Romeo und Julia - Teil 31

Autor: Spatzl
veröffentlicht am: 28.06.2012


Es nähert sich nun sicher dem Ende...:D
Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank für Wünsche, Anregungen und Kritik...


11. X-Mas-Time
Tja und plötzlich war es Dezember; es hatte das erste Mal geschneit, alles war schon weihnachtlich geschmückt, man konnte überall den Duft von Plätzchen und Punsch vernehmen und der typische, hektische „Schnell-noch-Geschenke-kaufen-Trubel“ begann auf den Straßen und in der verschneiten Fußgängerzone Münchens.
So wurde ich von der Stimmung doch irgendwann mitgerissen und mein Gesichtsausdruck wurde von Tag zu Tag wieder etwas fröhlicher und nicht mehr so finster wie er noch ein paar Wochen zuvor war.
Ich hatte dieses emotionale Tief also mehr oder weniger heil überstanden, obwohl sich zwischen uns natürlich nicht das Geringste geändert hatte…Weihnachten hin oder her.
Zusammen mit Weihnachten rückte natürlich auch unser großer Tag immer näher und ich wurde von Minute zu Minute aufgeregter.
„Mensch, du bist ein Nervenbündel auf zwei Beinen“, kommentierte Nath meinen Zustand.
„Wenn du in meiner Lage wärst, dann würden deine Nerven auch auf Glatteis liegen“, jammerte ich zurück und machte wohl eine so klägliche Miene, dass Nath leise lachen musste und mich einfach tröstlich in den Arm nahm.
„Mensch mein kleines Mädchen, du schaffst das schon. Ich habe da vollstes Vertrauen zu dir und auch zu Brian, dass er dich nicht im Stich lässt, wenn es drauf ankommt. Er will es ja genauso wie du!“
Nachdem ich das aus ihrem Mund gehört hatte, war ich doch ein bisschen beruhigt und konnte auch wieder ein wenig besser schlafen.
Für die letzte Übungsstunde hatte sich Anja etwas ganz besonderes überlegt: „Nächste Woche ist es ja dann soweit! Wir haben jetzt so hart geübt und ich bin der Meinung, ich habe euch genug geschunden. Deswegen möchte ich heute gar nicht mehr weiter auf euch rumreiten, sondern euch ganz in Ruhe lassen. Doch ich dachte mir, wir könnten, weil es doch bald Weihnachten ist, ein kleines Wichteln veranstalten. Jeder zieht den Namen eines anderen und besorgt für denjenigen ein kleines Geschenk, das er dann vor der Aufführung dem andern übergibt. Was haltet ihr davon?“ Ihr Vorschlag traf bei uns allen auf Zustimmung. Gesagt, getan…
Jeder schrieb seinen Namen auf einen kleinen Zettel, die wir dann alle in Lukes Mütze vermischten, da Brian seine um nichts in der Welt rausrücken wollte.
„Die Kap kommt aber bei der Aufführung runter! Wie sieht denn das aus: ein mittelalterlicher Romeo mit Kappy?!?“, meinte Anja und grinste.
Gespannt, was er erwidern würde, warf ich Brian einen Blick zu, doch er sagte nichts und wich mir scheu aus.
Achselzuckend wandte ich mich ab, musste aber zugeben, dass ich schon total gespannt war, ihn bald einmal ohne Mütze zu sehen. Das hatte ich ja nicht einmal bei unserem gemeinsamen Workshop geschafft, bei dem wir rund um die Uhr zusammen gewesen waren.
Als es hieß, wir sollen alle einen Zettel ziehen, hoffte ich nur eines: NICHT Brians Namen zu ziehen. Das wäre mein absoluter Albtraum! Mit leicht klopfendem Herzen griff ich also in die Mütze und zog ein Zettelchen heraus.
„Hat jeder gezogen?“, rief Anja, „Dann alle aufmachen und ja nichts verraten!“
Meine Finger zitterten leicht, als ich das Papierchen öffnete. Zuerst konnte ich gar nicht lesen, was darauf stand, doch mit der Zeit nahmen die Buchstaben Gestalt an und formten sich zu einem Wort: Brian!
Fassungslos starrte ich auf den Zettel in der Hoffnung, ich hätte mich verlesen, doch der Name wollte einfach nicht verschwinden.
Einmal tief durchatmen und die Fassung wiederbekommen, dann gesellte ich mich zu den anderen Mädels.
„Na Sam, bist du mit deinem Wichtel zufrieden?“, wollte Hannah wissen.
„Eigentlich schon“, log ich und setzte ein Lächeln auf.
„Ich bin ja schon so gespannt, wer mich gezogen hat…“, meinte Jana und sah sich um, als würde sie nach irgendeinem Hinweis Ausschau halten.
„Keine Chance, wir halten dicht“ Nicole ließ ihren Zettel in der Hosentasche verschwinden und tat ganz geheimnisvoll.
Nach einem kurzen Abschied von Anja und den Mädchen machte ich mich auf den Heimweg. Die Hände tief in den Hosentaschen vergraben und den Kopf zwischen die Schultern gezogen, trottete ich so gedankenverloren vor mich hin und merkte nicht, wie ein Fahrrad neben mir anhielt.

