Das ist das Leben - Teil 2

Autor: Lil
veröffentlicht am: 13.04.2012


„Wäh! Nein! Ich will nicht! Nein! Nein! NEIN!“ Ich klammerte mich an Jonathans Knie, den Kopf gesenkt und maulte und jammerte was das Zeug hielt. „Geht's noch? Lea! Hör doch endlich mal auf! Ich fahre hier schließlich gerade!“ Oh...stimmt! Das hatte ich ja ganz vergessen! Ich richtete mich im Beifahrersitz kerzengerade auf und schaute aus der Frontscheibe, als wäre nichts geschehen. Aber trotzdem! Nein! Ich will nicht die Milberts und Tommy besuchen! Scheiße! Ich sackte wieder im Sitz zusammen. Jonathan seufzte und musste ein klein wenig lächeln, während er kurz zu mir rüber sah. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Autobahn. „Sag mal...“, ich hob meinen Kopf etwas, um ihn ansehen zu können. „Ja?“, fragte ich. „Wo ist deine Nougattafel?“ Ich ließ den Kopf wieder sinken und schnuffte ein wenig durch die Nase. Jonathan seufzte wieder. „Ich ahne etwas.“ Jetzt musste ich grinsen. „Ach? Was denn?“ - „Du Trottel hast deine Tafel Schokolade mit in eine Tüte Einkäufe gesteckt, die jetzt im Kofferraum ist!“ Ich hob den Kopf ein wenig. „Hundert Punkte für den Kandidaten mit ohne Brille!“ Jonathan verzog ärgerlich die Lippen, musste aber dann doch anfangen zu lachen. Ich nicht, mir war eher zum Heulen zumute. „Du kleine Spinnerin...Kandidat mit ohne Brille...“, murmelte er vor sich hin und bog kurz darauf in eine Einfahrt ab. Ich linste durch meinen dichten, braunen Pony und betrachtete die Gegend. „Das ist nicht 'Das Kaff'.“, stellte ich fest. Aus den Augenwinkeln sah ich wie Jonathan die Augen verdrehte. „Ach...Kann es auch gar nicht, das ist eine Raststätte, für aufs Toilette gehen mit ein wenig Wiese und Bänken, um Proviant zum Mittag zu verzehren und...“ - „Wir haben kein Mittagessen und es ist schon 14.00Uhr.“ Der Typ auf dem Fahrersitz neben mir lächelte gequält und meinte dann nur: „Das war ein Beispiel.“ - „Ach so...“ Wir saßen eine Weile still beieinander, bis ich schließlich fragte:„Und was machen wir hier? Ich dachte du wolltest zu den Milberts und zu Tommy.“ Jonathan sah mich nur entgeistert an und schüttelte leicht den Kopf. „Worüber haben wir uns gerade unterhalten?“ - „Über Mittagsproviant, den wir nicht haben, das aber irgendwie nur ein Beispiel war.“ Jonathans Kopf knallte gegen das Lenkrad. „Laut der 'Unnützes-Wissen-Spalte' von einem Social-Network hast du gerade zwei Hirnzellen verloren.“, bemerkte ich, während ich teilnahmslos beobachtete, wie ein schwarzweißer, kleiner Hund aus dem offenen Kofferraum seines Herrchens ein Paar Würstchen klaute. „Oh Mann...musst du mich immer missverstehen...und was ich auch nicht begreifen kann, ist, dass du das sogar noch UNabsichtlich hinbekommst!“ Er machte eine Pause. Das Herrchen hatte den Diebstahl bemerkt und versuchte den Hund mit Leckerlis zu locken. Der Hund sträubte sich. „So...eigentlich meinte ich das Gespräch über deine Tafel Schokolade.“ Ich wurde hellhörig. Dann machte es 'Klick' in meinem Kopf und ich verstand, warum wir hier waren. Manchmal war ich echt schwer von Begriff. „Manchmal bist du ECHT schwer von Begriff!