Und der Abend kommt immer vor dem Morgen - Teil 2

Autor: Lessli
veröffentlicht am: 04.06.2012


Kalik:
Ich sehe das große Haus vor mir uns seufze. Meine neue Arbeitsstelle…Ich bin nicht besonders glücklich. Es wirkt so steril und ruhig, aber auch unnachgiebig. Rund um das Gelände ist ein Stacheldrahtzaun. Ich fahre durch ein Tor, nachdem ich die Karte, die mir zugeschickt wurde durch einen dafür vorgesehenen schlitz zog. Es piepte kurz, dann öffnete sich das Tor langsam. Ich fahre hindurch. Es schließt sich hinter mir mit einem unheilvollen Klirren, als die Torflügel aneinander stoßen. Ich parke mein Auto bei den anderen Autos der Mitarbeiter. In der Eingangshalle werde ich empfangen. Jemand führt mich zu meinem Spind. Ich ziehe die Weisen Sachen an die hier zur Ordnung gehören. Das Hemd kratzt an meinem Hals. Dann lese ich den Plan durch den ich an der Tür meines Spindes sehe. Das erste ist ein Rundgang. Ich gehe zurück in den Empfangsbereich und eine Dame, auch ganz in weiß begleitet mich. Sie schaut mich an und klimpert mit ihren Schwarzen Wimpern. Doch sie interessiert mich nicht. Ich folge ihr einen kurzen weißen Gang entlang. Dann kommen wir zu einer großen robusten Tür. Sie legt ihre Hand auf eine dafür vorgesehene Vorrichtung und kurz danach öffnet sich die Tür, geräuschlos gleitet sie auf. Das Licht auf dem Flur erwacht flackernd zum Leben. Ich brauche keinen Schritt nach vorne zu machen, ich höre jetzt schon das irre Lachen und angstvolle Schreien, doch ich weiß dass es ganz ruhige unter ihnen gibt. Und manche singen oder erzählen Geschichten. Ich nicke der Dame zu das sie jetzt gehen kann, sie wendet sich um und geht, ich bin alleine. Langsam gehe ich den Flur entlang zu der ersten Tür. Ich schaue hinein. Ein alter Mann liegt friedlich in der Ecke und schläft. Sein Gesicht ist zu einem Lächeln verzogen. Auf dem Tisch stehen lauter winzige Figuren. Soviel ich davon sehen kann sind sie alle wunderschön. Ich gehe weiter, zur nächsten Tür. Hinter ihr ist eine schon ältere Frau die sich vor und zurück wiegt. Sie schaut nicht auf. Sie steht einfach in der Mitte des Raumes und wiegt sich vor und zurück. Ich störe sie nicht. Aus Erfahrung weiß ich, dass so etwas oft mit lautem schreien und viel Angst endet. Ich gehe weiter und weiter, sehe in jede Zelle, sie sind alle friedlich. Manche schlafen, so wie der alte Mann, andere lesen ein Buch oder bauen etwas, manche aus Holzklötzen, andere mit Kissen. Doch alle, alle haben nicht mit mir gesprochen. Manche haben mich angestarrt, bei anderen bezweifle ich das sie mich überhaupt wahrgenommen haben. Ich habe jetzt fast alle Zellen durch, jetzt komme ich zu der letzten. Ich schaue hinein, und kann meinen Blick nicht mehr abwenden. Darin ist ein, nun ja, fast noch ein Mädchen. Sie ist auf jeden Fall viel zu Jung. Sie hat lange braune Haare, die ihr wirr ins Gesicht hängen. Sie hat ein langes schwarzes Kleid an. Es sieht etwas ramponiert aus, ich lasse meinen Blick über ihre Figur schweifen. Sie ist schön, und plötzlich habe ich das Gefühl sie schon mal gesehen zu haben. Sie kommt mir so bekannt vor. Sie steht in der Mitte des Zimmers. Und plötzlich schaut sie mich direkt an. Sie hat braune Augen, sie leuchten, Das erstaunt mich, die meisten haben einen stumpfen, wirren Ausdruck. Doch ihre Funkeln mich an, sie lächelt. Dann dreht sie sich um und schaut nach draußen. Plötzlich fängt sie an zu weinen, doch sie schreit nicht. Sie weint ganz leise. Jemand klopft mir auf die Schulter, ich wende mich erschrocken von ihr ab. Neben mir steht die Dame. Sie schaut auch kurz in die Zelle dann öffnet sie die Tür. Ich bleibe davor stehen, sie geht hinein. „ Nicht weinen.“ Die Dame spricht zu ihr mit einer weichen, lieben Stimme. „Du bist doch ein liebes Mädchen oder?“ Das Mädchen schluchzt, dann wischt sie sich mit dem Handrücken über das Gesicht. „ Ja ich bin ein liebes Mädchen“. Die Dame nickt. Dann stecht sie auf. Das Mädchen bleibt auf dem Boden. Mir summt es in den Ohren. Ich kenne diese Stimme, aber woher. Ich schaue noch einen Moment auf das Mädchen. Dann gehe ich der Dame hinterher die Schon ein großes Stück weiter vorne ist.

