Stiefbrüder küsst man nicht - Teil 2

Autor: Raindrop
veröffentlicht am: 06.06.2012


Noch bevor der Tag anfing, schrieb Jennifer ihn schon ab. Nach dem misslungenem Frühstück schlüpfte sie in einen ihrer zahlreichen Bikinis und legte sich an den Pool zum Bräunen. Doch schon nach wenigen Minuten fühlte sie sich wie auf einem Präsentierteller. Hinter ihrer verdunkelten Brille sah Jennifer, wie die Möbelpacker sie angafften.
“Widerlinge.”- flüsterte sie vor sich hin und knirschte genervt mit den Zähnen. Sie ärgerte sich über Josh, die Möbelpacker, Josh, die Hochzeit, Josh.
Als dann noch einer der Arbeiter vor lauter Gafferei einen Stapel Stühle in den Pool fallen ließ, gab es Jennifer den Rest. Ihr Geduldsfaden war ohnehin nicht besonders dick, doch heute wurde er besonders strapaziert. Sie nahm ihre Zeitung, die sie hätte lesen wollen, den das Aus zwischen Angelina und Brad interessierte sie brennend und ging zurück in ihr Zimmer und wurde von enttäuschten Pfiffen der Möbelpacker begleitet.
“Blöder Josh”. - schimpfte Jennifer über ihren Bruder in spe. Natürlich war auch ihr klar, dass er nicht alleine Schuld an ihrer miesen Laune trug, aber jemand musste doch dafür Verantwortung übernehmen und da Josh als erster an dem Geduldsfaden gezogen hat, musste er es sein.
Mit einem lauten Schnauben ließ Jennifer sich auf ihr Bett fallen und vergrub ihr Gesicht in den zahlreichen bunten Kissen, die ihr Bett verzierten und jeden Morgen von Stina, der Haushälterin auf dem Kopfende ihres Bettes platziert wurden. Müsste Jennifer ihr Zimmer selbst aufräumen, würde sie sich wahrscheinlich mit einem Schlafsack als Einrichtung arrangieren können. Aber da diese Aufgabe ihr abgenommen wurde, kaufte sie sich fast jede Woche neues Deko für ihr Zimmer.
Vielleicht sollte sie shoppen gehen, schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf, der sie etwas aufmunterte. Shoppen war immer gut gegen schlechte Laune und außerdem brauchte sie etwas neues und aufregendes zum Anziehen für die Party an Montag. Noch ein Gedanke, der Jennifers Laune einen Schubs in die positive Richtung gab.
Bevor Jennifer sich aufrappeln konnte, klingelte ihr Handy auf dem Nachttisch. Sie rollte sich auf den Rücken, strich sich das Haar aus dem Gesicht und griff nach dem Handy, das das Lied von Flo Rida zum Besten gab.
“Hi Sarah”. - begrüßte sie ihre beste Freundin auf dem anderen Ende der Leitung. Noch bevor Sarah ein Wort der Begrüßung entgegnen konnte, fragte Jennifer: “Hast du Lust shppen zu gehen?”
“Hey.” - sagte Sarah und sofort merkte Jennifer, dass Sarah etwas geknickt klang. “Auf Shoppen habe ich echt keine Lust.” - meinte sie und Jennifer stockte der Atem. Sarah, die ein allbekannter Shoppaholic war, lehnte so einen Vorschlag ab.
“Was ist los?” - fragte Jennifer und setzte sich auf in Erwartung einer katastrophalen Nachricht.
“Die Party fällt aus.” - sagte Sarah und Jennifers Herz setzte einen Schlag aus. Das war doch ein Horror. Keine abschließende Sommerparty vor dem Schulbeginn. “Mein Vater hat meine Kreditkartenrechnung bekommen und ich sage es mal so, he was not amused. Dass die Nachbarn keine Polizei bei seinem Geschrei gerufen haben, wundert mich schon.” - erklärte sie mit zitternde Stimme.
“Ich berufe die Notkonferenz.” - sagte Jennifer ernst. “Wir treffen uns in 30 Minuten bei `Angelo`”. - fügte sie hinzu und ohne sich zu verabschieden legte sie auf. Sie schrieb Cortney und Paris, ihren nächsten Freundinnen jeweils eine SMS und zog sich an.
