Wenn 2 Herzschläge ganz besonders klingen, dann nur, weil sie im selben Rythmus swingen :) - Teil 13

Autor: Maggie
veröffentlicht am: 13.04.2012


So, weiter gehts ;)
Ich hoffe, euch gefällt der Teil. Für Kritik und Vorschläge bin ich immer offen!
Danke für euer Feedback ♥





\'Ich schritt langsam durch eine Menge von Menschen. Sie hatten Fratzen, langgezogene Gesichter, riesige schwarze Augen und sie geiferten mich feindselig an. An diesem Ort war es dunkel, fast neblig, die Luft war zum Zerschneiden dick und es stank nach verschwitzten Körpern. Ein verwirrendes Aufblitzen zuckte regelmäßig durch die Luft und mit jedem Mal konnte ich die starrenden Köpfe, die wie Totenschädel wirkten, deutlicher sehen. Ich hätte vor ihnen Angst haben sollen, sie waren bedrohlich und kamen mir immer näher. Sie bildeten eine Art Kreis um mich, griffen nach mir, zerrten an meinen Gliedmaßen und schubsten mich hin und her. Doch ich fürchtete mich nicht, das was sie taten, war gut. Es musste so sein. Irgendwie war ich auf einmal ein Teil von ihnen. Ließ mich von der Menge treiben und aus dem Schubsen wurde ein Fluss, eine rhythmische Bewegung, die mich völlig in ihren Bann riss. Ich war in der Menge gefangen, bewegte mich mit ihr hin und her, vor und zurück, ekstatisch. Ich fühlte mich mit einem Mal körperlos und wusste doch auf eine beklemmende Weise, dass ich mit ihnen, diesen widerlichen Fratzen, verschmolzen war. Und ich akzeptierte es.
Und plötzlich nahmen die langgezogenen abartigen Gesichter bekannte Züge an. Der Bewegungsstrom stoppte, ich war die einzige, die sich noch hin und her schmiss, völlig ungehalten. Auf einmal wurde ich angestarrt, von allen, vorwurfsvoll, misstrauisch und voller Verachtung! Da waren Kim, Luca und Erik. Aber auch meine Eltern, Pete und Karsten, Lina und Kerstin meine ehemaligen Schulkameradinnen, Nina meine Kollegin, bekannte Gesichter aus der Bar und vom Studium. Und da war Tom! Sein Blick war der schlimmste, er war voller Hass. Er schüttelte angewidert den Kopf und senkte seinen Blick auf meine Füße. Meine Augen sahen wie automatisch nach unten und direkt neben mir lag eine Puppe. Sie war nackt und ihre Gliedmaßen waren merkwürdig verschoben und zerquetscht, als hätte jemand auf sie eingetreten. NEIN! Nicht jemand - Ich!
Ich hob sie hoch, sie hatte die Größe einer Barbie, war aber merkwürdig weich und schlaff in meinen Händen. Sie fühlte sich lebendig an und trotzdem leblos. Ich betrachtete sie genauer, sie kam mir so bekannt vor. Sie hatte lange blonde Haare und blaue Augen – es war Lexie! Lexie, klein und zierlich, schlaff und leblos, tot! Tot in meinen Händen. Mit gebrochenen und zerquetschtem Körper, von mir rücksichtslos zertrampelt. Die blauen Augen starrten mich blicklos an und alles begann sich um mich zu drehen...\'

Ich fuhr wie von der Tarantel gestochen hoch, keuchte mehrmals und begann dann zu schluchzen. So einen schrecklichen Alptraum hatte ich lange nicht mehr gehabt. Es war so echt gewesen.
Eine Hand legt sich um meine Schultern und ich zuckte erschrocken zusammen.
„Schhhh! Maus, beruhige dich! Es war nur ein Traum! Alles ist gut!“
Eriks weiche tiefe Stimme holte mich in die Realität zurück. Ich saß in meinem Bett, es war stockfinster und wahrscheinlich mitten in der Nacht. Ich ließ mich von Erik in den Arm nehmen, lehnte mich schwer an seinen Oberkörper und genoss das regelmäßige sanfte Streicheln über meinem Hinterkopf. Immernoch zitterte ich am ganzen Körper und ich hatte Mühe die Tränen zu unterdrücken. Erik murmelte leise tröstende Worte und küsste mir dabei zärtlich aufs Haar. Langsam kam ich wieder runter.
„Fuck!“ Ich zischte ärgerlich in die Dunkelheit.
„Was war denn los?“
„Alptraum, Lexie.“ antwortete ich knapp und gepresst.
„Willst du es mir erzählen?“
„Nein.“
„Gut, legen wir uns wieder hin?“ Er gab mir einen weiteren gehauchten Kuss knapp über meinem Ohr und ich bekam eine Gänsehaut. Er legte sich auf den Rücken und ich kuschelte mich an ihn, lag seitlich in seinem Arm und presste meinen Körper an seine Seite, während ich meinem Kopf in der gemütlichen Mulde seiner Schulter bettete. Mein Bein lag auf seinem Oberschenkel und er zog es mit der freien Hand noch ein Stück höher und strich gedankenverloren darüber. Ich war schon wieder kurz vorm Einschlafen, obwohl ich mein Herz noch hämmern hörte, da sagte Erik in die Stille hinein:
„Erzähl mir von Lexie!“
„Was?“
„Erzähl mir etwas über deine Freundin. Etwas schönes, etwas lustiges oder auch etwas trauriges, ganz egal was. Lass sie für mich lebendig werden!“ Erst stutzte ich, doch dann überlegte ich kurz. Es gab da mal ein Erlebnis, Lexie und ich hatten es mindestens hundert Mal erzählt. Jedem, der es noch nicht gehört hatte, berichteten wir von diesem Tag. Es war so verrückt und wir waren so stolz auf diese krasse Geschichte aus unserem Leben. Ich konnte mich an jedes Detail erinnern, wir hatten uns beim Erzählen immer an den jeweiligen Stellen ergänzt. Diesmal würde ich alleine reden müssen.
