Ist es Liebe? - Teil 2

Autor: Sara
veröffentlicht am: 27.08.2011


Grace hob die Hände vors Gesicht und schrie auf, doch seine Faust traf schon ihren Körper. Er sah nicht wo. Er sah gar nichts mehr außer dem Blut seiner Frau. Ihre toten Augen. Und das verrückte, kalte, dämonische Lächeln seiner Tochter. „Gott wollte das nicht!" Er schlug wieder zu. Traf sie irgendwo. „Gott würde so etwas nie wollen!" Unter seinen Fäusten gab ihr Körper nach. „Nur der Teufel könnte so etwas Grausames wollen! Du bist besessen! Nur ein böses Monster würde so etwas machen!"

Ihre Schreie waren schon lange verstummt, als er von seinem Nachbar von ihr fortgerissen wurde. „Nein", schrie er aufgebracht und kämpfte gegen ihn an. „Nein! Ich muss es verhindern! Sie ist böse! Ich muss verhindern, dass sie weitermacht! Sie muss brennen! Brennen!" Hysterisch und am Ende seiner Kräfte sah er, wie seine Tochter aus dem Raum geschleppt wurde, doch dann lächelte er plötzlich. Er war der einzig Arzt in der Nähe. Sie würde nicht überleben. Das Ding würde niemals überleben. Er hatte gewonnen. Schluchzend brach er zusammen und robbte zu seiner Frau, um seinen Kopf auf ihrem Schoß zu betten. Mit Tränen in den Augen und rasselnden Atem sah er auf und umfasste ihr liebliches Gesicht. Erst in diesem Augenblick bemerkte er das Lächeln auf ihren Lippen. Es war ein friedliches Lächeln. Im Moment ihres Todes hatte sie offensichtlich etwas Schönes gesehen. Doch was?

Plötzlich zog sich sein Magen schmerzhaft zusammen und er würgte trocken. Seine Tochter hatte auf ihrem Schoß gesessen. Genau vor ihren Augen. Mia hatte Grace angesehen, ihre Mörderin, und hatte gelächelt. Warum? Warum?!

Wie konnte sie beim Anblick des Bösen lächeln?

Er schnappte nach Luft, als das taube Gefühl in seinem Arm wieder einsetzte. Er wusste, was das diesmal bedeutete und umfasste das Gesicht seiner Frau fester. „Ich liebe dich", hauchte er heiser, als sein Herzschlag endgültig aussetzte.

*

Morganas Augen passten sich mit Leichtigkeit an die vollkommene Dunkelheit des Waldes an. Ihr Blick glitt durch die schwarzen Baumsilhouetten auf der Suche nach den kleinen, nahezu unsichtbaren Markierungen. Ein kleiner Leuchtpunkt zeigte ihr den Weg.

Sie war schon früher hier gewesen. Aber erst einmal. Ohne die Markierungen hätte sie den Weg niemals gefunden. Aber sie konnte auch niemanden fragen. Es war allein ihre Aufgabe. Ihr wurde die unglaubliche Ehre zuteil, diese Aufgabe zu übernehmen. Niemand außer ihr und ihrem Vater Damon wusste davon.

Sie schulterte das halbtote Mädchen neu und arrangierte das Gewicht auf ihrem eigenen schmalen Körper, bevor sie den Weg durch die Bäume beschritt. Sie lächelte, als das Mädchen wimmerte. Es war schade, dass sie das Mädchen abgeben musste, doch so schnell würde sie nicht an ein neues Opfer kommen.

Die Technologie des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts hatte auch die Welt der Vampire beeinflusst. Es war immer schwerer Menschen einfach verschwinden zu lassen. Sie waren irgendwo registriert und irgendjemand suchte sie immer. Leichen wurden in verlassenen Gräbern entdeckt oder in Waldgruben. So lange Morgana dafür sorgte, dass die Leichen keine auffälligen Merkmale aufwiesen, spielte es allerdings keine Rolle, ob sie gefunden wurden. Oder ob sie vermisst wurden.

