Der Brief

Autor: Moho
veröffentlicht am: 22.01.2004




... Du bekommst einen Brief von mir, mal ganz altmodisch, per Post, langsam...
handgeschrieben. Mit Absicht. Wir kennen uns zwar hauptsächlich nur online, aber das soll Dir das Gefühl vermitteln, dass auch ich ein lebendes, denkendes Wesen bin, lebe, atme. Lache. Und weine.Solltest Du ein Problem damit haben, meine Schrift lesen zu können, meld Dich einfach, ich hab eine Version davon abgetippt aufm Rechner, kann ich Dir jederzeit schicken. Versuchs erst mal so, so schrecklich schreib ich auch nicht. Und, bitte, tu mir den Gefallen, lies den Brief ganz.
Sagt Dir der 26.10.99 was? Ok, hab ich auch kein Problem, würde mir auch nichts sagen. An diesem Tag haben wir uns kennen gelernt, in irgendeinem Chatraum, ist auch egal. Damals hast Du mir ein Bild von Dir geschickt, schwarzweiß. Ich kenn ne Menge hübsche Frauen und Du schießt nicht grade den Vogel ab.

Das war jetzt beleidigend, sorry. Jetzt hab ich grad ne Pause machen und überlegen müssen. Also sag ich’s bzw. schreibs: Passt Dir meine Ausdrucksweise nicht? Ich möchte nichts beschönigen, nichts vertuschen, nichts hochhalten oder auslassen. Ich weiß noch, wir haben am Abend des 10. telefoniert, Du sagtest zu mir 'Dann red halt jetzt, sag mir, was Du fühlst'. Das möchte ich mit diesem Brief tun. Lass mich bitte so schreiben, wie ich denke und fühle, ich meins nicht böse und möchte Dich nicht brüskieren.

Soweit dazu. Als ich Dein Bild jedoch gesehen hab, war ich erst mal hin und weg von Deinen Augen. So gutmütig irgendwie und traurig, so sanft. Ich war nicht verliebt oder so, meine Güte, ich mach Bekanntschaften und verlier sie wieder... meine Buddyliste ist voll davon. Teilweise haben wir uns zwischendrin ein halbes Jahr nicht gesehen, glaub ich... ich müsste nachsehen, aber ich will hier nicht mit irgendeiner schwachsinnigen Perfektion glänzen, ich mach das hier ausm Gedächtnis.Das Gedächtnis. Ich erinnere mich dran, mich glänzend mit Dir unterhalten zu haben, über Gott und die Welt... so was hab ich selten. Nach wie vor stand mein Grundsatz, nie mit jemandem zu telefonieren, den man online kennen gelernt hat. Du warst die einzige Ausnahme. Oder, um im zeitlichen Rahmen zu bleiben: Du solltest die einzige Ausnahme werden.

Ach ja. Deine Handynummer wollte ich unbedingt. Ich wollte öfters mit Dir chatten, und wie spricht man sich besser ab als übers Handy, kurze sms? Weißt ja selber, funzt ziemlich gut. Ach ja. Das war auch ein Grund, Du hast mich ein paar mal, wie wir uns per Mail zum Chatten verabredet haben, sitzen lassen... ich wollte, dass das reibungsloser läuft.

Naja, wir chatteten öfters, schrieben uns sms... dann kam das Treffen in Nürnberg, das nie stattfand... irgendwann schafften wir’s dann, dass wir uns bei Dir trafen, wow. So. Und irgendwann zwischen diesen ersten sms und nach dem Treffen bei Dir (weißt Du noch? An dem Sonntag, an dem ich heimgefahren bin, ich war noch nicht mal daheim, schrieb ich Dir 'Ich vermiss Dich jetzt schon') machte es tierisch ZACK bei mir. Nein, das ist falsch, war ein schleichender Prozess, ich vermisste plötzlich Deine Gegenwart. Ich wollte Dich treffen, klar, jemand, der 'Always' von Bon Jovi hört, kann kein schlechter Mensch sein. Doch ich war überwältigt, hatte nicht damit gerechnet, so jemanden zu treffen, jemand, der eine Hummel nicht totschlägt sondern ihr zum Fenster raushilft. Jemand, der eine Freundschaft pflegt wie ich sie so eng wie zwischen dir und Hanna (sorry ich hab die Namen verändert, pers.Anm.) noch nie gesehen hab. So unglaublich schöne Bilder malt und es für selbstverständlich hält. Angst hat, links abzubiegen. Angst auf großen Plätzen. Nicht ohne sein kleines Lieblingskissen auskommt. Das waren meine Eindrücke von Dir. Du hast große Angst, und doch ist Dein Herz groß genug, lässt jemanden im Prinzip wildfremden bei Dir übernachten.

Ich verrohe. Weißt Du, durch meinen Beruf baue ich Beziehungen zu den Leuten auf, mit der Zeit. Kenne einige persönlich, gehe hin und wieder mit ihnen weg. Doch ich habe kein Problem damit, sie bei der nächsten Gelegenheit über den Tisch zu ziehen. Es macht mir nichts mehr aus, das ist mein Beruf. Doch dann lernte ich Dich kennen, und Du schienst mir so anders zu sein. Ich weiß nicht, wie ich es anders beschreiben soll. Du warst gut. In demselben Maße, wie ich weiß, dass ich ein schlechter Mensch bin, bist Du gut. Das ist es, was Du für mich verkörpert hast, ein Gefühl, dass Du etwas bist was ich schon lange verloren habe. Aufgegeben. Und darum mochte ich Dich.Und darum verliebte ich mich in Dich.

Vielleicht rede ich hier was schön. Mir ist klar, nach einem Mal treffen, zweimal gesehen, kennt man eine Person noch nicht. Wie auch. Wenn ich würfle, ist nur eine Seite des Würfels oben, zwei oder drei kann man flüchtig sehen, erahnen, der Rest ist unten und kommt erst beim nächsten Wurf zum Vorschein. Deine Arme sprechen Bände, flüstern Geschichten in den Wind, flüchtig hörbar für aufmerksame Zuhörer, von anderen Zeiten, als eine andere Seite des Würfels oben lag.Was nach unserem zweiten Treffen kam tut mir einfach nur noch weh. Die Wochenenden waren oder sind besonders schlimm, an denen kann ich mich nicht ablenken. Zwei Höhepunkte gab’s noch, einer an dem Abend, an dem Dein neuer Freund ans Telefon ging. Das war’s für mich, der absolute Tiefpunkt. Ich dachte, Du hättest ihm das alles erzählt und er hätte beschlossen, mich für Dich loszuwerden. Quasi, dass Du nicht für Dich selbst sprechen kannst.Eine Woche später, am Samstag Abend, ich wollte nichts mehr sehen und hören, nur noch in der warmen Decke des Vergessens einschlafen, nicht mehr denken. Ich habe noch nie so viel Alkohol getrunken. Es half für ein paar Stunden. Schließlich war ich zu kaputt um noch länger wach zu bleiben.

So. Jetzt ist es fast einen Monat her und tut noch genauso weh wie am ersten Tag. Wie geht’s nun weiter? Das ist eine Entscheidung, die nur Du alleine treffen kannst. Du weißt, ich mag Dich, nach wie vor. Ich wollte Dir nie, nie irgendwelchen Kummer oder Schmerzen bereiten, wenn es Dir besser geht, dann vergiss diesen Brief und mich ganz einfach, ich komm schon klar. Nein, das stimmt nicht ist nicht wahr aber für Dich würde ich es gerne wahr machen.Es wird wohl nie mehr so werden wie früher. Oder? Warum musste ich Tölpel dir auch erzählen wie sehr ich Dich mag. Ich habe Angst davor, eine Antwort auf diesen Brief zu bekommen. Kennst Du das? So große Angst vor einer negativen Antwort zu haben, dass Du die Frage gar nicht stellst? So fühle ich mich. Ich habe Angst davor, plötzlich nicht mehr mit Dir befreundet zu sein. Einfach so, Bamm, das war’s. An manchen Tagen stelle ich mir die Frage, was ich denn getan habe, dass das alles so schief läuft.

So. Und das ist es. Meine Gedanken, meine Gefühle. Ich bin kein so schneller Denker, ich hätte das nie am Telefon sagen oder per Tele schreiben können. Ich wollte es ganz machen, nichts auslassen.Eine Bitte noch. Antworte. Egal wie. Du kennst jetzt meinen Blickpunkt, lass mich sehen, wie das alles aus Deinen Augen ausgesehen hat. Ich möchte nicht ausschließen, dass ich völlig daneben gelegen bin, aber sag’s mir dann bitte. Ich möchte nicht, dass wir wie zwei Fremde auseinandergehen. Ich habe Dir in diesem Brief mein Herz ausgeschüttet, bitte lass es nicht sinnlos gewesen sein.
Ich mag Dich und werde immer für Dich da sein.









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