Ich brauchte mich gar nicht umzudrehen, um zu wissen wer es war, denn sein Aftershave war mir mittlerweile so vertraut wie mein Kleiderschrank.
„Hey“, war zunächst alles, was Brian sagte. Daraufhin drehte ich mich um und sah ihn an, doch er wich meinem Blick aus und senkte seine Augen auf den Boden. Er schien nach den richtigen Worten zu suchen.
Auch ich schwieg und wartete darauf, dass nun wieder eine Bombe zwischen uns platzen würde. Auf das, was stattdessen kam, war ich allerdings ganz und gar nicht gefasst.
„Du kannst nichts dafür, Sam! Wir hätten uns einfach nie begegnen dürfen. Es ist alles meine Schuld. Es tut mir leid!“, meinte Brian leise und sah mich für einen kurzen Moment an. In seinen Augen spiegelte sich tiefe Reue und eine leichte Abscheu wider. Abscheu gegenüber wem?
Mir? Sich selbst?
Bevor ich allerdings in irgendeiner Weise auf seine Worte reagieren konnte, war Brian auch schon wieder verschwunden.
HÄH?!?
Was sollte das denn eben? Für was entschuldigte er sich? Etwa für sein Verhalten mir gegenüber? Und wofür sollte ich nichts können?
Fragen über Fragen, auf die ich keine Antwort wusste.
Also zog meinen Kopf noch tiefer in meine dicke Jacke und schlenderte das letzte Stück nach Hause. Während des ganzen Heimwegs beschäftigten mich Brians Worte, dass wir uns hätte nie begegnen dürfen. Was meinte er damit?
Als er diesen Satz sagte, war sein Tonfall von solcher Traurigkeit und Bedauern gewesen, dass ich mir sicher war, dass da mehr dahinter steckte. Was war der wahre Grund, dass sich Brian mir gegenüber so abwehrend verhielt? Vielleicht lag ich mit meinen Vermutungen falsch und es war gar nicht so, dass er mich nicht ausstehen konnte, sondern in Wirklichkeit gab es ganz andere Beweggründe für seine Art…
Fast den ganzen Nachmittag grübelte ich noch über diese wenigen Sätze nach, sodass ich beinah etwas vergaß, dass auch mit dieser Person zu tun hatte:
Brians Wichtelgeschenk…
Nach dem Vorfall eben wusste ich noch weniger, was ich ihm schenken sollte und mir viel erst einmal auf, wie wenig ich eigentlich von ihm wusste und ihn kannte.
Letztendlich wusste ich von dem Jungen ungefähr so viel wie von meinem Mathelehrer, was übersetzt hieß: also rein überhaupt nichts.
Kurzerhand griff ich zum Telefon und wählte Naths Nummer.
„Hey Süße“, meldete sie sich schon nach dem erste Klingeln.
Die Arme wurde von einem Durcheinander an Worten übergossen, von dem sie mit Sicherheit mehr als die Hälfte nicht verstehen konnte, doch sie hörte sich alles geduldig an. Meine Nath war einfach ein Schatz und immer da, wenn ich sie brauchte, doch in diesem Fall wusste sie mir auch nicht zu helfen.
„Ich kann aber mal Jonas fragen, wenn du willst. Immerhin sind die beiden ja beste Freunde!“, schlug sie vor.
Dankend lehnte ich ab: „Nee du, lass mal lieber. Mir wird schon irgendwas einfallen! Trotzdem danke für deine Hilfe.“
Fast den gesamten Abend zerbrach ich mir den Kopf über das verdammte Wichtelgeschenk, doch mir fiel einfach nicht das Richtige ein. Es sollte ja schließlich doch etwas Persönliches sein und nicht nur ein Schokoladennikolaus von Milka oder etwas in der Art.
Also verbrachte ich die ganze nächste Woche mit Grübeleien, besorgte die letzten Weihnachtsgeschenke und lernte meinen Text, bis ich ihn wirklich im Schlaf aufsagen konnte.
Je näher der letzte Tag vor den Weihnachtsferien rückte, desto hibbeliger wurde ich, obwohl Nath und Jonas mich und natürlich auch Brian unterstützen und uns seelischen Beistand leisteten. Doch das half in meinem Fall auch nicht mehr sehr viel. Ich war quasi am Rande eines Nervenzusammenbruchs.