Dieses Mädchen auf ihrer Schulter würde in jedem Fall nicht vermisst werden. Ihre Familie war bereits tot und niemand hatte in den sechs Wochen, die Morgana in ihrem Elternhaus verbracht hatte, überhaupt gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Die Familie von Grace Foster hatte sehr zurückgezogen gelebt. Religiöse Spinner, die sich nur von den eigenen Ernten aus ihren Ländereien ernährten und alles selbst herstellten. Grace war wahrscheinlich noch auf der Schule gewesen, doch niemand schien ihr Fehlen aufzufallen.

In ein paar Monaten würden natürlich die Ordnungsämter den Braten riechen und auftauchen, doch Morgana bezweifelte, ob überhaupt jemand in dem Chaos aus abgetrennten Gliedmaßen das Fehlen einer Tochter bemerken würde. Grace hatte elf fast nur ältere Geschwister. Es waren wundervolle sechs Wochen in diesem Haus gewesen. Zuerst roch es noch nach Plätzchen und frischer Wäsche, aber mit der Zeit roch es nur noch nach Blut, Angst, Schweiß und menschlichen Ausscheidungen.

Morgana schnalzte entzückt und begann zu summen. Das Mädchen hatte rapide abgenommen in den letzten Wochen und ihr Gewicht hopste bei jedem Schritt auf Morganas Schulter. Automatisch begann sie sie zu singen. „Jump, jump. The Dad Mac will make ya... Jump, jump... The Daddy Mac will make ya... Jump Jump! Kris Kross will make ya... Jump Jump!" Sie lachte entzückt, als das Mädchen auf ihren Schultern zum Takt hüpfte. Bei jedem Hüpfen bohrte sich ihr Magen in Morganas stahlharter Schulter. Grace würgte und kotze Luft. Dabei tropfte ihr dickflüssiger Speichel in ihre Nase.

Grace kotze eine Menge, stellte Morgana für sich fest. Sie hatte auch gekotzt, als Morgana mit der Psyche ihres Vaters spielte.

Ein paar Vampire hatten Kräfte, die über das leichte Beeinflussen der Erinnerung nach dem Trinken hinaus gingen. Morgana gehörte zu den wenigen, die durch eine einfache Berührung an der Schläfe einen Menschen zu einem Sklaven machen konnte. Bisher hatte Morgana immer gedacht, dass diese Kraft unmöglich zu widerstehen sei, doch Grace hatte nicht einen der Befehle ausgeführt, die Morgana an sie gerichtet hatte. Wahrscheinlich lebte sie deshalb noch. Das Spiel war so viel interessanter gewesen, weil sie sich wehrte. Morgana hatte Grace schließlich sogar fesseln müssen. Es war wie in den alten Zeiten, als Morgana ihre Kräfte noch nicht beherrschen konnte. Es gab der Folter einen gewissen Kick.

Auch wenn das Erlebnis verstörend gewesen war. Morgana lebte nun schon seit über dreihundert Jahren. Sie war schon lange erwachsen in den Augen der Gemeinschaft, sogar schon einigermaßen alt. Trotzdem hatte sie noch nie erlebt, dass sich jemand gegen ihre Kräfte wehren konnte. Doch dieses Mädchen hatte sich gewehrt. Sie hatte alles mitbekommen. Sie hatte alles gesehen.

Ihrer irritierend hellblauen Augen hatten mit angesehen, wie Morgana ihren Vater dazu brachte seine Kinder zu vergewaltigen. Und ihn dann dazu brachte seine eigene Hand zu essen, während ihre Mutter stumm, aber bei Bewusstsein die Vergewaltigungen durch ihre Söhne erleben musste. Morgana hatte Grace nur zusehen lassen. Jetzt bereute sie das verschwendete Potential. Zumindest hatte sie das Mädchen ein bisschen gefoltert. Obwohl es fast langweilig anzusehen war, wie wenig sie noch zuckte, als Morgana schließlich den Besenstiel sinken ließ und das köstliche Blut betrachtete, dass aus ihrem Unterleib floss.

Die Wunden waren nicht tödlich, aber sie würde nie Kinder bekommen können. Morgana lächelte grausam. Nun, das Mädchen würde so oder so nicht überleben, also waren Kinder bestimmt nicht ihr erster Gedanke. Außerdem aß sie schon seit einer Weile nichts mehr. Sie wollte sich wohl zu Tode hungern, hatte Morgana gedacht und dann war ihr ihre ehrenvolle Aufgabe wieder eingefallen. Der Schwarze Arkaios würde auch verhungern, wenn sie sich nicht um ihn kümmerte.

Leichtfüßig umrundete sie einen morschen Stamm und suchte nach neuen Markierungen auf dem Waldboden. Sie fand eine und setzte den Weg fort. Morgana interessierte sich eigentlich nicht für Politik. Es änderte sich sowieso selten etwas, also spielte es in ihrem ewigen Leben auch nur eine untergeordnete Rolle. Aber diese Aufgabe hatte direkt mit Politik zu tun, deshalb hatte sie sich erkundigt. Die Situation in Amerika hatte sich nach dem Tod des amerikanischen Arkaios - Niom - verändert.

Niom war einer der wenigen, die über tausend Jahre alt waren. Nur die Wahren Familien in Europa waren noch älter. Niom hatte schon vor gut zweihundert Jahren das Regime und den Titel des Ältesten, also des Arkaios in Amerika, an sich gerissen und regierte den neuen Kontinent. Der Titel eines Arkaios war wie ein Königstitel. Man hatte ein Reich, einen Machtbereich, eine Armee. Man konnte tun und lassen, was man wollte, denn man hatte alle Mächte der Welt hinter sich. Doch es gab eine Ausnahme: Es gab einen Arkaios, der kein Reich hatte und trotzdem diesen unglaublich begehrten Titel.

Niom hatte den richtigen Augenblick gefunden, seinen Wunsch den Wahren Familien anzutragen, Nordamerika zu beherrschen. Er war ein charmanter Vampir mit viel Klasse und stand voll hinter der alten Ordnung. So wie die Wahren Familien in Europa. Doch er starb durch die Hand von Damon, einem aufstrebenden Vampir aus unbekannter Herkunft. Natürlich gab es keine Beweise; nicht einmal eine Ahnung, wer der Mörder war. Dazu war Damon zu klug.

Morgana lächelte bei der Erinnerung an die vielen Grausamkeiten, die Morgana mit ihren Vater, Damon, während der vielen Kriege in Europa und Amerika begangen hatte. Damon war ihr immer ein guter Beschützer gewesen und ein Vater, der ihr vieles gelehrt hatte. Doch Damon hatte schon vor langer Zeit das Interesse an ihr verloren und wendete sich der Politik zu. Er war noch jung, kaum siebenhundert Jahre alt. Trotzdem fand er viele Anhänger bei seinem Wunsch die alten Zeiten einzuläuten.

Die Menschen glaubten nicht mehr an Vampire und Übernatürliches. Es war ihre Zeit zuzuschlagen. Niom hatte diesem Wunsch immer entgegengestanden und sich gewehrt. Die alte Ordnung war Teil seiner Legitimation, denn eigentlich war er viel zu jung, um König zu sein. Nur seine unbedingte Unterstützung der Wahren Familien und ihrer Tradition hatten ihn schnell aufsteigen lassen. Niom wollte weiterhin, dass die Vampire ihr klägliches Schattendasein führten und niemandem auffielen. Dabei gab es schon lange genug Vampire, um die Menschen zu versklaven. Sie hätten mit ihren lächerlichen Schießeisen nicht die geringste Chance.

Nach Nioms plötzlichem „Unfalltod" hatten die Wahren Familien ihr ältestes Mitglied geschickt, um einen Nachfolger für Amerika zu finden. Der Schwarze Arkaios, Alec Slaughter, kam vor zwei Jahren in die Vereinigten Staaten, um die Nachfolge zu regeln. Er war der einzige Arkaios, der über kein Land regierte. Er war die Ausnahme, denn er war der älteste und mächtigste von allen. Er war die Kontrolle für all die Arkaios, die sonst nicht kontrolliert werden konnten. Es war seine Aufgabe für einen Nachfolger zu sorgen.

Vampire starben selten, deshalb waren diese Situationen immer besonders heikel. Damon glaubte damals noch, er sei in den Augen des Schwarzen Arkaios ein geeigneter Kandidat. Doch das war er nicht. Natürlich nicht. In Europa hielt man immer noch an den alten Bräuchen fest, lebte nach einer Tradition, die vorgab sich selbst zu verstecken.