„Ich würde dir gerne ihren Charakter beschreiben. Ich würde dir gerne sagen, dass sie liebenswert, selbstlos, mutig, klug, bezaubernd, witzig und einzigartig war. Doch keines dieser Adjektive wird ihrem wahrem Charakter gerecht. Sie war so viel mehr! Deshalb werde ich dir einfach mal ne kurze Geschichte erzählen, ein Erlebnis, dass ich mit ihr hatte. Ich glaube wir waren Vierzehn...
Ich hatte ja schon mal angemerkt, dass Lexie und ich schon ein Stück weit durchgeknallt waren, auch schon vor den Drogen. Wir haben ziemlich viel Blödsinn angestellt, beängstigende Dinge, Sachen die unsere Eltern nie erfahren haben und bei denen sich selbst heute noch ihre Nackenhaare sträuben würden. Doch manchmal konnten wir nicht einmal was für solche Situationen, so auch an diesem Tag.
In unserem Dorf gab es ein Heim für schwer erziehbare Jugendliche. Dieses Heim grenzte an einen wunderschönen Park, idyllisch , riesig und grün. Tagsüber herrlich und nett , jedoch beängstigend wenn es dämmerte und absolut gruselig bei Nacht. Lexie wohnte genau am anderen Ende des Parks und wir verbrachten oft unsere freien Tage und die Wochenenden dort. Man konnte sich da wunderbar sonnen, heimlich rauchen und versteckt billige Sangria aus nem Tetrapack trinken. Wir kamen gerade von solch einem Ausflug zurück, leicht angetüdelt und zügigen Schrittes, da es langsam dunkel wurde. Da sahen wir sie. Eine Gruppe von diesen Kindern aus dem Heim, ungefähr in unserem Alter und ausschließlich Jungs. Und sie quälten eine kleine Katze.
Wir wussten beide, dass es allein schon gefährlich war, diesen Heimkindern zu begegnen, sie waren nicht verrückt, aber absolut aggressiv. Doch diese Tierquälerei konnten weder Lexie noch ich ertragen und ohne einen Blick zu wechseln oder uns abzusprechen gingen wir gleichzeitig zu der Gruppe. Lexie ergriff als Erste das Wort. Sie versuchte wie üblich ihren Charme spielen zu lassen, bat die Jungs höflich, dass kleine Kätzchen in Ruhe zu lassen, da es ihr gehöre und klimperte dabei verführerisch mit ihren babyblauen Augen. Doch die Jungs sahen sie nur mit einer Mischung aus Verachtung und Lüsternheit an. Ich kochte vor Wut.
Als dann einer der Typen sich wieder fies grinsend dem Kätzchen zu wand, welches fürchterlich verängstigt und quietschend vor ihm kauerte, verließen mich mein Selbsterhaltungstriebe. Ich stürzte zu diesem Jungen, knallte ihm mit voller Wucht meine flache Hand ins Gesicht und beschimpfte ihn als asozialen, hirnlosen, sadistischen Dreckskerl. Den Schwall an Flüchen, der dann aus mir heraus brach, erspare ich dir lieber.“
Erik feixte, ich spürte seinen vibrierenden Brustkorb an meiner Seite.
„Maya, du warst doch irre! Aber mutig, das muss ich dir lassen!“ Ein gewisser Stolz schwang in seiner Stimme. Ich grinste.
„Es ging einfach mit mir durch. Ich habe in diesem Moment nur noch Rot gesehen!“
„Du spielst wohl gern die Heldin? Stimmt, hast dich ja auch erst letzte Woche todesmutig vor Luca gestellt! Er hat es mir mehr als ausführlich erzählt. Einen leichten Hauch zum Suizid hattest du also auch schon früher!“ Ich knuffte ihn am Bauch und er zuckte lachend zusammen.
„Das ist eine verdammt ernste Geschichte, die ich dir hier erzähle und du machst dich über mich lächerlich!“
„Ich lache nur, weil ich weiß, dass sie gut aus geht, schließlich lebst du ja noch. Aber auch ich meine es verdammt ernst, wenn ich sage, dass dein Verhalten manchmal einen Hang zum Freitod verlauten lässt. Spar dir solche Aktionen in Zukunft und erzähl mir, wie es weiter ging!“ Ich schluckte den Widerspruch gegen diesen unreifen Kommentar einfach herunter und fuhr mit der Geschichte fort:
„Ich muss in diesem Moment wohl für ziemliche Verwirrung gesorgt haben. Lexie erzählte mir später, dass die Typen mich nur total verwundert und verdattert angestarrt hatten, als ich da so unverblühmt wie ein kleiner Rohrspatz vor ihnen stand und sie aufs übelste beschimpfte. Lexie hatte diesen kurzen Augenblick genutzt, sich zum Kätzchen geschlichen, es geschnappt und war wie eine Irre davon gerannt. Ich sah sie nur im Augenwinkel flüchten und bemerkte spätestens dann in was für einer heiklen Situation ich mich befand. Ohne noch reagieren zu können, spürte ich auf einmal einen heftigen Stoß von hinten und landete stolpernd vor den Füßen des Jungen, den ich noch Sekunden vorher so angebrüllt hatte. Dieser zog mich an den Haaren wieder hoch, blickte mich finster an und stieß mich mit voller Wucht zu einem anderen aus der Gruppe. Wie ein Punchingball wurde ich hin und her geschubst und mir wurde bewusst, dass ich auf einmal zu ihrem neuen Kätzchen geworden war. Einer von ihnen verpasste mir eine schallende Ohrfeige, zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon die Orientierung verloren. Ich sah nur noch, wie der Himmel immer dunkler wurde und die Baumspitzen sich immer wieder in eine andere Richtung drehten. Ich hörte ihr Grölen und ihre dummen Sprüche nur noch gedämpft. Mit einem Mal hatte ich nicht nur noch eine scheiß Angst, sondern irgendein Überlebensfunkern im meinem Innersten sprang plötzlich wie von Geisterhand gezündet an.
Irgendwie hatte ich es geschafft, eine Lücke in dem Kreis aus den Jungs zu finden und schlüpfte schwindelig durch zwei Arme hindurch, dann rannte ich um mein Leben. Ich hörte die schweren schritte der Kerle hinter mir, sie waren viel schneller, ich trug nur Flipflops und stolperte alle paar Meter. Ich hechtete in Richtung des Hauses von Lexies Eltern, wusste aber, dass ich keine Chance hatte, bis dahin zu kommen.
