Hey ho Life, hier bin ich <3 - Teil 2

Autor: Boom Shaka-Laka
veröffentlicht am: 02.12.2011


... und weiter gehts! Vielen Dank für euer Feedback, das freut mich total ;o)
Ich habe in diesem Teil ein bisschen mit den Perspektiven herum experimentiert... ich hoffe, es ist verständlich! Sophie schreibt jetzt nicht NUR in Tagebucheinträgen, einige Sachen spielen sich in der Gegenwart ab. Bitte meckert mit mir, wenn es nicht nachvollziehbar ist, oder wenn ihrs doof findet!



Teil 2


09. Oktober, Mo

Liebes Tagebuch,
mein erstes Wochenende in Berlin ist vorbei und ich hatte kein bisschen Heimweh! Pah, ich und Heimweh… wo ich doch selber der Meinung bin, ich bin eine selbstständige, selbstbewusste junge Frau, die durchaus in der Lage ist alleine im Leben klar zu kommen. Außerdem bin ich ja nicht allein, ich hab ja Toni! Ach ja, Toni. So richtig befreundet haben wir uns erst im Abschlussjahr. Es kam so nebenbei, weil die Sache zwischen Julian und mir in die Brüche ging. Auf einmal hatte ich Zeit! Und keine männliche Bezugsperson mehr, wie auch, bei zwei Schwestern und einem Vater, der nur auf Dienstreisen ist.
Toni war mein Banknachbar im Politik-Kurs und wir hatten eigentlich von Anfang an viel Spaß miteinander. Aber erst nachdem ich wieder eine freie Frau war trafen wir uns auch neben der Schule und wurden richtige Freunde.

Toni und ich haben gestern eine Stadtrundfahrt mit einem dieser Touristenbusse gemacht. Berlin ist so krass gegensätzlich! Irgendwie überkommt einen diese feierliche Stimmung, wenn man mitten im Regierungsviertel steht, dort wo Weltpolitik gemacht wird, wo über arm und reich verhandelt wird und über die Zukunft eines ganzen Kontinentes. Ein amerikanischer Touri vor uns hatte die Zeitschrift „Forbes“ dabei, mit Angie Merkel auf dem Cover. Der Typ meinte, Angie wäre zurzeit die mächtigste Person der Welt, weil von Deutschland die Zukunft Europas abhinge und von der Zukunft Europas die Zukunft der restlichen Welt. Abgefahren. Und das alles passiert hier, in Berlin!
Und dann fährt eine zugesprayte S-Bahn an dir vorbei und jemand streckt dir seinen nackten Arsch entgegen. Weg ist sie, die feierliche Stimmung…!

Heute Mittag war ich mit Susann in der Mensa. Sie ist total nett, aber irgendwie so unbeholfen! Sie hat mit mir gequatscht und dabei einen gutaussehenden Kerl angerempelt. Er meinte „Hoppla!“ und hat sie am Arm festgehalten und angelächelt. UND WAS MACHT SUSI? Sie wird rot und guckt weg. Meine kleine Flirt-Niete! Sofort wurde mein Mutter-Teresa-Komplex angesprochen, ich beschloss Susi zu einer selbstbewussten Karriere-Frau zu machen. Was hätte sie aus dieser Situation nur alles machen können! Stattdessen hat sie sie auf die unrühmlichste Art und Weise verstreichen lassen.
Als wir später an einen der runden Tische saßen sprach ich sie darauf an. Siehe da, sie wurde wieder merklich verlegen.

***

„Susi, hattest du schon mal einen Freund?“
Sie streicht sich eine dunkelblonde Strähne ihres glatten Haares hinter die Ohren. Der Rest davon steckt in einem unscheinbaren Zopf.
„Tja, ich könnte ja lügen, aber so wie du mich fragst, ahnst du es ja sowieso schon. Also: Nein! Ich hatte noch nie einen Freund.“
Sie hält die ganze Zeit ihren Blick gesenkt.
„Und warum nicht, wenn ich fragen darf?“
Das frage ich mich wirklich. Denn mal im Ernst, wer es will, der kriegt auch irgendeinen Freund. Selbst die dümmste Vogelscheuche findet einen Idioten, wenn sie ihn mit einer sexuellen Erfahrung lockt oder ein paar Gerüchte streut, die ihren zweifelhaften Ruf unterstützen. Es gibt immer Typen, denen dann der Rest egal ist, so lange sie nur ran dürfen. Oder zumindest die Hoffnung haben, es in näherer Zukunft irgendwann mal zu dürfen.
Wie ich dieses Verhalten pubertierender Kinder finde, führe ich jetzt nicht aus. Diese Wörter, die angebracht wären, will ich nicht in meinem Wortschatz haben, also verdränge ich sie lieber…!
Die meisten von uns gehen irgendwann mal eine Beziehung ein, einfach weil sie wissen wollen, wie das so ist, mit dem Küssen und von einem Kerl beachtet werden und all den Dingen, die dann nach und nach noch dazu kommen. Wer das nicht tut, ist entweder zu gut für diese Welt, gänzlich uninteressiert/ asexuell oder wirklich verdammt unangenehm drauf. Vielleicht Körpergeruch oder so was.
Aber Susi ist noch nicht mal hässlich. Sie ist süß, nur eben ein wenig unscheinbar. Warum hat sie diese Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht vollständig umgangen?
„Nie? Ich meine, wolltest du nicht?“
„Nein. Ich war verliebt, Oh Gott, mehr als einmal! Aber diese Typen wollten nie was von mir. Und auch sonst, es hat mich halt nie jemand gefragt.“
Sie lächelt mich schulterzuckend an und spießt Salat auf ihre Gabel.
Da liegt also der Hase im Pfeffer! Ich verstehe.
Und ich schmiede sofort Pläne. Ich werde Susi in die eigentlich so einfachen Künste des Typen- Beeindruckens und Flirtens einweisen. Hach! Endlich eine neue Lebensaufgabe!
„Wie ist es bei dir?“ fragt sie mich und unterbricht damit mein Kopfkino von Schminkkursen, Shoppingtouren und langen Mädelsabenden mit Chips und Eis und nur einem einzigen Gesprächsthema: Typen! Aber vorerst antworte ich ihr:
„Ich hatte Beziehungen. Drei. Zwei davon waren relativ schnell wieder vorbei und bedeutungslos. Eine hielt über ein Jahr, ist aber auch schon wieder über 6 Monate her. Jetzt bin ich bereit für was Neues!“
„Wie hieß er?“
„Julian.“
„Aus der Schule?“
„Ja.“ Ich grinse vielsagend. Wo auch sonst lernt man als schnöder Schüler Jungs kennen?
„Warum habt ihr euch getrennt?“
„Das ist eine verdammt lange Geschichte. Nichts was man in der Mensa besprechen sollte. Ich lade dich mal zu einem Cappuccino in unsere WG ein, okay? Dann kann ich dir die Story ausbreiten, wenn du es wirklich wissen willst.“
Sie strahlt:
„Das würde mich total freuen!“
„Dann erzähle ich dir gleich noch was von Jan!“ Ich betone seinen Namen als wäre er irgendein Heiliger. Oh man, das fängt ja gut an! Aber Susann springt darauf an:
„Jan?!“
„Ich hab ihn am Freitag kennen gelernt!“
„Ein Kandidat für die Show ‚Wer erobert Sophie’s Herz’?“
Ich muss lachen, wie humorvoll sie doch ist! Und sie kann sich so schön ausdrücken. Bestimmt ist sie sehr schlau!
In dem Moment setzen sich zwei weitere Mädels an unseren Tisch. Ich erkenne sie als Tessa und Giulia wieder, sie sitzen in der Geschichts-Seminargruppe in der Reihe vor uns.
„Hey ihr! Worum geht’s?“ fragt die große Tessa mit den noch größeren Absätzen.
„Kerle.“ Dieses eine Wort genügt meistens schon.
„Aha!“ meinte Giulia und „Na großartig!“ sagte Tessa.
Wusste ich’s doch. Mädels sind alle gleich. Immer wieder amüsant!
„Sophie hat schon jemanden kennen gelernt!“ verrät Susi mit einem vielsagenden Blick.
Ich tue gespielt geschockt:
„Das klingt aber vorwurfsvoll!“
Alle lachen, ich auch.
Und dann erzähle ich die Story von Jan.
Beschreibe ihnen die Kneipe, in der Toni und ich am Freitag die Jungs getroffen haben. Ich bin gut im Erzählen, ich kann es unglaublich spannend machen und alle hängen an meinen Lippen. So unwichtige Details wie die Straße, die Temperatur und die Menschen, die unterwegs waren, dienen mir als veranschaulichendes Mittel für meine Schilderungen. Theatralisch beschreibe ich die Stimmung, die weißen Lounge-Möbel und die bunten Cocktails, die Toni und ich vor uns stehen hatten, bis… ja, bis dann ER vor uns auftauchte. Wie im Film.


In Wirklichkeit war es natürlich relativ unspektakulär gewesen, keine geheimnisvollen Strahlen, die ihn umgaben und mich in meinem Gespräch mit Toni inne halten ließen, keine schimmernde Aura, die mich in ihren Bann zog und sicherlich keine Zeitlupe!
Jan fiel mir trotzdem sofort auf. Obwohl ich ja nicht mit der Absicht hergekommen war unbedingt ein Auge auf einen von Tonis Kumpels zu werfen. Er kam mit festen Schritten auf uns zu, der Rücken gerade, die Muskeln an seinem großen Körper bewegten sich geschmeidig. Diese verdammte Ausstrahlung! So finster, wie Blut und Schweiß, wie der todesmutige Kämpfer aus einem Actionfilm, der seine Gegner ERST mit einem Fausthieb niederstreckt und DANN fragt, was eigentlich los ist. Dieser Eindruck war es, den ich von Jan bekam. Ob das an seinem Military-Cap lag? Er trug Drei-Tage-Bart und hatte ein eckiges Gesicht, die Augenfarbe konnte ich in der mies beleuchteten Spelunke nicht erkennen.
Die anderen drei Typen hinter ihm lösten immerhin nicht so tolle bildliche Eingebungen und komplexe Vergleiche in meinem schwachen, weiblichen Hirn aus. Marten, Elias, Richard und Jan begrüßten Toni mit Handschlag, mich mit einem mehr oder weniger hintergedankenfreiem Lächeln. Ich war natürlich darauf bedacht gewesen, nicht wie ein kleines, dummes Mädchen sofort durch affektiertes Gehabe negativ aufzufallen. Ich wollte cool und unglaublich abgeklärt wirken, also nickte ich nur leicht zur Begrüßung, als Toni mich vorstellte, und lächelte aufgeschlossen zurück.
Die meisten bestellten sich ein Bier, Jan nahm den sagenumwobenen Cocktail des Tages: ‚Zombie’. Aha, dachte ich mir, hartes Getränk für den harten Kerl. Sein Shirt vermittelte mir auch noch einen Eindruck von harter Musik. Alles an ihm schien hart zu sein. Oooops, eine zweideutige Aussage, nein Sophie! Benimm dich!
Das Gespräch begann gar nicht wie immer. Also nicht so typisch: ‚Hey ich bin Elias, wie heißt du, was machst du, in welchem Semester bist du?’, sondern so, als wäre ich eine von ihnen. Als würden sie mich schon immer kennen, als wäre es Alltag für sie, ständig neue Leute kennen zu lernen. Das fand ich irgendwie gut. Gewöhnungsbedürftig fand ich, dass sie anscheinend auch nicht merkten, dass ich KEIN Kerl war. Das spürte ich an ihren Gesprächen über Frauen. Einige Male wollte ich mich räuspern und sagen: ‚ Jungs, halllooooo, ich habe auch Eierstöcke!’, aber ich verkniff es mir und grinste meistens blöde, als würde ich es ganz genauuuso sehen. Oder ich tat so als hätte ich nichts gehört und schlürfte unschuldig meinen Cocktail.
Am Anfang hielt ich mich noch zurück. Ich fragte mich, ob dieses Verhalten typisch für Berlin war? Die Stadt war schnelllebiger als jede andere in Deutschland, vielleicht wuchsen die Menschen hier wirklich mit ständig neuen Gesichtern auf und deshalb war es für sie schon wieder normal? Ich aus meinem kleinen bayrischen Fischbachau war anscheinend ohne es zu wissen in einer spießbürgerlichen, frigiden Gemeinschaft groß geworden! Ich hatte mich ja eigentlich immer für aufgeschlossen, tolerant und selbstreflektiert gehalten. Irgendwie dachte ich, ich würde die Welt kennen, immerhin war ich auch überall mal auf Reisen gewesen. Aber diese Art der vier Berliner Jungs, die ich auch schon an anderen an der Uni feststellen konnte, beeindruckte mich dennoch. Und ich fühlte mich auf einmal wie ein Landei. Und das kotzte mich an. Denn so konnte man Typen wie Jan sicherlich nicht von sich überzeugen! So verschwand ich in der Masse von Millionen hübschen Frauen auf einer Gesamtfläche von 890 Quadratkilometern. Nicht mein Ding! Deshalb schluckte ich mein Erstaunen herunter und ließ die gechillte Sophie raushängen. Die totaaaal Erfahrene und überhaupt nicht Verlegene.
Und die Jungs nahmen mich wahr. Sie bezogen mich ein, baten mich Verhaltensweisen von Frauen zu erklären und behandelten mich wie eine Königin. Ich fühlte mich göttlich und besonders. Ich war die Auserwählte, bei mir konnten sie so sein wie sie waren, brauchten sich nicht zu verstellen und konnten frei sein. Später kam ich dahinter, dass die Jungs das aber zu erwarten schienen. Frauen, die sich zierten und sich gewisse Gesprächsthemen verbaten, hatten gleich erst mal gar keine Chance in der ach so hippen Berliner Mentalität. Okay, ich verstand und verschloss meine kleinstädtischen Denkmuster ganz weit unten in meinem Sieb, genannt Kopf. Du musst einfach mitmachen, sagte ich mir, gewöhn dich lieber ganz schnell daran! Sei einfach nicht beschränkt und zurückhaltend, sondern sei, wie du willst, wie du wirklich bist! Und frag, was dir auf dem Herzen liegt! Das musste doch eine gesunde Art zu leben sein. Nichts musste der Höflichkeit halber runtergeschluckt werden. Ob dadurch das Herzinfarkt-Risiko geschmälert wird?
Also plauderte ich munter aus dem Nähkästchen. Oder besser gesagt, aus dem BETTkästchen. Ja, was beschäftigt junge, unabhängige Kerle im Studium mehr als Frauen?!
Ich behielt Jan im Auge. Wie er sich genüsslich zurücklehnte und eine Zigarette rauchte. Ich hasste Raucher. Warum fand ich das dann bei Jan so sexy?
Er bemerkte meinen Blick und erwiderte ihn. Huch! Ich hoffte, dass ich nicht allzu fasziniert ausgesehen hatte.
Ein paar Minuten später verschwand er an die Bar und Toni, der neben mir gesessen hatte, ging auf die Toilette. Als Jan wieder auftauchte, hatte er zwei Getränke dabei, eins stellte er vor mir ab. Und er setzte sich neben mich.
Na hoi?
Ich bedankte mich artig. Und ich traute mich und fragte ihn nach seinem Studium. Archäologie! Wie außergewöhnlich, wie mutig und irgendwie so abenteuerlich! Ich erzählte ihm genau das, wie beeindruckend ich es fand, dass er sich für ein Studium entschieden hatte, dass ihn am Ende mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ins Ausland verschlagen würde. Er konterte, sagte, ich hätte mich für ein Studium entschieden, das mir am Ende jede Menge Berufswege offen halten, aber keine direkte Berufsbezeichnung verleihen würde. Recht hatte er! Als er das sagte sah er mir in die Augen. Bestimmt ohne Hintergedanken, ohne Nachdruck, aber es rüttelte dennoch an meiner Fassung. Er sagte:
„Du scheinst doch eine kluge und realitätsnahe Frau zu sein, du schaffst das sicher.“ und tätschelte meine Schulter.
Wow, ein tolles Kompliment!


„Versteht ihr, warum er mich so beeindruckt hat?“ frage ich Susi, Giulia und Tessa nachdem ich meinen Bericht abgeschlossen habe.
Sie sehen mich mit großen Kulleraugen an, sehnsüchtig und verzaubert.
Ich lache laut auf. Ich habe mit meiner Erzählung übertrieben. Aber nur in den unwichtigen Dingen, die entscheidenden habe ich tatsächlich so empfunden.
Jan war wirklich verdammt begehrenswert.

***

Ja, liebes Tagebuch,
es tat wirklich gut, mit den drei Mädels noch mal den Freitagabend Revue passieren zu lassen. Ich staune manchmal selber über meine Gabe, mir solche Situationen minutiös einzuprägen. Es tat auch gut zu hören, dass jemand nach ein paar Stunden in einer geselligen Bar-Runde zu dem Schluss gekommen war, ich wäre eine kluge und realitätsnahe Frau… hach!
Fühle mich immer noch wie auf Wolke 378, so schön finde ich mein neues Leben, meine WG, das Studium und all die neuen Menschen!
Gute Nacht und bis Morgen,
Lucky-Sophie






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