Zwischen Glamour und Gosse - Teil 8

Autor: zeitvorhang
veröffentlicht am: 20.06.2012


Das war Teil 8. Ich hoffe, er hat euch gefallen & ich freue mich wie immer, wenn ihr mir eure Meinung dalasst.
Meine Schreibblockade war schneller vorbei als erwartet (hoch lebe das "um-2 Uhr-nachts-Schreiben" ;D). Ich hoffe mein Schlafmangel hat sich gelohnt & euch gefällt das Kapitel. :)

Greez
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8:

Was - oder eher: wer - sich ihr bot, war schier unmöglich.

Vor ihr stand Patrick.
In Boxershorts, eine Tasse Kaffee in der einen und einem Diät-Marmeladenbrot in der anderen Hand. Anscheinend hatte er nicht damit gerechnet, Janna zu begegnen, denn er verschluckte sich an dem Kaffee.
Jannas linke Augenbraue wanderte skeptisch in die Höhe. "Was machst du denn hier?"
Patrick hustete ein letztes Mal bevor er ihr eine Antwort gab: "Nun, ähm, ... also, ... wie soll ich sagen? Du warst gestern, oder besser: heute morgen, total drauf und hast wahrscheinlich auch ein bisschen getrunken gehabt. Wie dem auch sei, du hast mir befohlen, dich nach Hause zu bringen und hier zu bleiben." Patrick grinste.
"Ah, okay. Gut. Ähm... also... etwas zu essen brauch ich dir ja nicht mehr anbieten, du hast dich ja schon wunderbar alleine zurechtgefunden." Janna schenkte ihm ein aufgesetztes Lächeln und machte sich einen Kaffee.
Patrick gesellte sich zu ihr an die Kaffeemaschine und schaute sie von der Seite an.
Janna ließ sich davon jedoch nicht beirren und schaute dem Kaffee beim in-die-Tasse-tropfen zu, als wäre es das Interessanteste auf der Welt.
"Was?", fragte Janna, nachdem sich das dunkle Getränk endlich in ihrer Tasse befand. Patrick blieb still. "Was ist?", fragte sie nochmal.
"Warum gehst du in die Bar?", wollte er wissen. Seine Stimme hatte keinen bestimmten Klang, an dem man den Hintergrund der Frage erahnen könnte - es war eine einfache, schlichte Frage.
Eine Frage, auf die Janna keine Antwort wusste.

Der weitere Verlauf des Tages blieb recht ereignislos.
Patrick und Janna unterhielten sich, als wären sie schon zehn Jahre befreundet. Sie wusste selbst nicht, wieso es bei Patrick so einfach ging, sich die Seele aus dem Leib zu quatschen. Bei ihm musste Janna kein Blatt vor den Mund nehmen, sich für nichts schämen oder gar irgendetwas versuchen zu verheimlichen.
Was hatte sie denn schon zu verlieren?
Sie konnte nur gewinnen.
Und in diesem Fall gewann sie einen guten Freund, mit dem sie lachen konnte - und den sie dringend nötig hatte.

~

Es folgten weitere Nächte auf diesen Partys.
Dort fand sie schnell neue Freunde, die den gleichen Mist durchmachen mussten wie sie.
Wenn jemand nach dem Club fragte, zu dem sie so häufig ging, nannte sie ihn schlicht und einfach Tanzbar. Weiter fragte dann auch keiner nach, so gut war sie mit keinem befreundet, dass es ihn näher interessierte.
Janna fühlte sich gut auf den Partys, frei und sorgenlos.
Und nur um diese Gefühle spüren zu können, kam sie dort hin. Erst war es nur jede Woche, doch schon nach zwei Monaten kam sie jeden Abend hierher.
Anfangs wurde sie durch den täglichen Besuch ausgelassener bei der Arbeit, weil sie sich darauf freute, den Abend und die Nacht mit ihren neuen Freunden zu verbringen, allerdings wurde die Zeit, in der sie nicht auf einem Trip war, schnell zur Qual.
Schon nach wenigen Wochen kamen die ersten Depressionen, die sie unausgeglichener und rücksichtslos machten. Sie konnte sich nicht mehr konzentrieren, machte oft Fehler und vergaß sogar manchmal die Namen ihrer Auftraggeber.
Aber es war ihr egal - Janna wollte nur so schnell es ging, wieder in die Bar.

Schon nach sechs Wochen, in denen sie durch und durch dieses Zeug nahm, brauchte sie eine Auszeit von ihrem Job.
Das Modeln war ihr zu stressig und sie hatte keine Lust dazu. Es machte ihr keinen Spaß, immer darauf hinfiebern zu müssen, bis es endlich 22 Uhr war und sie den restlichen Tag genießen konnte.
Von diesem Tag an, kam sie sogar schon früher in die Bar, wechselte bald auf die Nadel um.
Jeder kannte sie hier, jeder mochte sie. Janna war ein gern gesehener Stammgast in der Bar.
Inzwischen bekam sie Sonderrabatte, manchmal auch ein paar Gramm oder Spritzen gratis. Wenn Not am Mann war und Patrick auf eine 'Auktion' musste, sprang sie als Barkeeperin ein, verteilte Tütchen, Spritzen und drehte die Joints selbst, um sie an die Stammkunden zu verkaufen.

Es war ein neues Leben, ein besseres Leben - und keiner konnte sie davon abhalten, hierher zu gehen.
Hier waren ihre wahren Freunde. Leute, die das selbe durchmachen mussten, wie sie.
Gestresste Schauspieler, ehemalige Musiker, abgerutschte Models. Es war alles vorhanden, was einmal Rang und Namen hatte - hatte.
Sie alle führten wie Janna ein kaputtes Leben, das sie versuchten, mit Drogen wieder zu reparieren. Dass das alles nicht gesund und dazu noch illegal war, das war ihnen egal.
Wer wusste schon, wann der Tod an die Tür klopfte?
Bis es soweit war, wollten sie, soweit es ging, ihr Leben genießen.

Die Tage vergingen, wurden zu Wochen und die Wochen wurden zu Monaten und ehe sich Janna versah, waren neun Monate um.
Neun glückliche Monate, in denen sie erst in größeren, dann in fast keinen Abständen mehr high war.
Und sie bereute nichts.

Dass ihre Augen nicht mehr den früheren Glanz hatten, wenn sie wieder zum Schuss ansetzte oder einen neuen Joint drehte, war ihr egal.
Sie war abhängig. Nicht mehr und nicht weniger.

Jannas Haare waren ungepflegt, leicht verfilzt und stumpf - sie war seit Monaten nicht mehr zum Friseur gegangen. Wann denn auch? Sie hatte keine Zeit dazu.
Ihre Haare waren fettig, trotz des regelmäßigen Waschens.
Sie trug keine dezente Schminke mehr, die ihre natürliche Schönheit betonte, sondern umrandete sich vor dem Spiegel schnell die Augen mit Kajal - mehr nicht.
Doch sie erntete Lob. Sei es für die gute Arbeit als Barkeeperin, einen perfekt gedrehten Joint oder für ihr Aussehen. Denn trotz ihrer Ungepflegtheit, war sie noch immer wunderschön. Man konnte sagen, was man wollte, sie war einfach aus der Bahn geraten.

Und trotz ihrer Dauertrips, trotz ihrer schlaffen, fettigen Haare - ihr Gesicht war immer noch hübsch wie eh und je.

Es war ein ganz normaler Tag, eigentlich.
Janna betrat um 14 Uhr die Bar und half Patrick, der inzwischen ihr bester Freund und somit ihr engster Vertrauter war, den Ausschank für den Abend herzurichten.
In den wenigen Momenten, in denen beide nicht drauf waren, führten sie ernste Gespräche - wie normale Menschen.
"Sag mal, Janna, ist es für deine Fans nicht komisch, dass du dich seit knapp sieben Monaten, komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hast?"
Janna nahm eines der Biergläser und trocknete es ab.
"Kann sein. Aber ich habe in einem Interview gesagt, dass ich eine Auszeit brauche - auf unbestimmte Zeit. Die denken wahrscheinlich, dass ich irgendwo auf Hawaii am Strand liege und einen Cocktail nach dem anderen trinke." Sie seufzte.
"Was ist denn?", wollte Patrick wissen und nahm ihr das Glas aus der Hand, um es in das Regal zu stellen. "Ich mache mir Sorgen um meine Zukunft."
Patrick lachte. "Das sagst du jeden Tag, aber am Abend zieht dir das alles wieder am Arsch vorbei." Janna schmunzelte.
"Du hast ja Recht, ich mach mir viel zu viele Sorgen. Der Tod klopft ja bald an die Türe, nicht?"
So locker und unbeschwert hatte Janna schon lange nicht mehr gelacht.
Aber heute war schließlich ihr Geburtstag.
"21 Jahre hab ich jetzt an der Backe", sagte sie und wischte gedankenverloren ein Cocktailglas ab.
"Und?", meinte Patrick, der den Bierausschank säuberte.
"Und mein Leben ist total im Eimer. Ich bin drogenabhängig, bin die meiste Zeit meines Lebens high und wenn einmal nicht, dann entweder alkoholisiert oder depressiv. Das ist doch abnormal." - "Stimmt, aber es ist ein tolles Leben." Janna schmunzelte ironisch. "Na ja, das glaube ich erst, wenn ich mir wieder einen Schuss setze."
So selbstverständlich es auch klang, was sie tat - es war Janna nicht so egal, wie sie immer behauptete. Sie hoffte nur, dass die Zeit, bis die ersten Gäste kamen, um mit ihr den Beginn des neuen Trips einzuleiten, schnell vergehen würde.

Die ersten Gäste kamen gegen acht Uhr. Sogar mit Geschenken. Immerhin war Janna hier beliebt. "Herzlichen Glückwunsch, Süße!", gratulierte ihr Sofie, eine ihrer besten Freundinnen. "Danke, Sofa, wie nett!" Sie legte das Päckchen auf den Tresen und umarmte dann auch Ben, Sofies Freund.
Als sie das Geschenk auspackte, musste sie lachen. Sie hielt sich das schwarze T-Shirt mit dem Hanfblatt an. Es ging ihr gerade mal bis zur Hüfte. "Los! Zieh es an!", forderte Patrick sie auf und sie verschwand in dem Raum hinter der Bar. Nach wenigen Minuten, kam sie wieder heraus, das Shirt stand ihr ausgezeichnet.
Die Tatsache, dass es ein Hanfblatt darauf abgebildet war, störte sie nicht im geringsten.

Etwa eine Stunde später war die Party wieder einmal im vollen Gange.
Janna tanzte ausgelassen mit ihren Freunden, sie war einmal mehr in ihrem jungen Leben high. Und es war ein tolles Gefühl.
Ein Neuankömmling betrat die Bar. Es war ein Mann, nicht viel älter als sie selbst. Er hatte kurze, dunkle Haare und scannte die tanzende Menge ab, bis er die Person fand, nach der er suchte. Ohne zu zögern, ging er schnellern Schrittes auf sie zu, rempelte achtlos die tanzenden Leute an, die es nicht weiter störte und blieb hinter ihr stehen.
Entrüstet, dass es keine Lüge war, was seine Freunde ihm erzählt hatten, griff er nach ihrem zierlichenArm und drehte sie grob zu sich um. "Janna! Was zur Hölle treibst du hier!?" Er konnte es nicht fassen, Janna in so einem erbärmlichen Zustand zu sehen. Die fettigen, blonden Haare zu einem lockeren Zopf gebunden, freie Sicht auf das neue Shirt.
Sie war also auch noch stolz darauf, so ein Zeug zu nehmen. Als er in ihr Gesicht blickte, war er geschockt. Natürlich, sie war wunderschön. Aber ihre Augen starrten ihn ausdruckslos an.
Janna brauchte eine Weile, bis die Drogen es zuließen, dass sie den jungen Mann erkannte, der sie immernoch grob am Arm gepackt festhielt und sie fassungslos anstarrte.
Doch das nahm sie nicht wahr, sondern rief freudig: "Vic-Schatz! Schön, dich zu sehen!"









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