Und auf einmal stand sie vor mir: Lexie, wie eine Rachegöttin. Ihr weißes Sommerkleid, die blonde wehende Mähne und die unschuldigen großen blauen Augen standen im Kontrast zu ihrer angespannten Körperhaltung, dem vor Wut verzerrten Gesicht und dem Tranchiermesser aus der Küche ihrer Mutter. Sie stand mitten auf dem Weg, zeigte mit der mindestens 20cm langen Klinge in Richtung der Typen und schwenkte es lässig hin und her. Meine Verfolger waren abrupt stehen geblieben und glotzten von mir zu Lexie und zurück.
Mit zuckersüßer Stimme sagte sie dann, sie sollen sich auf der Stelle verpissen, sonst steche sie einen nach den anderen ab. Da war kein Zittern und Zögern, sie blickte todernst und war wirklich zu allem bereit. Ich stand nur noch mit offenem Mund und schwer atmend da und kam mir vor wie in einem schlechten Gangsterfilm. Die Jungs zogen sich sofort zurück, zeigten uns den Vogel und nannten uns irre. Lexie grinste mich zufrieden an...den Blick werde ich nie vergessen!
Seit dem konnten wir übrigens immer im Dunkeln durch den Park spazieren, die Jugendlichen aus dem Heim haben einen riesen Bogen um uns gemacht.“ Ich kicherte.
„Die Storys aus deiner Vergangenheit hauen mich jedes Mal um! Und ich dachte ich hätte hier in Köln ne gefährlich Kindheit gehabt. Nichts im Vergleich zu deinem hochkriminellen Heimatdorf voller Waffen, Drogen und Gewalt!“ Er klang ehrlich erschüttert, ich zuckte mit den Schultern.
„Hast du wenigstens verstanden, was ich dir mit der Geschichte sagen will?“
„Um ehrlich zu sein: Nein! Wolltest du, dass ICH Alpträume bekomme?“ Ich schüttelte genervt den Kopf an Eriks Schultern und sah zu ihm auf. Mittlerweile hatten sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt und ich erkannte die weichen Umrisse seines hübschen Gesichts.
„Du wolltest doch etwas über Lexie hören? Ich habe versucht dir das zu erzählen, was Charakterbeschreibungen nicht mal im Ansatz schaffen würden!“ Er zog die Augenbrauen hoch, hob seinen Kopf ein Stück und sah mich ebenfalls an, seine Stimme war eine Mischung aus Skepsis und Belustigung.
„Mhm, gut! Du sagtest etwas von liebenswert und bezaubernd, ganz klar...ein vierzehnjähriges Mädchen mit nem Schlachtermesser ist genau das! Jetzt mal im Ernst: Ihr wart Beide auf eure eigene Weise total strange!“
Da musste ich ihm wohl oder übel zustimmen. Er redete irgendwie mit sich selbst weiter:
„Du: Die unfreundliche, suizidgefährdete und unerschrockene Durchgeknallte, sie das Pendant: liebenswert, messerschwingend und absolut genauso unerschrocken durchgeknallt. Du: vorlaut und geistlos, Sie: zurückhaltend und gewieft. Du: lebensgefährliche Situationen förmlich anziehend, Sie: lebensrettende -“ Ich unterbrach ihn:
„Du hast grad den springenden Punkt gefunden: „lebensrettend“ - Ja! Lexie hatte mir an diesem Tag wahrscheinlich das Leben gerettet! Finde erstmal jemanden, der so etwas bedingungslos für dich tun würde!“
Das saß erstmal tief. Erik schwieg und ich schluckte einen gemeinen Kloß herunter. Verdammt! Ich vermisste sie noch immer so sehr!
Irgendwann fragte er dann ganz leise:
„Was wurde aus dem Kätzchen?“
„Oh, du meinst Punchy? Der lebt bei meinen Eltern und erfreut sich bester Gesundheit!“


Der nächste Morgen war ein Samstag.
Wir hatten am Freitag eigentlich vor gehabt ins Copa zu gehen. Doch irgendwie sind wir, als ich mich zurecht machen wollte, wieder in meinem Bett gelandet und haben dieses dann komischerweise nicht mehr verlassen. Erik war süchtigmachend und seine Küsse lösten immer stärkere Mini-Vulkan-Ausbrüche in meinem Bauch aus. Die heißen Funken sprühten durch meinen ganzen Körper und sofort wurden meine Knochen zu Gummi und ich war willenlos. Diese Steigerung fand ich wirklich faszinierend. Ich war immer davon ausgegangen, dass das erste Mal mit einem bestimmten Mann der Höhepunkt sei und der Reiz des Neuem wäre danach verflogen. Erik belehrte mich eines besseren.
Nachdem wir es also den ganzen Freitag Abend wie die Karnickel getrieben hatten, waren wir ziemlich erschöpft eingeschlummert, bis mich dieser abartige Alptraum geweckt hatte. Und dieser hing mir noch immer nach. Ich fühlte mich schlapp, unausgeschlafen und ich hatte nicht mal ansatzweise Lust auf die Nachmittagsschicht im Copa.
Ich saß mit Erik auf meinem Balkon. Wir hatten gerade gefrühstückt und ein halb angeknabbertes Marmeladenbrötchen lag noch auf meinem Teller. Ich war satt, hatte mir gerade eine Zigarette angezündet, schlürfte meinen Pott Milchkaffee und beobachtete Erik, wie er auf seinem Tablet surfte und nebenbei in sein Toast biss. Seine Haare schimmerten in allen erdenklichen Farben. Das war mir so noch nie aufgefallen. Das Sonnenlicht verwandelte das schlichte hellbraun in eine Mischung aus gold, kupfer, blond und haselnuss. Jede Frau würde vor Neid erblassen, dachte ich mir und blickte scheel auf meine langweiligen braunen Spitzen. Gefrustet pustete ich mir den Pony hoch und wandte den Blick von ihm ab. Ich schnappte mir mein Smartphone und beschloss ebenfalls mal so alle Mails und Accounts zu checken. Seit dem der Hacker alle Passwörter geändert hatte, war ich nicht mehr online gewesen und auch jetzt ging ich mit einem mulmigen Gefühl an die Sache. Es kam mir vor als würde ich das Schicksal heraus fordern. Die ganze Woche war nichts passiert und ich hoffte, dass es auch endgültig vorbei war. Irgendwer hatte sich einen dummen blöden Scherz erlaubt, so meine Theorie. Erik dagegen war vom absoluten Gegenteil überzeugt. Er meinte, dass nur durch seine Präsenz im Augenblick Pause wäre. Der Typ dachte sich eine neue Strategie aus, da er ja zur Zeit nicht an mich ran kommen könne. Ziemlich eingebildet und genauso aufbauend, ich hasste Eriks direkte Ehrlichkeit. Was war aus den guten alten Zeiten geworden, in denen man Frauen keine Angst machte und ihnen nur die halbe Wahrheit erzählte?
Ich verdrehte im Geiste die Augen und loggte mich bei Facebook ein. Drei Freundschaftsanfragen – mein Gott wer waren diese Leute? - und eine neue Nachricht. Die Nachricht war von Susann Engelhardt, eine ehemalige Klassenkameradin, die mich andauernd mit blöden Infos über irgendwelche Treffen in der Heimat zu spamte. Sie war der Typ, der vergebens versuchte die Abschlussklassen alljährlich zu vereinen und längst vergessene Freundschaften aufrecht zu erhalten. Diesmal war es eine Einladung zum Absolvententreffen in unserer alten Schule. Alle, die je das Abitur an dem Goethe-Gymnasium gemacht hatten, waren herzlich Willkommen und dann noch ein paar persönliche Worte direkt an mich. Wie geht es dir und bla bla bla.
Ich schnaubte verächtlich, Susann hatte mich gehasst und jetzt diese scheinheiligen Worte.
Erik sprach ohne den Blick von seinem Tablet zu heben:
„Was ist?“
„Ne Einladung zum Absolvententreffen an meiner alten Schule...“ Ich wollte die Nachricht bereits löschen.
„Wann?“ Seufzend sah ich mir die Einzelheiten nochmal an und tippte dann verdutzt auf meine Kalender-App.
„Heute in einer Woche!“ stellte ich erstaunt fest.
„Und?“
„Was und?“
„Willst du hin?“ Er hatte seinen Blick noch immer nicht von dem blöden Flachrechner abgewandt, doch ich sah ihn entgeistert an.
„Niemals!“
„Warum nicht?“ Er klang ganz cool, fast desinteressiert. Mir traten die Augen aus den Höhlen vor Bestürztheit.
„DU fragst WARUM? Jeder dort hasst mich! Niemand will mich sehen. Sie denken noch immer ich hätte Lexie auf dem Gewissen. Außerdem die ganzen fürchterlichen Erinnerungen, das verkrafte ich nicht!“ Und Tom könnte dort sein, fügte ich in Gedanken hinzu und verkniff mir jede weitere Vorstellung, die mit dieser schlichten Tatsache einher ging.
„Ich denke, du solltest hingehen.“ Ich glaubte mich verhört zu haben. Was er sich so dachte! Er hatte ja keine Ahnung. Ich funkelte ihn böse an, doch er hatte noch immer nicht aufgeblickt. Er saß da lässig, den Kopf leicht in eine Hand gestützt und war sich nicht mal ansatzweise dessen bewusst, was er gerade für einen Blödsinn faselte.
„Ach ja! Und warum sollte ich das deiner Meinung nach tun?“ Ich spuckte die Worte förmlich aus und endlich sah er mich an, seine Augen fixierten mich buchstäblich und er grinste leicht amüsiert.
„Oh, dafür gibt es mehrere Gründe!“
„Und die wären?“
„Zum einen ist es ein weiterer Verarbeitungsprozess auf deinem Weg der Traumabewältigung. Eine Gelegenheit mit Dingen abzuschließen, die dich noch immer beschäftigen.“ Ich zog die Augenbrauen hoch.
„Woher willst DU wissen, was mich noch beschäftigt?“
„Du denkst, dass dich deine alten Schulkameraden hassen! Das ist Nonsense und Einbildung. Keiner macht dich für den Tod von Lexie verantwortlich. Du stehst dir nur selbst im Weg, wenn du so denkst!“ Er klang wie meine Therapeutin und ich starrte schmollend in meine Tasse. Schließlich gestand ich mir ein:
„Da hast du vielleicht recht, aber das ist für mich noch lange kein Grund dort hin zu fahren. Ich bin bis jetzt bestens ohne diese Menschen ausgekommen.“ Jetzt sah er mich noch eindringlicher an.
„Wann hast du das letzte mal deine Eltern besucht?“ Autsch! Ein wirkungsvoller Angriff auf mein Gewissen. Kleinlaut antwortete ich:
„Weihnachten vor zwei Jahren.“ Ich wusste das meine Mutter mich sehr vermisste, obwohl sie mir die Sache mit den Drogen noch immer nicht verziehen hatte. Trotzdem würden sie sich wohl sehr freuen mich zu sehen. Das nächste Argument, dass von Erik kam, trieb mir die Schamröte ins Gesicht.
„Wann warst du das letzte Mal an Lexies Grab?“ Ich wich peinlich berührt seinen fragenden Augen aus und murmelte:
„Zu ihrer Beerdigung vor fünf Jahren.“ Seine Lippen verhärteten sich zu einer Bleistiftlinie und er rückte sich bedeutungsvoll die Brille zurecht.
„Ich denke du solltest ganz dringend nach Hause fahren, Maya! Lass dich von deinen Eltern verwöhnen, besuch Lexies Grab und geh zu dem verdammten Treffen. Es würde dir so gut tun! Außerdem würde mich der Gedanke immens beruhigen, dich weit weg von Köln zu wissen, schließlich kann ich nächstes Wochenende nicht auf dich aufpassen.“ Fragend sah ich ihn an, er stöhnte genervt.
„Die Weiterbildung in Berlin? Ein Haufen Informatikerfreaks, die sich gegenseitig neueste Erkenntnisse vorführen? Ich habe dir davon erzählt, hast du es vergessen?“ Tatsächlich hatte ich keine Ahnung wovon er sprach, schüttelte aber mit dem Kopf und tat so, als könne ich mich daran erinnern.
„Klar, das Nerd-Treffen! Ich habe nur vergessen, dass es schon nächste Woche ist.“ Er sah mich durchschauend an, ging aber nicht auf meine Antwort ein.
„Fährst du also hin?“ Er klang hoffnungsvoll. Ich wollte nicht und spielte deshalb meine letzte Karte aus.
„Tom könnte dort sein!“ Ich kaute nervös auf meiner Lippe, Erik antwortete völlig emotionslos.
„Umso besser, mit ihm hast du ja auch noch einiges zu klären und bei der Gelegenheit lernst du vielleicht gleich seine Verlobte kennen.“ Wenn Blicke töten könnten, dann hätte ich spätestens bei diesem Satz Erik bei lebendigen Leib verbrennen lassen. Er grinste hämisch in sich hinein und vertiefte sich wieder in die weiten Universen seines Tablets.

Es war also beschlossene Sache, dachte ich grimmig. Erik hatte mich gleich nach unserem Gespräch dazu gedrängt meine Eltern anzurufen und nach einem ziemlich stockendem Geplänkel mit meiner Mutter hatte ich sie schließlich gefragt, ob ich sie nächstes Wochenende besuchen könne. Ihre Freude klang echt und sie schmiedete noch am Telefon Pläne, mit was für Köstlichkeiten sie mich bekochen würde. Mit Müh und Not hatte ich ihre Überschwänglichkeiten abgewürgt, den Frühstückstisch hastig und schweigsam abgeräumt und mich für die Arbeit umgezogen. Erik hatte mich selbstgefällig grinsend zum Copa gebracht und war dann zu sich nach Hause gegangen. Er würde dann Abends mit Kim und Luca wieder kommen.
Ich starrte fassungslos vor mich hin und überlegte krampfhaft, wie ich meiner Mutter möglichst schonend wieder absagen könnte. Die Vorstellung schon in einer Woche in meine alte Heimat fahren zu müssen, versetzte mich in regelrechte Panik, abgesehen von der Tatsache, dass ich mich dann auch noch sämtlichen Mitschülern auf diesem blöden Treffen stellen musste. Würg! Ich nippte an meiner Weinschorle, heute hatte ich schon früh mit dem Trinken begonnen. Bei dem Wetter war auch nachmittags nicht viel los in einer Bar. Meine Schicht ging bis um acht, noch zwei Stunden, ich schielte alle paar Minuten zu der großen Uhr neben dem Schnapsregal.
Als sich eine halbe Stunde später die Tür öffnete und ein hellbrauner Wuschelkopf auf mich zugeschritten kam, machte mein Herz einen kleinen Hüpfer. Erik sah mal wieder zum Anbeißen aus!
Schwarzes Hemd und schwarze Hose, sehr körperbetonend und enganliegend an seinen Oberarmen. Er wirkte brauner als sonst und seine weißen Zähne blitzen mich an. Er beugte sich über den Tresen und gab mir einen sanften Kuss auf die Wange. Seine Haare rochen nach irgendeinem Shampoo, sehr intensiv und so frisch und sauber. Ich hätte ihn am liebsten sofort über die Theke gezogen.
Er ließ sich auf einem der zahlreichen Barhocker nieder, verschränkte die Arme vor sich und betrachtete mich von oben bis unten. Plötzlich kam ich mir verschwitzt und hässlich vor. Meine blöde Arbeitskleidung klebte schon den ganzen Tag an mir und meine schweren Haare, die ich offen getragen hatte, hingen mir nass im Nacken. Während ich Erik ein Kölsch fertig machte, fasste ich mir unauffällig unter die Achseln und stellte erleichtert fest, dass dort wenigstens nichts nass geschwitzt war. Ich stellte das Mini-Bier (ich hatte mich in den fünf Jahren einfach nicht mit diesem Getränk anfreunden können) vor Erik und sah, dass er noch immer nicht die Augen von mir abgewandt hatte.
„Saß dieses T-Shirt an dir schon immer so eng?“ Ich blickte an mir hinab, es war wirklich wie auf meinen Leib geschnitten und ich zuckte teilnahmslos mit den Schultern.
„Ja, eigentlich schon...“
„Ist mir vorher noch nie SO aufgefallen!“ Dann schaute er mich so anzüglich und frech an, dass ich fast verlegen weg sehen musste. Wie konnte er mich hier nur so ansehen? Ich wurde total rot und wenn ich vorher nur geschwitzt hatte, dann ging ich in diesem Moment nahezu in Flammen auf. Seine Wirkung auf mich war elektrisierend und ich staunte allein schon über de Tatsache, dass dieser einst so schüchterne Junge mich auf einmal mit seinen Blicken ausziehen konnte. Er grinste zufrieden und ich schwor ihm mit meinem Gesichtsausdruck Rache. Er sollte bloß nicht die Waffen einer Frau unterschätzen.
Wenige Sekunden später betraten Kim, Luca und (zu meinem großen Bedauern) Franzi die Bar.
Franzi war wie schon erwähnt meine ehemalige Mitbewohnerin und ich mochte sie wirklich nicht besonders. Ab und an war sie ganz nett, doch meistens war sie einfach nur fies und besserwisserisch. Dass sie ohne Christian, auch mein ehemaliger Mitbewohner und ihr On-Off-Freund, gekommen war, sah ich für sie als ein schlechtes Zeichen, für Christian war es wahrscheinlich ein gutes. Die drei kamen auf uns zu und Luca setzte eine ernste Miene auf, lehnte sich zu mir und deutete dabei auf Erik:
„Belästigt sie dieser versoffene Penner, junge Dame?“ Ich kicherte.
„Ja, schaff ihn hier bitte weg. Er ist wirklich sehr aufdringlich!“
Luca nickte verständnisvoll, schüttelte dann entsetzt den Kopf und schnappte Erik bei den Schultern.
