Zwischen Himmel und Hölle - Teil 3

Autor: Alice-in-Wonderland
veröffentlicht am: 12.12.2011


„Sweeps?“, hörte ich jemanden leise fragen. Ich blinzelte ein paar Mal mit den Augen und schaute mich um. Jedes Mal wenn ich an diesen Tag dachte, war ich wie in Trance. Nun sah ich Tommi vor mir stehen und lächelte leicht. Er lächelte zurück und strich dabei eine Träne weg, die ich bis dahin nicht bemerkt hatte. „Tut es sehr weh?“, fragte er mich leise. Ich nickte schwach und er nahm mich in den Arm. „Ich werde dich zur Schule bringen!“, sagte er nun sanft und trat an den Kühlschrank. Ich sah ihn an und bemerkte erst jetzt, dass er seine schwarzen Jeans und ein Metallica-Shirt anhatte. Ich stieg langsam vom Fensterbrett und ging Richtung Bad, dabei sagte ich: „Dann werde ich mich wohl fertig machen müssen.“ Er schaute mitfühlend zu mir und ich ging ins Bad. Ich wusste sofort, dass er mir schon Sachen hin gepackt hatte. Unwillkürlich musste ich lächeln und zog mich aus. Unter der Dusche spürte ich erst wie ich fror. Obwohl es draußen mindestens 25°C schon waren, war mir kalt. Ich wusste es nur zu gut woran das lag. Vor einem Monat kurz vor meinem Geburtstag, war ich mit meiner Mutter bei einem Arzt, der meinte dass mein Immunsystem sehr geschwächt sei.
Als ich fertig war mit duschen, zog ich mir die Sachen an, die mir Tommi hingelegt hatte. Nur Wimpertusche und Kajal trug ich auf. Fertig und mit geputzten Zähnen ging ich aus dem Bad, wo er mit meiner Tasche in der Hand wartete. Er hielt mir seine Hand hin und ich nahm sie dankbar an. Seine Nähe war so beruhigend für mich und gab mir Wärme.
Vor der Schule angekommen gab er mir mit einem aufmunterndem Lächeln einen Kuss und flüsterte in mein Ohr: „Du schaffst das! Ich werde dich nachher abholen.“ Ich nickte und zog mir beim Umdrehen die Kapuze auf. Alle schauten sie mich an. Auch meine beste Freundin Linda. Ob sie noch meine beste Freundin war, war nur nicht mehr sicher. Ich hatte auch sie damals einfach ignoriert und mich nie wieder bei ihr gemeldet. Sie war auch einer dieser Menschen, die nach Leos Tod für mich da waren. Doch ebenfalls ist sie einer dieser Menschen, die ich fallen ließ. Ich wusste wie sehr sie mich dafür hassten und ich verstand auch warum sie es taten. Aber es war besser so für mich und auch für sie. Wenn ich etwas sagte, dann war es nichts was andere hören wollten. Also schloss ich meine Gedanken und Gefühle weg und ließ die Leere in mir sprechen. „Frau Tritter lässt sich also doch noch in unserer Klasse blicken!“, hörte ich Frau Blau sprechen. Ich sah sie an und dann sagte sie: „Der Direktor möchte sie sprechen!“ Ich zuckte mit den Schultern und ging in den Flur, Richtung Sekretariat. Sollen sie mich doch am besten von der Schule schmeißen. Ich stand vor der Tür und plötzlich ging sie auf. Vor mir stand Danny. Der Junge in dem ich damals verknallt war. Er schaute erst überrascht und dann lächelte er mich aufmunternd an und sagte während er mir die Tür aufhielt: „Keine Angst, das bekommst du hin!“ Ich runzelte die Stirn und ging rein, ohne etwas zu erwidern. Sofort roch ich diesen bekannten Duft von Jasmin. Ich wusste nicht wieso, doch dieser Duft hatte eine beruhigende Wirkung auf mich. Es war anders als LSD oder Ecstasy. Es war natürlich und angenehm. Eine tiefe, raue Stimme holte mich aus meinen Gedanken: „Ah, Frau Tritter da sind sie ja. Kommen sie doch bitte mit in mein Büro, dann können wir ungestört reden.“ Ich nickte und setzte mich auf den Stuhl gegenüber von ihm. Herr Brandt schaute mich aufmerksam an und räusperte sich nach einem kurzen Augenblick, bevor er anfing zu reden: „Also Frau Tritter, sie können sich bestimmt schon denken wieso sie hier sind.“ Ich nickte und er redete weiter: „Ihre Lehrer und ich sind nicht der Meinung, dass sie das Jahr wiederholen sollten, doch würden sie es nur schaffen, wenn sie ab sofort regelmäßig zur Schule kommen und alles nachholen was sie verpasst hatten und natürlich auch mitarbeiten. Allein ihre Anwesenheit wird ihnen keinen Abschluss bringen und wir sind uns alle sicher, dass sie einen haben wollen. Sie haben viele Talente und sollten sie nicht wegschmeißen. Die letzte Zeit war nicht leicht für sie, der Tod ihres Freundes hat ihnen sehr zugesetzt, doch sollten sie deshalb nicht ihre Zukunft wegschmeißen. Wir alle sind natürlich bereit ihnen zu helfen und entgegen zu kommen, doch sollten sie uns auch entgegen kommen und uns zeigen, dass sie es auch wollen.“ Ich schaute zum Fenster und sagte: „Herr Brandt, ich war die letzten Wochen nicht in der Schule wegen Leos Tod, aber ich weiß nicht ob ich jemals wieder regelmäßig kommen werde. Es ist einfach so, dass ich auch wenn ich in der Klasse sitze und die mich nicht alle ignorieren würden, ich so oder so nichts mitbekommen würde. Kann sein, dass ich was gerade im Unterricht läuft und was wir in der MSA-Prüfung haben werden, ich schon kann, aber sie meinten doch selber, dass ich für die Zulassung regelmäßig da sein muss und das bekomme ich nicht hin. Sie kennen meinen Vater und sie wissen auch, dass ich wegen ihm nur so gut in der Schule bin, doch kann ich nach all den Ereignissen nicht einfach weiter machen und so tun als wäre nichts gewesen.“ Er schüttelte den Kopf und sagte ruhig: „Sie sollen auch gar nicht weitermachen, als wäre nichts gewesen, sondern damit leben und gleichzeitig sich eine Zukunft aufbauen.“ Ich wollte gerade aufstehen und gehen, als er noch hinzufügte: „Ihre Mutter hat mich heute Morgen angerufen und gesagt, dass sollten sie wieder in die Schule kommen ich ihnen sagen soll, dass sie einen Termin bei einer Psychologin haben, namens Dr. Mieling.“ Ich schüttelte amüsiert den Kopf und sagte bevor ich ging: „Meine Mutter kann vieles tun, doch ich werde ganz bestimmt nicht zu einem Therapeuten gehen. Ich werde nun wieder zum Unterricht gehen, Herr Brandt. Auf Wiedersehen.“ Ich ging Richtung Klassenraum und sah auf einmal wie Danny gegen die Wand gelehnt dastand und mich anlächelte. Als ich kurz vor ihm war, stieß er sich von der Wand ab und sagte: „Hab dir doch gesagt, dass du es überleben wirst.“ Ich zuckte mit den Schultern und wollte an ihm vorbei in die Klasse, als er meinen Arm packte und fragte: „Sag mal, was ist eigentlich los mit dir?“ Ich schaute ihm nun ins Gesicht und entdeckte nichts außer Neugier und eine Spur von Sorge. Ich runzelte die Stirn und sagte: „Seit wann interessiert es dich was mit mir los ist?“ Er nahm seine Hand von meinem Arm und lehnte sich mit der Seite an die Wand und sagte etwas nachdenklich: „Es hat sich einiges geändert in der Klasse, Selina. Ich wollte dir noch sagen, dass es mir mit Leo Leid tut. Ich kann deine Abwesenheit nur zu gut verstehen, aber du so..“ „Könnten sie Beide mir bitte erklären warum sie hier draußen stehen und nicht am Unterricht teilnehmen?“, erklang plötzlich die Stimme von Frau Blau neben mir. Ich erschrak etwas und trat mit einem letzten Blick zu Danny ins Klassenzimmer. Es war wie damals als er in unsere Klasse kam. Er war total nett und freundlich. Nun setzte er sich neben mich und schob mir einen Zettel zu, nachdem er etwas drauf geschrieben hatte. Ich runzelte leicht die Stirn, als ich las was drauf stand: Lass uns in der Pause mal reden! Ich schaute ihn an und ich konnte seine Mimik nicht erkennen, weil er schon zur Tafel sah. Wie immer verging der Unterricht ohne, dass ich etwas mitbekam, doch hatte ich mich dieses Mal angestrengt etwas zu tun. Ich wusste nicht wieso, doch ich hatte diesen Drang danach etwas machen zu müssen. Als es dann zur Pause klingelte, stupste Danny mich mit der Hand leicht an und nickte Richtung Flur. Ich nickte und folgte ihm. Im Flur suchte er uns eine abgelegene Ecke und setzte sich hin. Ich setzte mich neben ihm, sodass ich ihn ansehen konnte. Er schaute mich durchdringend an und sagte nach einer Weile leise: „Du darfst dich nicht aufgeben Selina!“ Ich schaute ihn verwirrt an und sagte während ich wegsah: „Ich gebe mich nicht auf. Ich ändere nur mein Leben!“






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