Lieben ohne Worte - Teil 13

Autor: Noa
veröffentlicht am: 02.11.2011


Kapitel 13

Page schaute mich misstrauisch an. Sie wusste es. Sie hatte sich auch nicht verhört oder Halluzinationen gehabt, nein sie war sich absolut sicher, mein Kichern gehört zu haben. Wie dumm von mir! Aber natürlich war mir klar, dass das nicht ewig anhalten konnte. Irgendwann hätte ich einen Fehler gemacht. Jedoch kam er viel zu früh. Ich war überhaupt noch nicht bereit für so einen großen Schritt. Ich fasste an meine Stirn und musste laut Seufzen. Page kam mit schnellen Schritten beängstigend auf mich zugelaufen. Dann griff sie mein Handgelenk und zerrte mich die Treppen hinunter. Sie lief vom Block weg, an anderen vorbei, um viele Ecken und schließlich landeten wir in einem dunklen Gang. Vorsichtig schaute sie hinter sich und prüfte ob ihnen jemand gefolgt war. Aber die Nacht blieb ruhig und angenehm. Sie drehte sich zu mir um und warf mir einen giftigen Blick zu.
„Was soll das?“, fragte sie wütend.
Ich glitt an der Wand hinunter auf den Boden und warf meinen Hände über den Kopf.
„Es tut mir leid, Page.“, entschuldigte ich mich und sie zuckte zusammen, da sie immer noch das Gefühl hatte, ich wäre stumm. Selbst für Page war alles zu neu. Sie kam damit nicht klar, das merkte ich ihr sofort an.
„Wieso hast du uns alle so belogen? Treibst du das schon dein ganzes Leben lang?“, fragte sie verärgert.
„Nein!“, widerrief ich. „Erst seit ein paar Wochen konnte ich wieder sprechen. Es war an dem Abend, als wir uns das erste Mal begegnet sind. Da gab es eine Situation, wo ich jemanden retten wollte und einfach aus Angst seinen Namen schrie. Danach erlangte ich meine Stimme wieder.“
„Aber wieso hältst du das Geheim?“, fragte sie.
„Deswegen!“, rief ich und zeigte mit dem Finger auf sie. „Ich habe Angst, dass mich alle so ansehen, wie du es jetzt tust, als hätte ich alle belogen. Ich meine, was ist das schon für ein Wunder, wenn man sein ganzes Leben lang stumm bleibt und dann plötzlich wieder sprechen kann. Die ganzen Wochen tat ich nichts anderes als darüber nachzudenken. Irgendwann beschloss ich einfach weiterhin stumm zu bleiben. Bis zu diesem Moment.“
Page ging einige Male auf und ab, überlegte, grübelte und seufzte schwer, da ihr es selbst nicht einfach fiel. Sie konnte es nicht glauben, die Stimme von mir zu hören. Es war für sie ein völlig neuer Klang. Selbst mir kam es merkwürdig vor mich zu hören.
„Was nun?“, fragte sie.
„Ich weiß nicht. Du bist die erste Person, die davon erfahren hat. Du kannst es den anderen erzählen, aber dann würdest du mir nur das Leben schwer machen. Oder du tust einfach so, als sei ich weiterhin stumm. Irgendwann werde ich es meinem Vater beibringen und dann auch den anderen. Nur nicht jetzt. Das wäre ein Fehler, denke ich.“
Ich umschlang meine Beine und mir ging es in dem Moment ziemlich dreckig. So wie Page gerade reagiert hatte, würden alle reagieren, wahrscheinlich sogar Liam. Aber das wollte ich nicht. Er war schon sauer wegen der Sache mit Chantal, wenn er auch jetzt noch erfuhr, dass ich sprechen konnte, dann wäre die Freundschaft mit ihm vollkommen verloren.
Page seufzte und in dem Moment fühlte sie sich genauso wie ich damals. Als ich stundenlang wach lag und zu Sprechen übte. Anfangs hörte ich mich wie ein besoffener Affe an, der zu viel Alkohol im Blut hatte, aber nach wenigen Stunden konnte ich ganze Sätze sprechen ohne zu stammeln. Die darauffolgenden Nächte waren genauso schlimm. Ich konnte nicht schlafen, weil mich das Gefühl nicht losließ, nun normal zu sein. Meine eigene Stimme empfand ich als fremd und merkwürdig. Außer Selbstgespräche hatte es bis jetzt noch nichts anderes gegeben. Hoffentlich würde Page mein Geheimnis für sich behalten.
„Also gut. Ich werde nichts verraten. Ein wenig kann ich dich ja verstehen. Trotzdem gebe ich dir einen Monat. Bis dahin muss du endlich den anderen die Wahrheit sagen, sonst werde ich das für dich erledigen, okay?“
Ich seufzte erleichtert auf und nahm sie fest in den Arm.
„Danke, Page.“, murmelte ich zufrieden.
Nachdem sie mich losließ, blickte sie den Hang hinauf zum Häuserblock.
„Wollen wir doch mal sehen, ob unser Plan aufgegangen ist.“, grinste sie.
Ich nickte und lief ihr hinterher. Als wir ankamen, stand Chantal vollkommen überschüttet mit altem Wasser, das wir zusätzlich mit Kompostsaft der unten stand, vermischten. Sie stank fürchterlich und jeder hielt sich die Nase zu. Liam musste laut lachen und Freddy bekam sich nicht mehr ein.