„Komm mit Freundchen. Die Lady ist nen Stück außerhalb deiner Reichweite!“
Wir alle lachten und Erik ließ sich von Luca zu unserem Stammtisch führen, Kim drückte mir einen Schmatzer auf die Wange und folgte den Beiden, nur Franzi verdrehte gelangweilt die Augen. Dann sah sie mich an. Ihre kurzen schwarzen Haare lagen absolut perfekt und das Kostüm, dass sie trug, betonte ihren kleinen Körper auf eine anmutige Weise. Eine zarte sowie makellos manikürte Hand streckte sich mir entgegen, mein Gott war diese Frau mal wieder förmlich!
„Hallo Maya! Wir haben uns ja auch lange nicht gesehen! Wie geht es dir...OH! Du hast ja ganz schwitzige Hände! Mein Gott -“ sie wischte sich die Hand unauffällig an einem aus dem Nichts aufgetauchten Taschentuch ab „- so viel ist hier doch gar nicht los, dass du so feuchte Handflächen haben musst!“ Sie lachte mich liebenswert an und es zuckte in meinen ach so schwitzigen Fingern, beinah hätte ich ihr ein Glas über den Schädel gezogen! Dämliche Kuh! Doch ich lächelte einfach nur ebenso zuckersüß, während meine Lippen eine harte Linie blieben.
„ Ich geh dann mal zu den Anderen. Bringst du mir noch ein Wodka-Lemon? Danke Liebes!“ Ein Wimperklimpern und sie stöckelte mit ihrem kleinen niedlichen Hintern zu unserem Tisch. Ich sah ihr zähneknirschend nach. Sie wusste genau, dass ich hier nicht bediente oder kellnerte, ich stand ausschließlich hinter der Theke. Ich dachte nicht mal in meinen Träumen daran ihr irgendetwas zu bringen und widmete mich den Gläsern, die noch gespült werden wollten.
Ab und zu warf ich einen Blick nach hinten zu meinen Freunden. Ich sah nicht den ganzen Tisch, aber ich sah Franzi und Erik die nebeneinander saßen und sich die ganze Zeit unterhielten. Dann und wann landete ihre Hand auf seinem Arm und sie hielt sich in Kleinmädchenmanier die andere Hand vor den Mund, wenn sie über einen seiner Witze kicherte. Ich schnaubte abfällig. Die war ja heute auffällig gut gelaunt, meine Stimmung dagegen sank gen Gefrierpunkt. Hastig leerte ich mein Glas, dann hörte ich schon wieder ihr glockenhelles absolut übertriebenes Lachen. Ich sah erst gar nicht hin und verdrehte einfach nur genervt die Augen. Ein Glück kam in diesem Moment Rebecca, meine Schichtablöse. Sie hatte lange braune Locken und rehbraune Augen, ich mochte sie, auch wenn wir nur oberflächlich befreundet waren.
„War heute nicht viel los oder?“ Ich stimmte ihr nickend zu und übergab ihr die Kasse. Dann packte ich meine Shopper-Tasche und verzog mich in den Personalraum. Ich hatte mir in weiser Voraussicht Wechselkleider eingepackt und es fühlte sich geradezu befreiend an, in das luftige Top und die kurzen Stoffshorts zu schlüpfen. Dann machte ich mich kurz frisch, tauschte die bequemen Ballerinas gegen ein Paar meiner Lieblingspumps, kämmte mir die Haare, schminkte mich nach und hüllte mich in eine Wolke aus einem frischen Parfüm, dass lecker nach Orangen und Zitronen roch.
Dann schritt ich erhobenen Hauptes zu meinen Freunden und ließ mich zwischen Kim und Franzi nieder, sah dabei aber Erik herausfordernd an. Dieser war allerdings noch immer in das Gespräch mit Franzi vertieft, hob nur kurz den Blick und lächelte mich flüchtig an. Luca und Kim stritten sich lautstark, ich verstand nicht worum es ging und versuchte mich auf die andere Unterhaltung zu konzentrieren. Erik und Franzi sprachen über irgendein politisch-wirtschaftliches Thema. Boah, ich konnte ihnen absolut nicht folgen und sah verwirrt zwischen ihnen hin und her. Dann machte Erik eine trockene Bemerkung und Franzi lachte laut auf, strich zärtlich über seine Schulter und schenkte ihm ein für mich zu eindeutiges Zwinkern. Ein Stich der Eifersucht ließ mich unauffällig zusammen zucken. Flirtete sie etwa mit MEINEM Erik?
Als hätte sie meine Gedanken gehört, sah sie auf einmal zu mir, die vor Lipgloss glänzenden Lippen noch immer zu einem strahlenden und falschen Lächeln verzogen.
„Maya! Da bist du ja! Du hast mir ja noch gar nicht mein Getränk gebracht!“ Der Schmollmund konnte sich wirklich sehen lassen.
„Muss ich wohl vergessen haben.“ Dabei trank ich selber einen großen Schluck aus meinem Glas und sah sie entschuldigend an. Erik erhob sich sofort.
„Ich wollte eh ne neue Runde holen. Was willst du denn?“ Perplex starrte ich zu ihm hoch, war er jetzt ihr Diener? Gerade überlegte ich mir einen passenden Spruch, als mir Franzi zuvor kam und den Wunsch nach einem Wodka-Lemon wiederholte. Sie endete den Satz mit: „Du bist ein Schatz, Danke!“
Ich blickte total genervt zu Luca und Kim und die beiden grinsten mich nur an.
Als Erik zum Tresen ging und ich einen kurzen Blick auf seinen knackigen Hintern warf, rückte Franzi auf einmal penetrant nahe und folgte meinem Blick. Dann flüsterte sie:
„Ist er nicht toll? Er hat sich so gemacht in letzter Zeit!“ Ich traute meinen Ohren nicht.
„Wer? Erik? Pffft...wo hat der sich denn gemacht?“ Ich war so eine miese Person. Sie rückte noch näher und ich roch ihr Parfüm, ein schwerer Duft von Prada, ich mochte es nicht.
„Na dein Typ war er ja eh noch nie.“ Ich schluckte schwer.
„Aber deiner oder was? Was ist denn mit Christian?“ Sie winkte ab.
„Der ist Geschichte! -“ Der Glückliche, dachte ich angespannt, während Franzi fort fuhr „- Aber Erik sieht heute wirklich toll aus.“ Ich schnaubte.
„Wenn du auf dürre und verkappte Nerds stehst, dann sieht er für dich wahrscheinlich toll aus.“ Mein Herz machte einen empörten Hüpfer bei dieser abscheulichen Lüge. Franzi sah mich tadelnd an.
„Na wie gesagt, für dich wäre er ja eh nie was!“ Diese Aussage machte mich neugierig.
„Wieso?“ Sie lachte und machte den Du-Kleines-Dummerchen-Blick.
„Na, das ist doch offensichtlich! Sei mir nicht böse, aber deine Interessen liegen doch eher in den oberflächlichen Dingen wie Shoppen, Schminken und Solarium. Erik dagegen -“ sie setzte einen verträumten Blick auf „- er ist hochintelligent, hat einen wichtigen Job und den fantastischsten Humor, den ich je erlebt habe. Ihr könntet gegensätzlicher nicht sein und ganz ehrlich: Du würdest ihn wahrscheinlich genauso langweilen wie er dich!“ Und wieder schloss sie diese biestigen Worte mit einem umwerfenden Lächeln. Ich sah betreten auf mein Glas.
„Klingt logisch.“ Ein kleiner Riss tat sich in meinem Herzen auf, als ich genauer über das Gesagte nachdachte, die Möglichkeit in Betracht zog, dass sie vielleicht Recht haben könnte. Franzi war zwar fies, aber auch ehrlich direkt und war dabei meistens (leider) auf der richtigen Fährte.
Dann kam Erik wieder, ließ sich auf seinen Platz nieder und lächelte uns ahnungslos an. Kurz blieb er an meinem niedergeschlagenen Gesicht hängen und ich erkannte ein fragendes Funkeln, doch sofort plapperte Franzi drauf los.
„Da bist du ja endlich. Und? Wie ist nun deine Theorie zu der Debatte um den Euroschutzschirm? Ich denke ja...“ Und dann folgte ein Ansturm aus intellektuellen Fachbegriffen und eine hitzige Diskussion, die mir vollkommen unverständlich war. Erik lauschte gespannt Franzis Argumenten, setzte hier und da ein, stimmte ihr ab und an zu oder widerlegte geschickt ihren Standpunkt. Ein solch intensives Gespräch hatte ich noch nie mit ihm geführt und ich kam mir vor, wie das überflüssigste Rad am Wagen. Das machte mich so traurig und mir wurde bewusst, wie viel er mir bedeutete. Auch wenn ich keine Beziehung wollte, es machte mich krank, dass ich hier so dumm rum saß und nur zwischendurch ein nettes Lächeln von diesem Traummann abbekam. Der Abend war die reinste Folter!
Ich beschäftigte mich hauptsächlich mit Kim und Luca, die den Unterhaltungen der Superbrains auch nichts abgewinnen konnten. Irgendwann ging ich zum absoluten Ignorieren über, dieses Geschwafel konnte sich kein normaler Mensch antun. Ich erhaschte nur noch kurze fragende Seitenblicke von Erik, doch ich reagierte nicht mal ansatzweise darauf. Ich war wirklich ein bisschen eifersüchtig und verfluchte mich gleichzeitig dafür. Wie hatte er mich eigentlich so schnell um den Finger wickeln lassen können?
Nach reichlich Weinschorle meldete sich meine Blase und ich schritt schon leicht schwankend und um Gleichgewicht bemüht erhobenen Hauptes zur Frauentoilette. Im Vorraum der Klos wurde ich auf einmal am Arm zurückgehalten und ich drehte mich erschrocken ein Stück zu schnell um und verlor dann doch das Gleichgewicht. Natürlich landete ich in Eriks Armen und sein Weichspüler-Duft beflügelte meine Sinne. Ich rappelte mich auf, wollte mich von ihm los machen , doch er hielt mich an den Oberarmen fest. Ich sah zu ihm auf, er grinste spöttisch.
„Was ist denn mit dir los?“
„Nichts. Geh lieber wieder zu Franzi und diskutiere mit ihr über irgendwelche Schirme!“ Er stutzte.
„Bist du etwa eifersüchtig?!“ Es klang irgendwie stolz und es machte mich rasend.
„EIFERSÜCHTIG? Du bist ein riesen Trottel Erik! Wir zwei sind nicht mal ein PAAR!“ Der Druck seiner Hände um meine Oberarme nahm zu und nun sah er mich eindringlich an.
„Was ist dann mit dir los? Warum ignorierst du mich die ganze Zeit und warum zum Teufel schreist du mich gerade so an?“
Zur Antwort küsste ich ihn. Ich legte meine ganze Wut und Verzweiflung in diesen Kuss, biss ihm dabei leicht auf die Unterlippe und presste meinen Körper dicht an seinen. Seine Hände wanderten stockend hinauf zu meinem Nacken und hielten dort inne, er reagierte völlig passiv und überrumpelt, ließ mich meinen Zorn austoben. Irgendwann löste er sich atemlos von mir, schob mich ein Stück von sich weg und hielt wieder meine Oberarme im eisernen Griff. Er sagte völlig von den Socken gehauen:
„Vorsicht! Ich treib es auch gleich hier vor den Toiletten mit dir, ist mir scheiß egal, aber küss mich nie wieder SO, wenn ich nicht die Chance habe, dir sofort die Quittung dafür zu verpassen!“ Ich funkelte ihn nur an.
Sofort drehte er den Spieß um, wendete mich und drückte mich gegen die Wand. Ließ mir keinen Platz zu entkommen, quetschte mich förmlich ein und küsste mich halb besinnungslos. Er war so fordernd, dass ich kaum Luft bekam. Er versenkte seine Zunge tief in meinem Mund, rieb seinen Unterleib an meinem und machte mich mit seinen wandernden rastlosen Händen vollkommen verrückt. Eine Hand glitt einfach so unter meine kurzen Shorts und knetete meinen Po, die andere war mit der linken Brustwarze beschäftigt. Ich war nicht mehr in der Lage, mich zu wehren, gab mich ihm völlig hin und genoss jede Faser seines Körpers. Ich wollte ihn hier auf der Stelle intensiver spüren, er machte mich total scharf und in mir brannte es vor Verlangen. Die Tatsache, dass ich wusste, welche Freuden mich erwarten würden, machte die Sache nicht einfacher.
Dann ließ er abrupt von mir ab, ging einen Schritt zurück und ich keuchte völlig von Sinnen. Er grinste selbstgefällig, blickte an meinem verrutschtem Outfit hinab, kam wieder einen Schritt auf mich zu, hauchte mir einen Kuss auf den geschwollenen Mund und flüsterte mir dann arrogant ins Ohr: „Ich würde sagen, wir gehen dann so in zwei bis drei Stunden nach Hause!“ Ein frecher Klaps auf den Po und er lief stolzierend aus dem spärlich beleuchteten Vorraum hinaus. Wahrscheinlich spürte er den teuflischen Blick in seinem Rücken, hätte er sich umgedreht, die Basiliskaugen hätten ihn mit Sicherheit erblinden lassen.


Als ich mich wieder so weit gefasst hatte und eine Liste der Dinge aufgestellt hatte, welche ich Erik noch an diesem Abend antun würde, traute ich mich wieder zurück an unseren Tisch.
Luca war verschwunden, ich entdeckte ihn an einem Tisch voller Weiber, die ihn allesamt anschmachteten. Mich schüttelte es kurz und ich setzte mich zu Kim. Erik warf mir einen absolut unergründlichen Blick zu, während Franzi schon wieder wie ein Wasserfall plapperte. Irgendwer musste dieser Frau Einhalt gebieten, sie war wie eine Naturgewalt. Kim und ich äfften Franzi in geringer Lautstärke nach und kicherten wie zwei Schulmädchen, sie merkte es nicht, doch Erik musste sich zwischendurch auch das Lachen verkneifen.
Plötzlich zuckte er nur unmerklich zusammen und zog sein Handy aus der Hosentasche. Er blickte entgeistert auf den Bildschirm, sah mich an, stand auf und redete noch während er seinen Stuhl heran rückte:
„Notfall! Das war mein Chef. Einer der Hauptrechner ist abgestürzt, ich muss sofort auf Arbeit! Tut mir Leid...ich...ich meld mich dann einfach!“ Und schon sah man nur noch eine Staubwolke von ihm. Die Nachricht machte mich nicht stutzig, so etwas kam vor, doch ich kotzte ab, dass ich und Kim nun mit Franzi alleine waren. Mit eine Blick verständigte ich mich mit Kim und wir verabschiedeten uns von der verwunderten Franzi. Draußen rauchten wir noch eine und mir gruselte es irgendwie vor dem Heimweg. Aus einer Intuition raus fragte ich sie, ob ich noch mit zu ihr kommen könnte. Sie wohnte in der Nähe von Erik und ich könnte danach zu ihm gehen, eigentlich albern, aber mir graute es vor dem einsamen Heimweg.
Kim stimmte meinem Vorschlag erfreut zu und wir schlenderten zu ihrer Wohnung, während ich ihr erstmal ausführlich alles über Erik und mir erzählte.
Als wir dann bei ihr auf dem Sofa saßen, gemütlich Sekt schlürften und Sex and the City im Hintergrund lief, klingelte mein Handy. Es war Erik. Erfreut ging ich ran, er war schneller fertig geworden, als ich gedacht hatte.
„Maya? Wo bist du?“ Er klang gehetzt, fast panisch.
„Bei Kim. Warum? Wo bist du?“
„Gott sei Dank! Ich bin kurz vor deiner Wohnung. Pass auf, das war ein Fake! Der Hacker muss mir die SMS geschickt haben! Verdammt!“ Ich verstand nur Bahnhof, doch mein Herz rutschte trotzdem in die Hose und ich richtete mich stocksteif auf.
„Was? Wer war ein Fake? Warum bist du bei mir? Hä?“ Er stöhnt kurz, dann sprach er langsam und deutlich und mir lief eine Gänsehaut nach der anderen den Rücken hinab.
„Die Nachricht von meinem Chef, sie war nicht echt. Sie kam wahrscheinlich von deinem Stalker. Auf dem Weg zur Arbeit habe ich meinen Kollegen angerufen, er wusste von nichts. Dann habe ich die Nummern verglichen und die SMS war von einer vollkommen anderen Nummer, da habe ich im Copa gar nicht drauf geachtet. Dann habe ich meinen Chef wachgeklingelt, der mir dann leicht gereizt versichert hat, dass alles in bester Ordnung sei.“ Mir stockte der Atem und ich lauschte weiter Eriks gehetzten Worten.
„Da wurde mir sofort klar, dass ich gerade von dir weg gelockt worden bin! Verstehst du Maya, die neue Strategie!! Jetzt bin auch schon ich in seine Zielscheibe geraten!“ Mir war zum heulen zu Mute, obwohl ich die Theorie noch nicht glauben wollte. Es war doch so lange nichts passiert.
„Bist du dir sicher?“ Er seufzte, ich hörte seine Schritte in dem Tunnel vor meiner Wohnung widerhallen.
„Natürlich bin ich das. Ich bin sofort zurück ins Copa und du warst weg! Da hab ich regelrechte Panik bekommen und bin wie ein besengter zu deiner Wohnung....-“ Er stockte, schnappte nach Luft und zischte auf einmal ins Telefon: „SCHEIßE! Scheiße, scheiße, scheiße! Oh Fuck!“
Mein Herz blieb kurzzeitig stehen, ich hörte ihn keuchen, er klang vollkommen außer sich.
„Erik?! Was ist da los?! HALLO?“
„Maya, du bist wirklich bei Kim?“ Seine Worte waren nur noch ein Zischen und er klang total verängstigt. Ich hatte ihn noch nie so gehört und mir gefror das Blut in den Adern. Irgendwas stimmte da absolut nicht.
„Ja! WAS IST DENN?“ Seine Stimme zitterte:
„Da brennt Licht in deinem Schlafzimmer, hinter der Jalousien steht irgendwer und blickt genau zu mir auf den Hof!“








Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15 Teil 16 Teil 17 Teil 18 Teil 19 Teil 20 Teil 21 Teil 22 Teil 23 Teil 24


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz