Wenn 2 Herzschläge ganz besonders klingen, dann nur, weil sie im selben Rythmus swingen :) - Teil 14

Autor: Maggie
veröffentlicht am: 27.04.2012


Ihr Lieben :)
Es geht weiter! Tut mir sehr leid, dass es diesmal doch etwas länger gedauert hat. Nennen wir es eine kreative Pause...ich musste mir wirklich erstmal Gedanken machen, wie es weiter gehen soll. Es wird immer schwieriger ;)
Aber eins kann ich euch versprechen: Die Geschichte wird auf jeden Fall beendet! Ich schreibe definitiv weiter...auch wenn ich es nicht schaffe jede Woche einen neuen Teil fertig zu bekommen.
Nun viel Spaß mit Maya und Erik ;)
Und nochmal ein großes Danke an die fleißigen Kommentarschreiberinnen! Ihr seid toll! ♥





Ich konnte es nicht fassen.
Mein Gehirn war einfach nicht in der Lage die gehörte Information zu verarbeiten. Ein Einbrecher in meiner Wohnung? Erik musste sich irren!
Automatisch sprach ich in der gleichen Lautstärke wie er und flüsterte durch das Handy:
„Du verwechselst die Fenster! In meiner Wohnung ist niemand.“ Er erwiderte fast verzweifelt:
„Verdammt! Es ist GENAU deine Wohnung! Oh Mann! Oh Fuck!“ Seine Worte und der resignierte Tonfall lösten irgendetwas in mir aus. Plötzlich entstand ein Bild vor meinem inneren Auge. Erik, außer Atem und gehetzt, hinter der Mauer versteckt auf meinem dunklen Innenhof. Und sein ängstlicher Blick, der zu meinem beleuchteten Schlafzimmerfenster führte. In dem Fenster ein dunkler großer Schatten – absolut der Stoff aus dem Alpträume gemacht wurden. Kalte Wellen schossen durch meinen Körper, mein Mund wurde taub und die Angst kroch wie eine Schlange durch meine Adern. Hatte ich mal gesagt, dass das Eindringen in meinen PC einem Einbruch in meiner Wohnung gleich kam, doch es sei noch viel privater? Ich hatte keine Ahnung gehabt! Die Vorstellung, dass ein Fremder in diesem Moment in meinem Schlafzimmer stand, war so dermaßen beängstigend, dass sich die Angst wie ein permanentes Stechen im Rückgrat rauf und runter bewegte. Und mit dem nächsten Gedanken brach sie mir fast die Wirbelsäule: Meine Kater!
Sie waren dort, hilflos und ausgeliefert. Ich schrie Erik sofort an:
„ERIK! DIE KATER!“ Dann schnappte ich nach Luft, ein verzweifelter Schluchzer drang aus meiner Kehle und unzählige Bilder von verstümmelten und gefolterten Katzen kreisten in meinem Kopf. Mir standen vor Verzweiflung bereits die Tränen in den Augen, mein Herz pochte laut in meiner Brust und ich fühlte mich bewegungslos, wie eingefroren. Erik schnappte ebenfalls nach Luft, seine Stimme klang mit einem mal fester als vorher, irgendwie entschlossen:
„Oh Gott, an die habe ich gar nicht gedacht. Ich geh da jetzt hoch! Mir reichts!“ Dann hörte ich das Rascheln von Klamotten und die unerbittlichen Schritte seiner todesmutigen Füße. Er war vollkommen verrückt geworden. Ich grölte durch die Leitung:
„Du wirst einen Teufel tun! Hast du mich gehört? Du gehst da nicht...-“ Tut, tut, tut.
Er hatte einfach aufgelegt! Wie gebannt starrte ich auf mein Handy. Ich stand eindeutig unter Schock, denn ich fing an zu Lachen. Ein hysterischer Laut, den man sonst auf den verlassenen Fluren von geschlossenen Anstalten hören konnte. Während dieses Glucksen wie von alleine aus meiner Kehle drang, schüttelte ich den Kopf. Erik hatte mich verarscht. War heute der 1. April? Er würde doch nicht ernsthaft in diesem Augenblick in meine Wohnung gehen, in welcher irgendein Psycho stand und eigentlich auf MICH wartete? Haha, Nein! Sicher nicht. Und letztendlich war da sicher nicht mal jemand in meiner Wohnung...er veralberte mich. Ein fieser kleiner gemeiner Scherz.
Kim holte mich zurück in die Wirklichkeit. Sie schüttelte meine Schultern, stand genau vor mir und schrie mich schon fast an. Ich musste einen kurzzeitigen Aussetzer gehabt haben. Ich starrte perplex in ihre hellbraunen und besorgten Augen, dann blickte ich auf mein meine verkrampfte Hand, die das Smartphone beängstigend fest umklammerte.
„MAYA!! Was ist denn passiert?“ Ihre Stimme drang von ziemlich weit weg durch meinen vernebelten Verstand. Dann zog ein Ruck durch meinen Körper, Adrenalin pumpte durch meine Venen und ich begann wieder in die Realität zurück zu kommen: Erik war gerade im Begriff Selbstmord zu begehen!
Ich sprang auf und rannte los.
