Ein Tollpatsch zum verlieben - Teil 2

Autor: Weidenkätzchen
veröffentlicht am: 08.05.2012


Ich kroch auf den kalten Fliessen Richtung Waschbecken und hievte mich hoch. Als ich in den Spiegel sah, wäre ich am liebsten wieder auf den Boden zurück gerutscht. „Ach du Scheisse…“, murmelte ich erneut. Meine Haare standen zu allen Seiten ab, meine Schminke hatte sich in meinem ganzen Gesicht verteilt und meine Brüste hatten durch den verrutschten BH komische Formen angenommen. Wenn ich nicht so schlecht gelaunt gewesen wäre, wäre ich wahrscheinlich an einem Lachanfall gestorben. Mit zusammengekniffenen Augen guckte ich mein Spiegelbild an und streckte ihm die gepiercte Zunge raus. Ich ging, oder besser gesagt, ich humpelte zur Dusche. Man tat das Knie weh. Ich entledigte mich meiner Kleidung und schmiss sie einfach in die nächste Ecke – ich mach das immer so, auch wenn es meine Mutter beinahe verrückt macht. Ich stieg unter die Dusche und drehte den Wasserhahn auf. Zuerst kam ein Schwall kaltes Wasser – ja, jetzt war ich definitiv wach. Meine Brustwarzen rebellierten gegen die Kälte – Nippel Alarm! Kennt bestimmt jeder, oder? Dann wurde das Wasser wärmer, und wärmer und wärmer und…. Heiss! Schnell drehte ich es wieder kälter. Langsam war ich wirklich sauer. Würde die Temperatur nicht so bleiben, würde ich mir eine Abrissbirne ausleihen und diese verflixte, alte, hässliche Dusche herausreissen. Das nennt man Antiagressionstherapie. Nach dem Duschen zog ich mir eine schwarze Hotpants an und ein Trägertop in hellblau. Ich pilgerte noch einmal zurück ins Bad um mich zu schminken und mir die langen dunkelbraunen Haare zu bürsten. Vor einiger Zeit waren die Haare noch rot, aber meine Mutter drohte mir mit der Aberkennung des Tochterstatus wenn ich rumlaufen würde wie eine Bordsteinschwalbe – auch wenn ich nicht so genau wusste, was rote Haare mit einer Prostituierten gemeinsam hatten. Ich bürstete mir also die Haare und nach etlichen Flüchen und gefühlten 1000 Haaren weniger, war ich endlich fertig. Ich betrachtete das Endergebnis im Spiegel und war zufrieden. Die grünen Augen wurden durch den schwarzen Eyeliner perfekt betont und die langen dunklen Haare umschmeichelten mit sanften Wellen mein Gesicht. Ich schenkte meinem Spiegelbild ein Lächeln und ging die Treppe runter, um zu Frühstücken. „Hey Mom, warum hast du mich nicht geweckt?“ Meine Mutter guckte mich verwirrt an. Irgendwie sah das süss aus. Sie stand da, in ihrem rosa Bademantel, die aschblonden Haare standen zu Berge und sie sah mich total verwirrt an. Ich setzte mich hin, schnappte mir ein Brötchen, bestrich es mit Konfitüre und wartete auf die Antwort meiner Mutter. „Schätzchen, wieso sollte ich dich am Samstagmorgen wecken? Und wieso bist du schon so früh wach?“ Samstagmorgen?! Es war Samstag? Mir fiel das Brötchen beinahe aus der Hand. Wieso zum Teufel konnte ich mich nicht mehr erinnern was passiert war und warum konnte ich mich nicht erinnern, dass heute Samstag war? Ich schüttelte den Kopf und biss nachdenklich in mein Brötchen. Meine Mutter musterte mich. „Wolltest du etwa so in die Schule?“, fragte sie mit einem kühlen Unterton. „Ne, wo denkst du hin, Mom, ich wollte auf die Eisbahn“, antwortete ich mit vollem Mund. Meine Mutter verzog keine Miene. Nicht genug, dass ihre Tochter gepierct war, nein sie musste sich auch noch anziehen wie eine was weiss ich. Aber ich war 19 und konnte somit tun was ich wollte und das galt auch für meine Kleidung – schlimm genug, dass sie mir mit dem Rausschmiss gedroht hatte, als meine Haare rot waren. Als Schülerin der 12. Klasse kann man sich leider keine eigene Wohnung leisten. Ich ass den letzten Bissen und stellte den Teller in die Abwaschmaschine. Ich gab meiner Mutter einen Kuss auf die Wange und ging hoch in mein Zimmer. Ich schnappte mir mein Handy und tippte schnell eine SMS an Amy, meine beste Freundin.