Jennifer nahm ihre Handtasche aus ihrem begehbaren Kleiderschrank und überprüfte sie auf ihren Inhalt. Sie warf noch ihr Handy rein und schnappte nach ihren Autoschlüsseln auf dem Schminktisch.
Vor der Garage wartet ihr silberner Audi A8, wie ein gehorsamer Hund auf sie. Jennifer liebte dieses Auto, was auch Tony Stark in Iron Man fuhr. Nachdem sie diesen Film gesehen hatte, hatte sie ihren Vater so lange bearbeitet, bis er ihr dieses Auto gekauft hatte.
Jennifer setzte sich rein und fühlte das geschmeidige Leder und nahm den Geruch desselben wahr. Sie startete den Motor und legte den Rückwärtsgang ein und fuhr rasch aus der Ausfahrt. Als sie auf die Straße kam, hupte schon das Auto, was sie gerade ausgebremst hatte. Jennifer öffnete das Fenster und streckte die Hand mit dem Mittelfinger raus.
“Kannst mich mal.” -sagte sie noch, ohne sich einer Schuld bewusst zu sein und fuhr los.
Während der Fahrt kramte sie in ihrer Tasche nach einem Lipgloss und erntete noch mehr Gehupe, was sie jedoch nicht weiter wahrnahm. Sie zog sich die Lippen nach und überfuhr eine rote Ampel, was nur noch mehr Fahrer zum verärgerten Hupen brachte. Bei der nächsten Ampel wurde sie wegen zu schnellem Fahren geblitzt, doch machte sich nicht draus. Geradezu wöchentlich rieselte es Strafzettel für Jennifers Fahrweise. Ihr Vater meckerte zwar darüber, aber Jennifers schaltet dann auf Durchzug, entschuldigt sich nach seiner Predigt und gelobt Besserung.
Nach 20 Minuten kam sie am Einkaufszentrum an, parkte ihr Auto davor auf einem Behindertenparkplatz, der als einziger frei war. Zwei Strafen an einem Tag war auch keine Seltenheit. Es war ein Notfall, ihr Vater wird es schon verstehen, da war sich Jennifer sicher.
Jennifer schlug sich ihre Handtasche um die Schulter und schritt durch die Tür des Einkaufszentrums, wo sich auf der zweiten Etage das Eiscafe `Angelo` befand. Sie stellte sich auf die Rolltreppe und schon sah sie Sarah an einem der Tische sitzen, Cortney und Paris waren noch nicht da.
“Was für ein Alptraum.” - sagte Jennifer zu Begrüßung und gab ihrer Freundin jeweils einen Kuss auf die rechte und linke Wange.
“Das kannst du wohl laut sagen.” - antwortet Sarah bloß und ließ sich wieder in dem Stuhl zurückfallen.
“Gibt es da gar keine Möglichkeit, deinen Vater noch rumzukriegen?” - fragte Jennifer um sich durch diese Information die weitere Vorgehensweise zu überlegen.
“Ich denke nicht.” - meinte Sarah nur und schüttelte mit dem Kopf. “Ich habe Angst ihn anzusprechen und laufe nur noch auf Zehnspitzen durch das Haus. Diesmal habe ich das Fass zum Überlaufen gebracht.” - fügte sie hinzu und nippte an ihrem Milchshake.
“Was hast du überzogen?” - wollte Jennifer wissen und ließ sich neben Sarah auf den Stuhl fallen.
“1000 Dollar.” - antwortete Sarah und Jennifer zog scharf die Luft an.
“Na gut. Da ist wirklich nichts mehr zu machen.” - kam sie zu dem Schluss.
“Ich werde sicherlich enterbt.” - meinte Sarah nur weinerlich dazu. Jennifer legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter.
Jennifer kannte dieses Problem auch und konnte Sarahs Angst ganz nachvollziehen. Auch sie hatte schon mal öfters ihre Kreditkarte überzogen, aber nur um einige Dollar. Ihr Vater war zwar nicht so begeistert, zog es von ihrem Taschengeld für den nächsten Monat ab, aber damit war die Sache auch schon erledigt. Aber bei einem Taschegeld von 500 Dollar im Monat konnte Jennifer es verkraften. Sie wusste aber auch, dass Sarahs Vater da nicht so locker drauf war wie ihr eigener.