„Chantal die Stinkbombe!“, rief er und rollte sich am Boden hin und her. Liam musste sich hinsetzen, um sich wieder einzukriegen und Chantals Blick war für mich ein Genuss. Sie war so wütend, aber sie wusste auch dass es unsere Idee gewesen war. Völlig wütend stampfte sie die Stufen hinab und ihre Freundinnen trotteten hinter ihr her, damit sie um Verzeihung bitten konnten.
„Als würde der Pool ihr was nützen. Sie würde immer noch stinken danach. Total eklig!“, meinte Freddy und Liam stimmte ihm nickend zu. Aber dann schaute er uns beide musternd an, als ob wir die Auslöser gewesen wären. Ich stupste Page mit dem Ellenbogen in die Seite und sie hörte auf zu kichern. Unschuldig machten wir uns aus den Staub und fingen im Zimmer erst richtig an zu lachen an. Es tat gut Chantal so leiden zu sehen, denn das geschieht ihr recht.
„Hast du gesehen wie sie geguckt hat? Also wenn die nicht gleich jemanden umbringt, dann weiß ich auch nicht.“, lachte ich.
Aber Page schreckte auf und schaute in den restlichen Zimmern nach, ob jemand da war. Sie seufzte erleichtert auf, als sie merkte, dass wir allein waren.
„Du musst aufpassen. Nur mit mir darfst du reden. Sonst wäre das Risiko zu hoch.“
Ich nickte und schluckte hinterher.
Page und ich setzten uns auf den Balkon und warteten bis Chantal wieder her kam. Ihre Freundinnen trotteten ihr immer noch hinterher und einige entschuldigten sich abermals. Als sie uns beide auf dem Balkon entdeckte, blieb sie stehen und warf uns so einen tödlichen Blick zu, dass ich eine Gänsehaut bekam. Aber Page zuckte mit den Schultern und kicherte leise. Chantal lief weiter bis in ihr Zimmer.
Nach einer Stunde waren wir immer noch allein und hatten uns sehr viel zu erzählen. Es tat gut endlich mit einer Person sprechen zu können und schief anguckt zu werden. So lernten auch Page und ich uns besser kennen. Als sie dann nach Sofia schauen wollte, da es ungemütlich war, das sie nicht ins Zimmer zurückkehrte, lag ich allein im Zimmer und schaute Fernsehen. Nach wenigen Minuten klopfte es an der Tür. Ich ignorierte es vorerst, da alle Mädels einen Schlüssel haben mussten. Aber dann wurde das Klopfen noch lauter. Ich stand genervt auf und öffnete die Tür. Chantal stand vor mir und ihr Blick war tödlich. Gerade als ich sie wieder zu machen wollte, hielt sie ihren Fuß dagegen und trat stampfend ein. Sie schubste mich zur Seite, sodass ich zu Boden fiel und schnappte nach meinen Haaren, aber ich trat ihr in den Bauch. Ich lief ins Wohnzimmer und wartete auf die nächste Reaktion ab. Sie lief auf mich zu und drückte mit beiden Händen meinen Hals zu. Ich versuchte nicht zu schreien, aber der Schmerz war zu extrem. Sie griff mit der anderen Hand meine Haare und schleifte mich hinter sich her. Ich wurde gegen die Wand geschleudert und erlitt furchtbare Schmerzen. Dann kam sie auf mich zu und trat mir mit Wucht in den Bauch. Ab da schrie ich leise auf. Sie schaute mich verdutzt an und grinste dann heimtückisch.
„Du kleine miese Lügnerin!“, murmelte sie und hob mich grob hoch. Dann schlug sie mit ihrer geballten Faust ins Gesicht. Erst dann reagierte ich und schubste sie gegen die Wand. Sie erlitt ebenfalls Kopfschmerzen und stürmte erneut auf mich los, bis wir zu nah am Balkon standen. Wir drückten uns mit denen Armen gegenseitig weg, zerrten uns am Boden und dieses Mal waren die Schreie deutlich zu hören. Es kamen einige aus ihren Zimmern und blickten nach oben, wo sie uns kämpfend sahen. Sogar Liam entdeckte mich. Er starrte auf meine blutige Nase und die blaue aufgeplatzte Lippe. Aber Chantal sah nicht besser aus.
„Holt mal jemand schnell Hilfe! Die spinnen doch!“, schrie einer der Jungs und ein Lehrer kam zu dem Geschehen. Von nun an versuchte ich wirklich mit aller Kraft den Schmerz zu unterdrücken, um bloß nicht vor allen aufzuschreien. Nach wenigen Sekunden war Liam verschwunden und tauchte bei uns im Zimmer auf. Die Tür knallte gegen Wand und er rannte los. Alles verlief so unglaublich schnell, Chantal verpasste mir erneut eine, sodass mein zweites Nasenloch blutete. Aber dafür hatte ich ihr ihren Nasenrücken gebrochen oder angeknackst. Liam kam aber zu spät, in dem Moment als er den Balkon betrat, sah ich ihm in die Augen und eine Träne kullerte mir die Wange herunter. Was machte ich da eigentlich? Dieser Kampf würde noch blutiger ausgehen, wenn keiner von uns beiden aufhörte. Aber es war zu spät um aufzuhören. Ich stand am Rand des Geländers und Chantal schubste mich absichtlich über die Kante, sodass ich einen Salto rückwärts machte und fiel. Ich sah in ihre rachedurstigen Augen und wusste, dass sie es liebte mich fallen zu sehen. Liam schoss gegen das Geländer und blickte nach unten, aber da lag ich schon, mit dem Gesicht auf der Wiese.






Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz