musst aber was essen.” - sagte Elinore und stellte das mitgebrachte Tablett auf Jennifers Schoß. “Nur ein paar Löffel.” - bat sie und Jennifer tat ihr auch den Gefallen. Sie spürte wie die Hühnerbrühe in ihren Magen floss und dieser sich umdrehte.
“Ich bin satt.” - meinte sie dann und legte den Löffel bei Seite. Skeptisch sah Elinore von dem Teller mit der Suppe zu Jennifer und wieder zurück.
“In Ordnung.” - gab sie aber klein bei. “Kommst du dann zum Abendessen runter?” - fragte sie und nahm das Tablett wieder an sich.
“Ich weiß nicht.” - meinte Jennifer unentschlossen.
“Okay.” - sagte Elinore und ging mit dem Tablett zur Tür.
“Elinore.” - rief Jennifer nach ihr. Sie wollte mit jemandem reden und ihren Kummer von der Seele reden. “Kann ich mit dir reden?” - fragte sie zögerlich.
“Aber klar.” - sagte Elinore und stellte das Tablett auf Jennifers Schminktisch. Sie kam zurück und setzte sich auf Jennifers Bett. “Was hast du auf dem Herzen?” - fragte sie und sah Jennifer aufmerksam an.
“Also.” - stotterte Jennifer und wusste gar nicht, wie sie anfangen sollte. “Es gibt da einen Jungen.” - sagte sie vorsichtig. Sie wollte Elinore auf keinen Fall verraten, dass es sich dabei um Josh handelt.
“Gabe.” - sagte Elinore dazu.
“Nein. Einen andren.” - verneinte Jennifer. “Also dieser Junge hat mir gesagt, dass er in mich verliebt ist.” fuhr sie fort. Sie erzählte Elinore die ganze Geschichte, auch von Sarahs Verrat, ohne dabei jedoch Joshs Namen zu erwähnen. “Und nun weiß ich nicht, was ich machen soll.” - beendete sie und biss sich auf die Unterlippe, um die aufkommenden Tränen zu unterdrücken.
“Hmm.” - meinte Elinore und sah einen kurzen Augenblick irritiert an. “Das ist alles ganz schön verzwickt.” - sagte sie dann. Jennifer nickte dazu nur. “Nun, ich denke mal du solltest vielleicht mit diesem Jungen sprechen.” - schlug Elinore ihr vor. “Vielleicht war alles nur ein Missverständnis.” - sagte Jennifers Stiefmutter. “Ich weiß ansonsten nicht, was ich dir noch raten soll.” - meinte sie dann und stand auf.
“Danke, dass du mich angehört hast.” - sagte Jennifer als ihre Stiefmutter an die Tür ging. Elinore nahm das Tablett und blieb kurz stehen. Sie sah Jennifer an.
“Jennifer.” - sagte sie und diese sah sie an. “Handelt es sich bei diesem Jungen um Josh?” - fragte sie für Jennifer ganz unerwartet. Jennifers Herz sprang ihr fast aus der Brust.
“Was?” - stotterte sie. “Woher …” - doch sie brach ab. Ihr wurde klar, dass sie sich mit dem ersten Wort bereits verraten hatte.
“Ihr denkt wohl, wir leben auf dem Mond, was?” - meinte Elinore und lächelte Jennifer unsicher an. “Ich bekomme viel mehr mit, als ihr beide denkt.” - fuhr sie fort. “Mir ist nicht entgangen, dass ihr euch in letzter Zeit gar nicht mehr zankt und diese Blicke am Tisch, sagen mehr als tausend Worte.” - sagte sie weiter. “Ich habe doch Recht? Dieser Junge ist Josh.” - meinte sie dann.
“Ja.” - flüsterte Jennifer nur und sah auf ihre Hände in ihrem Schoss.
“Dachte ich mir schon.” - Elinore nickte nur. “Ich werde mit Josh sprechen.” - schlug sie vor und Jennifer schrak hoch.
“Nein, bitte nicht.” - bat sie Elinore. “Ich möchte nicht, dass er weiß, dass ich mit dir darüber gesprochen habe.” - meinte sie dann und sah ihre Stiefmutter flehend an. Sie sah nur zurück und Jennifer konnte ihren Blick nicht deuten.
“Okay, aber dann musst du selbst mit ihm alles klären.” - gab Elinore nach. “Ich möchte in diesem Haus kein doppeltes Liebeskummer oder Saufgelage.” - meinte sie dann und ging jetzt zur Tür. “Ich muss Josh auch seine Suppe bringen, er hängt schon seit Stunden über der Kloschüssel.” - sagte sie vor sich hin und verließ Jennifers Zimmer.
In der Stille konnte Jennifer das Schlagen ihres Herzens so laut hören, dass es in den Ohren wehtat. Sie wusste nicht ,dass es so offensichtlich für die Außenstehenden war, dass es zwischen Josh und ihr etwas gab. Sogar Elinore hatte es mitbekommen, und vielleicht auch ihr Vater, dachte Jennifer erschrocken.
Sie hoffte nur, dass Elinore ihr Wort hielt und Josh von ihrer Unterhaltung nichts erzählen würde. Elinore hatte auch recht, Jennifer musste mit Josh sprechen, um alles zu klären und zu weitermachen.
`Aber nicht heute.` - dachte sie müde und ließ sich wieder in ihre Kissen sinken.


Fortsetzung folgt ...





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