Doch bevor Jennifer sich noch mehr Sorgen und Gedanken machen konnte, stießen Paris und Cortney zu ihnen.
“Was ist passiert?” - fragte Cortney und setzte sich Jennifer gegenüber. Sie beiden mochten sich nicht sonderlich, aber sie tolerierte einander. Paris setzte sich neben Jennifer und alle beide sahen Jennifer fragend an.
“Sarah hat Scheiße gebaut.” - sagte Jennifer nur und erntete von ihrer Freundin einen vorwurfsvollen Blick. “Ist doch wahr.” - meine sie nur schulterzuckend dazu. “Die Party am Montag fällt aus”. - informierte sie Cortney und Paris, die genauso reagierten wie Jennifer selbst. Cortneys Augen weiteten sich vor Entsetzen aus und ihre Kinnlade fuhr runter. Paris legte sich eine Hand auf die Brust.
“Wie? … fällt aus?” - fand Paris als erste ihre Sprache wieder.
“Sarahs Vater hat es verboten und es ist unmöglich ihn umzustimmen.” - sagte Jennifer dazu.
“Ich habe mir schon ein neues Kleid gekauft. Zwei Monate Taschengeld hat es mich gekostet.” - sagte Paris und beim letzten Satz sah sie Sarah nur vorwurfsvoll an, die in ihrem Stuhl nur tiefer rutschte.
“Das habe ich auch. Einen Termin bei Partice habe ich auch.” - stimmte Cortney ein. “Wisst ihr, wie lange man auf einen Termin bei ihm warten muss?” - fragte sie. “Drei Monate.” - beantwortete sie ihre Frage selbst und auch sie strafte Sarah mit einem Blick voller Vorwürfe. Sarah wurde in ihrem Stuhl noch kleiner.
“Jetzt ist das Kind schon in den Brunnen gefallen.” - meinte Jennifer. “Nun, müssen wir als die Mitglieder der Cheerleadermannschaft überlegen, wie es weiter geht.” - sagte sie und schaute in die Runde. “Paris?” - wandte sie sich ihrer Freundin zu.
“Ich habe keine Ahnung. Und warum fragst du mich als erstes. Ich weiß nicht.” - brabbelte diese nur irritiert. Jennifer hat von ihr eigentlich auch nichts anderes erwartet. Paris war erst seit einem Jahr in der Cheerleadermannschaft und war eher eine Mitläuferin als ein aktives Mitglied, das was zu sagen hatte.
Fragend wand sie sich jetzt Cortney zu.
“Ich habe auch keine Ahnung. Es ist alles zu kurzfristig.” - antwortete diese und drehte sich eine Locke auf ihren Zeigefinder. Jennifer hasste diese Eigenschaft an ihr. Am liebsten würde sie ihr den Zeigefinder anreißen. Sie atmete tief durch und ließ ihr Gehirn arbeitet. Wie immer lastete alles auf ihr, dachte sie verärgert und doch etwas stolz.
“Wir könnten Hannah fragen.” - schlug Jennifer nach einigen Minuten der Überlegung vor und alle drei ihrer Freundinnen stöhnten auf. Hannah war eine Außenseiterin und würde alles tun, nur um von ihrer Clique wahrgenommen zu werden. “Ich weiß, aber es ist ein Notfall.” - machte sie ihren Freundinnen klar, doch stieß auf kein Verständnis. “Ich kann auch nicht zaubern.” - wehrte sie sich genervt. “Fragt mal Sarah, ob sie das kann.” - machte sie und warf der Schuldigen an dieser Miesere einen gehässigen Blick zu. Von Sarah war jetzt nur noch der Kopf über den Tisch zu sehen. Einige Minuten schwiegen alle vier.
“Sag` mal Jennifer, fahren nicht dein Vater und seine Neue am Sonntag nach Hochzeit für eine Woche weg?.” - wollte Cortney wissen und jetzt stand Jennifer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit ihrer Freundinnen. Jennifer lief es kalt den Rücken runter und sie schluckte schmerzhaft. Davor hatte sie Angst.
“Ist doch super.” - sagte Sarah dazu und kam wieder hoch.
