Ist es Liebe? - Teil 11

Autor: Sara
veröffentlicht am: 14.09.2011


Kriege und Folter hatten sein Gesicht und Körper gezeichnet. Ihm waren Wunden beigebracht worden, die selbst bei einem Vampir Jahrzehnte brauchten, um zu heilen. Der übermäßige Gebrauch von Silber hinterließ immer Spuren auf den Körpern der Vampire. Und das war noch nicht alles.

Er war alt. Wirklich, wirklich alt. Seine vampirische Gestalt war die eines Mannes von vor gut zehntausend Jahren, wenn nicht noch mehr. Er sah zwar für gewöhnlich aus wie ein Mann Mitte dreißig, allerdings nur in seinem menschlichen Zustand. Vampire passten sich mit der Zeit an ihre Opfer an; nicht nur äußerlich, sondern auch von der Denkweise her. Sein Hirn war heute viel leistungsstärker als zum Zeitpunkt seiner Geburt. Wahrscheinlich konnte er sich deshalb so schlecht an seine dunkelte Vergangenheit erinnern.

Vielleicht lag die Veränderung an dem Genuss von ihrem menschlichen Blut, ihrer DNA, die in die Vampire überging beim Trinken. Allerdings war dies nur eine mangelhafte Erklärung, denn er hatte sich nie an die Weiblichkeit angeglichen, obwohl er Frauen als Nahrungsquelle eindeutig bevorzugte. Aber hatte er bemerkt bei einem langen Aufenthalt in Asien oder Afrika, dass sich seine natürliche Hautfarbe veränderte und an seine Opfer anpasste. So war es auch mit seinem Gesicht geschehen. Die Partie seiner Stirn und seiner Augenbrauen war heute nur noch im Zustand der Blutlust oder von starken negativen Emotionen vorgewölbt und ließ ihn wie einen Höhlenmenschen wirken.

Allerdings sah Grace gerade seine schöne Seite; die angepasste, menschliche Fassade seines Selbst. Und sie schien nicht unbedingt vor spontaner Lust zu zerschmelzen.

Enttäuschung und Wut, so umfassend, dass sie sich sogar auf seinem Gesicht widerspiegelte und es verformte, krampfte seinen Magen zusammen. Na und? Dann war er eben kein geschniegelter Schönling, sondern eher ein roher Klotz von Mann. Was hatte sie denn auch erwartet? Er hatte ihr doch erzählt, was für eine Art Mann er war. Er war ein Krieger. Ein Kämpfer. Dafür hatte er sein ganzes Leben gelebt, bis man keine Kämpfer und Krieger mehr brauchte, sondern Strategen und Genies. Er hatte sich zurückgezogen und war zum Einzelgänger verkommen ohne etwas daran ändern zu können.

Seit wann gab er so viel auf die Meinung einer einzelnen Frau? Einer menschlichen Frau? Wen interessierte schon, dass sie ihn nicht schön fand? Was hätte sie denn davon, wenn er schön wäre? Dann wäre sie immer noch in diesem verdammten Loch von Drecksbunker gefangen!

Ihre Finger glitten sanft über seinen Hals und hoben sich dann zu seinen Augenbrauen, die sich von seiner Wut verformt hatten. Er wusste, dass er gerade einem Affen ähnlicher sah als einem Menschen und trotzdem konnte er seine ohnmächtige Wut nicht zügeln. Er wollte so sehr, dass Grace ihn ebenfalls so begehrte wie er sie. Nicht nur sein Innerstes, sondern auf einer sehr oberflächlichen Art und Weise wollte er auch für sein Aussehen geschätzt werden. Er wollte sich gerade aus ihrem sanften Griff befreien, als sie ihn plötzlich anlächelte.

„Du siehst gefährlich aus", murmelte sie. Dann huschte ein kurzes Grinsen über ihr Gesicht. „Das finde ich scharf."

Überrascht hoben sich seine Augenbrauen und seine Wut verfiel ins Nichts. Sie fand ihn... scharf? Ernsthaft? Er grinste. Das klang doch schon ganz anders. „Scharf?"

„Hm-Mhm", machte sie zustimmend. „Sexy. Du weißt schon... Der grimmige Beschützertyp, der sich immer um sein Weibchen sorgt. Wie bei den Rittergeschichten."

