Woher weiß ich, wann es Liebe ist? - The Friend Zone - Teil 7

Autor: Clara
veröffentlicht am: 13.12.2012


Es tut mir sooooo wahnsinnig Leid, dass ich mich so ewig nicht mehr gemeldet habe!!! Wahrscheinlich habt ihr schon wieder vergessen, dass diese Geschichte überhaupt existiert :D
Dabei warten hier die ganze Zeit schon ein paar weitere Teile auf ihre Veröffentlichung, die ich nach einer absoluten Schreibblockade schlicht und ergreifend irgendwo in den Untiefen meiner Festplatte vergessen habe ;)
Also, hier mal ein weiterer Teil, ich hoffe sehr, dass er euch gefällt :)

Kritik - positiv wie negativ - gerne willkommen :)
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-Alex-
„Dass du so was ja nicht noch mal machst!“, sagte ich tadelnd, als Vic und ich abends zusammensaßen. Er senkte schuldbewusst den Kopf. „Ich wünschte ja selbst, ich würde nicht immer gleich so überreagieren! Aber ich hab’ es einfach nicht unter Kontrolle!“, seine Atmung ging stoßweise und er ballte die Fäuste. Vic neigte zu unkontrollierten Wutausbrüchen, bei denen er auch gelegentlich handgreiflich wurde. Im Nachhinein schämte er sich immer zu Tode und entschuldigte sich abermillionen von Malen, doch es kam immer wieder vor, dass er einfach ausrastete und wie in einem Wahn wütete, ohne richtig mitzubekommen, was er eigentlich tat. Es machte ihn nicht zu einem schlechten Menschen, er war im Grunde ein guter Kerl, doch es machte das Zusammenleben manchmal schwierig und man musste manchmal aufpassen, was man sagte oder tat. Er versuchte, gemeinsam mit uns, aktiv an seiner Frustbewältigung und an seiner Toleranzgrenze zu arbeiten, doch auch, wenn manchmal schon leichte Verbesserungen zu spüren waren, hielt sich der Erfolg insgesamt leider in Grenzen.
Ich legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Hey, das wird schon, wir sind doch für dich da!“ „Sei nicht immer so verständnisvoll!“, sagte er gequält. „Deine vorbildlichen Reaktionen sind ja unerträglich!“, er versuchte sich ein Grinsen abzuringen, aber es misslang und ähnelte mehr einer schmerzverzerrten Grimasse. „Ich wäre so gerne wie du!“, sagte er leise und senkte den Kopf. Seine Hände waren ineinander gekrallt, die Knöchel traten weiß hervor und ich sah, dass seine Kiefermuskeln heftig arbeiteten. Er unterdrückte die aufkommende Wut gegen sich selbst und sah mich dann an. Ein schiefes Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Wie du müsste man sein!“, sagte er mit erstickter Stimme und ich musste lachen, als ich die Aufrichtigkeit bemerkte, mit der er das sagte. „Warum willst du sein wie ich?“ Er sah verwundert aus. „Sieh dich an, du bist intelligent und charakterstark und gutaussehend. Du bist im Gegensatz zu mir ruhig und ausgeglichen und rational und trotzdem nicht einer dieser öden Langweiler!“, er zwinkerte mir zu. „Und irgendwie hast du ein faszinierendes Talent dafür, immer das Richtige zu sagen oder zu tun. Als hättest du eine Anleitung fürs Leben und wir Anderen irren alle nur planlos umher! Wie machst du das?“, er sah mich wissbegierig an. Ich lachte verlegen und zuckte mit den Schultern. „Das kommt dir nur so vor, ich mache auch vieles falsch!“, versuchte ich die Überhäufung von Lob abzumildern, doch er sah mich nur entrüstet an. „Ich kann mich nicht erinnern, wann du mal einen Fehler gemacht hättest!“ „Oh doch, ich mache viele Fehler!“, versuchte ich ihm entgegenzusetzen, aber er blieb unerschütterlich bei seiner Meinung, ich sei unfehlbar. „Du bist DER perfekte Mann!“, sagte er im Brustton der Überzeugung und ich habe mich abgewendet und mir gewünscht, er hätte eine Ahnung davon, wie es in meinem Inneren aussah. „Anscheinend nicht perfekt genug!“, sagte ich leise zu mir selbst. So leise, dass ich damals davon ausging, er hätte es nicht mitbekommen.

Erst viel später begriff ich, dass meine Fassade ihm gegenüber zu bröckeln begonnen hatte und er anfing, mich wirklich kennen zu lernen. Manchmal warf er mir einen Blick zu, der deutlich zeigte, dass er mehr aus dem, was ich sagte, heraushörte, aber wir verspürten beide nie das Bedürfnis uns darüber zu unterhalten. Wie echte Männer ließen wir die Probleme lieber ruhen. > Warum schlafende Hunde wecken? <, dachten wir uns.
Wenn ich heute an unser damaliges Gespräch zurückdenke, muss ich immer lächeln. Als Vic anfing von meinem Charakter zu schwärmen, hatte ich befürchtet, er wolle mir gestehen, dass er schwul sei und in mich verliebt. Obwohl dies nicht der Fall war, hatte ich ab diesem Zeitpunkt immer ein wenig Angst, dass er mir doch irgendwann ein solches Geständnis machen würde, wenn er Komplimente mir gegenüber aussprach. Als ich ihm irgendwann, viele Jahre später, von dieser Angst erzählte, hatte er den ganzen Abend nicht mehr aufgehört zu lachen. „Du dachtest, ich sei schwul und stehe auf dich, obwohl selbst ein Blinder bemerkt hat, dass ich…“, weiter kam er nicht, weil er in einen erneuten Lachanfall ausbrach. Ich zog ein mürrisches Gesicht. „Du dachtest, ich stehe auf dich!“, rief er prustend und brach beinahe vor Lachen mitten auf dem Gehweg zusammen. „Ja, das dachte ich, tut mir Leid! Aber jetzt komm weiter, du blamierst mich total, die Leute drehen sich schon nach uns um!“, und ich versuchte, ihn weiter zu ziehen. „Du dachtest, ich sei schwul!“, prustete er wieder los. Genervt zerrte ich ihn weiter. Das würde er mir wohl noch vorhalten, wenn wir erst mal alt und grau wären. Gut, dass ich ihm verschwiegen hatte, wie unwohl ich mich immer gefühlt hatte, wenn wir nebeneinander auf dem Sofa lagen oder er mir freundschaftlich auf die Schulter schlug oder mich umarmte.
Wäre ich doch mal so perfekt gewesen, wie alle mich sahen.

Die Wochen vergingen. Sonja kehrte wieder in ihr altes Leben zurück, sie war gelöster und schien jeden Tag besser mit Kilians Tod klarzukommen. Mit Nico blieb sie übers Internet in Kontakt. Die Stimmung in der WG entspannte sich.
Doch dann folgte der große Knall.
Wir saßen beim Abendessen, als Struppi und Vic sich aus irgendeinem Grund ziemlich heftig in die Haare bekamen. An den genauen Grund kann ich mich nicht mehr erinnern, aber Vic äußerte sich mal wieder abwertend gegenüber Struppis künstlerischen Tätigkeiten. Struppi zeichnete unglaublich gut und für sein Leben gern und Sonja und ich redeten permanent auf ihn ein, damit er sich an einer Kunstschule bewarb. Außerdem trug er immer seine Spiegelreflexkamera mit sich herum und machte atemberaubende Bilder. Er schaffte es, aus den alltäglichsten Szenen das Wunderbare festzuhalten. Er fotografierte uns beim Frühstück oder beim Schlafen oder beim Joggen oder beim Streiten und er schaffte es, in einem Foto einen Moment so klar einzufangen, dass man ihn wahrnahm, als erlebe man ihn noch einmal. Fotografieren war wahrscheinlich das Einzige, was er noch besser konnte als Zeichnen. Wenn er also schon nicht bereit war, sich an einer Kunstschule zu bewerben, dann durfte er aber auf keinen Fall sein riesiges Potential als Fotograf unausgeschöpft lassen. Er träumte davon, seinen Lebensunterhalt mit seiner Kamera zu verdienen, doch Vic tat das alles als Kindereien ab und wollte, dass er sich endlich ernste Gedanken um seine Zukunft machte. Fotografie war für Vic ein alberner Kindertraum wie Pirat werden oder zum Mond fliegen und er sprach manchmal regelrecht verachtend über Struppis Wünsche und Ziele, was diesen sehr verletzte.
Meistens gab Struppi einfach klein bei, wenn Vic mal wieder über seine Liebe zur Kunst zu mäkeln begann, doch an diesem Abend wurde er wirklich wütend.
Struppi hatte während dem Essen Zeichnungen von uns gemacht. Es waren sehr schnelle Bleistiftskizzen, die er als Bewegungsstudien nutzte und aus denen er später entsprechende Szenen entwarf und sorgsam ausarbeitete. Vic regte sich immer unglaublich darüber auf, dass Struppi immer seine Kamera und Papier und Stift mit sich herumtrug und sogar während dem Essen am Tisch zeichnete, den Teller zur Seite geschoben, mit der linken Hand die Gabel führend und mit der rechten zeichnend, meist so konzentriert, dass er dabei das Essen vergaß.
„Sag mal, kannst du nicht mal während dem Essen den Stift weglegen?“, fragte Vic genervt. Struppi sah nicht einmal auf. „Nein!“, sagte er bestimmt und skizzierte weiter Sonja im Profil. Vic wedelte aufgebracht mit der Hand vor Struppis Nase herum. „Schau mich wenigstens an, wenn ich mit dir rede!“, blaffte er. Struppi machte ein grummelndes Geräusch, schob seine Blätter ein Stück zur Seite und zeichnete ohne aufzusehen weiter. Mit einem Ruck griff Vic nach dem Stapel Zeichnungen, zerriss ihn und feuerte die in der Mitte geteilten Blätter auf den Boden, sodass sie sich in der ganzen Küche verteilten. „Was soll das?“, fragte Struppi in gefährlich ruhigem Ton. Seine Zeichnungen und seine Fotografien waren ihm heilig. Vic schlug auf den Tisch. „Kannst du nicht ein einziges Mal normal sein?“, brüllte er. „Kannst du nicht endlich mal mit diesem schwulen Gezeichne aufhören?“ Struppi stand langsam auf und fixierte ihn über den Tisch hinweg. „Zeichnen ist also schwul, ja?!“, fragte er zischend. Vic lachte höhnisch. „Aber hallo! Du solltest dich mal sehen mit deinem Stiftchen in der Hand, pingelig wie eine alte Dame und alles muss perfekt sein!“, er stellte mit den Händen einen Zeichenprozess nach, wobei er den imaginären Stift mit den Fingerspitzen hielt und jeden seiner imaginären Striche nach dem Zeichnen entzückt ansah und mit leicht herausgestreckter Zungenspitze scheinbar hochkonzentriert winzige imaginäre Fehler ausbesserte.






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