Wider der Vernunft - Teil 6

Autor: Caramille
veröffentlicht am: 31.08.2012


Vor mir standen ganze Regalreihen, die bis obenhin voll waren mit Büchern.
"Ich hoffe es gefällt dir. Wir können sonst auch wo anders hingehen."
"Wow. ... Nein! Es gefällt mir."
"Das freut mich. Du kannst nach Lust und Laune herumstöbern."
Ich gab ihm einen Kuss und schritt behutsam zwischen die Regale. Er beobachtete mich, wie ich erst mit meinen Augen über die Bücher streifte und dann mit meinen Fingern.
Dann kam mir ein Gedanke.
"Heute ist doch Sonntag, wie hast du es hinbekommen, dass wir hier rein konnten?"
"Ich hab den Schlüssel."
Ich sah ihn verdutzt an. Er sah die Frage in meinem Gesicht aufblitzen noch bevor ich sie aussprach. David grinste.
"Keine Angst. Der Laden gehört meinem Vater."
Jetzt guckte ich noch überraschter, nahm es aber hin und wandte mich wieder den Büchern zu.
Kurz darauf hörte ich eine Stimme Davids Namen rufen und fragen ob er es sei.
"Ja ich bins, Pa."
Nach einer Weile drehte ich mich um und ging zurück zu David, der es sich hinter dem Tresen mit einem Buch gemütlich gemacht hatte. Er sah auf.
"Und hast du was gefunden?"
"Viel zu viel. Ich muss unbedingt nochmal wieder kommen. Aber das hier würd ich gerne kaufen."
"Dann gehört es dir."
"Ohne zu bezahlen? Das kann ich doch nicht machen."
"Ich bezahl für dich. Ich muss mich doch revancieren, dass du mir dein Buch geliehen hast."
Das macht mich stutzig.
"Wenn du diesen riesigen Laden an Büchern zur Verfügung hast, wieso ..."
"Um ehrlich zu sein ... Ich wollte deine Randnotizen lesen."
Ich war etwas empört.
"Ich hoffe, dass es nicht allzu schlimm ist."
Ich wusste nicht ob ich beleidigt sein sollte oder nicht, also drehte ich mich um und ging zurück zu den Büchern. Ein bisschen musste ich ihn schon leiden lassen. Nach ein paar Minuten griff ich mir ein Buch aus dem Regal, beugte mich über den Tresen und ließ es vor David fallen.
"Das und wir sind quitt!" grinste ich ihn an.
Seine Gesichtszüge entspannten sich und David zog mich etwas zu ihm runter.
"Das ist aber Erpressung."
"Das kann schon sein."
Zwischen uns lag eine gewisse Spannung in der Luft. Wir lachten kurz auf und küssten uns. Mit einem Lachen wandte ich mich zum Gehen und sagte "Lass uns noch etwas die Sonne genießen." Und mit einem gespielt drohendem Ton setzte ich noch nach "Und vergiss nicht zu bezahlen!"
David legte ein paar Scheine hin und wir schlenderten Arm in Arm durch die Stadt. So eine Vertrautheit war mir neu und vorallem, weil alles so schnell ging. Nach einem endlosen Gespräch und einem leckeren Eis brachte er mich nach Hause. Ich erblickte das Auto meiner Eltern in der Einfahrt und erstarte innerlich. David bekam das sogleich mit und meinte, dass es in Ordnung wäre, dass er nicht noch mit rein kommt. Ich war sichtlich erleichter über seine schnell Auffassungsgabe und wir umarmten uns nur kurz zum Abschied.
Zu Hause saß meine Familie auf dem Sofa und wartete schon auf mich. Ich dachte schon es gäbe eine Strafpredigt wegen der Party, aber anscheinend schöpften meine Eltern keinen Verdacht. Sie erzählten von ihrem Kurztrip an die Ostsee und ich hörte nur halb hin. Eigentlich wollte ich Isa anrufen und ihr von dem Tag erzählen. Irgentwann verabschiedete sich mein Bruder und ich verzog mich in mein Zimmer. Ich hatte gerade den Computer hoch gefahren und wollte nachgucken ob mir jemand geschrieben hatte, als mein Telefon klingelte.
"Hey Emma."
"Hey Jan." Ich war überrascht. Jan rief eigentlich nur an, wenn er Probleme mit Deutsch hatte oder Leute für eine Party zusammen trommelte. Und beides schien mir nicht plausibel.
"Was gibts denn?"
"Ich wollte mich nur mal erkundigen wie es dir geht."
"Mir gehts gut. Danke der Nachfrage."
"Na ja du warst gestern nicht da und keiner wusste wo du bist."
"Ach ... Ich hab mich nicht so gefühlt."
"Ach so ..."
Es verstrich eine Weile in der niemand etwas sagte. Ich wusste einfach nicht was und schließlich hatte er ja angerufen.
Dann rung ich mich doch durch, weil ich ja noch mit Isa telefonieren wollte.
"Gibt es sonst noch was? Ich wollte"
Er unterbrach mich und seine Stimme klang etwas gequält.
"Hast du morgen Nachmittag Zeit?"
"Wegen was bestimmten?"
"Ich wollte dich was fragen."
'Geht das nicht auch am Telefon?' dachte ich, aber meinte dann "Klar. Hab aber nicht so viel Zeit."
Wir verabschiedeten uns.
Gedankenverloren blätterte ich in einem Buch, dass mir David am Nachmittag geschenkt hatte.
Meine Gedanken sprangen von einem zum anderen Ereignis und ohne sich lang bei einem aufzuhalten, streiften sie rastlos umher. Bis sie auf ein Erlebnis meiner Kindheit trafen und sich darin wohlig einnisten wollten, fiel mir auf, dass ich noch Isa anrufen wollte.
Ich erreichte Isa, die merkwürdig klang, als hätte sie Besuch.
Sie verneinte und ich wollte nicht weiter nachbohren. Dann erzählte ich von David, dass er mich geküsst und in einen Buchladen entführt hatte. Sie freute sich ungemein und ich bekam ein "Hab ichs dir nicht gesagt." ab.
Kurz darauf meinte sie, sie habe noch was zu tun und legte auf.
Wäre ich nicht von dem heutigen Tag leicht benebelt, wäre mir wohl aufgefallen, dass etwas nicht stimmte.
Irgendetwas beunruhigte mich trotzdem in dieser Nacht und ließ mich nicht einschlafen. Ich wälzte mich hin und her und jedes Mal störte mich etwas, einmal war es das Kissen, was zu hart war, dann meine wirren Gedanken und zu guter letzt störte mich auch noch das Ticken des Weckers. Letztendlich stand ich halb 5 auf und setzte mich mit einer Zigarette in mein Fensterbrett.
Eine unfreiwillig durchmachte Nacht war immer ein schlechtes Zeichen für die nächsten Tage.





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