“ Ich sah Jonathan an. Meine gute Laune auf die bevorstehende Leckerei war dahin. Und gerade habe ich mir überlegt ihm ein kleines Dankeschön-Küsschen auf die Wange zu geben. Das Nervigste in meinem Leben sind Typen, die wissen was in meinem Kopf vorgeht. Zum Glück bin ich bisher nur einem begegnet, der aber blöderweise im Moment neben mir saß. Jonathan machte seiner Gedankenleserei wieder alle Ehre, den ich sah in seinem Gesicht, dass er um meine schlechte Laune wusste. Er drückte mir schnell die Autoschlüssel in die Hand, murmelte etwas von 'aufs Klo gehen' und war weg. Kaum war er aus meinem Blickfeld, verbesserte sich meine Stimmung schlagartig. Pfeifend stieg ich aus, schloss den Kofferraum auf und durchwühlte die drei Beutel nach meiner Tafel Schokolade. Als ich sie hatte, machte ich den wieder Kofferraumdeckel zu und setzte mich drauf. Genüsslich schob ich mir das erste Stück meines Begehrens in den Mund und beobachtete guter Dinge die vergeblichen Versuche des Anlockens von dem Mann. Der Hund war nicht dumm und hatte sich mit seiner Beute unter kratzigen Ginsterbüsche verdrückt, sein Blick ruhte misstrauisch auf seinem etwas dicklichem Herrchen. „Komm schon. Sei ein lieber Wauwau!“, bettelte der Mann. Der konnte einem echt Leid tun. Der Mann war inzwischen auf die Knie gegangen, um den Hund besser sehen zu können. Hä? Was machte der denn da? Sei doch nicht so blöd! Der macht das wirklich! „Ähm...Hast du deine Schokolade gefunden?“ - „Schsch!“, machte ich nur. Der Schlaumeier versuchte den Hund am Halsband zu packen. Der Hund ließ sich das nicht gefallen und schnappte mit den Beißerchen nach seinem Herrchen. Dabei ließ er natürlich die Würstchen fallen. „Nix 'Schsch'. Ja oder nein? Können wir jetzt weiter?“ Ich ignorierte Jonathan einfach und baumelte aufgeregt mit den Beinen hin und her. Der Mann stöhnte entsetzt auf, seine Augen lagen dabei auf dem dreckigem Essen und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Der Hund nutzte die Gunst der Stunde und machte sich aus dem Staub, dabei nahm er aber noch die Leckerlis mit, die ein wenig hinter dem Herrchen lagen und schluckte hastig immer noch auf der Flucht, seine Eroberung herunter. Lachend kullerte ich von meinem Sitzplatz und wäre beinahe auf den Boden geknallt, hätte mich Jonathan nicht aufgefangen. „Also...Können wir nun weiter?“ - „Na fahr doch, wenn du kannst!“, meinte ich vor mich hin grinsend. Er antwortete nicht und ging zügig zur Fahrerseite, er hatte schon die Tür aufgemacht und wollte gerade einsteigen, als er merkte:„Du hast die Schlüssel noch!“ - „Richtig...“, murmelte ich nur, während ich die noch eingewickelte, verbliebene Schokolade in meine Hosentasche stopfte. Dann öffnete ich nochmals den Kofferraum, kramte ein wenig drin herum und ging kurz darauf, ohne weiter auf Jonathan zu achten, zu dem Mann. „Bitte.“, sagte ich. Der Mann schaute auf. Er sah nicht wirklich glücklich aus. Ich lächelte. Zögernd erwiderte mein Lächeln. „Ja?“ Ich wackelte mit meiner rechten Hand. Überrascht nahm er das Päckchen entgegen. „Ist das in Ordnung? Ich meine...“ - „Ja.“ Ich drehte mich um und pfiff. In einem anderen Ginsterbusch sah ich zwei schwarzweiße Öhrchen zucken. Ich lächelte und rannte los.




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