Neumond - Teil 6

Autor: Eisfeuer
veröffentlicht am: 25.11.2011


Mit einer schnellen Bewegung kniete ich wieder auf menschlichen Füßen neben ihm im Schnee.
„Marek!“ Ich tätschelte klischeehaft seine Backe. „Wach auf!“
„Lass ihn liegen. Er ist schwach.“ Die raue Stimme ließ mich aufblicken. Der verwandelte Wolf zog verächtlich die Augenbrauen hoch. In seinem Rücken verwandelten sich auch die anderen Wölfe in Menschen. Jetzt saß ich da also im Schnee, Marek bewusstlos zu meinen Füßen, umringt von sechs nackten, muskulösen Männern. Ich schluckte. Na ja, immerhin konnte es jetzt nur besser werden.
„Ich werde ihn ganz sicher nicht hier erfrieren lassen!“, machte ich meinen Standpunkt klar. Anscheinend schien der, mit dem ich gekämpft hatte das Sagen zu haben: „Wir haben jetzt keine Zeit für Spielchen. Lass ihn liegen oder trag ihn selbst zum Unterschlupf.“
„Wie wär‘s wenn ihr verschwindet und ich mich selbst um mein Leben kümmere!“, fauchte ich verwirrt zurück. Mit einer lässigen Armbewegung überging er mich und schien den Anderen irgendwas zu befehlen. Zwei von ihnen kamen auf mich und Marek zu. Schützend stellte ich mich vor Mareks bewusstlosen Körper und ging leicht in die Knie um einen besseren Stand zu haben. Sie grinsten nur höhnisch und der Linke warf mich einfach über seine Schulter. Mir blieb kurz die Luft weg und ich sah wie der Andere sich Marek unter den Arm klemmte als wäre er eine alte Jacke. Schaukelnd setzte sich der warme Körper unter mir in Bewegung und mir wurde viel zu schlecht um mich aufzuregen. Ich sah nur die Fußspuren meines Trägers im Pulverschnee und schloss die Augen. Schnell öffnete ich sie wieder als eine neue Welle der Übelkeit mich überrollte. Der Weg kam mir endlos vor und paradoxerweise war ich dankbar über die warme Hand auf meinem Oberschenkel. Sie kam mir tröstend vor und sie bewahrte mich davor kopfüber auf den Boden zu stürzen. Die knochige Schulter allerdings, die sich in meinen Bauch bohrte, verfluchte ich die ganze Zeit. Mein Magen krampfte sich zusammen und ich presste meine Kiefer fest aufeinander. Die Verwirrung und Angst in meinem Kopf war natürlich auch nicht gerade hilfreich dabei, mich zu beruhigen. Und dann endlich, verlangsamte sich der Marsch. Die ganze Zeit über waren das einzige Geräusch mein rebellierender Magen und mein angestrengter Atem gewesen, doch jetzt hallten Schritte laut wieder. Das Licht verschwand kurz vollständig, dann war die ganze Umgebung in den warmen, gedämpften Schein eines Feuers gehüllt. Mein Kidnapper ließ mich zu Boden gleiten, doch meine Beine waren zu schwach und knickten ein. Ich sackte unsanft auf meinen Hintern und wartete darauf dass die Übelkeit nachließ. Gleichzeitig nahm ich die gemütliche Höhle genau in Augenschein. Sie war sehr groß und durch Felsenwände in mehrere Abschnitte eingeteilt. Die Luft war durch das Feuer deutlich wärmer als draußen und erst jetzt merkte ich wie eingefroren meine Gliedmaßen waren. Der feste Felsboden war durch herumliegende Felle und Decken weich abgepolstert. Da schoss mir Marek in den Sinn. Ich blickte mich hektisch um und war wieder beruhigt als ich ihn scheinbar friedlich schlafend in einer Ecke liegen sah. Selbst in meiner menschlichen Gestalt hörte ich ihn regelmäßig atmen und auch sein Herz schlug ruhig und nicht zu langsam. Die fremden Männer waren natürlich unmöglich zu übersehen und als ich bemerkte wie einige Blicke mich sehr interessiert musterten erstarrte ich. „Umdrehen! Sofort!“, meine Stimme war zu hoch, doch angesichts der Situation eindeutig angemessen. Sie schauten fragend zu dem Mann in ihrer Mitte. Der Wolf gegen den ich so kläglich verloren hatte. Er nickte und sie befolgten meinen Wunsch, doch er selbst machte keine Anstalten sich zu bewegen. Er ließ seinen Blick noch einmal genüsslich über meinen Körper wandern und ich bedeckte hastig meine Blöße mit einem der Felle. Natürlich hatten sie alle schon Hosen aufgetrieben. „Dreh dich sofort um“, zischte ich, „oder du verlierst dein Augenlicht!“
„Oh, ich bezweifle dass du so unansehnlich bist dass ich erblinde.“ Er grinste anzüglich, warf mir aber ein Hemd und eine Hose zu. Natürlich waren sie wieder zu groß. Irgendwie schien es heute mein Schicksal zu sein nackt bei Fremden um eine Hose betteln zu müssen. Die anderen Klone, so hatte ich den Rest des Rudels gedanklich genannt da sie alle gleich auszusehen schienen, hatten sich inzwischen in andere Teile der Höhle verdrückt. Nachdem ich endlich vollständig bekleidet war schaute ich meinen Hauptentführer fragend an: „Was soll ich hier? Was habt ihr vor?“
„Wie wär’s wenn ich mich erst mal vorstelle? Ich heiße István. Momentan bin ich der Alpha des Rudels. Die Anderen wirst du nachher kennen lernen. Keine Angst, wir wollen dir nichts tun. Aber dazu kommen wir später.“
Mein Misstrauen war noch nicht vollständig verschwunden, aber merkwürdigerweise beruhigten mich seine Worte ein wenig. Ich hatte das Gefühl angekommen zu sein und auch meine innere Stimme meldete sich nicht zu Wort. Da drang ein ersticktes Husten an meine Ohren.
„Marek!“, ich eilte zu seiner Seite und sah gerade noch aus dem Augenwinkel wie István genervt die Augen verdrehte. Marek öffnete seine Augen und setzte sich auf. Er griff sich mit schmerzverzerrter Miene an den Kopf und stöhnte: „Was ist passiert? Wo sind wir hier?“. Sein Blick fiel auf István und seine Pupillen weiteten sich schlagartig als seine Erinnerung zurückkehrte. Ich wollte ihm beruhigend meine Hand auf den Arm legen, doch er wich erschrocken vor mir zurück: „Bleib bloß weg von mir! Du bist genauso schlimm wie er! Sogar noch schlimmer. Ich habe mich dir anvertraut, obwohl ich dich kaum kannte. Das war ein Fehler!“. Ich war entsetzt und zutiefst verletzt. Ich hatte sein Leben mit meinem beschützt, war ein enormes Risiko eingegangen indem ich mich ihm vollständig gezeigt hatte und er beschimpfte mich jetzt?!
„Ohne mich wärst du jetzt tot!“, rief ich ihm ins Gedächtnis.
„Du dreckige...“, er verstummte verängstigt als ein tiefes Knurren aus Istváns Brust drang. Wie ein Rachegott sah er aus mit Funken sprühendem Blick, zuckenden Muskeln und einem wilden Gesichtsausdruck.
„Ich glaube du hast jetzt genug geredet.“, schnitt er Marek das Wort ab. Obwohl er mich nur verteidigte wurde selbst mir mulmig, doch Marek wurde völlig bleich und schaute hilfesuchend um sich. Doch leider war dort keine Hilfe zu entdecken, ganz im Gegenteil. Die Klone schienen die angespannte Atmosphäre ebenfalls bemerkt zu haben und scharten sich um István. Als der bemerkte wie sehr er Marek eingeschüchtert hatte, atmete er tief durch und ließ seine Schultern kreisen. Dann entspannte er sich sichtlich und schien wieder zur normalen Tagesordnung überzugehen.
„Wie wär’s wenn ich dir den Rest von uns vorstelle, wenn schon mal alle da sind.“
Ein wenig verwirrt von dem plötzlichen Stimmungswechsel nickte ich und besah mir die Anderen jetzt genauer. Im Gegensatz zu meinem ersten Eindruck sahen sie nicht identisch aus, sondern eher wie Brüder. Auch István ähnelte ihnen sehr. Sie waren alle sehr groß, mit gewölbten Muskeln und dichten schwarzen Haaren. Doch ihre Augenfarben waren unterschiedlich und auch ihre Gesichtsformen und Bewegungen ließen erahnen wie verschieden sie tatsächlich waren. Momentan jedoch hatten sie alle neutrale, kühle Mienen aufgesetzt die keinen Zweifel daran ließen dass ich unerwünscht war. Nur István bewegte sich ungezwungen und locker zwischen ihnen hin und her.
„Ich fang am Besten der Reihenfolge nach an. Das ist Pál, das hier Espen, der nächste Tjuri. Dann kommen Jaki und Béla.“

Das war jetzt ein wenig länger und hört auch an einer total unspannenden Stelle auf :)
Ich hoffe es gefällt euch!






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