„Hey A.J., bist du schon wach? Kuss Aleksa.“

Ich setzte mich auf mein Bett und guckte dabei aus dem Dachfenster. Es versprach ein schöner, sonniger Tag zu werden. Ich drehte den Kopf zu meinem Kalender, der an der Wand hing. Noch drei Schulwochen, dann war die Schule endgültig vorbei. Ich hatte mein Abitur bestanden, mit einem Schnitt von 1.5 und war mitunter einer der besten meines Jahrgangs. Auch wenn man es mir nicht ansah, ich war eine hochbegabte, was Fluch und Segen zu gleich war. Ich mochte dieses Klischeehafte nicht. Jemand der gut in der Schule war, musste nicht unbedingt eine graue Maus sein, aber als mein Name auf der Internetseite meiner Schule erschien, war das Gerede gross. Ich war nie eine, die damit geprahlt hatte, wenn ich eine eins schrieb. Deshalb wusste auch niemand, dass ich sehr intelligent war. So kam es, dass verschiedenste Leute das Gerücht in die Welt gesetzt hatten, dass ich beschissen habe. Dank meinen überaus guten Noten, auch die die ich während dem regulären Unterricht schrieb, hatte man sich dafür entschieden, diesen Gerüchten nicht weiter Beachtung zu schenken.
Ein Vibrieren riss mich aus meinen Gedanken.

„Hey Aleksa, jetzt schon, ja :D Wo warst du gestern? Kuss A.J.“

Wie, wo war ich gestern? Was war gestern passiert?!

„Tut mir leid. Ich weiss nicht, kann ich rüber kommen?“

Bevor überhaupt eine Antwort kam, versuchte ich mich von meinem Bett aufzurappeln, ohne mir dabei weh zu tun. Ich ging zu meinem Schrank und holte meine Umhängetasche heraus. Ich sollte dringend aufräumen. Der Kleiderberg war schon beängstigend hoch und schwankte verdächtig. Warte mal – schwankte? Noch ehe ich die Schranktür zu machen konnte, fand ich mich unter einem Kleiderberg begraben auf dem Boden wieder. Es war doch wirklich zum Heulen. Ich wand mich wie eine Schlange heraus, stand auf und klopfte mir den Staub von den Kleidern. Ich betrachtete den Kleiderberg auf dem Boden – den werde ich später wegräumen. Ich stopfte mein Portemonnaie und meine Hausschlüssel in die Tasche und ging zurück zu meinem Bett, um das Handy zu holen. Genau in diesem Moment vibrierte es wieder. Ich öffnete den gelben Briefumschlag auf dem Display.

„Ja, Aleks, komm schnell rüber, ich glaube ich habe eine schlechte Nachricht.“

Meine Alarmglocken schrillten, denn wenn A.J. mir solche SMSen schreibt, dann war wirklich etwas nicht in Ordnung. Ich schnappte mir die Tasche und rannte die Treppe hinunter. Dabei stolperte ich und stiess mir den Fuss. Fluchend rieb ich mir den grossen Zeh. Wie ich das hasste! Dann kam mir A.J.s SMS wieder in den Sinn und ich zog mir schnell ein paar Chucks an.
„Bye Mom, ich bin bei A.J., wenn was ist – Handy!“
Noch ehe meine Mutter etwas sagen konnte, knallte die Tür schon hinter mir zu. Die Sonne schien grell und ich zuckte kurz zurück. Ich war etwas Lichtempfindlich. Dann rannte ich zu meinem Fahrrad und fuhr los. Zum Glück war das mit meinem Zeh nur ein kurzer Schmerz gewesen.
Wenn ich nicht in Alarmbereitschaft gewesen wäre, hätte ich die Fahrradfahrt richtig genossen. Es roch nach gemähtem Gras und die Bäume rauschten im Wind. Ich mochte das. Ich fragte mich, was A.J. für Nachrichten hatte. Noch während ich grübelte, merkte ich wie ich jemandem an der Kreuzung den Vortritt nahm und dann mit demjenigen zusammenknallte. Es war ein anderer Fahrradfahrer. Das konnte ja heiter werden, wenn ich erst einmal anfange Auto zu fahren. Ich stöhnte, rieb mir den Ellbogen und kugelte mich auf dem Asphalt. „Geht’s?“ Der andere Radfahrer war bereits wieder aufgestanden und hielt mir die Hand hin. Ich nahm diese und wollte mich gerade bedanken, als er mich eindringlich ansah und sich sein Blick verfinsterte. „Pass nächstes Mal einfach besser auf“, knurrte er jetzt boshaft, stieg auf sein Rad und fuhr davon. Ich schüttelte den Kopf, hob mein Fahrrad auf und stiess es den restlichen Weg bis zu A.J.s Haus. Ich wollte keine weiteren Unfälle bauen. Als ich vor dem weissen Haus mein Fahrrad abgestellt hatte und klingeln wollte, kam mir ein quirliges, blondes Mädchen zuvor. Das war A.J., 1.50 m gross, blond, blauäugig, hyperaktiv. Ohne <hallo> zu sagen, zog sie mich ins Haus und streckte mir einen Zeitungsartikel ins Gesicht. Noch näher und ich hätte die Zeitung wahrscheinlich als zweites Frühstück in Betracht gezogen. „Lies!“, befahl sie atemlos. Ich fing ohne Widerrede an zu lesen, zu Wiedersprechen hätte sowieso keinen Sinn gemacht. Als ich den Artikel zu Ende gelesen hatte, guckte ich A.J. fassungslos an. Das konnte nicht wahr sein…






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