Er hatte sich weder als Beschützer noch als Ritter noch sie als Weibchen gesehen, aber das „sexy" gefiel ihm. Sogar sehr. Besonders, weil sie ihn nun nicht nur in seiner möglichst angenehmen und menschlichen Form gesehen hatte. Sie hatte auch ein paar seiner archaischen Züge gesehen und war trotzdem noch... begeistert. „Wie geht es dir?"

Sie streckte sich ohne sich von ihm zu entfernen. „Ganz gut." Sie blinzelte langsam. „Nur müde."

„Hungrig? Durstig? Musst du auf die Toilette?" Er hätte selbst gelächelt, wäre ihm sein Überschwang aufgefallen.

„Ja", meinte sie. „Alles. Und duschen." Sie schlang die dünne Decke um sich und setzte sich auf, während sie an der Kanüle in ihrem Arm zog, die ihre Körper mit Flüssigkeit, Nährstoffen und Blutplasma versorgt hatte.

Er richtete sich langsam auf und half ihr ebenfalls beim Aufstehen. Ihre Beine sackten ein paar Mal unter ihr ein, doch nach ein paar Schritten hatte sich ihr Gleichgewichtssinn wieder eingependelt. Er stütze sie bis ins Bad und entschuldigte sich dann, um ihr etwas zu Essen zu beim Roomservice zu bestellen. Sie hatte bei ihren Essenswünschen so ziemlich nichts ausgelassen, doch Alec ließ nur kleinere Portionen bringen. Dann ging er zur Minibar, schob die Flaschen und Erdnusstütchen beiseite und nahm einen Blutbeutel raus. Sein Gesicht verwandelte sich nicht, als er seine Zähne ausfuhr und in den eiskalten Beutel biss. Nur im Blutrausch oder bei einem Wutanfall konnte man sein wahres Gesicht wirklich sehen; ansonsten war er durchaus in der Lage dieses Gesicht zu verbergen. Im Hotelzimmer gab es keine Mikrowelle, also nahm er damit vorlieb, was er hatte, und trank das gestohlene Krankenhausblut wie in den letzten Tagen immer kalt aus dem Beutel. Im Badezimmer rauschte plötzlich das Wasser und er lächelte. Sie war wach. Und sie erinnerte sich noch an alles! Er konnte nicht sagen, wie unglaublich ihn das erleichterte.

Es dauerte eine ganze Weile, bevor die Dusche wieder ausging. Grace kam gerade aus dem Badezimmer, als er dem Portier ein paar Visitenkarten zusteckte, die dieser für Geldscheine hielt. Sie beobachtete das; sie sah auch die leicht glasigen Augen des Mannes und wie sehr sich Alec auf ihn konzentrierte. Deshalb hob sie eine Augenbraue und schüttelte enttäuscht den Kopf, nachdem sie seinen Blick eingefangen hatte. Der Servicemann des Hotels verschwand grinsend und machte keinen Hehl aus seiner Freude, als er die Visitenkarten zählte.

„Der arme Mann", murmelte Grace und steckte ihr Handtuch über der Brust fest, sodass es wie ein Sarong an ihrer schmalen Gestalt hing. Sie griff nach dem Turban, das ihr Haar bedeckte und entzwirbelte es. „Was glaubt er, hat er als Trinkgeld bekommen?"

Alec lächelte unbehaglich. „Ich musste das tun. Wir haben kein Geld, Grace."

„Ach, echt?" Sie rollte mit den Augen. „Wenn wir kein Geld haben, sollten wir vielleicht nicht in dem teuersten Hotel der Stadt wohnen. Und auch noch dem Portier vorgaukeln, dass wir ihn gerade reich gemacht haben."

Er grinste versteckt, während er das Essenswägelchen in den Raum schob. Es war unglaublich, dass sie sich immer noch in erster Linie um ihre Mitmenschen sorgte.

„Ein mittelklasse Zimmer hätte vollkommen gereicht", fuhr sie fort und sah sich um. „Außerdem ist es nicht richtig, was du gerade getan hast. Der arme Mann wird sich vollkommen lächerlich machen, wenn er versucht mit den Karten zu bezahlen."

„Der Zauber hält nur ein paar Stunden."

Das schien für sie keinen Unterschied zu machen. Sie rollte wieder mit den Augen. „Und was ist, wenn er gerade seinen Banker anruft und seinen Job kündigt?"

Alec seufzte. Sein Amüsement für ihre Ritterlichkeit schwand langsam. „Er glaubt, er habe zweihundert Dollar bekommen. Er wird kaum seinen Job hinschmeißen."