Dennoch fand ich, für Nath und Jonas war ein kleines Geschenk als Dankeschön für ihre Hilfe und Loyalität angebracht. Deswegen fasste ich mir ein Herz und sprach Brian am Donnerstag in der großen Pause an. Seit er mich auf dem Heimweg abgefangen hatte, hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Es schien, als würde er mir aus dem Weg gehen. „Ähm Brian“, stotterte ich herum, „kann ich dich mal kurz sprechen?“
Eigentlich erwartete ich als Antwort einen bösen Spruch oder irgendetwas in der Art, doch Brian nickte nur stumm und trat ein paar Schritte von seinen Kumpels weg.
Er warf mir einen erwartungsvollen Blick zu und ich erschrak, als ich dabei den Ausdruck in seinen Augen bemerkte. Diese strahlend blauen Augen, die selbst wenn sich mich angriffslustig und wütend anblitzen von solch einem intensiven Ausdruck waren, dass ich mich jedes Mal in ihrer Tiefe verlor, waren kaum wieder zu erkennen. Kein Funkeln, kein Blitzen und schon gar kein Leuchten waren darin zu erkennen. Alles was ich sah, war ein stumpfer Ausdruck von Resignation und Leere. Es schien, als wären sie tot, als wäre jegliches Leben, jegliches Gefühl aus ihnen gewichen? Ich zuckte vor Schreck zusammen.
„Alles ok?“, erkundigte sich Brian. Seine Stimme war leise und belegt.
Hastig nickte ich und schlug ihm das Geschenk für Jonas und Nath vor. „Ich werde bis morgen etwas besorgen“ Mit diesen Worten drehte er sich wieder von mir weg und seinen Kumpels zu.
Verwirrt stand ich da und starrte seine Rückseite an, bis er es zu merken schien und mir einen flüchtigen Blick über die Schulter zuwarf. Ein stummes Flehen, ein Hilferuf! Es war als würde seine Seele Signale senden, die nur für mich bestimmt waren, für die nur ich als Empfänger dienen konnte. Doch ich konnte sie nicht entschlüsseln!
Im weiteren Unterricht erschien die ganze Zeit Brians Bild vor meinen Augen: groß, muskulös, lässiger Skater-style und die blauen Augen, die mir zum Verhängnis geworden sind und in denen ich seit kurzem diesen ungewohnten rätselhaften Ausdruck, diese Botschaft beobachtete. Dieses Bild hatte sich auf meiner Netzhaut eingebrannt, so dass alles andere spurlos an mir vorüberging. Neben mir hätte wahrscheinlich eine Bombe einschlagen können und ich hätte nicht einmal mit der Wimper gezuckt.
Plötzlich wurde ich dann mitten im Italienischunterricht auf krankhafte Weise von einem Dämon gepackt, der mich dazu zwang, all meine Gedanken in Form eines Gedichts nieder zu kritzeln.
Seltsam, denn normalerweise war ich nicht sonderlich poetisch veranlagt.
„Was hast du denn da?“ Nath wollte mir den Papierfetzen aus der Hand reißen, doch ich ließ ihn hastig in meiner Hosentasche verschwinden.
Auch wenn sie meine beste Freundin war, so scheute ich mich trotzdem davor, ihr dieses Geheimnis anzuvertrauen, denn wer weiß, wie schnell es den Weg zu Brian gefunden hätte. Dieser hätte sich dann wahrscheinlich vor Lachen in die Hose gemacht.
Völlig zerstreut schleppte ich mich also durch den Tag und verbrachte dann meinen restlichen Abend damit, ein letztes Mal meinen Text durchzugehen vor meinem inneren Auge das ganze Stück noch einmal abzuspielen.
Verdammt sei der morgige Tag, wenn da nur alles glatt liefe und ich mich nicht bis auf die Haut blamierte.






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