Das ist das Leben - Teil 3

Autor: Lil
veröffentlicht am: 15.04.2012


„Musste das wirklich sein? Wir sind mindestens eine halbe Stunde zu spät, wegen dem ganzen Mist, den du angestellt hast.“ Ich erwiderte nichts. Ich hatte auch keine Lust mit ihm zu diskutieren oder mich zu rechtfertigen. Ich hatte Spaß gehabt und deswegen auch umwerfend gute Laune. Und mit einem verärgerten Jonathan zu reden, das machte keinen Spaß. Zudem würde es mir meine umwerfend gute Laune verderben. Wir waren inzwischen nicht mehr auf der Autobahn und es würde keine Viertelstunde mehr dauern, bis wir in 'Dem Kaff' waren. Und keine weiteren 5 Minuten, bis ich Tommy sehen würde. 'Egal...', sagte ich mir. 'Denk nicht dran!' Jonathan hielt an einer roten Ampel, was ihm die Möglichkeit gab, sich zu mir drehen. „Hallo?! Hörst du mir überhaupt zu?! Ich fin...HMPF!“ Jonathan sah mich böse an. „Och komm! Zieh nicht so eine Schnute. Die Schokolade schmeckt gut, glaub mir...Grün!“ Ich hatte zwei Stück meiner wertvollen Schokolade geopfert, um Jonathan – sprichwörtlich – den Mund zu stopfen. Aber das war es mir wert. Außerdem wird durch Schokolade, vor allem dunkle, im Gehirn Dopamin ausgeschüttet, was Glücksgefühle erzeugt. Und so wie Jonathan sich die ganze Zeit aufführte, brauchte er auf jeden Fall welche. Er lutschte an den zwei Stücken, was man an dem Grübchen neben seinem Mundwinkel erkennen konnte. Zufrieden beobachtete ich, wie sich die Falten auf seiner Stirn glätteten. Ja, das Opfer war es hundert pro wert gewesen. „So...“, meinte Jonathan nach einer Weile. „Ich finde es ja nicht schlimm, dass du dem Mann ein Päckchen Wiener Würstchen gegeben hast, den Hund aus dem Gebüsch gelockt und seinem Herrchen übergeben hast. Oder versehentlich die Tafel mit eingepackt hast. Das ist alles okay. Aber – wir sind schließlich ziemlich spät dran. Von Anfang an schon, weil du Schlafmütze verpennt hast. Und das weißt du auch. Verstehst du, warum ich so sauer bin?“ - „Hhm.“, brummte ich nur unwillentlich. Jonathan guckte kurz zu mir rüber. Das Phänomen, bzw. Unphänomen zwischen uns ist, er brauchte mich nur in bestimmten Situationen an zu gucken und er weiß sofort, was mit mir los ist. Hat sich nach einer Weile so eingestellt. Ich habe aber immer noch keinen Schimmer, was er wie denkt, egal wann und wo – na gut, eine Ausnahme gab es. Ich weiß, was er denkt, wenn ich ihn angeschaut habe und in seinen Augen sehe, das er weiß, was ich gerade dachte oder gefühlt habe. Inzwischen hatte ich auch rausbekommen, dass Jonathan nicht nur beim mir oft weiß, was ich gerade denke oder fühle. Er kann das auch bei anderen, bei mir sei es aber am einfachsten. Ob das jetzt ein Kompliment oder Geringschätzung ist, könnt ihr entscheiden. Ich weiß nicht mal im Ansatz, was jemand denken oder fühlen könnte. Ich sehe nur das Offensichtliche. Das liegt daran, dass ich so einfühlsam sei wie 'ein Stück Scheiße', wie mein Vater einmal treffend bemerkte. Treffend zum einem, weil es stimmte (und das tut es immer noch) und treffend zum anderen, weil es mich wirklich getroffen hat. An dem Tag konnte ich nichts mehr ordentlich sehen, da ich die ganze Zeit einen Tränenschleier über den Augen hatte, was letztendlich dazu führte, dass ich gegen eine Laterne gelatscht bin und...ach, egal...vorbei. Hab mich inzwischen damit abgefunden 'uneinfülsam' zu sein. Der Gedanke daran macht mich aber trotzdem noch wehleidig. Ich brauchte also ganz dringend noch ein bisschen Schokolade. Ich schloß die Augen und ließ sie geschlossen, voll und ganz auf das fantastische Aroma konzentriert, was sich in meinem Mund entfaltete. Erstes Stück, zweites Stück, drittes Stück, viert... „Wir sind da.“ Mit einem Ruck blieben wir stehen. Ich öffnete die Augen. Sah ein großes, gelbes Haus, an dem die gelbe Farbe aber schon stark abblättert. Wir waren also jetzt da. In 'Dem Kaff'. Bei den Milberts. Bei Tommy. Scheiße!




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