Sie warf ihm einen scharfen Blick zu, bevor sie mit nackten Füßen durch den Raum ging und sich vorsichtig setzte. Kurz schloss sie ihre Augen und ihm wurde plötzlich wieder bewusst, wie schwach sie eigentlich war. Es war erstaunlich, wie schnell man das vergaß, wenn man wieder ihre kräftige, resolute Stimme hörte und ihren eisenharten Moralvorstellungen lauschte. Sie wirkte dann plötzlich wie ein kleiner Riese. Obwohl sie ihm wohl kaum bis zur Brust reichte.

„Das ist nicht nett", fuhr sie schließlich fort und frottierte ihr Haar. „Hast du seinen Namen behalten? Dann kann ich ihm zumindest ein bisschen Geld per Post schicken, wenn ich wieder daheim bin."

Er erstarrte. „Daheim?" Sie wollte ihn... verlassen? Sein Herz hätte ausgesetzt, wäre es noch in der Lage zu schlagen. Stattdessen fühlte er kaltes Entsetzen. Wie konnte sie so kurz nach ihrem Erwachen schon über eine Trennung nachdenken! Vollkommen unabhängig davon, dass es verdammt noch mal nicht ging. Er würde es gar nicht erst zulassen. Er konnte es gar nicht. Diese Erkenntnis setzte ihm noch mehr zu, als er ohnehin niemals vor sich selbst eingestanden hätte. „Du kannst nicht gehen", erklärte er mit einer neuen Schärfe in der Stimme.

Sie hob kurz das Handtuch von ihrem Gesicht und warf ihm einen gereizten Blick zu. „Afrika wartet auf mich, Alec. Und ich muss noch jede Menge Dinge klären. Die Polizei sucht wahrscheinlich nach mir und mein Pass ist weg. Ich muss Kreditkarten sperren und neue beantragen und..."

„Du kannst nicht zurück", überbrach er sie grob. Er griff nach dem Essenswagen und schob ihn zu ihr, bevor er sich neben sie setzte. „Es sprechen ungefähr einhundert Gründe dagegen."

Sie schwieg einen Moment und griff nach einem Teller, nachdem sie den Glockendeckel abgenommen hatte. Einatmend begann sie zu lächeln und die Gereiztheit fiel einfach von ihr ab. Vorsichtig platzierte sie den Teller auf ihren schmalen, anbetungswürdigen Knien, die unter dem Handtuch hervorblitzen.

Abgelenkt von dem Anblick griff er selbst nach einem Becher auf dem Wagen und nahm sich einen Kakao. Mit dem Finger schaufelte er sich etwas Sahne in den Mund und sah ihr zu, wie sie ohne Besteck begann glasierte Karotten zu essen.

„Den Vampiren wird bestimmt nicht auffallen, wenn ich wieder da bin. Ich glaube nicht, dass Morgana meine Personalien aufgenommen hat. Sie hielt mich sogar für eine Tochter von den Fosters." Sie ließ die hübschen, grünen Blätterreste von den Möhrchen sinken und nahm sich noch eine Karotte. Den hauchfeinen Serranoschinken pulte sie beim Kauen von den sattgrünen Brechbohnen und fuhr dann fort. „In Afrika werden laufend Ärzte gebraucht. Ich habe lange gearbeitet, um mir diese Auszeit leisten zu können. Ich habe genug Geld, um nicht nur umsonst operieren zu können, sondern ich will dort ein Krankenhaus bauen. Das kann ich nicht einfach sein lassen, weil irgendwelche Dämonen ernannt werden wollen. Ich werde dort gebraucht, Alec."

Er sah ihr eine Weile zu, wie sie das buttrige Gemüse verschlang und dann nach einer Lasagne griff. Mit einer Gabel stieß sie in den saftigen Nudelauflauf und aß langsam. Sie schlang nicht, obwohl sie vor Hunger fast durchdrehen musste, doch ihre vernünftige Ärztinnenseite schien hier die Oberhand zu behalten. Abwesend trank er den Kakao und stibitze ihr dabei den Schinken vom sonst leeren Teller. Dann atmete er tief ein. Er wollte ihre Träume nicht zerstören. Nicht jetzt. Nicht sofort. Sie wirkte so zufrieden bei dem Gedanken endlich den ärmsten der Armen helfen zu können, dass er es einfach nicht übers Herz brachte, ihr zu sagen, dass die Polizei auf keinen Fall erfreut über ihr Auftauchen sein würde. Wie sollte sie denn auch ihr tagelanges Verschwinden erklären und ihr plötzliches Auftauchen an der Grenze zu Kanada? Das würde nur unangenehme Fragen auslösen, die besser nicht gestellt werden sollten.