Ich rannte ohne eine Erklärung aus Kims Wohnung, nur mit meinem Handy bewaffnet. Ich hatte mir nicht mal Schuhe angezogen, ich trug irgendwelche Schlappen, die mir Kim als Hausschuhe angeboten hatte und rutschte auch prompt auf den glatten Fliesen in ihrem Hausflur aus und landete krachend auf den Knien am unteren Ende der Treppe. Ein heißer Schmerz durchzuckte meinen linken Knöchel und ich spürte wie eine warme Flüssigkeit an meinen Schienbeinen hinab lief. Wahrscheinlich hatte ich mir die Knie aufgeschlagen. Doch ich nahm mir nicht mal die Zeit runter zu sehen. Ich stürzte einfach weiter, missachtete den pochenden Schmerz im Fuß und hetzte aus Kims Treppenhaus. Sie rief mir irgendetwas nach, ich verstand es nicht.
In meine Kopf herrschten nur noch zwei Gedanken: Erstens – Wie lange brauchte ich von Kim bis zu mir? Normalerweise ein Fußweg von 20 Minuten. Zweitens – Was würde mich erwarten, wenn ich dort ankommen würde?
Ein absolut grauenhaftes Kopfkino stellte sich ein. Ich malte mir eine schrecklichere Szenerie nach der anderen aus, sah einen messerschwingenden Schatten im Trenchcoat, der auf Erik einstach, verdrängte das Bild eines geknebelten Eriks, der von einem Sadisten gefoltert wurde und ich schob sämtliche Szenen aus den brutalsten Horrorfilmen, die ich je gesehen hatte, aus meinem Kopf. Ich versuchte sämtliche Vorstellungen zu ignorieren, konzentrierte mich auf den Weg, versuchte noch schneller zu rennen und blendete das Rasseln in meiner Lunge sowie die Atemnot aus. Vor ein paar Tagen war ich schon einmal so schnell durch die Stadt gejagt, doch was mich diesmal antrieb, war fast mächtiger als irgendein Verfolger. Es war nicht die Angst um mich, sondern die Angst um jemanden, den ich liebte.
Nach 10 Minuten, einer unschlagbaren Rekordzeit, flitzte ich um die letzte Ecke und bog in den Tunnel ein. Hier bremste ich das erste Mal bewusst ab, humpelte die letzten paar Meter und schnappte verzweifelt nach Luft. Ich war völlig außer Atem, gefesselt vor Furcht und konnte mit dem Knöchel mittlerweile kaum noch auftreten. Mein Herz pochte im Takt das schmerzenden Fußes, in meinem Kopf dröhnte es und die Kälte breitete sich wieder von meinem Innersten aus.
Als ich das Ende der Unterführung erreichte, schielte ich vorsichtig um die Ecke. Die Haustür unten stand offen, der Hausflur war stockdunkel und tatsächlich war Licht in meinem Schlafzimmer. Mein hämmerndes Herz rutschte mir sofort in die Hose. Ich blieb ganz kurz stehen, mein Blick brannte auf dem hellen Fleck und ich wartete auf irgendeine Regung im Inneren. Doch es geschah nichts. Es sah so friedlich aus, sehr verwirrend.
Ohne weiter nachzudenken humpelte ich gebückt über den Hof und schlich so lautlos es mir möglich war in den Hausflur. Das Licht ließ ich aus und ich lauschte in die Dunkelheit. Ich hörte die typischen Geräusche eines Treppenflurs in einem Mehrfamilienhaus: Gedämpfte Laute von Fernsehern hinter geschlossenen Wohnungstüren, murmelnde Stimmen, ein schreiendes Kind - absolute Normalität. Dazu im Kontrast mein hechelndes Atmen, mein klopfendes Herz und die eisige Kälte, die mich erbarmungslos zittern ließ.
Alles in mir sträubte sich dagegen, mein Verstand schrie mich förmlich an und ein Teil von mir klingelte schon an einer dieser Türen um Verstärkung zu ordern, doch ich schleppte mich trotzdem allein und im Dunkeln die vier Stockwerke zu meiner Wohnung hinauf. Ich wusste nicht was mich erwarten würde, doch ich nahm unerbittlich jede Stufe. Ich schnaufte vor Anstrengung, da ich nun garnicht mehr Auftreten konnte mit dem verletzten Fuß, biss mir vor Schmerz in die Faust, um keinen Laut von mir zu geben und blieb ab und an stehen, um in die Finsternis zu lauschen.
Im dritten Stockwerk, ich war bereits schweißgebadet, drang endlich ein Licht durch den dunklen Flur. Ich ahnte bereits, dass dies aus meiner Wohnung kam. Ich versuchte noch weniger Geräusche zu machen, riss mich zusammen und nahm fast lautlos die letzten Stufen.
Meine Wohnungstür war angelehnt. Ein schmaler Streifen beleuchtete die schlichte Fußabtretermatte. Kurz blieb ich wie gelähmt stehen, noch fünf Stufen. War ich eigentlich verrückt? Was wollte ich hier? Alleine, außer Puste und verletzt! Ich sollte die Polizei rufen, bei nem Nachbarn klingeln – irgendetwas tun, nur bloß nicht alleine und unbewaffnet da rein gehen. Das war Wahnsinn!
Dann hörte ich ganz leise Eriks Stimme, ein sanftes Murmeln, doch eindeutig Erik. Sofort warf ich alle Bedenken über den Haufen, hechtete die paar Stufen hoch und rammte die Tür auf. Ich war zu allem bereit, rechnete mit dem Schlimmsten und war dann doch als erstes von der plötzlichen Helligkeit meines kleinen Flurlichts geblendet. Ich blinzelte in meine Wohnung, gab wahrscheinlich ein ziemlich erbärmliches Bild ab und umklammerte mein Handy wie die letzte Waffe auf Erden.
Dann erkannte ich zwei Gestalten in meinem Schlafzimmer, sie saßen nebeneinander auf dem Bettende. Ich sah alles wie durch einen Schleier. Mich sahen zwei völlig entsetzte Gesichter an. Das eine kannte ich irgend woher, das andere war definitiv Erik. Erik am Leben und unversehrt. Alles um mich rum begann sich zu drehen, ich fiel förmlich in seine Richtung. Er stand auf, stürzte auf mich zu und ich landete in seinen kräftigen Armen. Sofort liefen mir Tränen der Erleichterung über die Wangen, ich klammerte mich an ihn und erst jetzt wurde mir bewusst, was für eine Angst ich um ihn gehabt hatte.
Dann arbeitete mein Verstand sofort wieder auf Hochtouren. Ich sah mich um, suchte die Kater und blieb automatisch mit dem Blick auf der anderen Person hängen. Es war ein junger Mann, Mitte zwanzig und ziemlich attraktiv, so wie ich es auf den ersten Blick erkennen konnte. Er hatte blondes kurzgeschorenes Haar, war unnatürlich braun und saß wie ein Beachboy mit freiem Oberkörper auf meinem Bett. Doch ich konnte das Gesicht einfach nicht zuordnen. Der Typ grinste mich schief und etwas verlegen an, dabei hielt er sich eines meiner pinken Handtücher an den Hinterkopf. Völlig verwirrt sah ich zu Erik, der blickte verdächtig betreten und peinlich berührt von dem Jungen wieder zu mir, zuckte dabei unwillkürlich mit den Mundwinkeln und schien meine Gedanken zu lesen. Dann räusperte er sich und beantwortete mir die unausgesprochene Frage:
„Maya...das ist Malte.“ Er zeigt auf den jungen Mann. „Dein Nachbar.“ Ein kleines Hüsteln. Jetzt starrte ich wieder zu dem Typen. Dieser hob zum Gruß die freie Hand und grinste weiter.
„WER IST DAS?!“ Ziemlich unhöflich, doch die Situation war auf einmal so absurd. Ich hatte mit einem Blutbad und tödlichem Kampf gerechnet, stattdessen saß hier irgendein Malte, halbnackt! Und Erik war die Situation eindeutig total unangenehm. Er schob sich wie zum Signal die Brille verlegen hoch und wiederholte sich.
„Das ist Malte. Dein Nachbar. Du weißt schon...“ Er senkte kurz die Stimme „...der, der immer in Unterwäsche durch den Hausflur rennt!“ Dann macht es Klick. Boxershorty! Natürlich! Mein Nachbar.
Er wohnte schräg gegenüber und wie Erik schon erwähnt hatte, ich kannte ihn nur, weil er wirklich IMMER in Boxershorts durch den Hausflur lief, die Post holte oder Müll wegbrachte. Ich hatte mit ihm noch nie ein Wort gewechselt. Ich hielt ihn für etwas verrückt und wahnsinnig eingebildet, da er mich manchmal so merkwürdig anzwinkerte, total aufdringlich. Ich nannte ihn nur Boxershorty und hatte mich schon oft vor meinen Freunden über ihn lustig gemacht, daher kannte ihn Erik auch.
Gut. Dann war also dieser merkwürdige Typ hier in meinem Schlafzimmer. War er hier etwa eingebrochen? Ich funkelte ihn sofort an:
„Was machst du hier? Bist du etwa der Hacker? Ich schwöre, wenn du das alles warst, dann...-“ Erik hielt mich zurück. Ich war schon im Begriff mich auf ihn zu stürzen, obwohl er abwehrend die Hände hob und mich unverständlich ansah. Erik klärte die Situation mit schnellen Worten auf:
„Malte hat den Müll runter gebracht, als er Pablo oder Diego auf dem Flur fand. Deine Wohnungstür stand offen, also hat er den Kater eingefangen und ihn hier rein gebracht. Dann hat er die Lichter angemacht, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Nur wenige Sekunden später stand ich hinter ihm und habe ihm...“ Er räusperte sich wieder. „...habe ihm...mit dieser Dachlatte...“ Er deutete auf ein gut einen Meter langes Stück Holz „...niedergeschlagen. Er ist nicht der Stalker. Beruhige dich, okay?“ Mir traten fast die Augen aus den Höhlen. Ich stellte die erste Frage, die mir durch den Kopf ging.
„Wo hast du diese Latte her?“ Ein betretener Blick auf den Boden.
„Vom Spermüll vor eurem Haus.“
Ich war vollkommen baff, hatte die Gesamtsituation noch nicht ganz kapiert. Erik hatte meinen Nachbarn mit einer mordsmäßigen Holzlatte verprügelt? Das war so skurril. Und was war jetzt mit dem Stalker? War hier überhaupt jemand eingebrochen? Ich sah mich hektisch um, suchte nach der typischen Unordnung von durchstöberten Schubladen und ausgeplünderten Fächern, doch alles war an seinem Platz.
Ich sah wieder fragend zu Erik, der noch immer ziemlich nervös wirkte.
„Wieso stand meine Haustür auf?“ Er zuckte mit den Schultern.
„Musst du wohl nicht richtig verschlossen haben. Keine Ahnung. Was fragst du mich? Eingebrochen ist hier jedenfalls niemand. Es sind keinerlei Spuren an deiner Tür.“ Das konnte ich nicht glauben. Ich verschloss meine Tür IMMER sorgfältig. Ich sah wieder zu diesem Malte.
„Bist du schwer verletzt?“ Er hielt sich schließlich noch immer das Handtuch an den Kopf und wirkte irgendwie blass, trotz der unglaublichen Sommerbräune. Doch er schüttelte entschlossen den Kopf und schenkte mir ein entwaffnendes Lächeln.
„Nein. Alles bestens. Er hat mich nicht besonders hart getroffen.“ Er hatte einen merkwürdigen skandinavischen Akzent und rollte das 'r' sehr stark. Erik warf sofort ein:
„Ich hab ja auch nicht richtig ausgeholt!“ Ich verdrehte die Augen. Er verteidigte sich doch nicht ernsthaft dafür, dass er meinen Nachbarn nur ein bisschen verletzt hatte! Dann brach die aufgestaute Wut und Angst aus mir raus. Zu seinem Pech stand Erik direkt vor mir und bekam alles ab:
„Zum Glück! Du hättest diesem Jungen den Schädel zertrümmern können! Was ist nur in dich gefahren? Erst machst du einen auf Superheld, legst einfach auf, versetzt mich in Angst und Schrecken! Dann verprügelst du den armen Malte -“ ich zeigte auf den schwedischen Sunnyboy, den mein kleiner Anfall durchaus zu amüsieren schien „- der total unschuldig nur meinem Kater geholfen hat und dann...DANN rufst du mich nicht mal an um mir zu sagen, dass alles gut ist!!! Ich renne durch die halbe Stadt, sehe dich vor meinem inneren Auge auf verschiedenste Weise ermordet, sterbe vor Angst und du...du sitzt hier seelenruhig und RUFST NICHT MAL AN!“ Ich war stinksauer, die letzten Worte hatte ich gebrüllt. Erik sah mich betreten und leicht gekränkt an, Malte grinste. Ich fand die Situation alles andere als lustig und fauchte nun auch ihm sein dämliches Grinsen aus dem Gesicht:
„Was ist daran bitte so verdammt witzig?!?“ Sofort verspannten sich seine Mundwinkel und er sah beschämt auf den Boden. Ich funkelte beide an, beschloss dann aber endlich mal nach meinen Katern zu sehen. Als ich auf dem Absatz umkehren wollte fuhr ein solch spitzer Schmerz durch meinen Knöchel, dass ich auf der Stelle das Gleichgewicht verlor und einen kurzen Schmerzenschrei ausstieß. Ich hatte in dem ganzen Wirrwarr irgendwie das beständige Pochen verdrängt und den Fuß unachtsamerweise beim Umdrehen komplett belastet. Erik fing mich auf. Wenn es um mich ging hatte er untrügerische Reflexe. Ich landete in seinem Arm und zischte vor Schmerz. Sofort ließ er mich auf mein Bett nieder und ich sah zum ersten Mal auf den Fuß.
Der Knöchel war unnatürlich dick und angeschwollen. Das Knie hatte ich mir auch aufgeschlagen. Doch es war nur eine kleine Platzwunde. Erik betrachtete mich besorgt, dann fiel sein Blick auf den Fuß und er machte große Augen.
„Oh Gott, Maya! Was ist passiert?“ Er kniete sich zu dem Fuß und inspizierte ihn ganz genau.
„Ich bin bei Kim im Hausflur die Treppe runter gefallen. Wegen dir...“ Den Rest sparte ich mir, als ich sein verletztes Gesicht sah. Er öffnete den Mund um irgendetwas zu sagen, doch Malte kam ihm plötzlich zuvor. Er richtete sich sofort auf, kniete sich vor mich hin und nahm ganz sanft meinen verletzten Fuß in seine Hände.
„Lass mich mal sehen...“ Überrascht sah ich zu wie er Erik wegdrängte und mit geübten Fingern ganz vorsichtig den Knöchel befühlte. Erik richtete sich auf und verfolgte die Szene mit skeptischem Blick. Ich meinte ein Zähneknirschen aus seiner Richtung wahrgenommen zu haben. Dann sagte er leicht amüsiert:
„Und du bist Krankenschwester oder was?“ Malte hob nicht mal seinen Kopf und überging die lächerliche Spitze.
„Ich studiere Medizin, bin zur Zeit in der Unfallchirurgie.“ Ich zog erstaunt die Augenbrauen hoch, Erik war der Wind aus den Segeln genommen und er beobachtete den angehenden Arzt nur noch finsterer.
Malte war hochkonzentriert, drückte hier und da, tastete das Gelenk ab und drehte dann meinen Fuß in verschiedene Richtungen bis ich vor Schmerz zusammenzuckte.
„Hey! Du tust ihr ja weh!“ Jetzt war Erik völlig aufgebracht und Malte sah ihn stirnrunzelnd an.
„Ich untersuche nur den Knochen -“ Nun sah er zu mir und fixierte mich mit seinen blauen skandinavischen Augen „-ich muss sicher gehen, dass nichts gebrochen ist. Tut mir leid, ich wollte dir nicht weh tun.“ Dann zwinkerte er mich total offensichtlich an und streichelte sanft den Fuß, den er in der Zwischenzeit auf seinem nackten Oberschenkel abgelegt hatte. Seine Präsenz war mir mehr als unangenehm und ich sah schnell zu Erik, der ihn von oben herab mit seinen Augen durchbohrte.
„Und das kannst du einfach so hier feststellen, dass nichts gebrochen ist? Meinst du nicht wir sollten sie ins Krankenhaus bringen, wo man sie PROFESSIONELL untersuchen kann?“ Das war mal wieder typisch. Diese herablassende Art war mir bestens bekannt, doch mein Nachbar ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Er umschloss stattdessen meinen Fuß und untersuchte ihn weiter.
Mir kam es vor, als würde er nun absichtlich lange das Gelenk abtasten. Seine Finger verweilten ständig einen Hauch zu lange auf der Haut, seine Augen suchten immer wieder die meinen und die Art, wie seine Hände mich berührten, hatte nichts mehr von einer sterilen ärztlichen Distanz. Ganz im Gegenteil: Er schien die Berührungen zu genießen. Ich fühlte mich sehr unwohl und war ständig versucht, ihm endlich meinen Fuß zu entziehen. Er schien die Untersuchung extra in die Länge zu ziehen.
Ich sah zu Erik. Er hatte die Arme vor der Brust gekreuzt, runzelte skeptisch die Stirn und schüttelte immer wieder mit dem Kopf. Natürlich bemerkte er, wie dieser Malte völlig unangemessen meinen Fuß befühlte. Ich betrachtete ihn kurz genauer. Er war der Typ der sich seines Aussehens mehr als bewusst war und ich musste mir eingestehen, dass er mich sehr an Tom erinnerte. Blonde Haare, blaue Augen, arische Gesichtszüge und ein absolut perfektes Auftreten. Er strotzte nur so vor Selbstbewusstsein und ich wollte nicht wissen wie viele Frauen er mit der Medizinstudent-Nummer schon herumgekriegt hatte. Er war wirklich extrem braun, hatte einen durchtrainierten Körper und bewegte sich geschmeidig wie eine Katze. Trotzdem wirkte alles an ihm unecht und in meiner subjektiven Sichtweise fand ich, dass er Tom nicht mal im Ansatz das Wasser reichen konnte. Plötzlich unterbrach er meine dummen Gedanken und sprach nun in dem sachlichen Ton eines Arztes.
„Es ist nichts gebrochen und auch nichts verstaucht. Wahrscheinlich hast du dir den Knöchel geprellt. Halte den Fuß die nächsten Tage ruhig und kühle fleißig die Schwellung. In zwei drei Tagen sollte alles wieder normal sein und du kannst den Fuß belasten. Aber meide vielleicht erstmal Schuhe mit zu hohen Absätzen!“ Die Diagnose wurde mit einem weiteren Zwinkern beendet und er richtete sich nun wieder auf. Er hatte tatsächlich wieder nur eine Unterhose an. Ich verdrehte innerlich die Augen. Erik war offensichtlich ziemlich erleichtert und wollte, genau so wie ich, diesen aufdringlichen Typen endlich los werden.
„Schön! Dann nehmen wir das mal so hin. Danke, Malte. Und entschuldige nochmal, wegen deinem Kopf.“ Er deutete betreten auf das genannte Körperteil, seine Haltung verriet aber, dass er noch immer auf Konfrontationskurs war und seine Worte hatten den Unterton eines Rausschmisses. Auch wenn mir mein Nachbar ziemlich überheblich und selbstverliebt erschien, so hatte er doch ein instinktives Gefühl für ungute Schwingungen – und diese gingen eindeutig von Erik aus. Also drehte er sich zu mir, um sich zu verabschieden:
„Ich geh dann mal lieber, gute Besserung! Wenn noch irgendetwas ist oder so...du weißt ja wo ich wohne!“
Dann zwinkerte er mir ein letztes Mal zu, drehte sich schnell um, rannte fast in Erik rein, von dem ich mir einbildete ein ganz leises Knurren zu hören und verließ stolzierend meine Wohnung.
Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel überrannte mich ein erleichterndes Gefühl.
Mit einem Mal war mir alles egal. Ich fühlte mich wie auf einer Wolke, matt, müde und schwerelos. Die ganze Aufregung war umsonst gewesen und nun sollte ganz schnell Ruhe einkehren. Ich ließ mich seufzend nach hinten fallen und schloss die Augen. Wenige Sekunden später spürte ich ein Gewicht neben mir. Ich öffnete sie wieder und blickte in Eriks müdes und angespanntes Gesicht.
„Was für ein merkwürdiger Typ, dieser Malte.“ Er sah mich düster an und ich grinste in mich rein.
„Hab ich ja schon immer gesagt!“
„Als ich hier in die Wohnung gestürzt kam, stand er einfach so vor deinem Fenster, seelenruhig! Schon als ich die Unterhose gesehen habe, wusste ich, dass das ein Missverständnis sein muss. Doch da war es schon zu spät...“ Er blickte bedeutungsvoll auf die Dachlatte. Ich schüttelte verständnislos den Kopf.
„Du hast ihm tatsächlich eins über den Schädel gezogen! Ich fasse es nicht!“ Dann begann ich zu kichern. Die Vorstellung: Erik, der heldenhafte Rächer, kampfbereit in feiner Hose und Hemd, die Dachlatte schwingend und voller Wut. Dagegen mein betröppelter Nachbar, der wahrscheinlich mit mir gerechnet hatte und seinen gebührenden Dank für die Katzenrettungsaktion erwartete. Ich lachte ungehalten drauf los und auch Erik stimmte mit ein. Er dachte mit Sicherheit das gleiche wie ich. Wir lachten die ganze Angst und die Angespanntheit raus, bis ich mir vor Anstrengung den Bauch hielt und nur noch japste.
Eigentlich hätte ich mich nun besser fühlen müssen. Es war doch alles gut ausgegangen! Die Tür war einfach nicht richtig verschlossen gewesen, auch wenn ich mir das nicht erklären konnte. Doch irgendetwas nagte trotzdem noch in meinem Hinterkopf. Als ich auch Eriks mittlerweile wieder ernstes Gesicht ansah, fiel mir auch sofort ein, was mich da nicht los ließ. Die SMS, die er bekommen hatte! Das konnte doch irgendwie kein Zufall sein. Ein merkwürdiges altbekanntes Gefühl beschlich mich sofort. Als hätte ich irgendetwas übersehen.
„Was denkst du?“ Erik schien auch besorgt.
„Dass das alles keinen Sinn ergibt. Die SMS, die du bekommen hast...was sollte das? Und warum war dann hier „zufällig“ die Tür auf? Ernsthaft: Ich schließe die Tür IMMER von außen sogar noch ab.“ Er runzelte die Stirn und schien scharf zu überlegen, irgendwann antwortete er.
„Die Tür war oder ist definitiv nicht aufgebrochen. Und ich glaube deinem Nachbarn, auch wenn er einen Knall zu haben scheint. Hier in der Wohnung fehlt doch auch nichts. Ich habe vorhin beide Kater gesehen. Aber irgendetwas war heute geplant...sonst hätte er mir nicht diese SMS geschrieben, um mich von dir wegzulocken. Vielleicht hat er einfach nicht damit gerechnet, dass du mit zu Kim gehst?“ Ein unangenehmes Prickeln entstand in meinem Nacken und es schüttelte mich bei seinen Worten. Er sollte so nicht reden, so...als würde der Stalker stets und ständig wissen, was ich machen würde. Das war unmöglich. Ich wollte am liebsten immer noch nicht glauben, dass die SMS tatsächlich von ihm gekommen war. Vielleicht war ja doch alles nur ein Zufall? Tief im Inneren wusste ich, dass dies nicht der Fall war.
Ein vertrauter Ton riss mich aus meinen Überlegungen, mein Handy, welches ich noch immer umklammerte, klingelte in meiner Hand. Sofort sah ich auf den Display und war erleichtert als ich Kims Bild sah. Sie hatte ich total vergessen. Sie musste sich unglaubliche Sorgen machen, schließlich war ich ohne ein Wort wie eine Besengte einfach davon gerannt. Ich ging schnell ran und erklärte ihr ohne große Ausschweifungen, dass alles in Ordnung sei. Erik machte eine Geste zu einem Fuß und deutete zur Küche. Er ging los und wollte mir wahrscheinlich etwas zum Kühlen holen. Ich sah ihm gedankenverloren nach und lauschte Kims aufgebrachten Worten, als mir etwas ins Auge stach. Etwas in meinem Flur war anders als sonst. Es war eine Kleinigkeit, die nicht sofort auffiel, doch ich hatte es unbewusst wahrgenommen. Ich suchte hektisch nochmal alles in meinem Blickfeld ab und blieb auf dem großen Bild von Lexie und mir hängen. Irgendetwas war daran anders, es schimmerte merkwürdig. Unter Stöhnen richtete ich mich auf, Kim plapperte mir unentwegt ins Ohr, ich hörte schon lange nicht mehr zu, dann schleppte ich mich humpelnd in den Flur.
Als ich sah, was meine Aufmerksamkeit erregt hatte, blieb mir das Herz stehen.
Das Glas vor dem Bild war gesprungen. Ein Spinnennetz aus feinen Rissen verlief kreisförmig über das Portrait, wobei das Zentrum von meinem mir entgegenlächelnden jüngeren Ich ausging. Es sah aus....als hätte jemand mit der Faust direkt auf mein Gesicht geschlagen.