“Es geht nicht.” - meinte Jennifer nur dazu.
“Warum nicht?” - wollte Sarah wissen.
“Erlaubt es deine Daddy nicht?” - fragte Cortney und lächelte gehässig.
“Nein.” - sagte Jennifer nur dazu, doch genauso war es. Ihr Vater erlaubte ihr so manches, doch so eine Party ohne Elternaufsicht war für ihn ein rotes Tuch. “Es ist nämlich so …” - meinte sie und überlegte fieberhaft. Was sollte sie als Ausrede bringen? Sie muss überzeugen. JOSH. “Mein Stiefbruder ist noch da.” - meinte sie. “Er ist eine echte Spaßbremse.” - fügte sie hinzu.
“Josh.” - sagte Sarah und ihre Augen leuchteten auf. “Er kann ja auch bei der Party dabei sein.” - fügte sie hinzu und lächelte über beide Ohren.
“Ja. Sarah hat recht.” - stimmte Paris zu.
“Also ist es beschlossen. Am Montag bei dir.” - fügte Cortney hinzu und lächelte in die Runde. “Ich muss dann los, eine Massage verschicken. Die Leuten müssen doch wissen, wo sie hingehen sollen.” - mit diesen Worten stand sie auf. “Bis Montag dann”. - verabschiedete sie sich und ging.
“Ja, ich muss auch dann los. Buy.” - sagte Paris und sprang aus. “Cortney nimm mich mit.” - rief sie ihrer davon schreitenden Freundin hinterher.
Nun blieben Sarah und Jennifer alleine. Jennifer schnaubte und ließ ihren Kopf auf den Tisch fallen.
“Du siehst aber nicht so begeistert aus.” - bemerkte Sarah. “Du hast die Sommerparty gerettet.” - machte sie ihrer Freundin klar.
“Hm.” - gab Jennifer nur von sich.
“Die letzte Sommerparty vor dem Abschluss.” - versuchte Sarah weiterhin ihre Freundin aufzumuntern.
“Mein Vater wird mich umbringen.” - meinte Jennifer nur mit belegter Stimme. “Er erlaubt keine Partys ohne Eltern.” - fügte sie hinzu. Mitfühlend streichelte Sarah ihr über den Rücken.
“Musst du es ihm sagen?” - wollte Sarah wissen. Bei diesem Gedanke hob Jennifer wieder den Kopf.
“Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.” - meinte sie und Sarah nickte nur zustimmend. So könnte es klappen. Bis ihr Vater und Elinore aus ihrem Kurzurlaub zurückkommen, ist die Party schon längst vorbei und die Spuren beseitigt. Da gab es noch einen Hacken. Josh.
“Was ist mit Josh?” - wollte sie dann von Sarah wissen und schnaubte.
“Rede mal mit ihm. Er hat vielleicht Verständnis.” - sagte Sarah unsicher.
“Ha.” - lachte Jennifer sarkastisch aus. “Er und Verständnis.” - sagte sie dann.
“Hast du eine andere Wahl?” - wollte Sarah nur wissen und erhob sich auch. Sie legte eine 5-Dollar-Note auf den Tisch. “Wir sehen uns.” - verabschiedete sie sich und küsste Jennifer auf beide Wange.
“Ja.” - sagte Jennifer nur zum Abschied.
Sie blieb noch einige Minute alleine am Tisch sitzen und überlegte sich, wie sie Josh überzeugen könnte, die Klappe zu halten. Vielleicht könnte sie ihn erpressen. Doch sie hatte nichts gegen ihn in der Hand. Sie könnte es auch mit der Bestechung versuchen. Sie wusste allerdings nicht, was für Josh so wichtig ist, dass er sie nicht an die Eltern verpfeift.
Es wäre doch einfacher ihm einen großen Stein an die Beine zu binden und ihn in den nächsten See werfen. Jennifer schnaubte wieder und machte sich langsam auf dem Weg zu ihrem Wagen.
An der Frontscheide hing bereits ein Strafzettel, den Jennifer, wie auch viel anderen in das Handschuhfach stopfte und -was ihr gar nicht ähnlich sah- ganz langsam nach Hause fuhr. Sie brauchte Zeit zum Überlegen.

Fortsetzung folgt ...





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