Jahre davor:
Ich weiß genau wie die Wirbel seiner Haare in seinem Nacken verlaufen, dort wo sie enden. Ich erkenne ihn viel schneller wenn ich seinen Hinterkopf sehe, woran das liegt? Ich habe viel Zeit damit verbracht ihn von hinten anzustarren.
Endlich ist es soweit. Der Ball beginnt, und ich laufe mit ihm an meiner Seite über die Fläche. Ich kann gut mit ihm Schritt halten da ich meine Strumpfhose ausgezogen habe, ich spüre das Innen Kleid weich an meinen Beinen. Wir stellen uns auf und beginnen. Ich schaue ihm starr über die Schulter, Sehe die Umgebung, ja nicht nach oben schauen. Seine Hand umschließt warm mein kaltes Handgelenk. Neben uns legen die Paare einen zwischenschritt ein da ihnen schwindelig geworden ist. Wir tanzen immer weiter, immer wieder derselbe Kreis, die Umgebung verschwimmt. Der Tanz endet, benommen mache ich die Abschluss Drehung, nehme seinen dargebotenen Arm an. Nur eine kurze Pause, gleich geht es weiter. Der nächste tanz, Ich starre auf den Boden, die einführenden Worte sagen mir gar nichts. Ich weiß nicht was wir tanzen und mit welchem Fuß man beginnen muss, aber nach einen anfangsstolperer fange ich mich ziemlich schnell wieder. Ich weiß wie sein Gesicht aussieht und mein Blick schießt nach oben, ich kann es nicht verhindern. Da ist es dieses lächeln. Auf den tanz konzentrieren, konzentrier dich, immer wieder gehen mir diese Gedanken durch den Kopf. Ich richte mich gerade auf und vergrößere den Abstand zwischen uns minimal. Erschrocken fahre ich zusammen als ich seine Stimme genau neben meinem Ohr höre. „ Mach dich nicht so steif, entspann dich, genieße es, das hier ist nur ein mal.“ Ich schaue auf, er mustert mich. Ich setzte ein Lächeln auf.

Nach und nach wird es entspannter, wir reden leise miteinander während des Tanzens, wir lachen, ich starre ihn an, ich liebe sein lachen. Immer wieder höre ich es. Immer wieder diese Augen wie sie aufblitzen, die zusammengepressten Lippen, die Grübchen in den Wangen. Sein Atem der mich noch immer streift, er macht mich benommen, ich versuche den Kopf so zu wenden das ich nicht so in seiner Nähe bin, es gelingt nicht.
Pause, verschiedene andere paare gehen auf die Fläche, ich habe Angst, meine Hände sind feucht und kalt, er ist nirgends, ich kann den nächsten tanz nicht. Mein Blick schweift über die Menge, da ist er, ich steuere auf ihn zu, vordere ihn auf mit mir zu tanzen, sein blick ist erstaunt, kurz mustert er mich, dann kommt er mit, wir stellen uns auf. Erst langsam, dann immer schneller, die schrittreinfolge wird uns beiden wieder klar. Wir lachen über unsere gemeinsamen Fehler. Der Tanz endet, er bleibt, der nächste beginnt. Es ist der den ich so sehr mag. Wir stehen uns gegenüber, er reicht mir die Hände, ich nehme sie an. Und wir tanzen, wieder ist es wie beim letzten Mal, nur dass er die Drehung so stark macht das ich fast das Gleichgewicht verliere, meine Armmuskeln spannen sich an als wir auseinander gehen und uns nur noch an den Fingerspitzen aneinander krallen, eine sehne tritt hervor. Er zieht mich an sich, sein Blick lässt mich nicht los. Wieder viel Schwung, viel zu viel, er macht es mit Absicht, wieder pralle ich gegen ihn. Er zieht mich noch etwas näher, dann nach hinten, zu viel Schwung, viel zu viel, er versucht mich zu halten doch ich rutsche ab, wir verlieren den Kontakt. Er kommt auf mich zu und wir stehen einen kurzen Moment viel zu nahe voreinander, ich schaue hoch, er hat den Kopf etwas geneigt. Dann berühren sich unsere Hände, plötzlich wirbelt er mich wieder im Kreis, wir tanzen wieder. Als ich wieder vor ihm bin, flüstert er mir zu „ Das mit dem festhalten müssen wir aber noch einmal üben“. Wir trennen uns wieder. Tanzen, immer weiter Tanzen…

Jahre danach:
Er sieht ihm so ähnlich, mir gelingt es nicht in der Rolle zu bleiben, es ist als ob man auftaucht, der Kummer schwappt über mir zusammen, ich wende mich ab und weine. Die weiße Frau ist wieder da. Sie sagt dass ich lieb sein muss. Rein aus Gewohnheit antworte ich. Sie gehen beide wieder. Ich bin alleine. Ich schaue mich um. Es ist schrecklich hier. Ich will nicht hier sein, er hat mich eingeholt, ich hatte mich versteckt vor der Welt, aber jetzt ist er hier, es tut so weh ihn zu sehen, diese Ähnlichkeiten, sie erinnern mich, mit jeder Sekunde, es tut wieder mehr weh. Leise höre ich Musik. Es tut so weh…ich tauche wieder ab, in die Ruhe meiner Welt, er wartet schon auf mich, mit einem Wunderschönen lächeln auf seinem Gesicht fordert er mich zum Tanzen auf…







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