Als ich am nächsten Morgen eng an Erik gekuschelt aufwachte, wehrte sich mein Verstand gegen die Realität. Ich vergrub mein Gesicht in seinem Hals, seine Harre kitzelten meine Stirn und ich genoss den einzigartigen Duft seiner Haut, so frisch und irgendwie süß. Meinetwegen hätte dieser Moment ewig anhalten können. Die Welt sollte sich doch ohne mich weiter drehen, mir ging es hier bestens in meinem Bett mit diesem weichen und gut riechendem männlichen Exemplar. Ich wollte nicht nachdenken, mich nicht mit der letzten Nacht befassen und erst recht wollte ich nicht aufstehen und einen neuen Tag voller Angst beginnen. Dieser kleine Augenblick hier war so perfekt. Erik wurde ebenfalls munter und streichelte zärtlich meinen Rücken. Seine Berührungen lösten ein angenehmes Prickeln aus und die Härchen in meinem Nacken stellten sich auf. Ich kuschelte mich noch fester an ihn, küsste liebevoll seinen Hals rauf und runter und streichelte sanft über seinen Bauch. Als ich dann begann an seinem Ohrläppchen zu knabbern und die Kreise meiner Hand auf seinem Bauch kontinuierlich zu vergrößern, vernahm ich ein unterdrücktes Stöhnen aus seiner Kehle. Ich hauchte ihm während meiner Küsse und den zärtlichen Bissen leicht seufzend ins Ohr, dann fand meine Hand den Weg unter seine Shorts und umgriff das Ergebnis meiner morgendlichen Bemühungen. Während ich ihn verwöhnte, dabei geschmeidig meine Hüften gegen ihn drückte und mich wie eine Katze an ihm rieb, genoss er sichtlich meinen selbstlosen Einsatz. Er umschloss fest meine Taille, drückte sie immer wieder in meinem Bewegungsrhythmus gegen seinen Körper, atmete ziemlich schwer und stöhnte ab und an zwischendurch. Seine freie Hand umschloss irgendwann meinen Hinterkopf und drückte ihn bestimmend nach unten. Das war eine so typische männliche Machogeste, dass ich erst geschockt innehielt. So ein Mistkerl!
Ich hatte mich immer gesträubt dies bei meinen Bettgeschichten zu tun, um ehrlich zu sein hatte es mich regelrecht angeekelt. Doch bei Erik war das anders, die Vorstellung ihn oral zu befriedigen machte mich sogar scharf. Also ergab ich mich meinem Schicksal, kroch ein Stück tiefer und machte mich ans Werk.
Irgendwann, ich war vollstens konzentriert, setzte sich Erik auf, faste mich an den Armen und zog mich zu sich hoch. Er hatte einen regelrecht verklärten Blick, seine Augen funkelten und er lächelte spitzbübisch.
„Jetzt bist du dran!“
Er drehte sich mit mir, legte mich auf den Rücken und kroch ganz langsam in Begleitung von vielen Küssen auf meiner empfindlichen Haut an meinem Körper hinab. Kurz hielt er bei meinen Brüsten inne. Knabberte an den Brustwarzen, massierte sie mit seinen weichen Händen und blickte immer wieder zu mir auf. Ich war schon jetzt nicht mehr in der Lage irgendetwas anderes als Eriks Mund und Hände sowie meinen eigenen Körper wahrzunehmen. Langsam rutschte er immer tiefer. Küsste meinen Bauchnabel, strich fest über meine Hüfte und drückte schrittweise meine Beine mit seinem Körper auseinander. Dann positionierte er sich zwischen diesen, spreizte die Oberschenkel mit seinen Händen noch weiter, umfasste meine Hüften und zog mich mit einem Ruck zu sich hinab. Dann senkte er grinsend seinen Kopf und ich sah nur noch den braunen Haarschopf, während ich die Augen schloss und mich ihm völlig hingab. Ich kam mir vor wie im Himmel.

Später saßen wir auf den Sonnenstühlen meines Balkons und ließen uns von den heißen Strahlen verwöhnen. Ich war mittlerweile zur festen Überzeugung gekommen, dass Sex mit Erik die beste Ablenkung von den ganzen grusligen Scheiß in meinem Leben war.
Ich hörte Erik regelmäßig atmen, blinzelte zu ihm rüber und stellte fest, dass er wahrscheinlich eingeschlafen war. Auch er sah irgendwie mitgenommen aus, doch er wirkte noch frischer als ich. Ich hatte an diesem Morgen einen regelrechten Schock bekommen, als ich mich im Spiegel betrachtet hatte. Ich hatte nochmal abgenommen, mein Gesicht wirkte so dünn, wie schon lange nicht mehr. Tiefe Schatten schimmerten dunkel unter meinen Augen und in ihnen lag ein gehetzter Ausdruck. Man sah mir die lange und anstrengende Nacht deutlich an.
Wir hatten alles abgesucht und auf den Kopf gestellt, doch bis auf das kaputte Bild war in meiner Wohnung nichts verändert oder geklaut wurden. Erik hatte trotzdem darauf bestanden noch in der Nacht den Schlüsseldienst zu rufen und das Schloss auswechseln zu lassen. Ich hatte mich dabei auch wesentlich besser gefühlt und seinem Vorschlag zugestimmt. Es gab mal wieder keinerlei Beweise um die Notwendigkeit zu haben, die Polizei zu rufen. Selbst Erik sah das nun ein. Was hätten wir ihr erzählen sollen? Es war so verzwickt und der Stalker stellte sich äußerst geschickt an.
Ich wusste nicht wie ich mich fühlen sollte, ich war irgendwie betäubt.
Das zerschlagene Bild war ein eindeutiges Zeichen und es gab keinen Zweifel: Der Unbekannte war in meiner Wohnung gewesen. Vielleicht hätte er auf mich gewartet, vielleicht hatte ihn irgendetwas dazu gebracht, die Wohnung vorzeitig zu verlassen. Ich wusste es nicht.