Damon hatte dafür gekämpft, dass sie sich offen zeigen konnten und nicht mehr kleine, heimliche, magere Schlücke aus Kehlen nehmen durften oder aus kalten Blutkonserven trinken mussten. Doch seine Position war noch zu unsicher. Deshalb musste Morgana weiterhin ihre Leichen präparieren und dafür sorgen, dass keine allzu eindeutigen Beweise hinterlassen wurden.

Als Damon als Kandidat ausschied, hielt die Welt der Vampire die Luft an. Alle wussten, wie groß Damons Macht war. Er hatte zwar auf dem Alten Kontinent keine Chance bei einem Kräftemessen mit den Alten Familien, aber er hatte seine Zeit gut genutzt im abgelegenen und uninteressanten Amerika. Seine Armee aus Kindern und Enkeln war gewaltig und alle warteten auf den nächsten Schritt. Doch Damon tat nichts.

Er respektierte die Meinung des Ältesten Alec, dem Schwarzen Arkaios. Zumindest nach Außen hin. Morgana hatte erst von Damons Plänen erfahren, als er sie mit der Aufgabe betraute, den Schwarzen Arkaios zu füttern. Damon hatte Alec entführen lassen und forderte im Austausch mit seinem Leib die Macht über Amerika. Doch die Wahren Familien weigerten sich.

Der Zuspruch der Macht an Damon wäre unabänderlich und ewig. Eine allumfassende, abgesegnete und vollkommene Diktatur, die unantastbar war. Niemand durfte ihn in Frage stellen. Niemand durfte ihn angreifen ohne einen Krieg zwischen den Mächten anzuzetteln. Die Wahren Familien weigerten sich diese Machtposition, den Titel des Arkaios über Amerika, zu verschenken.

Seither hielt Damon den Schwarzen Alec gefangen und blieb der ungekrönte Arkaios der Neuen Welt. Die Wahren Familien griffen ihn nicht an, solange Damon den Ältesten Alec in seiner Gewalt hatte, doch seine Position war nur so lange sicher, wie er sich an die Regeln hielt. Der Tod des Schwarzen Arkaios sollte zwar verhindert werden, aber wenn Damon ihre wahre Natur preisgab und die Vampire zu Herrschern über die Menschen erhob, würden die Familien eingreifen. Der Tod ihres Ältesten, des wahren Arkaios, des Schwarzen Alec, würden sie dann in Kauf nehmen. Deshalb hielten sich alle bedeckt.

Die Pattsituation war für Damon eine Qual und auch seine Anhänger wurden immer missmutiger. Die Aussicht auf die Rückkehr zu den Alten Zeiten, in denen Blut, Chaos und Krieg geherrscht hatte, war nie eingetreten. Doch Damon konnte nicht handeln. Niemand konnte handeln. Zwei Jahre lang lebten die Vampire selbst unter Damons Hand wie die Schattengestalten in Europa.

Doch niemand stellte Damon in Frage. Sie wussten, dass die Zeit für sie arbeitete. Alec, der Schwarze Arkaios, war das mächtigste Mitglied der Wahren Familien. Selbst seine Schwester, die Königin über Europa, hatte nur den Bruchteil seiner Macht. In Europa bröckelte langsam das System vor sich hin. Vampire erhoben sich überall gegen die Familien und schlossen sich Damon an. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Familien einknickten und ihren Herrscher, Alec, zurück haben wollten. Er würde das Chaos in Europa beenden und wieder für Frieden sorgen. Amerika wäre nur ein kleiner Preis.

Doch noch hielten die Familien das Chaos im Zaum. Noch war nichts entschieden und wenn Morgana den Schwarzen Arkaios verhungern ließ, würde das Chaos ausbrechen.

Morgana stolperte fast, als sie den Bunker erreichte. Es war nur eine verdreckte, überwucherte Betonplatte im Waldboden, die nur für das geschulte Auge sichtbar war. Den Bunker an sich gab es schon seit den sechziger Jahren - wahrscheinlich. Er hatte wohl für einen Atombombenanschlag als Schutzraum dienen sollen. Natürlich hatten die Vampire den Bunkerraum vor langer Zeit modernisiert. Es hatte ursprünglich nicht als Gefängnis für Alec dienen sollen, sondern als Folterkammer. Doch als der Zweck verändert wurde, verschwanden nach und nach alle Vampire, die von diesem Bunkerloch wussten. Bauunterlagen und Besitzurkunden vom Land verschwanden und selbst der Wald wurde zu einem öffentlichen Naturschutzpark deklariert, damit niemand den Aufenthaltsort des Schwarzen Arkaios erfuhr. Nur Morgana und Damon wussten schließlich noch davon.

Dies alles geschah lange bevor Damon Alec entführte. Zu dem Zeitpunkt glaubte Alec noch, dass Damon sich seinen Bestimmungen fügte und die Macht nicht gewaltsam an sich reißen wollte. Dummer, dummer Alec.

Morgana schmiss das Mädchen neben den Eingang und öffnete langsam das erste Tor zur Druckkabine. Das Stahltor wog eine gute Tonne, doch für Morgana war es nicht mehr als ein Fliegenschiss. Sie beugte sich vor und tastete in dem Innenraum nach der Codebox, bevor sie verharrte. „Sieben neun acht fünf?", sann sie laut nach. „Oder sieben neun fünf acht?" Sie zuckte mit den Schultern und tippte beides ein. Dann erstarrte sie. Nein, so dumm würde sie nicht sein.

Sie drehte sich zu dem Mädchen um und schlug ihr in die Seite. Das Gesicht des Mädchens lag im Dreck, doch Morgana wusste, dass sie die Augen geschlossen hatte. Sie zuckte nicht einmal, als ihre Rippe brach. Sie würde mit Sicherheit den Code nicht gehört haben. - Und selbst wenn: Man konnte die Tür nur von außen öffnen. Zumindest war dies der Fall, wenn man ein einfacher Mensch war. Trotzdem beobachtete Morgana das Mädchen noch eine Weile. Es war seltsam, aber Morgana hatte so etwas noch nie in ihrem Leben gesehen. Sie wusste, dass es Menschen gab, die bei stundenlanger, ewiger Folter irgendwann nicht mehr reagierten und sich in sich selbst zurückzogen, doch dieses Mädchen war irgendwie anders.

Es war schließlich nur ein kleines Mädchen und trotzdem hatte sie bei vollem Bewusstsein mit angesehen, wie vor ihren Augen ihre geliebte Familie gefoltert und umgebracht wurde, und hatte gleichzeitig ihren eigenen Körper scheinbar verlassen. Sie war dagewesen, aber sie hatte einfach nicht reagiert. Morgana fragte sich, ob sie überhaupt etwas von der mentalen und psychischen Folter mitbekommen hatte. Aber dann erinnerte sie sich wieder an ihre hasserfüllten Augen und den mörderischen Ausdruck in ihnen. Trotzdem... Das Mädchen war offensichtlich schon vorher nicht richtig im Kopf gewesen.

Die innere Tür zischte bei dem plötzlichen Druckabfall und öffnete sich. Stinkige Luft und der Geruch von Verwesung schlug ihr entgegen und sie atmete tief ein. Ein wundervoller Duft. Der Duft von Tod und Verzweiflung. Einen Augenblick lauschte sie und versuchte zu hören, ob der Schwarze Prinz noch lebte. Tatsächlich hörte sie nach einer Weile das summende Murmeln eines verrückten, verhungernden Vampirs. Er sprach eine fremde Sprache, doch das kannte sie schon von anderen Begegnungen mit den Arkaios. Die richtig Alten sprachen gerne ihr totes Altgriechisch oder Latein.

„Fresschen", rief sie nach unten und schulterte dann das Mädchen. Das Loch war gute zehn Meter tief, deshalb verharrte sie einen Augenblick, bis sie das Platschen von brechenden Knochen auf dem versilberten Boden hörte. Sie lächelte und schloss die Türen. Jetzt hatte sie gute zwanzig Monate, vielleicht ein bisschen weniger, bis sie wieder an diese leidige Aufgabe denken musste.

Sie streckte sich und dachte an das zuckersüße, frisch verliebte Pärchen, das ihr im nahegelegenen Coffeeshop aufgefallen war. Liebe war eine wunderbare Folter; es brachte die Männer so herrlich zum Winseln, wenn man die Frauen langsam bei lebendigem Leibe auseinander nahm. Vor ihren Augen. Während sie nichts, rein gar nichts dagegen unternehmen konnten.





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