In meinem Herzen - Teil 4

Autor: Joy
veröffentlicht am: 30.08.2011


Es war uns einfach nicht gegönnt. Es war zu perfekt. Aber wieso gerade er? Wieso wir?
Nein. Ich konnte und wollte es nicht glauben! Alles wird wieder gut! Das ist ein Fehler! Nur ein Fehler!
Ich machte mir selber etwas vor. Ich hatte es schwarz auf weiß. Oliver hatte einen Tumor im Kopf. Und das schon seit einem halben Jahr.
Meine Beine versagten und ich fiel auf den Boden. Ich legte mein Gesicht in meine Knie und weinte. Ich konnte nicht mehr aufhören. Ich hämmerte auf den Boden und schrie. Ich konnte nicht beschreiben, was ich in diesem Moment fühlte.
Die Tränen fühlten sich wie Feuer auf meiner Wange an.
Die Schreie die ich ausstieß, zerfetzten meinen Hals.
Jeder Atemzug fühlte sich wie mein letzter an.
Ich konnte nicht denken.
Nichts.
Leere.
Wieso? Wieso? Wieso? Wieso?
Ich hämmerte immer wieder auf den Boden.
Warum er? Warum jetzt? Warum?
„Hey! Hey Jenncy! Ruhig! Alles ist gut!” Oliver war gekommen. Er hielt mich fest. Hielt meine Arme. Lies mich nicht los.
„Wieso Oliver? Wieso?“
„Jenncy...jetzt beruhige dich bitte erst einmal! Setz dich und ich erkläre dir alles…bitte höre auf zu weinen…“ flehte Oliver mich an.
„Nein! Nein!“
Ohne etwas zu sagen fasste er mich an der Hüfte und zog mich hoch. Mit wackligen Beinen setzte ich mich auf die Couch.
„Oliver wieso?“ weinte ich.
„Meine Kopfschmerzen wurden immer schlimmer und schlimmer. Dann entschloss ich mich, zum Arzt zu gehen. Vor zwei Wochen bekam ich den Brief.“
Meine Tränen liefen mir die Wange herunter. Sie plätscherten auf den Boden und jeder einzelne hörte sich wie ein hämmern an.
„Ich habe natürlich sofort angefangen, eine Chemotherapie zu machen. Gestern war ich beim Arzt und er sagte zu mir, dass es nichts mehr helfe. Es würde nur ungefähr einen Monat heraus zögern.“


Es war bis jetzt der schlimmste Tag, den ich je hatte. Wie viel und wie lange ich alleine geweint habe. Ich stellte mir selber so viele Fragen, aber bekam keine Antwort auf eine. Er wollte keine Chemotherapie machen. Die Zeit die er jetzt noch haben wird, wollte er nicht im Krankenhaus verbringen. Er wollte mich trotzdem heiraten, was nur ein kleiner Trost von alldem war.

„Lass uns wegfahren! Sofort Jenncy! Ich möchte ans Meer, in die Berge, in den Schnee, “ er sprach mit soviel Begeisterung.
„Das ist doch nicht dein Ernst Oliver? Wie…wie kannst du an so etwas denken? Wir…wir müssen zu deinen Eltern, zu unseren Freunden…“ ich sprach mit so leise und man hörte keinen schönen Ton, indem was ich sagte.
„Nein. Es wird niemand erfahren. Niemand!“
Meine Augen wurden klein und meine Stirn runzelte sich.
„Was? Du möchtest deinen Eltern nicht sagen, dass du nur noch ein paar Wochen zu leben hast?!“
„Nein Jenncy das möchte ich nicht! Mein einziger Wunsch ist, dass ich mit dir, mit dir ganz alleine an die schönsten Orte dieser Welt fahre und dich zu meiner Frau nehme!“ schrie Oliver.
Ich wollte weinen. Doch konnte nicht. Ich schaute Mimiklos in die Leere.
Oliver stand auf, setzte sich neben mich und legte seinen Kopf auf meine Schultern.
„Jenncy…du bist alles was ich will! Ich liebe dich so sehr.“
„Aber…aber du tust so, als wenn es etwas ganz normales wäre.“
„Nein…das tue ich nicht. Es sieht nur so aus. Doch innerlich, bin ich schon tot. Was mich noch am Leben hält bist du.“
Ich stand auf, ging ins Schlafzimmer und packte meinen Koffer.
„Was machst du da, Jenncy?“
„Ich packe. Du möchtest weg, also fahren wir weg.“
Ein kleines Lächeln war bei ihm zu sehen. Er gab mir einen liebevollen Kuss, wobei mir eine Träne herunter lief. Er legte seinen Hand auf meine Wange, oh…wie das brannte. Wenn ich ihn anschaute, sah ich immer noch die Freude am Leben. Warum?
Wir packten nicht sehr viel ein. Zusammen hatten wir nur einen Koffer. Wir wollten nicht so viel mit uns herum schleppen. Wir wollten einfach nur uns.
Als ich fertig gepackt habe, legte ich mich ins Bett und grub mein Gesicht in Olivers Kissen. Ich dachte jetzt schon darüber nach, wie ich seinen Geruch vermissen würde.
Wie sollte ich ohne ihn leben? Schon wieder fing ich an zu weinen.
„Komm, “ rief Oliver zu mir.
„Wohin?“ schluchzte ich.
„Los fahren. Ich möchte gleich heute los! Sofort! Bitte Jenncy.“
Wie konnte man auch zu diesem Mann nein sagen?
Ich stand auf, holte tief Luft und schloss die Tür.
Welt, hier bin ich. Mit Oliver. Aber nicht mehr lange. Ich werde alleine sein.
Niemand wird jemals wissen, wie es in mir aussieht. Wie ich mich fühle.
Man sieht mich weinen. Hört mich fluchen. Man wird mich trösten und vielleicht auch mit mir weinen. Aber trotzdem wird niemals jemand wissen, wie ich mich wirklich fühle. Denn so viel Schmerz, wie ich empfand, kann man nicht ausdrücken oder in Worten zusammen fassen.






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