Fakt war: Es wurde mit jedem Mal schlimmer und mit Ignoranz und Verdrängung würde ich nicht weiter kommen.
Ich fragte mich zum ersten Mal ernsthaft, wo das alles hinführen sollte.
Es fing mit der relativ harmlosen SMS an, dann der Hackerangriff, danach die Verfolgungsjagd, das ominöse Paket mit meinem Lipgloss und nun der Einbruch in meine Wohnung.
Wie sollte diese Geschichte enden?
Was wollte dieser perverse kranke Typ nur von mir?
Seufzend setzte ich mich auf und schnappte mir meine Zigaretten. Erik atmete noch immer ruhig vor sich hin, er sah so niedlich aus, wenn er schlief. Ein Gefühl von Wärme durchströmte mich beim Betrachten seines Gesichtes. Der gestrige Abend hatte mir mit voller Wucht bewusst gemacht, was ich für ihn empfand. Diese Angst, die ich um ihn gehabt hatte, war so übermäßig gewesen, dass ich mir nichts vorzumachen brauchte. Ich war im Begriff mich in ihn zu verlieben. Vielleicht liebte ich ihn bereits, nicht im herkömmlichen Sinne, jedoch auf meine ganz eigene verschrobene Art und Weise. Niemand bedeutete mir zur Zeit mehr, niemand hatte mir seit Lexies Tod überhaupt so viel bedeutet. In seiner Gegenwart fühlte ich mich sicher, geborgen und ich wurde seiner nicht überdrüssig. Ich hatte ihn so gern in meiner Nähe.
Ich zündete mir die Zigarette an, zog gierig den Rauch ein und pustete genüsslich wieder aus. Sofort zuckte Eriks Stupsnase und er öffnete die Augen. Der vorwurfsvolle Blick amüsierte mich.
„Muss das denn unbedingt sein?“ Ich kicherte innerlich, was hatte ich grad noch über ihn gedacht?
„Ja!“ Gab ich schlicht zurück und duldete keine weitere Diskussion. Genervt schüttelte er den Kopf, dann richtete er sich auf und streckte kurz die Arme. Sein Blick verweilte auf mir. Ich trug meinen Lieblingsbikini, hatte die Haare zusammengebunden und mich kaum geschminkt.
„Ich mache mir Sorgen um dich.“ Kam es auf einmal aus seinem Mund. Überrascht sah ich ihn an.
„Ich sterbe schon nicht an Lungenkrebs.“
„Das meinte ich nicht, obwohl wir wirklich an deinem Zigarettenkonsum arbeiten müssen -“ Ich verdrehte die Augen, er lächelte kurz „- Ich mache mir Sorgen wegen dem Stalker. Am liebsten würde ich dich keine Sekunde mehr aus den Augen lassen.“
„Dann tus nicht.“ Was für eine klischeehafte und überaus schmalzige Antwort, doch ich meinte es ernst. Er nickte leicht entzückt, dann wurde sein Gesicht wieder ernst.
„Nächstes Wochenende muss ich es aber tun.“ Bitter dachte ich an das mir bevorstehende Absolvententreffen und den Aufenthalt in meiner Heimat. Doch ich sah die Notwendigkeit. Ich hatte nicht vor, alleine in Köln zu bleiben, auch wenn sich alles in mir sträubte nach Hause zu fahren. Erik konnte wahrscheinlich meine Gedanken lesen und lächelte mich aufmunternd an.
„Du schaffst das schon! Komm her!“ Er klopfte auf seinen Oberschenkel und ich ließ mir eine solche Einladung nicht zweimal sagen. Schnell schmiss ich die Zigarette in den Aschenbecher und hüpfte dann zu Erik. Ich machte es mir auf seinem Schoß bequem, legte mich rücklings auf ihn und ließ mich von seinen Armen umschließen, während mein Kopf zwischen seiner Schulter und dem Hals ruhte.
Lange lagen wir so da, starrten über die Balkonbrüstung und hingen unseren Gedanken nach. Ich dachte an meine Gefühle für ihn und daran, wie sie sich in kürzester Zeit so schnell intensiviert hatten. An meine Eifersucht gegenüber Franzi und seine Reaktionen gestern bei Malte.
Allein schon das Bild, welches wir gerade abgaben: fürchterlich romantisch, normalerweise hasste ich solche Momente, doch nichts an dieser Situation kam mir kitschig vor.
Ein Lächeln umspielte meine Lippen. Ich spürte seinen Herzschlag im Rücken. Es pochte langsamer als meins, doch irgendwie klangen sie im selben Rhythmus.
Die Worte sprudelten dann aus mir raus, ohne dass ich weiter darüber nachgedacht hatte:
„Ich will mehr als nur eine Freundschaft Erik!“
Sofort biss ich mir auf die Zunge, was hatte ich da gesagt? Ich war mal wieder total eingenommen von mir, hatte nicht mal daran gedacht, dass Erik das vielleicht gar nicht wollte. Nun hämmerte mein Herz bedeutend schneller und ich hätte mich ohrfeigen können.
Doch Erik zog mich zur Antwort nur noch fester an sich, gab mir einen langen sanften Kuss auf die Schläfe und flüsterte mir dann ins Ohr:
„Das war von Anfang an so geplant!“






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