Neuer Anfang - Teil 2

Autor: Oceangirl
veröffentlicht am: 16.09.2011


Da saß ich nun, auf dem Deckel eines Toilette. Ein bekannter Fluchtort in den Pausen. Meine Wangen waren verdächtigt nass, ich hasste mein Leben. Ich hasste die Schulen. Vor allem hasste ich die Menschen. Ich verstand nicht, warum man mich ärgern musste. Nur weil ich anders war? Energisch wischte ich mir die salzige Tränen weg. Sie sollten nicht merken, wie sehr es mich getroffen hatte. Draußen hörte ich ein Klingeln, dann viele Schritte. Seufzend verließ ich die Toilette, es konnte ja nicht schlimmer werden. Leider irrte ich mich. In der nächste Unterricht mussten wir eine Gruppenaufgabe lösen. Mein Magen zog sich extrem zusammen. Alle fanden sich, nur ich stand etwas verloren im Raum. „Wo willst du hin?“, fragte mich Frau Friesta lächelnd. Ich zuckte mit dem Schultern. „Sie kann zu uns kommen“, meldete sich die dunkle Schönheit. „Schön, dann geh mal zu Mandy“, freute sich die Lehrerin. Das war überhaupt nicht schön. Fies grinste mich Mandy an: „So, du machst die Arbeit. Ich muss mit meine Freunde über die Party am Wochenende reden!“ Frau Friesta hatte die Klasse verlassen, weil sie was zu erledigen hatte. „Das ist nicht gerecht“, sagte ich mutig. „Kröte, du machst die Arbeit oder du kannst was erleben!“, zischte Mandy. Stumm folgte ich ihren Befehl. Es war nicht die erste Drohung und es würde auch nicht die Letzte sein. Mandy quatschte gemütlich mit ihre Mädels. Ich fand die Welt ungerecht. Plötzlich kam Kai zu mir: „Hey, ist alles in Ordnung mit dir?“ „Ja“, flüsterte ich. „Wirklich?“, ernst sah er mich an. Ich bemerkte Mandy's Blick, hastig nickte ich wieder. „Okay“, lächelte Kai und ging zurück. Mein Blick folgte dem schlanken Jungen. Ich war froh, als die Schule zu Ende ging. „Na wie war's?“, fragte mich mein Vater am Esstisch. Ich zwang mich zu einem Lächeln: „Gut!“ Ich musste lügen, denn meine Mutter hatte mir geschworen, wenn diesmal nicht klappen sollte, dann würde ich auf einem Internat gehen müssen. Das wollte ich auf gar keinen Fall. „Das freut mich, habe mir echt Sorgen gemacht“, grunzte Vater zufrieden. Später kam mein großer Bruder dazu: „Na Sunny!“ Das war mein Spitzname, den hatte er mir gegeben. „Hey Jo“, grüßte ich Jonas lächelnd. Danach machte ich nichts Besonderes. Hausaufgaben und im Zimmer gammeln. Ich hatte keine Freunde. Bisher hatten meine ehemalige „Freunde“ mich nur ausgenutzt und zum Schluss verarscht. Ich drehte auf volle Lautstärke die Musik an, es lief die CD von the Rasmus. Ich sah mich in einem Spiegel an. Ich hasste das Gesicht. Es war rundlich und blass. Außerdem befanden sich unter den glanzlosen Augen dunkle Augenringe. Die Sommersprossen verzierten meine Wangen ein wenig und die Nase, trotzdem waren sie zu erkennen. Meine langweilige braune Haaren waren zu einem strengen Knoten gebunden. Ich betrachtete meine verachtende Nase. Wegen ihr musste ich leiden. Eine Nasenflügel war kleiner, während die andere größer war. Es sah deutlich schief aus und unter der Nase war bis zur blassrote Lippen eine sichtbare Narbe zu erkennen. Nasenoberlippenspalte nannte man das in der Medizin-sprache. Es gab auch ein anderes Wort dafür, Hasenscharte. Aber er galt für beleidigend und klang auch demütigend. Heutzutage schauten sehr viele Menschen nach dem Aussehen, ihnen waren die innere Werte nicht wichtig. Hauptsache man sah gut aus. Wer gut aussah, hatte dann Glück in der Gesellschaft. Meine Augen waren verdächtigt feucht. Ich konnte doch nicht dafür, dass ich bescheuert aussah. Deprimierend wendete ich den Blick von meinem Spiegelbild.
Am nächsten Tag schrillte mein Wecker, stöhnend brachte ich ihn zum Schweigen. Ich fühlte mich elend schwach. Ich hatte keinen Bock. Aber ich musste. In der Klasse bemerkte ich ein weiteres Mädchen, ich hatte sie gestern nicht gesehen. Sie saß ebenfalls alleine. Ihr Kopf hob sich als sie mich entdeckte, ein nettes Lächeln huschte über ihre Lippen: „Du bist neu hier, oder? War gestern krank, deshalb konnten wir uns noch nicht kennenlernen!“ Ihre grüne Augen leuchteten: Bin übrigens Eri, eigentlich heiße ich Erika.“ „Ich bin Lotta, aber mein Spitzname ist Sunny“, antwortete ich schüchtern. „Cool, willst du zu mir setzen? Dann musst du nicht alleine sein!“, sie zeigte den freien Platz neben sich. Ich freute mich ehrlich und ließ dies nicht zweimal sagen. Erika hatte ein ungewöhnliches Aussehen. Ihre kurze Haaren waren braun, nur der Pony war lila. Sie trug ein schwarzes Shirt und an ihrem linken Handgelenk baumelte viele Lederarmbände. Außerdem hatte sie eine grün-schwarzkarierte Hose an, am Knien sah es bereits gerissen aus. An ihre Füße hafteten modische schwarze Chuck's, jedoch waren die weiße Fußspitzen mit irgendwelche Motiven vollgekritzelt. „Warum hast du gewechselt? Ist ja mitten im Schuljahr“, sie war neugierig. „Naja...es gab Probleme auf der alte Schule“, ich fühlte mich unwohl bei diesem Thema. „Achso“, nachdenklich kaute sie auf ihre Lippen, ich erkannte dass sie einen Lippenpiercing hatte, es war silbern und ringförmig. „Tut das weh?“, ich deutete auf dem Piercing. „Ne, hab auch noch in der Zunge ein, aber ein schwarzlila Kugel und in meine linken Ohren hab ich drei und in der Rechte 1, sind alle Ringe. Überlege mir ob ich meinen Bauchnabel auch einen stechen lassen soll, aber ich weiß noch nicht so Recht. Willste auch mal nen Piercing haben?“, grinste Eri. „Meine Mutter würde mir das nicht erlauben“, sagte ich. „Jaja, die Mütter. Meine gefiel es auch nicht als ich mit der Lippenpiercing kam, aber dann war es ihr Schnuppe. Höre ja eh nicht auf sie“, lachte Eri. Langsam füllte sich der Klassenraum. „Na wen haben wir da, ein Freak und eine Kröte“, kam eine bekannte Stimme. „Hau ab Püppchen, nicht das du dir ne Augenkrankheit holst“ meinte Eri kühl zu Mandy. Mandy sah sie arrogant an: „Wo wars du gestern? Musstest dem Drogenrausch ausschlafen?“ „Ich bin ganz sauber, im Gegensatz zu dir spring ich nicht in jedem Bett herum um beliebt bei den Jungs zu sein“, konterte Eri. Mandy sah sie funkelnd an, aber als der Lehrer reinkam ging sie stolzierend zum Platz. „Dieses Mädl muss du nicht beachten, hat nichts im Kopf, nur die rosane Barbiewelt“, kicherte Eri leise. Ich konnte da nicht mitlachen. Soviel Selbstbewusstsein wie Eri hatte ich nicht. „Hey, hat sie dich gestern alle gemacht?“, als sie mein trauriges Gesicht merkte. Ich wurde rot: „Sie haben über mich lustig gemacht und mich schikaniert,aber das kenne ich schon.Das war auf die anderen Schulen auch so.“ Ernst schaute Eri mich an: „In meiner Anwesenheit wird dich niemand zu Flasche machen, sowas ist voll mies!“ „Erika und Lotta, bitte seid leise“, dröhnte die Stimme von Herr Mulde, unser Mathematiklehrer.
Plötzlich war es so als würde die Sonne durch die dunkle Wolken scheinen. Nicht mal Mathematik, mein Hassfach, konnte die aufsteigende gute Laune verderben. In der Pause brachte Eri mich zu eine Gruppe Leute, die ähnlich wie sie gekleidet waren. 2 waren sogar Punks. „Hey People, das ist die Neue, Sunny!“, stellte mich Eri vor. „Hallo“, grüßte ich leise. „Sunny, das sind Freddy und Bingo (die Punks), Seb, Jojo und Jazz !“, stellte Eri ihre Freunde vor. Ich vermutete, ihre Namen waren alle Spitznamen. Sie schienen alle freundlich zu sein und ließen mich an ihrem Gespräch teilnehmen. Ihre Blicke waren nicht verachtend, eher neugierig. Vor allem Bingo schien an mir interessiert zu sein, ich fühlte mich sehr geschmeichelt. Wir setzten uns unter einem Baum. „Was ist da eigentlich passiert?“, sanft stupste seine Zeigefinger auf die Nase. Ich wich ein wenig von ihm weg, da ich keine Berührungen von den Jungen mochte. Ich schaute in seine graue Augen, ich erkannte keine Boshaftigkeit oder Belustigung: „Das nennt man Nasenoberlippenspalte. Als ich Baby war, war zwischen den Nase und Lippen eine 2 Fingerbreite Lücke. In meinem 2. Lebensjahr hatten die Ärzte sie genäht und zurückblieb eine verkrüppelte Nase.“ „Sie ist nicht verkrüppelt, ich find sie niedlich“, lächelte Bingo. Seine Haaren waren grün und nach oben gestylt. Ich errötete mich, da ich nicht an Komplimente gewöhnt war. „Außerdem biste doch nen hübsches Mädl“, fügte Bingo grinsend zu, in seine linke Augenbrauen steckte einen kugelförmiger Piercing. Ich schüttelte lachend den Kopf: „Sag sowas nicht!“ „Wieso? Hab doch Recht. Bist süß und hast ne Bombenkörper, was willste mehr?“, an seine Unterlippe hing ebenfalls einen Piercing, der wie Eri's aussah. „Wie ist dein echter Name? Bestimmt nicht Bingo, oder?“, wechselte ich verlegen das Thema. „Ne, is nicht, bin in echt der Bill“, verriet er seinen wahren Namen. „Die Andern heißen Johanna, Jasmin, Frederick und Sebastian. Erika kennste ja. War ihr Idee mit den verrückten Spitznamen, sie meinte: Wenn wir schon als Freak's abgestempelt werden, dann brauchen wir auch freakigen Namen. Wie is dein echter Name?“, erzählte Bingo. „Lotta, aber mein Bruder gab mir den Namen Sunny, der von unseren Nachnamen Sommer kommt, weil ich ihn immer in seine Ohren voll gejault habe Lotta sei ein schrecklicher Name“, erklärte ich grinsend. „Lotta klingt doch cool“, erwiderte Bingo. Leider verging die Pause schnell, war ich heute morgen echt deprimiert gewesen? Lachend kamen Eri und ich in die Klasse rein. Ich spürte den Blick von Mandy: „Na wer kommt denn da? Freak und sein Haustier Kröte.“ Ihre Freundinnen kicherten. „Oh, hallo Barbie, danke für die nette Begrüßung!“, antwortete Eri. Sie zog mich zu unsere Plätze, eingeschüchtert nahm ich den Platz. Kröte. Kröte stand für ihre Hässlichkeit. „Lass dich nicht niedermachen!“, riet Eri mir. Das sagte sie so einfach. Nach der Schule auf dem Hof hörte ich jemanden meinen Namen rufen. Sein blondes Haar schimmerte noch heller in der Sonne: „Warte, ich wollte dich fragen, ob du Lust hast mit mir einen Eis zu essen?“ Überrascht sah ich Kai an: „Öhm, gerne.“ Meinte er es wirklich ernst? „Super, ich begleite dich jetzt ein Stück. Wollen wir um 15 Uhr am Brunnen in der Stadt treffen?“, sagte Kai lächelnd. Er hatte wirklich ein schönes Lächeln. „Abgemacht“, mein Herz machte viele Saltos hinter-einander. War es jetzt ein Date? Mein erstes Date? Was wollte ein gutaussehender Junge von mir?! Schweigend liefen wir nebeneinander, ich wohnte nur 15 Minuten entfernt. An einer Kreuzung blieb Kai stehen: „Ich muss rechts gehen, also bis naher!“ Ich stand lange noch auf der Stelle, obwohl Kai schon längst verschwunden war. Verwundert ging ich weiter. Ich träumte bestimmt nur. Sowas gab es doch nicht in der Realität. „Hallo, wie war es in der Schule?“, fragte mein Vater aus der Küche. „Ganz gut, habe Freunde gefunden“, antwortete ich fröhlich. Mandy's blöder Spruch war wie vergessen.





Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz