Seelenleser - Teil 4

Autor: Anna :)
veröffentlicht am: 19.12.2011


Hey Leute, tut mir leid dass ich so lang gebraucht habe :P der Teil ist auch nicht besonders lang, hoffe aber trotzdem er gefällt euch.
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Besagte Augen richteten sich auf sie und ein Lächeln breitete sich auf Aidan Adams Gesicht aus. „Guten Abend, Moira.“
In seinem anthrazitblauen Anzug von Milano, die eine Hand lässig in der Tasche vergraben und in der anderen ein Sektglas haltend, sah er aus wie ein wahnsinnig erfolgreicher Jungunternehmer. Er musterte Moira, anscheinend belustigt über ihr Entsetzen.
„Ich genieße die Party.“
Die gute Laune und die Zuversicht gingen so schlagartig wie sie gekommen waren. Moira legte ihre Gabel mit zitternder Hand auf den Buffettisch, sonst hätte sie ihn durch reine Wut wohlmöglich erstochen.
„Du siehst hinreißend aus.“ Ein anerkennender Blick, der sie von oben bis unten musterte. Er hätte ihr ebenso gut sagen können, sie sei die hässlichste Frau der Welt. Moira verstand nichts von dem was er sagte.
Sie lehnte sich an den Tisch, weil ihr plötzlich schwindelig wurde. Die eigentlich wichtigen Fragen- warum war er hier? Woher wusste er von der Party- rückten in den Hintergrund. Stattdessen vernebelte Zorn und Ärger ihre Sicht. Ihr Leben hatte sich gerade wieder normalisiert, alles war so schön gewesen… und jetzt das!
„Was zum Teufel machen Sie hier?“, wiederholte sie. Ihre Stimme zitterte vor unkontrollierter Wut und sie presste mehr die Worte durch ihre zusammengebissenen Zähne als das sie sie sprach. Sie sah hastig zu Thomas, der sich immer noch mit Ben Havering unterhielt, jedoch im Begriff war, mit seinem Chef zum Buffet zu gehen.
Thomas durfte sie auf keinen Fall mit dem Fremden sehen. Moira überlegte deshalb nicht lange, packte Aidan Adams kurzerhand grob am Handgelenk und zog ihn zu den Gott sei Dank leeren Frauentoiletten.
Das sterile Weiß der Toilette blendete sie für einen Moment, doch sie fing sich schnell. Sie stemmte die Hände in die Hüften. Hätten Blicke in diesem Moment töten können, Aidan Adams wäre tausend Tode gestorben. Aber er stand nur völlig unbeeindruckt vor ihr, das halbvolle Sektglas in der Hand und ein überhebliches Grinsen im Gesicht. Er nahm einen Schluck aus dem Glas. Die Zeit bis zu seiner Antwort schien sich wie Kaugummi zu ziehen und Moira verlor immer mehr die Geduld. Schließlich setzte er das Glas ab.
„Ich weiß gar nicht, warum du dich so aufregst.“
Seine ruhige Art steigerte ihre Aggressivität nur noch. Sie fasste sich mit der Hand an die Stirn und stieß die aufgestaute Luft geräuschvoll aus.
„Ich habe mich einfach als Anne Johnsons Bruder ausgegeben und gesagt, dass sie durch eine Erkältung heute bedauerlicherweise verhindert war und ich stattdessen die Glückwünsche übergeben solle.“
Moira schluckte. „Anne Johnson, die Büroleiterin bei Bens Kanzlei?“
„Ja. Meine Geschichte stimmt, Mrs. Johnson liegt wirklich mit Grippe im Bett. Und sie hat auch einen Bruder, nur dass der verheiratet ist und in Michigan lebt.“
Trotz all ihrer Wut auf den Mann, der ihr Leben in nur vier Tagen derart durcheinander gebracht hatte, fand sie die Geschichte ziemlich beeindruckend. Zwar gehörte Ben Havering nicht gerade zu der Sorte Mensch, die jeden Gast kontrollierte und sich genauestens an die Gästeliste hielt. Aber es gehörte schon eine ordentliche Portion Cleverness hinzu, eine solche Lügengeschichte glaubhaft zu verkaufen.
„Und warum ich hier bin, kannst du dir doch selber denken.“
Sie schaute auf in sein Gesicht, weil in seiner Stimme so viel Gefühl und Wärme mitschwang, die so gar nicht zu ihm passte.
Dieser Satz drang durch Moiras Schleier aus Wut und löste in ihrem Inneren etwas aus, was nichts mit Aggressionen zu tun hatte. Doch bevor sich etwas in ihr regen konnte- Sympathie oder Zuneigung- kehrte wieder das selbstgefällige Grinsen in Aidans Gesicht zurück und gleichzeitig auch Moiras Aufgebrachtheit.
„Ach, kann ich das?“, sagte sie und verschränkte die Hände vor der Brust.
Er trank den letzten Schluck aus dem Sektglas und stellte es auf eines der Waschbecken ab. Unerwartet trat er einen Schritt vor, sodass Moira, um denselben Abstand zwischen ihnen zu wahren, zurückweichen musste.
„Weißt du was dein Name bedeutet, Moira?“, fragte er, ohne Anstalten zu machen, stehen zu bleiben. „Er bedeutet Schicksal. Ich bin dein Schicksal, Moira.“
Sie spürte etwas Kaltes, Unnachgiebiges in ihrem Rücken. Die Fliesen der Toilette. Nun blieb Aidan nur knapp einen Meter vor ihr stehen, ein viel zu kleiner Abstand, als dass ein Außenstehender etwas anderes als eine innige Liebesbeziehung zwischen den beiden erahnt hätte.
Moira blieb von seinen Worten die Luft weg. In ihrem Kopf hallte der Satz ´Ich bin dein Schicksal´ nach. Die selbstverständliche Art, mit der dieser völlig Fremde solche Worte sagen konnte, verschlug ihr die Sprache. Sie hätte die Empörung gar nicht beschreiben können, die sie in diesem Moment empfand.
„Ich weiß, was du in deinem Inneren empfindest Moira. Ich kenne alle deine geheimen Wünsche.“ Er sah sie so eindringlich an, dass sie kein einziges Wort herausbekam. Seine dunklen Augen wirkten auf einmal so hypnotisierend, Moira war nicht fähig, sich zu bewegen. Aidan rückte ein Stück näher, bis zwischen ihren Gesichtern nur noch zwei Handbreit Abstand war.
„Du wolltest als kleines Mädchen immer nach Ägypten reisen. Die Pyramiden sehen, die fremde Kultur kennenlernen. Diesen Wunsch hegst du heute noch, tief in deinem Inneren. Du willst weg von hier, weg von deinem langweiligen Job, weg von Brooklyn und weg von- Thomas.“
Er sah sie so durchdringend an, als könne er in ihren Gedanken die Bestätigung seiner Worte sehen oder spüren.
Und es stimmte. Es stimme alles, was Aidan sagte. Sie war noch nie in ihrem Leben aus Amerika raus gekommen. So gerne hätte sie jetzt, in diesem Moment, ihre Koffer gepackt und das nächste Flugzeug nach Kairo genommen. Doch die Sache mit Thomas hätte sie niemals zugegeben, obwohl es stimmte.
„Ich…liebe Thomas.“ Ihre Stimme klang zittrig und überhaupt nicht überzeugend.
„Nein, tust du nicht“, entgegnete er kalt. Sie senkte den Blick, weil sie befürchtete, ihm nach nur einem Blick in seine Augen jede Wahrheit und Lüge ihres Lebens offenbaren zu müssen.
„Er ist ein gutmütiger, lieber netter Mann“, sagte sie halbherzig. „Er ist warmherzig und verständnisvoll, er ist großherzig und witzig-“
„Aber du liebst ihn nicht.“
Eine Pause entstand. Aidan hatte ihren Redeschwall mit diesen simplen Worten schlagartig zum Verstummen gebracht. Moira spürte, dass seine Augen sie durchdrangen wie ein Röntgenblick. Wie er in jede Ecke ihrer Seele blicken konnte, in jedes Kämmerlein ihres Herzens. Sie kam sich vor wie bei einer Beichte, nur dass sie dort dem Priester mit Worten ihre Sünden gestand. Hier und jetzt offenbarten sich ihm, dem Fremden, ihre innigsten Wünsche und Sehnsüchte stumm.
Die Toilettentür öffnete sich und zwei junge Frauen, fast noch Mädchen, kamen herein. Sie hatten beide ausgefallene Kleider an, die farblich zu ihren blonden Haaren passten. Als sie Aidan und Moira an der Wand stehen sahen, weiteten sich die Augen der einen ungläubig und die andere kicherte verhalten. Daraufhin tuschelten sie kurz hinter vorgehaltener Hand und gingen dann jeweils in eine Toilettenkabine.
Moira spürte, wie sie rot wurde. Die Hitze stieg ihr in die Wangen. Sie fühlte sich gedemütigt. Nicht von den zwei Mädchen, die die beiden in einer offensichtlichen Haltung gesehen hatten. Sondern von Aidan Adams selbst, der sie scheinbar besser kannte, als sie sich selbst.
Dass er so nah bei Moira stand, hinderte sie nicht daran, sich von der kalten Wand zu lösen und mit einem mehr geflüsterten als gesprochenen „Ich muss gehen“ die Toilette zu verlassen.






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