Also fragte er einfach etwas anderes: „Wie alt bist du?" Sie sah aus wie ein Schulmädchen. Kaum älter als maximal zwanzig. Kein Wunder, dass Morgana sie für eine Tochter der Fosters gehalten hatte. Wie kam es dann, dass sie ein Medizinstudium hinter sich gebracht und lang genug gearbeitet hatte, um in Afrika ein Krankenhaus zu gründen?

„Älter", antwortete sie kryptisch. „Ich weiß, dass ich jung aussehe. Mein Arzt sagte, dass es an einer Stoffwechselerkrankung liegt. Deshalb brauche ich auch bald meinen Pass. Ich hasse es beim Alkoholeinkauf nach dem Ausweis gefragt zu werden... Hast du gerade meinen Kakao ausgetrunken?"

Schuldbewusst ließ er die Tasse sinken. „Nein." Trotzdem starrte er sie weiterhin an. Eine Stoffwechselerkrankung konnte mit Sicherheit nicht für so einen massiven Unterschied in ihrem Aussehen sorgen. Er hatte schon Kinder gesehen, die älter als sie aussahen. Der Verdacht, dass sie doch etwas anderes sein könnte als ein Mensch, wuchs weiter in ihm. Allerdings fand er einfach keine wirklichen Beweise. Von diesem unglaublich jungen Aussehen mal abgesehen. Und den Träumen. Und dieser Barriere in ihrem Kopf.

Sie sah ihn einen Moment an und schüttelte dann grinsend den Kopf. „Ich dachte, Vampire können nur... Blut trinken."

„Nicht nur", murmelte er leise und ließ das Thema über ihr Alter fallen. Offensichtlich störte sie alles, was als anders an ihr betrachtet werden könnte, denn sie wechselte immer schnell das Thema, wenn es darum ging. „Wir haben noch die meisten Organe der Menschen, allerdings ein bisschen modifiziert. Wir sind wie ihr in der Lage normale Nahrung aufzunehmen. Vielleicht aus Tarnung für die Menschen. Nur... das meiste schmeckt uns nicht. Besonders, wenn keine tierischen Fette drin sind."

Sie warf einen kurzen Blick auf die Tasse, die er versuchte zu verstecken. „Kakao ist also in Ordnung?"

„Unter anderem", gab er zurück und grinste dann schamlos.

„Kaffee?"

Er schüttelte langsam den Kopf. „Außer es ist ein Milchkaffee schmeckt der für mich wie kalkiges Wasser."

„Wunderbar", entgegnete sie und griff nach der dampfenden Tasse Kaffee. „Wenigstens eine Sache, die du mir nicht klauen wirst."

„Soll ich dir einen neuen Kakao bestellen?", fragte er schuldbewusst. Es war wahrscheinlich nicht allzu nett, einem halbverhungerten Menschen die Nahrung wegzuessen. Und zu trinken.

Sie zog nachdenklich eine kleine Schnute, bevor sie den Kopf schüttelte. „Du würdest ihn nur wieder klauen."

Das wollte er nicht rundheraus abstreiten. Er mochte Kakao und es war irgendwie noch leckerer, wenn er ihn ihr wegtrank. Das sprach wohl nicht gerade für seinen Charakter. „Möglich." Er sah zu, wie sie den leeren Teller mit der Lasagne von sich schob und langsam ihren Kaffee trank. „Du solltest deine Medikamente nehmen", schlug er vor und streifte kurz mit den Lippen ihre Schläfe, bevor er aus dem Raum ging und mit einer bunten Anzahl von Pillen zurückkam. Dieser hauchzarte Kuss war für ihn so selbstverständlich gewesen, dass ihm erst auffiel, wie seltsam das auf sie wirken musste, als er ihr wieder in die himmelblauen Augen sah. Doch sie ließ sich nichts anmerken, ob es ihr gefallen hatte. Auch für sie war es wohl selbstverständlich.

Sie nahm zwei Pillen, trank einen Schluck Kaffee und nahm noch zwei. Dann pausierte sie und verzog das Gesicht. „Widerlich. Kein Wunder, dass sich meine Patienten immer sträuben." Sie seufzte leise und nahm die restlichen in die Hand. Langsam rollte sie die Pillen zwischen den Fingern und rang mit sich, bevor sie begann zu sprechen. „Ich habe geträumt."

Das wusste er bereits; schließlich hatte er mehrfach gesehen und gefühlt, wie sich ihr Körper verkrampfte. Doch es freute ihn, dass sie sich ihm anvertraute. „Was hast du geträumt?"

Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und nahm dann eine Pille zwischen die Lippen. „Von einem Unternehmenschef in New York. Er hat viele Gelder unterschlagen." Sie schluckte kurz. „Einer seiner Angestellten wurde wegen des Defizits in der Bilanz gefeuert und hat sich erhängt."

Alec runzelte die Stirn. Der Boss glaubte mit Sicherheit, er sei unschuldig, schließlich hatte er niemals auch nur die Hand gegen einen Menschen erhoben. Doch heute brauchte man keine Waffen mehr, um einen Menschen umzubringen. Das Leben war eine einfache Kausalkette. „Und noch?" Sie hatte sich mehr als einmal angespannt im Schlaf. Also hatte sie auch mehr als das geträumt.

Sie warf die letzten Pillen ein und spülte sie mit Kaffee runter. Kein Wunder, dass es ihr nicht schmeckte. „Damon bekommt Besuch von der Königin Europas und er hat sich mit einem Werwolf zusammengeschlossen." Sie zögerte kurz. „Dieser Werwolf ist ein ziemlich arroganter Drecksack, der vollkommen zerfressen von Hass und Wut ist."

Alec starrte sie an und fühlte, wie sich eine eisige Hand in seinen Nacken legte. An seinem ganzen Körper stellten sich die Haare auf. „Werwölfe? Oder nur ein Werwolf?" Mit einem würde er schon klarkommen, allerdings waren Werwölfe gegen seine Kräfte immun. Er konnte sie ebenso wenig wie Grace beeinflussen und müsste gegen jeden einzelnen kämpfen. Und diese Riesenhunde waren zäh. Wirklich, wirklich zäh. Verdammt!

„Er ist wohl der neue Alphawolf." Sie zuckte mit den Schultern. „Allerdings ist ihm das ziemlich egal. Am liebsten würde er die Hälfte von seinen Gefolgsleuten einfach umbringen."

Alec runzelte die Stirn. „Warum?", fragte er ruhig, während seine Gedanken wild durch seinen Kopf stoben. Gegen ein ganzes Rudel hatte er überhaupt keine Chance. Nicht den Hauch einer Chance. Zumindest nicht allein. Wenn dann auch noch die Vampire dazukamen, hatte er bei einem Krieg nicht die geringste Überlebenschance. Für einen Moment war er dankbar für Grace' Träume, bevor er sich wieder daran erinnerte, wie viel Leid ihr diese Träume brachten. Hätte Grace allerdings nicht von den Werwölfen geträumt, wäre er in seinen sicheren Tod gerannt bei seinem Rachewunsch. Er musste nun doch seine Verbündeten und die Wahren Familien kontaktieren. Er musste eine Armee ausheben, um gegen Damon vorzugehen. Allerdings beunruhigte es ihn, dass seine Schwester, die Königin, auf dem Weg zu Damon war. Was hatte sie vor? Um sein Leben würde die Schlange mit Sicherheit nicht verhandeln. Ihr Verhältnis war mehr als angespannt.

„Hörst du mir zu?", fragte sie zurück. „Sam ist ein lebender Klumpen Hass und Wut. Ich hab keine Ahnung, ob es einen Grund für seinen Wunsch gibt, alle einfach auszurotten. Er denkt seltsam. Die Hälfte der Zeit habe ich nicht mal kapiert, was er gerade dachte. Er ist ziemlich instinktgeprägt." Sie trank den letzten Schluck ihres Kaffees. „Ist wohl bei allen Werwölfen so."

Offensichtlich hatte sie nicht das erste Mal von Werwölfen geträumt. „Was will die Königin?"

Sie zuckte mit den Schultern und lehnte sich satt auf dem Sofa zurück. „Ich weiß es nicht, aber Damon ist wohl ziemlich gut gerüstet. Falls die Königin nicht seinen Plänen zustimmt, stehen die Werwölfe von Sam bereit."

Er kannte den Namen Sam nicht und auch von dem Werwolf hatte er noch nie etwas gehört. Allerdings hatte er bis eben auch nicht gewusst, dass Werwölfe sich menschliche Namen gaben. Für gewöhnlich gingen sich die beiden Rassen aus dem Weg, deshalb war ihm das vollkommen neu. „Wie... Damon hat sich mit einem Werwolf zusammengeschlossen?"

Sie zögerte einen Moment. „Offensichtlich. Ich hab keine Ahnung, wie es dazu kommen konnte, aber ich glaube, das hat eine Menge mit Sams Hass auf seine Familie zu tun."

„Seine Familie?" Das ging ihm einfach alles zu schnell.

„Das Rudel. Ich glaub, die meisten sind seine Familie. Und die hasst er. Er hasst allerdings eine Menge. Er kann auch Morgana nicht leiden, duldet sie aber weil... nun, sie ihm leid tut. Glaube ich", fügte sie leiser hinzu. Sie erschauderte kurz, als wolle sie ein kratziges Hemd abstreifen. Dann richtete sie sich auf. „Hast du die Polizei schon angerufen? Und weshalb liege ich eigentlich nicht in einem Krankenhaus?" Sie stellte die Tasse auf den Wagen und sah ihn an. „Ich meine, das ist doch vollkommen bescheuert, mich in ein Hotelzimmer zu stecken. Es ist noch so viel zu tun und jetzt muss ich auch noch erklären, weshalb ich von einem Hotel aus anrufe, statt in einem Krankenhaus aufzutauchen." Sie unterbrach sich. „Gott, tut mir leid. Ich weiß, dass das undankbar klingt. Mir wächst das bloß alles über den Kopf. Wie lange habe ich denn geschlafen?"

„Eine Woche ungefähr", antwortete er leise, um sich zur Ruhe zu zwingen. Doch als sie aufstand und langsam zum Telefon ging, brach seine Zurückhaltung auf und er riss ihr das Telefon aus der Hand, um es an der Wand zu zerschmettern. „Hast du deinen Verstand verloren, Grace?!" Er starrte sie an, während die Enttäuschung in seinen Gedärmen gärte und seine Wut anstachelte. Sie wollte ihn wirklich verlassen! Sie wollte einfach ihr Leben weiterleben, als habe sie ihn nie kennengelernt! Wie konnte sie nur? Er hatte geglaubt, dass sie ihn ebenso wenig verlieren wollte, wie er sie. Hatte sie ihn nicht deshalb operiert? Oder hatte sie wirklich nur so gehandelt, weil sie von ihm gerettet werden wollte? War sie so egoistisch? Er hatte geglaubt sie zu kennen und dass diese seltsame Anziehung auf Gegenseitigkeit beruhte. Doch sie schmiss das alles einfach weg und wollte nach Afrika! Das ging ihm über den Verstand, während seine Instinkte in ihm schrien sie einfach zu nehmen und wegzusperren, damit sie ihn niemals verlassen konnte. Doch das konnte er ihr nicht sagen. Stattdessen schleuderte er ihr die Wahrheit ins Gesicht: „Was glaubst du, wird die Polizei denken, wenn du auftauchst? Im Haus der Fosters gibt es nicht einen Hinweis auf gewaltsames Eindringen oder eine weitere Person; keine DNA, nichts! Noch glauben die Polizisten an einen außenstehenden Täter, aber was denkst du, passiert, wenn du plötzlich quicklebendig auftauchst? Was willst du ihnen erzählen? Dass eine Frau über Monate hinweg jede Nacht ins Haus der Fosters gekommen war und mit ihrem Verstand gespielt hat? Und die auch noch eine Vampirin ist? Was werden sie tun? Du warst schon mal in der Klapse, Grace! Sie werden eins und eins zusammenzählen und dich schneller anklagen und einsperren, als du „Ich bin unschuldig" sagen kannst. Außerdem werden dann nicht nur die Bullen hinter dir her sein, sondern die ganze Dämonenwelt! Ich bin der Gott in der Vampirwelt, der grausame Schwarze Arkaios, und ich habe dich verschont! Sie werden genau das richtige denken, wenn sie davon erfahren, dass ich dich nicht umgebracht habe. Sie werden glauben, dass mir etwas an dir liegt und sie werden dich so lange jagen, bis sie dich in den Fingern haben, um mich zu erpressen. Du kannst nicht in dein altes Leben zurückkehren, Grace. Du bleibst bei mir!"





Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15 Teil 16 Teil 17


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz